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ID0912704500

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    6. Simonis.: 1
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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Gerster, ich kann das nur bestätigen und hinzufügen, Sie hätten eigentlich meinen Namen auch noch in die Aufzählung aufnehmen können;

    (Zurufe von der SPD)

    denn auch ich stehe seit 20 Jahren im politischen
    Kampf, habe manche Narben davongetragen. Ich
    habe weder in der gleichen Weise zurückgeschlagen
    noch habe ich darauf verzichtet, meinen Dienst als Abgeordneter für unser Land zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, 80 % der Gesamtinvestitionen sind Investitionen der Privatwirtschaft. Steuererhöhungen würden in diesem großen privaten Sektor mehr Investitionen verhindern, als aus ihrem Aufkommen auf dem schmalen öffentlichen Sektor jemals zustande gebracht werden könnten. Das übersehen alle, die nach staatlichen Beschäftigungsprogrammen rufen, die sie durch Steuererhöhungen finanzieren möchten.
    Meine Damen und Herren, die Perspektive der 80er Jahre heißt nicht Neid, nicht Haß, nicht Niedertracht, sondern Partnerschaft und die Freisetzung der Produktivkräfte des deutschen Volkes. Das ist der erste und wichtigste Schritt zur Rückkehr zur Vollbeschäftigung und zum Schulden-stopp.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zum Schuldenstopp und zur Zurückgewinnung des verlorengegangenen finanziellen Handlungsspielraums müssen zwei Maßnahmen hinzukommen.
    Erstens ist das die Begrenzung der Transfer- und Sozialleistungen, die sich in den 70er Jahren vervierfacht haben, ohne daß damit soziale Not überall beseitigt worden wäre. In diesem Bereich geht es daher nicht mit dem Rasenmäher. Hier geht es um die Konzentration auf die wirklichen Stellen des Bedarfs. In einer Zeit, in der der Gemeinsinn bei vielen untergraben und die Arbeit der Interessenverbände perfekt ist — ich stelle das ohne Wertung fest —, erfordert diese erste große Reformaufgabe der 80er Jahre Zeit und noch mehr Klugheit und Kraft.
    Zum Schuldenstopp gehört ferner eine Begrenzung der Personalkosten der öffentlichen Hand, die sich in den 70er Jahren verdreifacht haben. 1,1 Millionen öffentliche Bedienstete wurden zusätzlich eingestellt. Der Bürger hört es mit Staunen, da unbeschadet dessen der Unterrichtsausfall an unseren Schulen nicht beseitigt und die bürokratischen Abläufe für den Bürger nicht beschleunigt worden sind. Das Gegenteil ist der Fall, was nicht die Schuld der Beamten, sondern die der regierenden Politiker ist, die bestimmen, was die Beamten zu tun haben und wie sie es zu tun haben.

    (Walther [SPD]: Unerträglich!)

    Auch im öffentlichen Dienst geht es bei dieser Sachlage wie im sozialen Bereich um eine Konzentration. Es geht um weniger öffentliche Aufgaben, um weniger öffentliche Vorschriften, um weniger Behörden- und Gerichtsinstanzen und dadurch um weniger Staatsdiener. Das zu erreichen, ist eine große Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Vor dem 6. März kann sie vorbereitet, aber nicht mehr in Angriff genommen werden. Für diese zweite große Reformaufgabe der 80er Jahre sagen wir dem Bundesminister des Innern schon jetzt unsere volle Unterstützung zu.



    Dr. Dregger
    Die neue mittelfristige Finanzplanung muß diese und andere politische Entscheidungen in ihre Prognosen einbeziehen können, da es ohne diese Entscheidungen eine Eingrenzung der astronomischen Staatsverschuldung, eine Wiedererlangung des verlorengegangenen finanziellen Handlungsspielraumes, den wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dringend brauchten, nicht geben kann. Der neue Finanzminister hat daher mit Recht darauf verzichtet, schon jetzt, wenige Wochen nach seiner Amtsübernahme, neben dem Nachtragshaushalt 1982 und dem Ergänzungshaushalt 1983 noch eine solche mittelfristige Finanzplanung für die kommenden Jahre vorzulegen. Das ist jetzt einfach nicht möglich. Das wird sobald wie möglich nach dem 6. März 1983 geschehen.

    (Walther [SPD]: Vorher!)

    Der Vorgänger Gerhard Stoltenbergs im Amt des Bundesfinanzministers, Herr Lahnstein, hat kürzlich erklärt, auch er hätte die von der neuen Bundesregierung vorgesehenen Kreditausweitungen nicht vermeiden können.

    (Walther [SPD]: Das ist sehr wahr!)

    Trotzdem gibt es bei den Haushaltsplänen Gerhard Stoltenbergs zwei Unterschiede zu den Haushaltsplänen der letzten Jahre. Erstens. Mit energischen, ja schmerzhaften Einsparungen wurde begonnen, und erste erfolgversprechende Investitionsanreize wurden in den Plan eingebaut. Zweitens, was noch wichtiger ist: Die Haushaltspläne Gerhard Stoltenbergs sind wahrhaftig, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Sie werden sich wundern, Herr Dregger! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Anders als in den letzten Jahren üblich, verschweigen sie keine erkennbaren Defizite. Die viel zu optimistischen Haushaltsentwürfe der alten Regierung hatten zur Folge, daß der Öffentlichkeit ein Verteilungsspielraum vorgegaukelt wurde, den es in Wirklichkeit nicht gab.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das alles mit Lambsdorff!)

    Das weckte Ansprüche, die dann in Nachtragshaushalten durch zusätzliche Schuldaufnahmen gedeckt wurden.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das alles mit den Prognosen von Lambsdorff!)

    All das waren Wohltaten auf Pump, auf Kosten der Zukunft, auf Kosten der jungen Generation. Mit dieser miserablen Haushaltspolitik der sozialdemokratischen Finanzminister hat Gerhard Stoltenberg Schluß gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen können diese wahrhaftigen Haushaltspläne auch nicht so schön aussehen, wie die Ihrigen zu Anfang, jedoch nicht mehr am Ende des Jahres aussahen.

    (Löffler [SPD]: Herr Dregger, mit dieser Bemerkung helfen Sie Ihrem Minister nicht! — Walther [SPD]: Dregger wird sich wundern! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Stocksolide, Herr Löffler, um einen Begriff aufzunehmen, den der letzte sozialdemokratische Finanzminister in bezug auf seinen Haushaltsentwurf zu Unrecht gebraucht hat, ist Gerhard Stoltenberg, und weil er stocksolide ist, sind auch seine Haushaltspläne stocksolide.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Ich bin bereit, ihm jederzeit mein Geld anzuvertrauen, und auch die Republik kann es ohne jede Sorge tun, meine Damen und Herren!

    (Beifall)

    Einen Mann dieser Solidität und dieser Sachkompetenz in dieser schwierigen Zeit in dem schweren und wichtigen Amt des Bundesfinanzministers zu haben, ist ein Glück — ein Glück für uns alle.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Neben Gerhard Stoltenberg trägt Norbert Blüm, der promovierte Opel-Arbeiter, wie ich ihn in der letzten Debatte genannt habe, die Hauptlast der Sanierungsaufgabe.

    (Walther [SPD]: Der Büttenredner!)

    — Mit Arbeitern haben Sie immer Schwierigkeiten, meine Damen und Herren der SPD. —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sein Vorschlag einer halbjährigen Atempause in der Sozial- und Lohnpolitik ist zwar von vielen kritisiert — was niemanden überraschen kann —, von der Mehrheit der Bevölkerung aber ebenso bestätigt worden wie vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

    (Walther [SPD]: Was hat der denn gelesen?)

    In seinem Sondergutachten heißt es unter Ziffer 41 — ich zitiere —:
    Das Kaufkraftargument in bezug auf Löhne wie auf Transfereinkommen und sonstige Staatsausgaben, ... krankt ... an der Vernachlässigung der Kostenseite. ... Zu hohe Forderungen an das Verteilbare verhindern, daß das Verteilbare überhaupt entsteht.
    So der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten.

    (Dr. Jens [SPD]: Und Ziffer 56?)

    Diesen Satz sollten sich diejenigen hinter den Spiegel stecken, denen das Wort von der Solidarität mit den Arbeitslosen so leicht von den Lippen geht, von denen im übrigen aber nur Schlagworte zu hören sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

    Statt uns mit Schlagworten zu traktieren, sollten wir gemeinsam überlegen, was in der Sozialpolitik noch möglich ist und was das Wichtigste in der Sozialpolitik ist. Das ist nach meiner Überzeugung nach wie vor die Absicherung der großen Lebensrisiken Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter. Wie schwer das in Zukunft sein wird, zeigt jede Untersu-



    Dr. Dregger
    chung der zunehmenden Alterslast in der Rentenversicherung oder der sprunghaft steigenden Kosten in der Krankenversicherung. Die künftige Beitragslast, die bei sinkenden Geburtenzahlen und bei einem gleichbleibenden Leistungsniveau auf die Versicherten zukommen wird, ist schwindelerregend. Wer in dieser Lage die Umstellung des BAföG vom Zuschuß- auf ein Darlehenssystem als soziale Demontage bezeichnet, hat ganz offensichtlich den Überblick verloren oder sich ihn bisher niemals verschafft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Ein anderer Gesichtspunkt gewinnt an Bedeutung. Nach Feststellung der Transfer-Enquetekommission sind 70 % der Steuerzahler zugleich Empfänger von Transferleistungen. Hat es Sinn, den Fleißigen immer mehr Geld wegzunehmen, um es ihnen danach, nach Abzug der nicht unerheblichen Kosten des Staatsapparates, verkürzt als Staatsleistung zurückzuzahlen? Hierzu ein Zitat aus jüngster Zeit:
    Richtig ist, daß die Sozialausgaben in ihrer Gesamtheit eine Dynamik entwickelt haben, die an geringeres Wirtschaftswachstum angepaßt werden muß ... Es wird nie gelingen ..., eine soziale Ausgewogenheit auf Heller und Pfennig herzustellen.
    Das ist ein Zitat aus der Haushaltsrede des letzten sozialdemokratischen Finanzministers. Wer hat nun recht: der jedenfalls nach Meinung des Altkanzlers sachverständige frühere sozialdemokratische Finanzminister oder die wohl weniger sachverständigen sozialdemokratischen Demontagerufer?
    Im krassen Gegensatz zum Demontagegeschrei steht auch, was der Altkanzler in der SPD-Fraktionssitzung am 10. Juni 1982 ausgeführt hat. Wir haben es schon einige Male gehört, aber man muß es immer wiederholen; es ist wichtig. Ich zitiere Herrn Schmidt:
    Wer mehr zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit tun will, muß tiefer in die Geld- und Sozialleistungen hineinschneiden.
    So Helmut Schmidt. Wenn das richtig ist, dann muß man doch jedem die Frage stellen: Was ist wichtiger: die Rückgewinnung der Vollbeschäftigung oder die Verteidigung des BAföG und anderer sogenannter sozialer Besitzstände?
    Der Appell Norbert Blüms zur halbjährigen Atempause in der Sozial- und Lohnpolitik muß sich auf alle Bereiche der Gesellschaft ausbreiten. Ich beglückwünsche den Hartmannbund, die Kassenärztliche Vereinigung,

    (Lachen und demonstrativer Beifall bei der SPD)

    ich beglückwünsche den Bauernverband, daß sie diesem Appell folgen wollen, wenn auch andere mitmachen. Ich begrüße einen Aufruf der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, füge aber hinzu: Es genügt nicht, das zu sagen, sondern sie müssen
    es jetzt auch machen. Es sind Taten notwendig und nicht nur Ankündigungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Massenarbeitslosigkeit und sozialer Rückschritt — das zweite folgt aus dem ersten — sind kein unabwendbares Schicksal. Unternehmer, Wissenschaftler und Ingenieure müssen jetzt daran arbeiten, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit auch auf den Gebieten wiederherzustellen, auf denen wir sie verloren haben. Das gilt für Spitzenleistungen in den Zukunftstechnologien ebenso wie für den Preiswettbewerb in den Serienprodukten. Dazu gehört, daß es in Zukunft nicht mehr lohnender ist, Geld in Staatspapieren oder im Ausland anzulegen, statt in Betrieben bei uns in Deutschland zu investieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu gehört drittens, daß wir endlich den Geldlohn durch einen Investiv- oder Vermögenslohn ergänzen — eine Aufgabe, die seit über einem Jahrzehnt versäumt worden ist. Unsere Unternehmen brauchen mehr Eigenkapital, unsere Arbeitnehmer einen Ausgleich für stagnierende oder gar rückläufige reale Geldeinkommen, unsere Gewerkschaften neue Aufgaben und neue Erfolgserlebnisse, die es in Geldlohnsteigerungen nicht mehr geben kann. Auch der Vermögens- oder Investivlohn muß mehr als bisher tariffähig werden. Ich ermuntere die Bundesregierung, auf diesem Feld ihre Arbeit voranzutreiben, und ich ermuntere die Tarifparteien, dann auch von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden diesen Weg aus der Talsohle nur schaffen, wenn wir uns anstrengen und wenn wir uns nicht überschätzen, sowohl was unsere Ressourcen als auch was unseren gegenwärtigen Leistungsstand angeht. Wir sind, gemessen an der Zahl der Einwohner, ein kleines und von Natur aus auch ein armes Land, arm an Energie und Rohstoffen. Unser einziger Reichtum sind der Fleiß und die Intelligenz unserer Menschen. Wenn der Fleiß erlahmt und der produktive Einsatz der Intelligenz nicht gefördert, sondern gelähmt wird, dann brechen die ökonomischen Grundlagen des Massenwohlstands und des sozialen Netzes weg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die gern gebrauchte Ausrede der alten Regierung, den anderen gehe es noch schlechter, war zum Teil unzutreffend. Im übrigen ist es für uns kein Trost, wenn dieselbe Krankheit andere noch stärker befallen hat als uns. Unzutreffend war diese Feststellung gewiß im Vergleich zu unserem europäischen Nachbarland Schweiz, und sie ist auch immer noch unzutreffend im Vergleich zu unserem großen Konkurrenten auf den Weltmärkten, nämlich Japan. Der andere große Konkurrent, die USA, hat Ressourcen, die die unseren so weit überragen, und ihre Wirtschafts- und Sozialstruktur ist im Vergleich zu der unsrigen so elastisch, daß es sich die USA eher leisten können, in eine Talsohle abzurut-



    Dr. Dregger
    schen. Sie werden schneller und wirksamer wieder auf die Beine kommen, als wir es könnten.
    Im übrigen: Nicht nur Polen und Rumänien, nicht nur viele Länder Lateinamerikas, auch einige europäische Wohlfahrtsstaaten nähern sich einem Zustand, den man als partiellen Staatsbankrott bezeichnen kann. Zwar sind andere dabei weiter fortgeschritten als wir, aber auch wir gehören heute — ganz anders als 1970 — zu den gefährdeten Kandidaten. Der Anfang des Staatsbankrotts wird nicht beim Konkursrichter angemeldet, aber es gibt für ihn zahlreiche Abstufungen. Die erste Stufe ist die Enteignung der Gläubiger durch Inflation, gegebenenfalls mit Hilfe der Notenpresse, was bei uns die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank Gott sei Dank unmöglich macht. Die zweite Stufe ist die Enteignung der Rentner durch Kürzung von Rentenansprüchen, die in einem langen Arbeitsleben durch Beitragsleistungen erworben worden sind. Der Währungsschnitt, die sogenannte Währungsreform, ist nur die letzte Stufe des Staatsbankrotts.
    Es hat keinen Sinn, meine Damen und Herren, vor einer solchen Entwicklung zu warnen, wenn sie unabwendbar geworden ist. Heute ist sie noch abwendbar, aber nur, wenn wir es erkennen und damit beginnen, und zwar sofort damit beginnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb sage ich mit großem Ernst, wie schwer es auch sein mag: Die Fahrt ins Traumland, die 1969 begonnen wurde, muß ihr Ende finden. Die Rückkehr in die Wirklichkeit muß stattfinden. Die Regierung muß vorangehen. Sie muß die Wahrheit sagen, auch wenn sie schmerzlich und unbequem ist. Sie muß konsequent bleiben. Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, meine Dame, und Sie, meine Herren Bundesminister, auf, konsequent zu bleiben. Wir stehen hinter Ihnen, wenn Sie fest bleiben, woran wir nicht den geringsten Zweifel haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die neue Regierung ist jetzt fünf Wochen im Amt. Ihr schwieriger Start ist gelungen. Sie mußte ohne jede Vorbereitungsphase antreten, wie sie nach Parlamentswahlen gegeben ist. Sie mußte aus dem Stand heraus handeln, um die rasende Talfahrt der Staatsfinanzen zu bremsen, um der Bundesbank Spielraum zu Zinssenkungen und der Wirtschaft erste Signale zu einer Kurskorrektur zu geben. Die Regierung mußte in der Wirtschafts-, der Finanz-
    und der Sozialpolitik sofort äußerst schwierige, teilweise schmerzliche und weittragende Entschlüsse fassen. Sie hat das mit großem Mut, großem Sachverstand und großer Entschlossenheit getan.
    Dieser Mut der Regierung Kohl verdient um so mehr Anerkennung, als die neue Regierung Neuwahlen zum 6. März nächsten Jahres anstrebt. Ich bin überzeugt, daß es unser Volk nach dem SPD-
    Rentenbetrug 1976 und dem SPD-Finanzbetrug 1980 zu würdigen weiß, jetzt eine Regierung zu haben, die bereits vor der Wahl die Wahrheit sagt

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und sogar bereit ist, sich mit diesen unangenehmen Wahrheiten auf den Prüfstand der Wähler zu stellen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist schon wieder eine Lüge!)

    Meine Damen und Herren, eine Regierung, die so ehrlich und so mutig ist wie die Regierung Kohl, verdient die Unterstützung aller Gutwilligen im Lande. — Herzlichen Dank.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Simonis.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wir wissen, daß es auch anders kommen kann. Und in diesem Jahr spricht vielleicht vieles dafür, daß das, was tatsächlich geschieht, eher besser als schlechter sein wird als jene Entwicklung, die wir für am wahrscheinlichsten halten. Aber das ist zu ungewiß." Dies, meine Damen und Herren, ist keineswegs eine verschlüsselte Botschaft als Antwort auf das, was Herr Dregger hier vorgetragen hat, sondern das Ergebnis des geballten Wissens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Wirtschaft — Jahresgutachten 1977 Ziffer 339.

    (Unruhe bei der CDU/CSU)

    Dem Wirtschaftsminister diente solche Weisheit Jahr für Jahr als Grundlage für die von ihm vorgelegten Jahreswirtschaftsberichte, die mit der Treffsicherheit einer Schrotflinte immer irgendwo getroffen haben, nur nie die richtigen Rahmendaten.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, auch das Chaos kann man nur einmal entdecken. Das ist eine alte Weisheit. Wenn man aber den Zickzackkurs der neuen Regierung betrachtet, kommt man zu zwei Erkenntnissen. Erstens: Zumindest in der Wirtschafts- und Finanzpolitik kann man das Chaos jederzeit immer wieder aufs neue entdecken und hier als eine neue Entdeckung vortragen. Zweitens — so gestern Herr Kollege Hauser —: Wer nur tätige Reue zeigt wie der ehemalige Wirtschaftsminister, darf weiter am Bau des „Trümmerfeldes" beteiligt sein und beim Chaos mitmachen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein Neuanfang sollte gemacht werden. Alles sollte besser werden. Eine Wende sollte eingeführt werden, ein kraftvoller Start in eine bessere, in eine schuldenfreie, in eine leistungsorientierte Zukunft. Nun, die Wende ist Ihnen gelungen: als Rolle rückwärts; der kraftvolle Start als ein Kavaliersstart mit angezogener Bremse und blockierten Reifen. Freunde und Gegner Ihrer Politik stellen gleichermaßen überrascht fest: Nichts, aber auch gar nichts, was vorher Ihre Wahrheit war, hat jetzt noch Gültigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundesetat 1983, dessen angeblich falsche Dramaturgie der FDP u. a. zum Koalitionswechsel



    Frau Simonis
    diente, wird nicht, wie versprochen, völlig neu eingebracht; nein, er wird ergänzt. Zu dieser Ergänzung fällt dem neuen Finanzminister denn in der „Wirtschaftswoche" auch nur ein: Die entscheidende Veränderung ist eine Verschlechterung.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Großartig!)

    Das muß man j a wirklich zweimal lesen, um zu begreifen, daß dieses Parlament mit einer neuen Regierung im Eilverfahren über eine Verschlechterung — keineswegs über eine Verbesserung — zu beraten hat. Dies ist, Herr Finanzminister, in der Tat absurdes Theater.

    (Beifall bei der SPD)