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ID0912613900

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    Plenarprotokoll 9/126 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 Inhalt: Bestimmung neuer Mitglieder und Stellvertreter im Gemeinsamen Ausschuß . . 7643A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Hoppe 7657 D Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 7657 D Aktuelle Stunde betr. Kohlevorrangpolitik 7654 D Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . 7643 C Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 7644 D Beckmann FDP 7646 A Dr. Jens SPD 7647 B Lampersbach CDU/CSU 7648 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7649 B Reuschenbach SPD 7651 B Prangenberg CDU/CSU 7652 B Berschkeit SPD 7653 A Gattermann FDP 7654 A Dr. Lammert CDU/CSU 7655 A Fischer (Homburg) SPD 7656 A Müller (Wadern) CDU/CSU 7656 C Vizepräsident Frau Renger 7647 A Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 7658 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Walther SPD 7669 A Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 7676 C Paterna SPD 7677 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 7679 C Dr. Ehmke SPD 7680 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 7680 D Gärtner FDP 7686 B Wieczorek (Duisburg) SPD 7690 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 7695A Dr. Zumpfort FDP 7699 B Gobrecht SPD 7702 B Dr. von Wartenberg CDU/CSU 7707 D Rentrop FDP 7711A Conradi SPD 7713C Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 7716 B Gattermann FDP 7719A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7720 D Kühbacher SPD 7725 C Broll CDU/CSU 7729 A Kleinert FDP 7731 B Frau Traupe SPD 7733 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7736 A Vizepräsident Dr. h. c. Leber 7680 C Nächste Sitzung 7739 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7741* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7741* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 7643 126. Sitzung Bonn, den 10. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) * 11. 11. Frau Fromm 10. 11. Dr. Geßner * 10. 11. Haar 12. 11. Hofmann (Kronach) 10. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Kittelmann ** 10. 11. Lemmrich ** 10. 11. Dr. Marx 10. 11. Möllemann 10. 11. Dr. Müller * 10. 11. Müller (Bayreuth) 10. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 10. 11. Frau Pack * 11. 11. Picard 12. 11. Reddemann * 10. 11. Schartz (Trier) 10. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Dr. Vohrer * 10. 11. Dr. Wendig 10. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Oktober 1982 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung Gesetz zu dem Abkommen vom 24. November 1981 der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 19. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen In seiner Sitzung am 29. Oktober 1982 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates ist als Drucksache 9/2071 verteilt. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 4. November 1982 mitgeteilt, daß der Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland - Drucksache 9/746 - von der Bundesregierung zurückgezogen wird. Die in Drucksache 9/2063 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Gewährung finanzieller Anreize zugunsten bestimmter Investitionen im Bereich der rationellen Energienutzung wird als Drucksache 9/2087 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 28. Oktober 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind (Drucksache 9/1686 Nr. 14) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland - Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik - (Vierter Jugendbericht) (Drucksachen 8/2110, 9/253 Nr. 19) Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe - Fünfter Jugendbericht - sowie die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht (Drucksachen 8/3684, 8/3685, 9/406)
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    Rede von Friedhelm Rentrop


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich zu Beginn der vergangenen Woche in einer Podiumsdiskussion eines großen Wirtschaftsverbandes zwei Kollegen, die in der heutigen Debatte bereits zu Wort kamen, aufrief, mit den Schuldzuweisungen der Vergangenheit aufzuhören, erntete ich dort großen Beifall.

    (Bindig [SPD]: Das könnte Ihnen so passen, die Vergangenheit vergessen!)

    Ich habe vergeblich gehofft, dies hätte auch die entsprechende Einsicht der Kollegen geweckt. Hiermit meine ich nicht die wohltuenden Worte des Kollegen von Wartenberg, der zuletzt gesprochen -hat, sondern einige der vorhergehenden Beiträge.
    Der steuerliche Teil des Begleitgesetzes zum Haushalt 1983 erhebt nicht den Anspruch, der große steuerpolitische Wurf für die nächsten Jahre zu sein. Dies kann und will er nicht sein. Die Rechtsänderungen wollen nicht mehr und nicht weniger sein als ein Sofortprogramm mit dem Ziel, die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit auch durch steuerliche Maßnahmen zu unterstützen. Dies ist um so dringlicher, als wir uns bei den Arbeitslosen nunmehr der Zahl von 2 Millionen nähern. Diese Marke wird nach Lage der Dinge bald überschritten sein. Es bedarf auch nicht der Prognose in dieser Debatte. Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute nehmen schon für das nächste Jahr 2,3 Millionen an.
    Die steuerlichen Sofortmaßnahmen des Gesetzentwurfs sollen die Investitionen der Wirtschaft im allgemeinen und im Wohnungsbau im besonderen anregen und dadurch den Arbeitsmarkt entlasten. Dabei nehmen wir in Kauf, daß einzelne Maßnahmen nicht alle Anforderungen erfüllen, die strenge Steuersystematiker stellen. Ich komme noch darauf zurück. Wir räumen jedoch der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der größten sozialen Ungerechtigkeit dieser Zeit, absolute Priorität ein. Der Arbeitsmarkt ist durch eine seit 1980 steigende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Da in den 80er Jahren die stark besetzten Geburtenjahrgänge in das Erwerbsalter hineinwachsen, ist trotz der verlängerten Ausbildung und trotz der Möglichkeiten des vorgezogenen Ruhestandes damit zu rechnen, daß bis 1990 insgesamt eine Million Menschen mehr in das Arbeitsleben eintreten, als aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Verstärkt werden die Arbeitsmarktprobleme durch einen beschleunigten technischen Fortschritt. Gegen 1990 werden sich die Arbeitsmarktprobleme voraussichtlich entspannen, da sich dann der seit Ende der 60er Jahre zu verzeichnende Geburtenrückgang auszuwirken beginnt. Diese schon jetzt absehbare Entwicklung bedeutet nichts anderes, als daß wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts mit einer auf 3 Millionen steigenden Arbeitslosenzahl rechnen müssen, wenn wir dieser Tendenz jetzt nicht wirksam gegensteuern. Dieser Situation und den aus ihr resultierenden Fragen müssen wir uns stellen. Unsere Antwort heißt: Setzen auf die expansiven Kräfte der Marktwirtschaft, setzen auf eine Investitionsförderung auf breiter Front, setzen auf die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen, setzen auf weitere nach den Bundestagswahlen zu beschließende Steuerrechtsänderungen, die unser Steuersystem dauerhaft in eine investitionsfreundliche Form bringen.
    Es wird so oft behauptet, die in der Koalition zwischen CDU/CSU und FDP gefaßten Beschlüsse seien auch mit der SPD zu erreichen gewesen. Dies ist eine der vielen Legenden dieser Tage. Das tage-, nächte- und wochenlange Gezerre um Steuer- und Haushaltspakete, um Maßnahmen von zum Teil untergeordneter Bedeutung, hat es bei den zurückliegenden Koalitionsverhandlungen nicht gegeben.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Leber)

    Wir haben uns innerhalb weniger Tage auf ein respektables Bündel von Maßnahmen geeinigt, das mit den Sozialdemokraten — dies haben sie mehrfach selbst bestätigt — nicht zu verwirklichen gewesen wäre.
    - Lassen Sie mich auch aus meiner persönlichen Sicht hinzufügen: Ich habe es leider in den vergangenen zweieinhalb Jahren nicht erlebt, und ich habe es als wohltuend empfunden, daß Bundesfinanzminister und Bundesarbeitsminister vor den Kabinettsgesprächen — der Finanzminister auch noch nach den Kabinettsgesprächen — in unserer Fraktion erschienen, um diese Themen dort, wo noch Probleme vorhanden waren, aufzuarbeiten.
    Wir haben schnell Einigung darüber erzielen können, auf welche Teile des noch von der alten Koalition vorgelegten Einkommensteuergesetzes 1983 wir verzichten, wobei ich nicht verschweigen möchte, daß dies genau die Maßnahmen waren, denen wir seinerzeit nur um des Gesamtkompromisses willen zugestimmt hatten, und um welche neuen Maßnahmen wir die alten Beschlüsse ergänzen.
    Wir haben dabei feststellen können, daß die früheren Reibungsverluste, die daraus resultierten, daß vordergründige Gerechtigkeitsüberlegungen über das wirtschaftlich Gebotene gestellt wurden, nicht auftraten. Ich sage „vordergründig", weil unser früherer Koalitionspartner nicht sehen wollte, daß allein das wirtschaftlich Gebotene in der Lage ist, die soziale Ausgewogenheit zu erreichen und dauerhaft zu erhalten. Es gibt — ich zitiere wörtlich aus Ziffer 53 des Sondergutachtens des Sachverständigenrates —
    in der Wirtschaftsgeschichte keine Beispiele für Perioden allgemeiner wirtschaftlicher Prosperität, in denen die Gewinne der Unternehmen nicht gut waren.
    Und die Gewinne sind heute nicht gut!
    Ich füge hinzu: So ehrenwert eine ausschließlich auf die soziale Ausgewogenheit abgestellte Steuerpolitik auch sein mag, sie bewirkt, wenn sie die wirtschaftlichen Erfordernisse außer acht läßt, genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen: eine breit angelegte Investitionsoffensive in allen Bereichen. Eine solche nur moralisch begründete Steuerpolitik kommt z. B. in den jetzt vom Land Nordrhein-Westfalen geforderten weiteren Einschränkungen beim Bauherrenmodell zum Ausdruck. So



    Rentrop
    etwas kann man machen, wenn die Wirtschaft floriert, nicht aber in einer rezessiven Phase.
    Schnell spürbar werdende Impulse für den Arbeitsmarkt versprechen wir uns von den wohnungsbaupolitischen Maßnahmen. Der Wohnungsbau ist noch immer eine Schlüsselindustrie. Die Mittel aus dem Investitionshilfegesetz in Höhe von 2,5 Milliarden DM, die unmittelbar für den sozialen Wohnungsbau und ein Bausparzwischenfinanzierungsprogramm eingesetzt werden, und der auf drei Jahre begrenzte erweiterte Schuldzinsenabzug bis zur Höhe von 10 000 DM werden die Beschäftigung nicht nur in der Bauwirtschaft, sondern auch in der Zulieferindustrie und in anderen Wirtschaftszweigen stimulieren.
    Wir haben die Einführung einer Ergänzungsabgabe nicht zugelassen. Steuer- und Abgabenerhöhungen können unser Wirtschaftsproblem nicht lösen.

    (Bindig [SPD]: Sie können ja noch nicht einmal richtig ablesen, so langweilig ist das, was Sie vortragen!)

    Sie gefährden das Investitionsklima und bremsen die Leistungsbereitschaft der Bürger. Das Ifo-Institut rechnet uns vor, daß die Löhne und Gehälter im Durchschnitt mit über 30 % belastet sind und daß die Abgabenbelastung der zusätzlich verdienten Löhne und Gehälter schon jetzt 60 % beträgt. Die Abgaben dürfen nicht weiter erhöht werden! Im Gegenteil, um die Leistung stärker zu honorieren, müssen die die Leistung treffenden Steuern gesenkt werden, wobei der Ausgleich bei den verbrauchsbelastenden Steuern zu suchen ist.
    Das Konzept der Investitionshilfeanleihe nimmt auf die gegen eine Ergänzungsabgabe geltend gemachten Bedenken Rücksicht. Anders als die Ergänzungsabgabe belastet die Investitionshilfe die Abgabepflichtigen nicht endgültig, sondern nur vorübergehend. Da die Investitionsanleihe rückzahlbar ist, gibt sie, wie der Sachverständigenrat festgestellt hat, den Konsumenten weniger Anlaß, ihren Privatverbrauch einzuschränken.

    (Zurufe von der SPD)

    Schließlich birgt die rückzahlbare Abgabe auch nicht die Gefahr in sich, daß sie später, wie bereits gehabt, in den Einkommen- und Körperschaftsteuertarif eingebaut wird. Das war ja nach Auslaufen der alten Ergänzungsabgabe der Fall. Die Ergänzungsabgabe wurde bekanntlich 1975 beim Lohn- und Einkommensteuertarif und 1977 beim Körperschaftsteuertarif berücksichtigt.
    Schließlich ist die Investitionshilfeanleihe so ausgestaltet, daß sie die Investitionen, auf die wir so dringend angewiesen sind, nicht trifft; Herr von Wartenberg hat hierauf schon hingewiesen.
    Diese unterschiedlichen Faktoren zeigen überdeutlich, welchen unterschiedlichen Stellenwert die Koalition der Mitte und die SPD den Investitionen beimessen. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die Opposition die Unternehmen von der Abgabe überhaupt nicht freistellen will. Der Vorwurf, die Investitionshilfe sei eine getarnte Ergänzungsabgabe, ist nicht haltbar.
    Mit der zum 1. Juli nächsten Jahres geplanten Mehrwertsteuererhöhung, die wir durchgehend tragen und deren Mehreinnahmen die geplanten Entlastungen bei den direkten Steuern finanzieren sollen, wird die langjährige und konsequente steuerpolitische Linie der FDP fortgesetzt. Wir halten die Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der direkten, Leistung und Investitionen hemmenden Steuern für unbedingt geboten.
    Wir haben bereits im vergangenen Frühjahr Investitionszulagengesetz und seine Finanzierung durch die Mehrwertsteuer als geboten angesehen. Dadurch wird die notwendige Umstrukturierung unseres Steuersystems weg von den direkten und hin zu den indirekten Steuern gefördert. Das Gewicht der die Leistung unmittelbar treffenden direkten Steuern nimmt seit langem tendenziell zu, und zwar bei einem entsprechenden Rückgang der den Verbrauch belastenden Steuern. Dieser Trend muß gestoppt werden. Die Mehrwertsteuererhöhung in Verbindung mit den vorgesehenen Steuerentlastungen im Bereich der direkten Steuern ist ein wichtiger Schritt dazu.
    Es ist richtig: Die Verbesserung der Steuerstruktur sollte über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erreicht werden. Als allgemeine Verbrauchsteuer belastet die Umsatzsteuer in der Regel nicht die Unternehmen. Die Verstärkung der Investitionstätigkeit wird durch die Erhöhung der Umsatzsteuer somit nicht erhöht.
    Wegen der Umsatzsteuerfreiheit der Exporte wird die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht berührt. Hierauf sind wir ganz besonders angewiesen.
    Die Mehrwertsteuersätze sind in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn noch immer niedrig. Auch nach der Mehrwertsteuererhöhung bleibt die Bundesrepublik mit den Normalsteuersätzen in der europäischen Rangfolge an vorletzter Stelle.
    Die Ankündigung des Bundeskanzlers in der Regierungserklärung, die steuerliche Entlastung zur Stärkung der Investitions- und Innovationskraft der Wirtschaft bis 1984, wenn die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer voll fließen, weiter auszubauen, zeigt, daß wir hier in längerfristigen Perspektiven denken.
    Die Kritik des Sachverständigenrats an der Mehrwertsteueranhebung, die allerdings nur auf den Zeitpunkt dieser Steuererhöhung, nicht aber auf die Maßnahme als solche abstellt, kann nicht recht überzeugen. Wenn wir eine Umsrukturierung des Sozialprodukts zu mehr investiven Verwendungen wollen, wenn wir eine Umstrukturierung unseres Steuersystems zu mehr verbrauchsbelastenden Steuern wollen, müssen wir auch die Konsequenzen aus dieser Forderung ziehen; ich möchte noch hinzufügen: auch wenn es verwaltungstechnisch nicht einfach zu realisieren ist, was ich einsehe.



    Rentrop
    Daß von der Mehrwertsteuererhöhung eine dämpfende Wirkung auf den privaten Verbrauch ausgehen kann, möchte ich nicht in Abrede stellen. Auch möchte ich nicht behaupten, daß das gegenwärtige Konjunkturtief der beste Zeitpunkt für diese Maßnahme ist. Wir stehen jedoch vor dem Dilemma eines nicht ganz auszuschließenden Nachfragerückgangs und einer weiteren Erhöhung der Neuverschuldung. Bei dieser Wahl zwischen zwei Übeln haben wir uns für die Mehrwertsteuererhöhung entschieden.
    Die vorgeschlagene Gewerbesteuerentlastung bei der Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen dient ebenfalls einer Entlastung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere dazu, die Auswirkungen des hohen Zinsniveaus abzumildern. Die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft werden hier ganz entscheidend verbessert.
    Für die FDP sage ich ganz klar: In der Reduzierung der Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen sehen wir einen wichtigen Schritt zu einer vollständigen Abschaffung der Gewerbesteuer, selbstverständlich nur bei Schaffung entsprechender Ersatzfinanzierungsmodelle für die Gemeinden. Wir fordern seit langem die Abschaffung dieser überholten Steuer, vor allem deswegen, weil die Gewerbesteuer zur Wettbewerbsverzerrung bei den Unternehmen untereinander und zu schwerwiegenden internationalen Wettbewerbsnachteilen unserer Wirtschaft führt.
    Wir sind dem Ziel einer Beseitigung der Gewerbesteuer durch die Abschaffung der Lohnsummensteuer und die mehrfachen Freibetragserhöhungen bei der Gewerbeertragsteuer und der Gewerbekapitalsteuer in den vergangenen Jahren schon ein gutes Stück nähergekommen. Nunmehr ist es aber an der Zeit, die endgültige Abschaffung der Gewerbesteuer in Angriff zu nehmen, zumal uns jetzt drei beachtliche Gutachten mit kommunal orientierten Lösungsvorschlägen zu dieser Frage vorliegen.
    Weil wir die Gewerbesteuer ganz abschaffen wollen, stellen wir gewisse steuersystematische Bedenken, die gegen die Milderung der Hinzurechnungsvorschrift vorgebracht werden, zurück.
    Ich sehe: Meine Zeit ist abgelaufen. Ich komme daher schnell noch zum Schluß.
    All dies zeigt: Auch auf dem Gebiet der Steuerpolitik war das Ende der Zusammenarbeit der früheren Koalitionspartner vorprogrammiert. In der Steuerpolitik spiegelt sich das Auseinanderdriften der früheren Koalitionsparteien besonders deutlich wider. Wir konnten nicht mehr zu tragfähigen, zukunftsweisenden steuerpolitischen Lösungen kommen. In der neuen Koalition werden wir alles dafür tun, daß steuerpolitisch richtige Entscheidungen einen Beitrag zur Lösung unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme leisten. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Schönen Gruß von Herrn Waffenschmidt; gehen Sie mal bei ihm vorbei!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Conradi.

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    Rede von Peter Conradi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die wohnungs- und mietpolitische Runde, die wir in dieser Haushaltsdebatte führen, mit einem Zitat unseres neuen Bundesbauministers eröffnen, das vor einigen Wochen, vor der Regierungsbildung, in der „Zeitschrift für freie Wohnungswirtschaft" stand:
    Unsere Politik leidet an einem Mangel an begrifflicher Klarheit und methodischer Konsequenz, an Sprachverwilderungen und Begriffsverwirrung. Eine politische Neubesinnung muß daher mit der Wiedergewinnung klarer Begriffe und sprachlicher Schärfe beginnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieser Aufforderung, Herr Dr. Schneider, komme ich gerne nach. Ich will mit dem Begriff „Vertragsfreiheit" beginnen, von der Sie sagen, sie sei die erste und wichtigste aller Forderungen in der Wohnungspolitik.
    Wem soll die Vertragsfreiheit, von der Sie reden, denn nutzen? Vertragsfreiheit kann es doch nur zwischen Gleichberechtigten am Markt geben, dann also, wenn der Mieter die Auswahl zwischen verschiedenen Wohnungen hat. Vertragsfreiheit aber bei der derzeitigen Wohnungslage in den Großstädten und im Umland, wo es für viele Mieter kein ausreichendes Wohnungsangebot gibt, wird in Wirklichkeit dazu führen, daß der Schwächere — der Mieter — dem Stärkeren — dem Vermieter — ohne den Schutz des Gesetzes ausgeliefert wird. Würden Sie von Vertragsfreiheit reden — ich nehme jetzt einmal ein weit hergeholtes Beispiel aus der Außenpolitik —, wenn die Sowjetunion mit Polen Verträge schließt? Da kann man doch im Ernst nicht von Vertragsfreiheit sprechen. Vertragsfreiheit setzt gleiche Rechte, gleiches Gewicht am Markt voraus.
    Mehr Freiheit, sagen Sie. Wer wäre nicht dafür? Aber mehr Freiheit für wen und zu wessen Lasten? Soll das bedeuten, daß wir mehr Investionsfreiheit bekommen, indem Sie den Umweltschutz herabsetzen? Oder wollen Sie sagen, Vertragsfreiheit auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem Sie den Kündigungsschutz oder den Jugendarbeitsschutz herabsetzen?
    Nein, die Freiheit, die Sie meinen, ist immer die Freiheit der Stärkeren und der Rücksichtloseren. Sie versuchen, diese Wende rückwärts mit wohlklingenden Begriffen wie Freiheit, Verantwortung, Leistung zu vernebeln, als würde die Ellenbogenwirtschaft, die Sie wollen, erträglicher, wenn man auf die Ellenbogen Herzchen näht.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Der 11. 11. ist morgen, Herr Kollege!)

    Mich erinnert dieser Versuch, Begriffe umzufälschen, an das Wahrheitsministerium in George Orwells „1984", in dem die Begriffe systematisch umgefälscht werden, wo es heißt: Krieg bedeutet Frieden; Freiheit Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke.



    Conradi
    Diesen Begriffsnebel, den Sie j a auch in der Wohnungspolitik verbreiten, wollen wir lichten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie leiden an Alpträumen!)

    Sie wollen im Mietrecht einen Kahlschlag vornehmen. Vorne lassen Sie den Kündigungsschutz als Fassade stehen. Dahinter wird abgeräumt. Vom Vergleichsmietenprinzip wird nicht viel übrigbleiben. Uns war es gelungen, durch das Vergleichsmietenprinzip den Mietanstieg auch dort, wo Wohnungsmangel war, in den letzten Jahren unter dem allgemeinen Anstieg der Preise zu halten. Jetzt wollen Sie als Vergleichsmieten nur noch die teuren Neuabschlüsse der letzten drei Jahre zulassen. Natürlich werden daraufhin die Mieten steigen. Und Sie wollen dem Vermieter erlauben, drei Wohnungen aus dem eigenen Bestand als Vergleichswohnungen anzuführen. Wenn das keine Aufforderung zur Manipulation ist!

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist doch ein Selbstbedienungsmietrecht für Großvermieter, was Sie hier machen.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. Timm [SPD]: Freiheit!)

    Kommen wir zu den Zeitmietverträgen. Der Mieter muß in Zukunft einen Zeitmietvertrag auf fünf Jahre akzeptieren und ohne Räumungsschutz ausziehen, auch ohne daß der Vermieter wie bisher konkret Eigenbedarf für sich und seine Familie geltend macht und nachweist; in Zukunft genügt bereits die bloße Absicht des Vermieters, in fünf Jahren die Wohnung selber zu nutzen oder von einer Person seines Hausstands, also vielleicht der Freundin seines Sohnes, nutzen zu lassen. Dann muß der Mieter einen Zeitmietvertrag hinnehmen und ohne Schutz nach fünf Jahren ausziehen.
    Dann führen Sie Staffelmieten im Bestand ein. Das ist ja eine alte Forderung von Lothar Späth. Nicht einmal die Hausbesitzer sind dafür. Herr Dr. Schneider, vor zwei Wochen haben wir gelesen, daß Sie selbst mögliche andere Regelungen — etwa durch eine sozial verträgliche Anpassungsklausel — für erwägenswert halten. Nur: Jetzt bringen Sie diesen Gesetzentwurf. Was wollen Sie denn? Soll es bei der Staffelmiete im Bestand bleiben, oder wollen Sie eine wie immer geartete Anpassungsklausel? Was Sie hier vorhaben, wird in jedem Fall inflationsfördernd wirken, weil unabhängig vom Wohnungsmarkt Mietsteigerungen auf Jahre hinaus programmiert werden. Ich kann mir schwer vorstellen, daß die Bundesbank einer wie immer gearteten indexgebundenen Anpassungsklausel zustimmen könnte. Eine solche Anpassungsklausel wäre der erste Schritt in die Indexwirtschaft. Dann möchte ich wissen, Herr Dr. Schneider: Wird auch das Wohngeld nach dem Index angepaßt, und kriegen wir dann auch Indexlöhne? Wollen Sie hier — bitte sagen Sie das klar — die scala mobile Ihrer christdemokratischen Freunde in Italien einführen, d. h. wollen Sie den Marsch in die Inflationswirtschaft, oder wollen Sie es nicht? Mit uns wird es jedenfalls nicht gehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Bei der Modernisierung sagen Sie: Wenn auf üblichen Standard modernisiert wird, soll der Mieter nicht mehr widersprechen dürfen, wenn er die Miete nicht mehr zahlen kann. Haben Sie eigentlich einmal etwas von „Herausmodernisieren" gehört? Gibt es das in Ihren Wahlkreisen nicht? Sie machen das Modernisieren noch leichter, d. h. das Verdrängen des bisherigen Mieters, wenn sein Hausbesitzer eine lukrativere Nutzung der Wohnung vorhat.
    In das Bild paßt natürlich, daß Sie den Mieterschutz bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nicht verstärken wollen und daß Sie dem Mieter kein Vorkaufsrecht mehr geben wollen.
    Insgesamt wird das ein Mietrecht für Spekulanten und Mietwucherer werden. Bezeichnenderweise wollen Sie auch die Wuchergrenze kräftig anheben. Ich habe mich, als ich das gelesen habe, gefragt, ob Ihnen das dieser rheinische Spekulant — dieser Kaussen — aufgeschrieben hat. Herr Gattermann — ich weiß nicht —, kennen Sie den? Sie sollten ihn vielleicht einmal besuchen mit einem Beitrittsformular Ihrer Partei. In die neue FDP paßt er als Mitglied prima.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Vorsicht mit „Spekulanten"! — Zuruf von der CDU/CSU: In welcher Partei ist denn Herr Vietor? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich weiß, wenn ich hier über die FDP Böses sage, wird mir der Herr Dr. Schneider mit dem Herrn Dr. Strauß vorhalten — ich habe es nachgeschlagen, sie sind ja in Latein sehr bewandert —: de moribundis nil nisi bene. Da wären wir wahrscheinlich sogar einer Meinung.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Aber der Vietor lebt noch!)

    Nach Ihrer bisherigen Argumentation sollte die Lockerung im Mietrecht durch eine verbesserte Wohngeldregelung sozial abgefedert werden. Da haben Sie die Leute getäuscht; denn während Sie die Mieten gezielt heraufsetzen, setzen Sie das Wohngeld gezielt herunter. Für wen? Für die alleinstehende Frau mit dem Kind, für die Behinderten, für die Rentner wird das Wohngeld heruntergesetzt. Für diese Leute sind auch 20 bis 30 DM, um die Sie das Wohngeld heruntersetzen, viel Geld.
    Nun sagt der neue Bundesbauminister, 25 % vom Einkommen seien für die Miete zumutbar. Vom Brutto- oder vom Nettoeinkommen, warme oder kalte Miete? Wir sollten die Durchschnittszahlen — etwa der letzten Stichprobe von 1978 — einmal anschauen. Damals haben die Haushalte, die weniger als 450 DM hatten, 34 % ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen bezahlt, die Haushalte zwischen 450 DM und 600 DM verfügbarem Einkommen haben 27 % bezahlt, die Haushalte zwischen 600 DM und 800 DM haben 22 % des verfügbaren Einkommens für Wohnen bezahlt. Wenn man dann in die



    Conradi
    höheren Gruppen kommt, sinkt der Anteil, Herr Dr. Schneider. Bei den Haushalten über 2 000 DM verfügbares Einkommen war der Wohnanteil 14 %, und bei Haushalten mit über 4 000 DM verfügbarem Einkommen dann noch 10 %. Tatsächlich verschleiert doch Ihre Durchschnittszahl, daß die niedrigen Einkommensgruppen schon heute prozentual erheblich mehr für Wohnen aufbringen müssen als die hohen. Den einen wollen Sie die Mieten durch Lockerung des Mietrechts hochsetzen, und den anderen geben Sie Steuergeschenke. Ihre Durchschnittswerte sind unsozial. Die ganze Diskussion über Durchschnittswerte läßt — hier zitiere ich noch einmal Ihren Artikel, Herr Dr. Schneider — einen „Mangel an begrifflicher Klarheit und methodischer Konsequenz" erkennen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun ist j a das neue Mietrecht nach dem Grundsatz „Meine Herrschaften, bereichern Sie sich!" nicht nur verteilungspolitisch und wohnungspolitisch falsch, es ist auch wirtschaftspolitischer Unfug. Es ist doch heute bereits lukrativer, Geld im Altbau anzulegen. Bitte, fragen Sie einmal Ihren Investitionsberater oder Ihren Banker!

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ja, warum denn, Herr Conradi?)

    Er wird Ihnen sagen: Gehen Sie mit Ihrem Geld in den Altbau, modernisieren Sie, schauen Sie, daß Sie die Mieter herauskriegen, machen Sie aus dem Altbau Eigentumswohnungen; dann verdienen Sie in jedem Fall mehr als durch den Neubau.
    Nun wollen Sie mir doch nicht erklären, daß Sie den Neubau ankurbeln wollen, wenn Sie durch Lokkerung des Mietrechts im Altbau das Vertreiben von Mietern, das Herausmodernisieren, noch weiter erleichtern!

    (Dr. Wittmann [CDU/CSU]: Lesen Sie mal die Bestimmungen genau!)

    Nein, konjunkturpolitisch und wohnungspolitisch wäre es, statt die Altbauspekulation anzuheizen — das wird nämlich das Ergebnis Ihrer Politik sein —, vernünftiger, die steuerlichen Begünstigungen beim Altbau auszusetzen, das Mietrecht zu verstärken und damit Kapital in den Neubau zu lenken. Mit dieser Mietenpolitik jedenfalls werden Sie am Wohnungsmarkt, am Baumarkt, keine Belebung erzielen.
    Nun sagen Sie: Wir stecken mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau. Dabei werden Sie bei uns Sozialdemokraten immer Unterstützung finden. Wir sind dafür, und wir hoffen, daß auch die Länder mitziehen. Wir befürchten allerdings, Herr Dr. Schneider, daß Sie aus ideologischen Gründen das Geld vom sozialen Wohnungsbau nicht dorthin stecken werden, wo es notwendig wäre, nämlich in die Städte, sondern daß Sie die Eigentumsbildung auf dem flachen Lande fördern werden, wo keine Wohnungsnot herrscht. Aber darüber werden wir noch streiten.
    Wir halten es auch für richtig, bei der Eigentumsförderung die Zwischenfinanzierung für Bausparer, d. h. für kleine Bausparer, die dann früher bauen können, zu erleichtern. Das haben auch wir vorgeschlagen, und das werden wir mit Ihnen zusammen machen.
    Beim Schuldzinsenabzug haben wir Zweifel, nicht nur, weil er steuersystematisch problematisch ist, sondern vor allem, weil er verteilungspolitisch ungerecht ist, weil die Entlastung wieder einmal — wie immer bei Ihnen — den höheren Einkommen zugute kommt, weil er das Nachsparen, das Schuldenmachen begünstigt, eine Tendenz, die wir, Herr Dr. Schneider — ich erinnere mich an Gespräche vor einem Jahr —, beide gleichermaßen für falsch gehalten haben. Wir waren immer der Meinung, das Vorsparen sollte stärker gefördert werden, wir sollten nicht demjenigen, der sich hohe Schulden leisten kann, dies hinterher durch den Schuldzinsenabzug erleichtern. Ich habe den Eindruck, daß es hier wieder einmal nach Ihrem alten Motto geht, nicht nur: Hast du was, dann bist du was, sondern auch: Hast du was, dann kriegst du was.
    Nach diesem Motto wollen Sie auch die Grunderwerbsteuer neu ordnen. Dem Käufer einer Eigentumswohnung für 200 000 DM werden Sie zukünftig 4 000 DM mehr Steuern anlasten, und demjenigen, der eine Villa für 800 000 DM baut, schenken Sie 20 000 DM bei der Grunderwerbsteuer. Das heißt, was Sie dem kleinen Bauherren beim Bausparen und beim Schuldzinsenabzug geben, das nehmen Sie ihm bei den Bodenpreisen und bei der Grunderwerbsteuer wieder weg.
    Wir haben in der alten Koalition versucht, etwas gegen Bodenhortung und Bodenspekulation zu machen. Das war sicherlich ungenügend, daran hatte auch die FDP ihren Anteil. Aber daß Sie das jetzt alles vom Tisch wischen und keine einzige Maßnahme zu einer vernünftigen Besteuerung des Bodens, zum Abbau der Bodenhortung treffen, zeigt doch, daß Sie in Wirklichkeit nichts gegen die Bodenspekulation unternehmen wollen. Wie wollen Sie dann eigentlich, Herr Bundesbauminister, die Baukonjunktur wiederbeleben? Wie wollen Sie bei den Bodenpreisen neue Arbeitsplätze am Bau schaffen? Wenn die weiter so steigen, dann kann doch in den Ballungsgebieten niemand mehr bauen. Hier ist bei Ihnen absolute Fehlanzeige, und das werden wir Ihnen in den nächsten Monaten weiter vorhalten.
    Zur Lösung der Kernprobleme der Wohnungspolitik trägt Ihr Programm nichts bei. Es wird so bleiben, daß der Mietwohnungsbau durch exorbitante Steuersubventionen überfördert wird. Das Bauherrenmodell ist nichts anderes als eine Überförderung. Wir fördern hier eine Investorenschicht, die eigentlich gar nicht bauen will. Wir fördern hier Bauherren, deren einziges Interesse es ist, möglichst viel Gewinne aus anderen Einkunftsarten steuerlich wegzudrücken. Das ist der Sinn des Bauherrenmodells. Für den Staat heißt dies, daß in zehn bis fünfzehn Jahren 150 000 bis 200 000 DM Steuerverluste entstehen, ein Mehrfaches dessen, was wir dem kleinen Mann, der für sich bauen will, geben. Der kriegt vielleicht 25 000 bis 40 000 Mark, wenn man das auf zehn bis fünfzehn Jahre



    Conradi
    zusammenrechnet. Wer im Bauherrenmodell eine Wohnung baut, bekommt das Vielfache.

    (Zuruf des Abg. Dr:-Ing. Kansy [CDU/ CSU])

    Sie verfahren da nach dieser Pferde-Spatzen-Ökonomie, von der Galbraith sagt:

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Krümel!)

    Wenn man den Pferden nur genug Hafer gibt, dann fällt an der Seite und hinten auch noch ein bißchen für die Spatzen heraus. Könnte man die Spatzen nicht viel billiger direkt füttern? Auf unser Modell übertragen, wäre es nicht vernünftiger, die Überförderung beim Bauherrenmodell schrittweise abzubauen und das dadurch gewonnene Geld zur Eigentumsförderung bei denen, die es wirklich nötig haben — nicht bei den Vielverdienern, sondern bei den mittleren Einkommensgruppen —, zu verwenden?

    (Beifall bei der SPD)

    Das wäre eine Politik, bei der wir mitmachen würden. Da könnte man anfangen, indem man die Verrechnung von Gewinnen aus anderen Einkunftsarten mit Verlusten aus Vermietung und Verpachtung nach oben beschränkt. Da könnten Sie einen vernünftigen Schritt tun, wenn Sie wollten.
    Ich fürchte, Sie wollen es nicht. Ich fürchte, daß bei Ihnen ebenso wie früher bei der FDP — darunter haben wir jahrelang gelitten — keine Unterstützung für eine Wohnungspolitik zu finden ist, die nicht vor allem oben hinlegt, sondern die wirklich zum Sickern führt, indem bei den mittleren Einkommen geholfen wird, damit Wohnungen aus den Beständen für die Leute frei werden, die auf diese Wohnungen angewiesen sind. Sie wollen die Wohnungsbestände der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Vermieter freigeben. Wenn ich Ihre Wohnungspolitik kennzeichnen will, kann ich das auf einen kurzen Satz bringen. Dazu möchte ich, Herr Dr. Schneider, eine Anleihe bei Karl Marx machen

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Die machen Sie wohl öfter!)

    und sagen, es ist eine Wohnungspolitik nach dem Motto „Krieg den Hütten, Friede den Palästen!".

    (Beifall bei der SPD)