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ID0912608800

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    Vokabeln: 11
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/126 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 126. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 Inhalt: Bestimmung neuer Mitglieder und Stellvertreter im Gemeinsamen Ausschuß . . 7643A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Hoppe 7657 D Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 7657 D Aktuelle Stunde betr. Kohlevorrangpolitik 7654 D Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . . 7643 C Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 7644 D Beckmann FDP 7646 A Dr. Jens SPD 7647 B Lampersbach CDU/CSU 7648 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7649 B Reuschenbach SPD 7651 B Prangenberg CDU/CSU 7652 B Berschkeit SPD 7653 A Gattermann FDP 7654 A Dr. Lammert CDU/CSU 7655 A Fischer (Homburg) SPD 7656 A Müller (Wadern) CDU/CSU 7656 C Vizepräsident Frau Renger 7647 A Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 7658 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Walther SPD 7669 A Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 7676 C Paterna SPD 7677 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 7679 C Dr. Ehmke SPD 7680 A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 7680 D Gärtner FDP 7686 B Wieczorek (Duisburg) SPD 7690 C Carstens (Emstek) CDU/CSU 7695A Dr. Zumpfort FDP 7699 B Gobrecht SPD 7702 B Dr. von Wartenberg CDU/CSU 7707 D Rentrop FDP 7711A Conradi SPD 7713C Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 7716 B Gattermann FDP 7719A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7720 D Kühbacher SPD 7725 C Broll CDU/CSU 7729 A Kleinert FDP 7731 B Frau Traupe SPD 7733 A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 7736 A Vizepräsident Dr. h. c. Leber 7680 C Nächste Sitzung 7739 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7741* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7741* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 126. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. November 1982 7643 126. Sitzung Bonn, den 10. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) * 11. 11. Frau Fromm 10. 11. Dr. Geßner * 10. 11. Haar 12. 11. Hofmann (Kronach) 10. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Kittelmann ** 10. 11. Lemmrich ** 10. 11. Dr. Marx 10. 11. Möllemann 10. 11. Dr. Müller * 10. 11. Müller (Bayreuth) 10. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 10. 11. Frau Pack * 11. 11. Picard 12. 11. Reddemann * 10. 11. Schartz (Trier) 10. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Dr. Vohrer * 10. 11. Dr. Wendig 10. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Oktober 1982 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung Gesetz zu dem Abkommen vom 24. November 1981 der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 19. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen In seiner Sitzung am 29. Oktober 1982 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates ist als Drucksache 9/2071 verteilt. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 4. November 1982 mitgeteilt, daß der Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland - Drucksache 9/746 - von der Bundesregierung zurückgezogen wird. Die in Drucksache 9/2063 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Gewährung finanzieller Anreize zugunsten bestimmter Investitionen im Bereich der rationellen Energienutzung wird als Drucksache 9/2087 verteilt. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 28. Oktober 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der nachstehenden EG-Vorlage abgesehen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind (Drucksache 9/1686 Nr. 14) Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Sozialisationsprobleme der arbeitenden Jugend in der Bundesrepublik Deutschland - Konsequenzen für Jugendhilfe und Jugendpolitik - (Vierter Jugendbericht) (Drucksachen 8/2110, 9/253 Nr. 19) Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe - Fünfter Jugendbericht - sowie die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht (Drucksachen 8/3684, 8/3685, 9/406)
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    Rede von Klaus Gärtner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wir gesehen haben, ist eine Haushaltsdebatte eine offene Debatte; aber, Herr Kollege Hauser, alles kann man nicht unwidersprochen hier stehenlassen.

    (Walther [SPD]: Sehr gut!)

    Sie fangen bei dem Unternehmen Scherbenhaufen und Trümmerfeld an. Wenn man wirklich einmal genau nachsieht, stellt man fest, daß das, was wir in der neuen Koalition an Gesetzentwürfen von der alten Koalition übernommen haben — wir werden das, wenn ich das richtig sehe, wohl quer durch dieses Parlament einstimmig verabschieden — mindestens der Hinweis darauf ist, daß ein guter Teil Bausteine vorhanden ist, und da ist das, meine ich, mit
    dem Trümmerfeld und dem Scherbenhaufen auch nicht so toll.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Das kann man doch in vier Wochen nicht ändern! — Walther [SPD]: In seiner Bäckerei ist das so! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

    — Vielleicht kann man sich einmal daran gewöhnen, daß man hier eine Haushaltsdebatte führt, die nicht eine verhinderte Wahlkampfauseinandersetzung ist, wie das in Teilen vorher war.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Bundesfinanzminister hat heute morgen zutreffend gesagt — diesen Satz haben alle beklatscht —, daß es keine Patentrezepte gibt. Die Arbeit, Herr Kollege Hauser, hört nicht hier im Plenum auf, sie geht da oben im 25. Stock im Haushaltsausschuß weiter, und es wird die Frage sein, wer dann noch bereit ist, bei dieser Operation mit Rat und Tat mitzumachen.

    (Walther [SPD]: Da soll er einmal hinkommen! Da lernt er etwas!)

    Herr Kollege Walther, ich wäre dankbar, wenn auch Sie in Ihrer neuen Funktion bereit wären, bei diesem Unternehmen mitzumachen, weil ich finde, daß es hier um die Aufgabe, das Recht des Parlamentes geht. Die Regierung kann Entwürfe machen. Sie hat auch in der Vergangenheit Entwürfe gemacht, Herr Kollege Walther; und, wie wir wissen, waren die auch in der Vergangenheit nicht immer vollständig.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Aber wir haben nicht solche Ankündigungen gemacht!)

    Ich will auch ein Wort zu der Behauptung sagen, in den letzten 13 Jahren habe man in diesem Lande sozusagen nichts hinbekommen. Das kann man schon deshalb nicht sagen, weil jeder ausländische Betrachter das genaue Gegenteil behaupten wird.

    (Walther [SPD]: So ist es!)

    Ich finde, das einzuräumen, wäre auch ein Stück gemeinsamer Ehrlichkeit, die wir brauchen — auch wenn man heute feststellen muß, daß bestimmte Positionen aus der Vergangenheit zu überprüfen sind. Für alle Parteien muß gelten, daß sie ihre Tabu-Kataloge aus der Vergangenheit nicht fortschreiben, sondern offen und ehrlich bereit sein sollten, alle Positionen im Hinblick auf das zu überprüfen, was in den 80er Jahren vor uns steht.
    Ich wehre mich ein bißchen dagegen, daß man so den Eindruck vermittelt, als ob man nur etwas anderes sagen müsse, damit sich irgend etwas ändert. Ich sage vielmehr: Da muß man eine Menge ganz anderes tun. Vielfach gibt es einen Unterschied zwischen dem, was man sagt, und dem, was man tut.
    Herr Kollege Hauser, wenn Sie davon sprechen — auch der Herr Finanzminster hat das heute morgen getan —, daß Insolvenzen ein so großes Problem seien, sage ich Ihnen: Natürlich ist ein Konkurs kein angenehmes Verfahren. Aber ich wehre



    Gärtner
    mich dagegen, daß alle Konkurse beim Staat „abgegeben" werden. Es gehört zu dem System der Marktwirtschaft, daß eben auch Konkurse möglich sind.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn ich höre, daß man von Revitalisierung der Marktkräfte spricht, aber die Beispiele AEG und Stahlbranche vor Augen habe, werde ich, so muß ich sagen, mindestens etwas zweifelnd hinsichtlich dessen, was zwischen Sprache, Worten und Taten, gelegentlich festzustellen ist.
    Das, was der Herr Finanzminister heute morgen am Ende seiner Rede gesagt hat, nämlich daß wir uns in einem schwierigen weltwirtschaftlichen System befinden, ist auch ein Ausweis der Kontinuität, Herr Kollege Westphal. Man könnte sagen, daß der Bundeskanzler früher mit diesen Sätzen begonnen habe, Sie aber nun damit geendet hätten. Sie haben damit das Feld zum — wenn man so sagen darf — finanzpolitischen Kosmos geöffnet.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich finde, daß das so auch ganz richtig ist, weil ich meine: Wer heute der Auffassung ist, daß die Bundesrepublik Deutschland in der Lage wäre, völlig alleine aus diesen Problemen der Welt herauszukommen, der hat auch das, was der Sachverständigenrat im Oktober vorgelegt hat, nicht vollständig verstanden bzw. nicht komplett gelesen. Ich glaube, daß man das auch nach draußen sagen muß, weil sonst der Eindruck entsteht, als ob man in diesem Lande alles allein lösen könnte ohne Rücksicht darauf, was draußen passiert.

    (Kolb [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    — Man kann intern, Herr Kollege Kolb, sehr viel lösen. Aber man kann das gerade nicht in einem Industrieland wie der Bundesrepublik Deutschland machen, das seinen Wohlstand nicht aus dem Naturaltausch im Inland erzielt, sondern dadurch, daß es seine Produkte — mit sehr viel Aufschlag — nach draußen verkauft. Das geht insbesondere dann nicht, wenn es draußen in der Welt für Länder Schwierigkeiten gibt, die wir traditionell als Vorbilder hatten.
    Kollege Dregger, Sie haben seinerzeit von dieser Stelle das Musterland Japan erwähnt. Just zu dem Augenblick, als Sie hier sprachen, kam von drüben schon die Hiobsbotschaft, daß die Japaner nicht mehr in der Lage wären, ihren öffentlichen Dienst sozusagen im alten Stil weiterzufinanzieren. Und die Kreditfinanzierungsprobleme des japanischen Haushalts sind — ich werfe das niemandem vor — —

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Alles in allem stehen sie noch besser da als wir!)

    — Ich weiß nicht, ob es dort alles in allem noch besser ist — vielleicht im Augenblick. Aber wenn Japan, das in verschiedenen Bereichen sehr exportorientiert ist, das aber eine Kreditfinanzierung benötigt hat, um diese Branchen aufzubauen, in dieser Welt keine Abnehmer mehr findet, wird es Renditeprobleme geben. Die werden, behaupte ich, in dieser Lage in ähnliche Schwierigkeiten kommen, wie auch wir sie zum Teil haben.
    Wenn man in diesem Land über Finanzpolitik redet, muß es zu denken geben, daß z. B. unser Nachbarland Frankreich Schwierigkeiten hat, seine Auslandsverschuldung zu finanzieren,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist klar, bei der Regierung!)

    daß wir im Augenblick in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen täglich Meldungen über Länder lesen, in denen mehr über Umschuldungen als die Probleme, die sie mit ihren Haushalten bewältigen, gesprochen wird. Ich nenne Lateinamerika und Mexiko; in Osteuropa ist es ähnlich. Ich meine, darüber müsen wir in unserem Lande — nicht: in diesem unserem Lande —

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    öfter und offener reden, weil ich glaube, daß es das Notwendigste ist, den Leuten hier den Eindruck zu vermitteln, daß die Probleme, über die wir gelegentlich klagen — Probleme im Zusammenhang mit Kürzungen und Einsparungen —, im Verhältnis zu dem, was sonst auf dieser Welt passiert, kleine Probleme sind.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: „Problemchen" sollten wir nicht sagen!)

    — Das hat mit „Problemchen" nichts zu tun, Herr Kollege Dregger. Ich sage das auch Leuten — auch Kollegen aus der Sozialdemokratischen Partei —, die mir vorhalten, daß man bei den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nichts kürzen dürfe. Ich kann dazu nur sagen: Wer die Probleme der Industrienationen auf diese Punkte herunterdefiniert, liegt an dieser Stelle weit neben dem, was notwendigerweise die Diskussion bei uns mitbestimmen muß.

    (Westphal [SPD]: Wie wäre es mit Ausgewogenheit?)

    Ich meine auch, man wird mit nationalem Egoismus nicht weiterkommen, genausowenig, wie mit Protektionismus oder mit Embargopolitik. Man wird dieser Welt mit ihren Schwierigkeiten nicht helfen, wenn die Industrienationen z. B. nicht bereit sind, auf die Länder des Südens zuzugehen. Ich behaupte, dies wird im Interesse der Industrieländer notwendig sein.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir werden, um unser eigenes Überleben in Frieden und Freiheit zu sichern, nicht umhinkönnen, allen Ländern auf dieser Welt die Möglichkeit einer friedlichen, ökonomischen, selbständigen Perspektive zu geben. Wer das in der Industriegesellschaft des Nordens nicht leistet, wird in 20 Jahren von den anderen gefragt werden, ob er nicht zur rechten Zeit die richtigen Maßnahmen getroffen hat oder eben vor dem eigentlichen Problem davongelaufen ist.
    Deshalb werden wir uns vielleicht sehr viel stärker als in der Vergangenheit damit befassen müs-



    Gärtner
    sen, wie wir — es geht dabei nicht darum, bei uns auf alles zu verzichten — eine gerechte Verteilung zwischen Nord und Süd auf den Weg bringen. Das gilt für alle Länder im Süden. Ich bin dagegen, daß man Länder des Südens sozusagen qualifiziert und klassifiziert. Armut, Hunger und Not stellen eben ein Problem dar, das unteilbar ist. Ich meine, daß uns das im Grunde auch gemeinsam bewegen müßte. Auch dann, wenn man aus einem weltumspannenden Glaubensbekenntnis kommt, wird das meines Erachtens fast selbstverständlich sein.
    Ein Haushaltsentwurf, eine Nachschiebeliste oder ein Ergänzungshaushalt — wie immer man es bezeichnet; ein solches Werk liegt uns jetzt vor — verdient eine kritische Prüfung, insbesondere dann, wenn wir etwas weniger Zeit haben. Die Problematik der Zeitperspektive ist ja heute schon angesprochen worden. Wir sollten nicht nur in Schnelligkeit machen, sondern wir sollten versuchen, auch dann vernünftig und langsam über Fragen zu beraten, wenn sich hier schon gewissermaßen bestimmte Selbstverständlichkeiten abzeichnen. Man wird die Arbeit im Ausschuß nicht einstellen können, insbesondere dann nicht, wenn man auch den Investitionsbegriff in einigen Positionen vielleicht noch einmal überprüfen muß. Ich höre ja gerne, daß alle Leute sagen: Man muß investieren. Auch die Kommunen sollen investieren.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sie können nicht mehr!)

    Jeder soll investieren. Es ist nur die Frage: Welche rentablen Investitionen gibt es denn eigentlich in diesem Lande, die dann auch eine solche Nettokreditaufnahme, wie wir sie heute im Haushaltsentwurf stehen haben, vertretbar machen? Zur Nettokreditaufnahme kann man ja nun wirklich sagen: In dieser Höhe hat sie viele neue Freunde gefunden.

    (Beifall bei der SPD)

    In früheren Jahren war das immer etwas komplizierter.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Erblast! — Walther [SPD]: Klage von Kohl und Zimmermann!)

    — Herr Kollege Walther, es gab auch unter der früheren Regierung Leute, die gesagt haben: Sie muß deutlich unter 30 Milliarden DM liegen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Man hat 20 Milliarden noch versteckt!)

    — Ich weiß gar nicht, warum man in einem Parlament nicht auf allen Seiten ein gewisses Ausmaß von Lernfähigkeit feststellen darf.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich will zu dem Unternehmen „Investitionen" deshalb etwas sagen, weil ich finde, daß es notwendig ist, darüber zu reden, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, als ob alles in diesem Lande nur über Investitionen machbar wäre. Wir selbst als Freie Demokraten haben zu dem Thema der Gemeinschaftsaufgaben, die nach dem Regierungsentwurf verstärkt werden sollen, eine etwas gespaltene
    Haltung, weil wir im Prinzip gegen dieses Unternehmen „Gemeinschaftsaufgaben" sind.

    (Kühbacher [SPD]: Ihr habt in den Ländern auch keine Verantwortung!)

    — Das ist leider feststellbar, Herr Kühbacher. Ich würde aber vorsichtig sein. Es fragt sich, wie lange Sie noch überall Verantwortung tragen.
    Man muß sich wirklich die Frage stellen, ob wir nur einfach erhöhen, also irgendeinen Betrag drauflegen sollen, oder ob wir uns als Parlament nicht gemeinsam daranmachen sollten zu überlegen, wie man dieses Instrument, wenn wir es schon nicht abschaffen können — weil offenbar die SPD wie die CDU das ablehnt —, wenigstens vernünftig parlamentarisieren kann. Ich jedenfalls bin der Meinung: Es kann nicht sein, daß die größten Brocken im Haushalt — insbesondere wenn sie zur Investitionsförderung angelegt sind — alleiniges Privileg der Verwaltung sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das sollte uns alle gemeinsam dazu bringen, nicht dafür zu sorgen, daß es eine Neuauflage der Gießkanne alten Stils gibt.
    Ich sage auch: Das Parlament muß sich bei den Investitionsfeldern, die im Haushalt stecken, fragen, ob das in allen Teilen und in allen Größenordnungen auch machbar ist. Ich will dazu ein paar ausgewählte Beispiele nennen: die Arbeit im Detail wird ja noch kommen.
    Ich nenne beispielsweise das, was im Haushalt zu dem Thema Stahl steht. Es wird ja nicht nur etwas gekürzt, sondern es wird auch etwas draufgelegt. Vielleicht wird ja bis zum Ende der Haushaltsberatungen gerade aus einer Region, die sehr am Rande der Bundesrepublik Deutschland liegt, noch einiges an Nachholbedarf auf den Haushalt zukommen. Man weiß das nicht genau, aber man kann relativ sicher sein. Wenn man die Stahl-Debatte nachgelesen hat und sich das anschaut, was jetzt das saarländische Kabinett schon beschlossen hat, sieht man, meine ich, schon einen Nachbesserungsvorschlag auf uns zukommen.
    Wir werden uns — um ein zweites Feld zu nennen — nach diesen Haushaltsberatungen einmal entscheiden müssen, was wir mit den fortgeschrittenen Reaktorlinien machen.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Wir müssen uns auch weiterhin fragen, ob wir, wenn wir kreditfinanzierte öffentliche Investitionen auf den Weg bringen, alles, was an Investitionen möglich ist, gemeinsam, sozusagen gleichzeitig finanzieren. Man kann ja nicht hingehen und die Stahlbranche bis zum Geht-nicht-mehr finanzieren oder z. B. fortgeschrittene Reaktorlinien, den Rhein-Main-Donau-Kanal im übrigen auch noch, und beispielsweise auch noch ein Unternehmen wie Airbus Industries. Ich sage das deshalb, weil es nach meinem Eindruck vier ganz entscheidende in ihrer Rentabilität in Teilen fragwürdige Investitionsfelder sind.

    (Zustimmung bei der SPD)




    Gärtner
    Es scheint mir notwendig zu sein, daß man sich entscheidet. Das heißt ja nicht, daß ich aus Prinzip gegen den Rest wäre, wenn ich mich für eines entscheide. Aber ich muß doch fairerweise und ehrlicherweise sagen, ob ich sie alle gleichzeitig finanzieren kann. Nach meinem Eindruck scheint es nicht möglich zu sein, alle genannten Felder gleichzeitig auf den Weg zu bringen. Ich meine aber, daß wir als Parlament uns entscheiden müssen. Es darf keine Investitionsbugwelle geben, weil das Parlament nicht bereit ist, sich in irgendeinem Punkt zu entscheiden.

    (Beifall bei der FDP)

    Man kann nicht sagen, man wolle Airbus haben und alles andere auch noch. Wenn man das so sagt, kriegt man eben nichts mehr durch. Deshalb meine ich, es ist notwendig, an dieser Stelle im Parlament eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung muß Prioritäten setzen, weil alles andere nach meinem Verständnis nicht machbar ist.


Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Gärtner, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hoffmann?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Gärtner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Gerne.