Dies ist eine Regierung des Neuanfangs.
Nur, diesen Neuanfang so lange zu verzögern, bis, wie das sonst durchaus nach einer Bundestagswahl üblich ist, über Wochen Gespräche und Beratungen geführt worden wären, um zu einem umfangreichen Koalitionspapier zu kommen, war in dieser Situation dem Lande und seinen Bürgern gar nicht zumutbar; denn es hätte bedingt, daß mit dem, was jetzt zu tun ist, nämlich mit der Beratung des Haushalts und der begleitenden Gesetze gar nicht erst — jedenfalls nicht zu rechter Zeit — hätte angefangen werden können.
Aber, Herr Kollege Emmerlich, fast hätte ich vergessen, Ihnen nach Ihrem Beitrag vorhin die Frage zu stellen, ob Sie sich selbst als Redner nicht etwas atypisch empfunden haben; denn das ist ja im Grunde das Problem: Wenn man sich über Jahre kennt, wird man sagen können — ich kann mir das jedenfalls vorstellen —, daß Ihnen Ihre Rede vorhin so leicht gar nicht gefallen ist, und zwar jetzt nicht etwa in diesem vordergründigen Sinne: Wo ist der Bundesjustizminister? Dazu kennen wir uns beide zu lange. Nein, so meine ich es gar nicht, sondern ich meine es darüber hinaus, in der Sache: mit jener Vereinfachung aller Dinge in die Debatte einzusteigen.
Sehen Sie, das ist für mich das Merkwürdige: Wenn ich diese Debatte verfolge, wenn ich draußen die Meinungen höre, die Presse und alles das lese, was jetzt aus dem politischen Raum kommt, dann müßte es eigentlich so sein, daß der Kollege Kleinert und ich diejenigen sind, die so richtig flattern, die sehr nervös sind, die nicht mehr in Ruhe die Dinge überdenkend sich äußern können. Aber ich stelle mit Erstaunen fest:
Die Nervosität, das völlige Durcheinander, die Konzeptionslosigkeit, das ganz einfache Contra auch dort, wo man selbst empfindet, daß es nicht hinpaßt, kommen aus Ihrer Ecke. Bei Betrachtung der politischen Landschaft ist das, finde ich, insgesamt schon einigermaßen interessant.
Aber wir wollen zu der Frage kommen: Was wird denn jetzt passieren? Es ist die Frage gestellt worden, was denn aus dem Demonstrationsrecht werde. Ich meine, auf schlichte Fragen kann man ungemein einfach, schlicht und klar antworten. Sämtliche Vorhaben, sämtliche Anträge sind zu Ende beraten worden. Derzeit steht nichts an. Wie in jeder Koalition bedarf es jeweils der Zustimmung beider Partner, um etwas Neues in Gang zu setzen. Wer in diesem Bereich Änderungen wünscht, muß sich melden und muß mit dem Partner sprechen, um herauszufinden, ob er ein Einvernehmen erzielen kann. Bisher ist nichts an uns herangetragen worden. Wir haben uns bis hinein in die letzten Monate und Wochen ja mit all diesen Fragen befaßt. Von seiten meiner Fraktion weiß ich jedenfalls, daß sich die Auffassung dazu nicht geändert hat. Ich glaube, das ist eine klare Antwort auf die gestellte Frage.
Wir haben seit 1969 in der Zusammenarbeit der sozialliberalen Koalition sehr viel im rechtspolitischen Bereich geleistet. Ich wiederhole: Das hat Herr Genscher, auch auf andere Bereiche bezogen, ausdrücklich betont, und bezogen auf die Rechtspolitik hat Herr Kollege Kleinert das heute noch einmal unterstrichen. Ich unterstreiche es ein weiteres Mal und sage: Davon wird nichts weggestrichen. Wir wollen das nicht vergessen, ob es sich nun um das Eherecht handelt, um die elterliche Sorge — um nur Beispiele zu nennen —, um das Adoptionsrecht, auch um das Mietrecht, soweit es den Kern des Kündigungsschutzes betrifft, um § 218, um das Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, um die Prozeßkostenhilfe, die Beratungshilfe bis hin zu den einzelnen Vorhaben bei der Terrorismusbekämpfung, die uns im einzelnen nicht geschmeckt haben mögen, wo wir uns aber der Herausforderung der Stunde zu stellen und eine Antwort zu geben hatten.