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    Plenarprotokoll 9/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Oktober 1982 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7293A, 7336A, 7380 B Engholm SPD 7303B Dr. Waigel CDU/CSU 7307 D Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7313A Gattermann FDP 7319A, 7407 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 7322 D Brandt (Grolsheim) SPD 7336 C Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 7341 C Dr. Miltner CDU/CSU 7349 B Dr. Hirsch FDP 7352 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 7357 A Dr. Emmerlich SPD 7359 B Kleinert FDP 7362 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 7365 C Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 7383 C Roth SPD 7373A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 7376 C Dr. Haussmann FDP 7378 D Frau Matthäus-Maier FDP 7383 C Möllemann FDP 7387 A Frau Fuchs SPD 7387 B Frau von Braun-Stützer FDP 7390 C Kuhlwein SPD 7393 A Daweke CDU/CSU 7395 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7398 C Waltemathe SPD 7402 C Dr. Möller CDU/CSU 7405 B Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7408 D Erklärungen nach § 30 GO Stiegler SPD 7335C, 7413 C Dr. Ehmke SPD 7413 D Nächste Sitzung 7414C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7415 *A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Oktober 1982 7293 122. Sitzung Bonn, den 14. Oktober 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 10. Dr. Ahrens ** 15. 10. Coppik 15. 10. Dr. Geßner ** 15. 10. Haar 15. 10. Haehser 15. 10. Hauck 15. 10. Heistermann 15. 10. Jansen 15. 10. Jung (Kandel) ** 15. 10. Jung (Lörrach) 15. 10. Lenzer ** 14. 10. Lowack 15. 10. Müller (Bayreuth) 15. 10. Dr. Müller ** 15. 10. Poß 14. 10. Reddemann ** 15. 10. Rosenthal 14. 10. Schmidt (Wattenscheid) 15. 10. Schulte (Unna) 15. 10. Schröer (Mülheim) 15. 10. Volmer 15. 10. Weirich 15. 10. Dr. Wendig 15. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Rede des neuen Bundesministers des Innern habe ich mich an das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein erinnert. In diesem Märchen hatte der Wolf bekanntlich Kreide gefressen, um besser an die Geißlein herankommen zu können. Ich würde mich sehr freuen, Herr Bundesinnenminister, wenn wir heute
    einen neuen Dr. Friedrich Zimmermann erlebt und Sie nicht nur Kreide zu sich genommen haben.
    Allerdings, Herr Bundesinnenminister, Ihre durchaus moderate Rede am heutigen Tage läßt uns Ihr bisheriges Verhalten — ich sage ausdrücklich: Ihr bisheriges politisches Verhalten — nicht vergessen. Ich denke, das werden Sie uns nachsehen. Wir erinnern uns zu gut, welche Rolle gerade Sie bei der Verteidigerüberwachung und bei der Sicherungsverwahrung gespielt haben, und wir haben auch nicht vergessen, daß Sie zu denjenigen gehört haben, die den von uns hochverehrten deutschen Schriftsteller Böll in die Mitverantwortung für den Terrorismus gerückt haben. Unvergessen ist auch etwas, was ich in einem hohen Grade für unverantwortlich gehalten habe, nämlich daß Sie den Bundesinnenminister Baum, über dessen Politik Sie durchaus andere Auffassungen haben dürfen, als ein Sicherheitsrisiko bezeichnet — nein, hier muß ich sagen, Herr Bundesinnenminister: diffamiert — haben.

    (Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    Ich muß auch eine Äußerung des neuen Bundesjustizministers in diesem Zusammenhang erwähnen. Dieser hat im Zusammenhang mit Ereignissen, die sich in der Parlamentarischen Kontrollkommission abgespielt haben, die Aussage gemacht: „Allmählich wird Zimmermann tatsächlich zu einem Sicherheitsrisiko."

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Hört! Hört!)

    Herr Bundesinnenminister, die Art und Weise, wie Sie, ohne auf den sachlichen Inhalt der Rede des Innenministers von Nordrhein-Westfalen einzugehen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie hatte doch gar keinen sachlichen Inhalt!)

    diese Rede und damit Ihren Kollegen charakerisiert haben, läßt, wenn Sie diese Art und diesen Stil fortsetzen wollen, im Umgang mit Ihren Innenministerkollegen für die Zukunft leider nichts Gutes erwarten.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Das hat er ja gar nicht gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundesinnenminister, Sie haben soeben in Ihrer Rede in Richtung auf den öffentlichen Dienst das Wort „Lohnleitlinien" verwandt. Ich bitte Sie zu bedenken, daß die Tarifautonomie ein hohes, ein schützenswertes, ein unverzichtbares Gut ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Man kann diesen Begriff, den Sie soeben verwandt haben, sicher unterschiedlich interpretieren. Ich will auch eine Interpretation dieses Begriffes, die Sie dem Bundestag und den deutschen Gewerkschaften sicher schuldig sind, keineswegs vorwegnehmen. Ich möchte Sie nur sehr herzlich bitten, im Interesse der Bewahrung des inneren Friedens und im Interesse der Mitarbeit der deutschen Gewerkschaften in unserem Staat nichts zu tun, was den



    Dr. Emmerlich
    Anschein erweckt, Sie achteten die Tarifautonomie nicht so, wie Sie das tun müssen.
    Eine weitere Bemerkung, Herr Bundesinnenminister, muß ich zu Ihrer Aussage in einem Interview machen, in dem Sie sich für einen „positiven Verfassungsschutz" durch die Verfassungsschutzbehörden ausgesprochen haben. Dazu halte ich zwei Bemerkungen für erforderlich.
    Erstens. In den Gesetzen, die den Auftrag der Verfassungsschutzbehörden beschreiben und bestimmen, findet sich der Begriff „positiver Verfassungsschutz" nicht.
    Zweitens. Sie, Herr Bundesinnenminister, stammen ja aus dem Lande Bayern. — Ich würde gelegentlich auch ganz gern in Bayern wohnen dürfen. — Sie gehören der CSU an, die in Bayern für das, was ich jetzt anspreche, die politische Verantwortung trägt. In Bayern hat unter diesem Begriff mit Billigung der dafür politisch Verantwortlichen der oberste Staatsschützer Langemann folgendes betrieben: Er hat Nachrichten aller Art, die für die Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes, die aber auch für ganz andere Dinge von Interesse sind, also mit dem Auftrag des Verfassungsschutzes überhaupt nichts zu tun hatten, gesammelt, und zwar nicht nur für staatliche Instanzen, denen er kraft Auftrages verpflichtet war, sondern auch für die CSU und für private Zwecke der Verantwortlichen der CSU.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn Sie unter „positivem Verfassungsschutz" eine derartig skandalöse Ausweitung des Auftrages der Verfassungsschutzbehörden verstehen, dann — das kann ich Ihnen versichern — werden Sie auf unseren erbitterten Widerstand stoßen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Ha, ha! — Bauen Sie doch keinen Türken auf! — Pappkameraden!)

    Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Bundesinnenminister, wenn Sie uns bei nächster Gelegenheit deutlich machen würden, was Sie im Gegensatz zu Ihren Parteifreunden in Bayern unter „positivem Verfassungsschutz" verstehen und wie Sie dafür zu sorgen gedenken, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht in derartige Machenschaften hineingezogen wird, wie das durch Ihre Partei in München mit Herrn Langemann geschehen ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einige Bemerkungen zur Rechtspolitik machen. Die Vereinbarung der neuen Koalition und die Regierungserklärung enthalten bis auf die Passage über das Mietrecht keine Aussagen zur Rechtspolitik, nicht einmal zu bereits anhängigen wichtigen Gesetzentwürfen wie z. B. zum UWG, zum Maklerrecht, zum Urheberrecht, zur Wirtschaftskriminalität, zur Fortentwicklung des Versorgungsausgleichs, zur Neuordnung der Juristenausbildung, zum Ordnungswidrigkeitengesetz, zum Demonstrationsrecht und zur Bekämpfung des Neonazismus, auch nicht zu den jüngst in die
    rechtspolitische Debatte gelangten Vorschlägen zur
    Entlastung der Justiz, insbesondere der Strafjustiz.
    In der Geschichte der Regierungserklärungen der Bundesrepublik ist es ein einmaliger Vorgang, daß der Bundeskanzler bei der Darlegung seines Regierungsprogramms vor dem Deutschen Bundestag einen so wichtigen Kernbereich wie den der Rechtspolitik ausklammert, sich dazu verschweigt, obwohl er mit ebenso anspruchsvollen wie pompösen Formulierungen — „neuer Anfang", „geistig-politische Erneuerung" — den Regierungswechsel und die Art und Weise, wie er zustande gebracht worden ist, überschreibt und obwohl der neue Innenminister über das beschädigte Rechtsbewußtsein klagt. Daß ausgerechnet dieser Bundesinnenminister das Rechtsbewußtsein stärken, es wiederherstellen will, auch das gehört zum Kapitel Glaubwürdigkeit dieser Koalition der „Wende" und des „neuen Anfangs", der in Wahrheit ein schlimmer Rückfall sein wird.

    (Beifall bei der SPD)

    In seiner Regierungserklärung, in der Übergangskanzler Kohl auch versucht hat, die Perspektiven seiner Politik darzustellen, sind für die Rechtspolitik lediglich drei Sätze abgefallen. Einer dieser Sätze, die Ankündigung enthaltend, den freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat ausbauen zu wollen, steht im Widerspruch zu seiner Politik, Opfer von der breiten Masse der Bevölkerung zu verlangen, die Reichen und Starken aber durch Steuererleichterungen und sonstige Maßnahmen noch reicher und noch stärker zu machen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen, daß das nicht stimmt!)

    Der neue Bundeskanzler sieht als wichtigste Aufgabe unserer Rechtsordnung an, den inneren Frieden zu stiften. Gewiß, das muß die Rechtsordnung leisten. Die Rechtsordnung muß aber in gleicher Weise — ich meine sogar noch mehr — das Ziel der Gerechtigkeit verfolgen. Nur dann, wenn sich die Rechtsordnung an der Gerechtigkeit orientiert, kann sie zum inneren Frieden beitragen. Rechtsnormen, die die Gerechtigkeit außer acht lassen, haben keinen höheren Geltungsanspruch als die Verhaltensregeln einer Gangsterbande. „Fehlt einem Staat die Gerechtigkeit, was ist er dann anderes als eine große Räuberbande?" Diese Einsicht von Augustinus läßt Kanzler Kohl vermissen. Gesetze ohne Gerechtigkeit werden von den Bürgern, die sie zu erleiden haben, zu Recht als Herrschaftsinstrument einer Klassengesellschaft verstanden.
    Wie sehr die neue Regierung Grundsätze der Gerechtigkeit außer acht läßt, wird an den von ihr beabsichtigten Mietrechtsänderungen deutlich.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Durch diese werden die Mieter bei nicht ausreichendem Wohnungsangebot dem freien Spiel der Kräfte auf dem Wohnungsmarkt ausgesetzt.

    (Beifall bei der SPD)




    Dr. Emmerlich
    Die Ellbogengesellschaft feiert fröhliche Urständ. Auf der Strecke bleiben die Mieter und die soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Die geistig-politische Orientierung des neuen Bundeskanzlers besteht bei Licht besehen in einer platten Ideologie, die mit Harmoniefloskeln verbrämt und zukleistert, was konkret geschieht,

    (Beifall bei der SPD)

    nämlich eine Politik der Umverteilung von unten nach oben, eine Politik, die die breiten besitzlosen Schichten des Volkes zur Kasse bittet und die Vermögen und Einkommen der ohnehin Besitzenden vermehrt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Durch Wiederholung wird das nicht wahr! — Aus der Mottenkiste!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, der neue Justizminister hat von Kontinuität der Rechtspolitik gesprochen. Das wäre bei realistischer Betrachtungsweise der Kräfteverhältnisse

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    doch nur dann möglich, wenn die CDU/CSU die Kontinuität ihrer rechtspolitischen Vorstellungen aufgäbe, wenn Minister Zimmermann vor Minister Engelhard, wenn die CSU vor der FDP zu Kreuze kröche. Darauf zu vertrauen, hieße bei einem Zusammenstoß zwischen Bulldozer und Goggomobil dem Goggomobil eine Chance einräumen.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Helau!)

    Kollege Friedrich Hölscher sieht für das Goggomobil jedenfalls keine Chance. Er bezeichnet die neue Regierung als Abbruchunternehmen liberaler Politik.
    Bezeichnend für die wahren Stärkeverhältnisse ist, daß dem FDP-Justizminister — als Aufpasser, Herr Minister — Professor Hans Hugo Klein von der CDU als Parlamentarischer Staatssekretär beigeordnet ist; ein Mann, der in den rechtspolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre keinen Zweifel daran hat aufkommen lassen, daß er sich im Lager von Law and Order befindet.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sind Sie gegen Law and Order? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Da gehören wir wohl alle hin! — Wohin gehören Sie denn?)

    Bezeichnend ist auch, daß der neue Justizminister trotz seines Redens von Kontinuität für den bisherigen Staatssekretär Günter Erkel keine Verwendung hat. Bezeichnend ist auch, daß der neue Parlamentarische Staatssekretär in Abwesenheit des Justizministers im Bundesjustizministerium personelle Umsetzungen angekündigt hat.
    Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die Rechtspolitik ausgeklammert? Weil es vom politischen Inhalt her keine Gemeinsamkeit zwischen Herrn Engelhard und Herrn Zimmermann, zwischen Herrn Kleinert und Herrn Spranger gibt.
    Die Regierung Genscher/Kohl hatte zwar für den Wechsel eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Diese Mehrheit fehlt ihr aber für wichtige Politikbereiche wie z. B. die Rechts- und die Innenpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Wechsel wurde quergeschrieben. Er ist aber nicht gedeckt. Politische Wechselreiterei, das ist es, was vom Genschern übrigbleibt und was der neue Bundeskanzler sich ohne Not hat ankleben lassen.
    Das Schweigen zur Rechtspolitik zeugt von mangelnder Verantwortung der neuen Regierung. In unserer problemüberladenen Zeit steht auch die Rechtspolitik vor besonderen Herausforderungen. Die ökonomische Krise hat unausweichlich eine Verschärfung des Verteilungskampfes und der sozialen Spannungen zur Folge. Die Starken versuchen, die Lasten der Krise auf die Schwachen abzuladen. Die neue Rechtskoalition hilft den Starken, statt die Schwachen zu schützen. Sie verspricht und verschafft ihnen Steuervorteile, und den Schwachen fordert sie Opfer ab: Gerechtigkeit nach Gutsherrenart.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Wo bleibt da der Justizminister, der dem Sozialstaatsauftrag des Grundgesetzes treu ist und für soziale Gerechtigkeit eintritt?
    Statt dessen wird er ein neues Mietrecht präsentieren, das massive Mieterhöhungen zur Folge haben wird, das eine Einkommensverlagerung von den Mietern auf die Vermieter in Höhe von vielen Milliarden DM jährlich bringt, ein Mietrecht, das sozial schwache Mieter zu Abertausenden aus ihren Wohnungen vertreiben wird. Er wird sich mit der Behauptung rechtfertigen, diese jährlichen Einkommensverschiebungen von den Mietern auf die Vermieter würden den Wohnungsbau ankurbeln und Arbeit schaffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Astrologisch!)

    Alles Schall und Rauch. Von diesen leistungslosen Gewinnen wird so gut wie nichts in den Wohnungsbau und nichts Nennenswertes in beschäftigungswirksame sonstige Investitionen fließen.

    (Beifall bei der SPD)

    Was bleibt, ist eine Politik der Vermögensverteilung von unten nach oben, eine Politik zugunsten solcher Interessengruppen, denen die Rechtskoalition politisch verbunden und verpflichtet ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Platitüden!)

    eine Politik, mit der als Anerkennung für bewiesene und in Erwartung zukünftiger Treue solche Verpflichtungen auf Kosten der Mieter eingelöst werden.
    Der sich verschärfende Verteilungskampf von unten nach oben,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das sagt er nun schon zum drittenmal!)

    den die neue Koalition des sozialen Rückschritts
    schürt und anheizt, statt ihn zu bekämpfen, wird die
    sozialen und politischen Spannungen erhöhen. Auf-



    Dr. Emmerlich
    gabe der Rechtspolitik wäre es, dafür zu sorgen, daß die persönlichen und die politischen Freiheitsrechte der Bürger in einer solchen Lage nicht eingeschränkt, sondern verteidigt und gefestigt werden und daß die Politik auf soziale und politische Spannungen nicht nach dem bayerischen Modell von Nürnberg mit Dreinschlagen und Massenverhaftungen reagiert. Wo ist der Justizminister, der uns und unserem Volk die Gewähr dafür bietet, daß der Bundesinnenminister, der der Partei angehört, die für Nürnberg die politische Verantwortung trägt, das Modell Nürnberg nicht auf die gesamte Bundesrepublik überträgt.

    (Zustimmung bei der SPD — Bohl [CDU/ CSU]: Was soll dieses Gequatsche? Unmöglich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wo ist der Justizminister, der unmißverständlich vor dem Deutschen Bundestag klarmacht, daß mit ihm eine Einschränkung des Demonstrationsrechtes, die der Bundesinnenminister noch Anfang dieser Woche als richtig bezeichnet hat, nicht möglich ist? Wo ist der Justizminister, der einer Ausrüstung der Polizei mit Waffen, die keine Polizeiwaffen sind, eindeutig und mit Entschiedenheit entgegentritt?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Da sitzt er! — Wo ist der Oppositionsredner, der endlich einmal etwas Vernünftiges sagt?)

    Wo ist der Justizminister, der wie Kollege Baum den Datenschutz auch bei den Sicherheitsbehörden durchsetzt, der zu den Forderungen nach uneingeschränktem Zugang der Sicherheitsbehörden zu allen Dateien, nach uneingeschränktem Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ein eindeutiges Nein sagt und der schließlich die Rechte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gegen den Bundesinnenminister und gegen die CDU/CSU ohne Wenn und Aber verteidigt? Wo ist schließlich der Bundesjustizminister, der unserem Volk die Gewißheit gibt, daß unsere freiheitliche und soziale Demokratie, daß unsere innere Liberalität trotz des Bundesinnenministers Zimmermann und seines Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger keinen Schaden nimmt?

    (Dr:Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit! — Bohl [CDU/CSU]: Eine Frechheit nach der anderen!)

    Dieser von uns gewünschte Bundesjustizminister ist in der Regierungserklärung und in der Debatte über die Regierungserklärung — bis jetzt jedenfalls — nicht hervorgetreten.

    (Beifall bei der SPD — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn wir in Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister der Justiz, einen solchen Justizminister, wie er in dieser Lage erforderlich ist, erkennen, dann werden Sie unsere Unterstützung haben,

    (Beifall des Abg. Kleinert [FDP])

    dann wird die SPD auf Ihrer Seite sein, dann können Sie mit uns bei Ihrer Auseinandersetzung mit
    der CDU/CSU und mit Herrn Zimmermann, die unausweichlich ist, rechnen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kleinert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber Herr Emmerlich — ich glaube, ich darf das immer noch so sagen, denn ich halte es für ein wesentliches Ergebnis, wenn es, wie lange auch immer, eine Regierungsfraktion geben sollte, aus der sehr gute und weiterhin tragfähige Beziehungen in die Oppositionsfraktion hineinwirken —, das Suchspiel wird sich dadurch erledigen, daß der Ihnen bekannte Herr Engelhard demnächst als Bundesjustizminister Ihre Fragen in der gewünschten und übrigens Ihnen in der Grundrichtung seit langem bekannten Klarheit beantworten wird.

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Dann ist es ja gut!) — Das ist sicher so.

    Sie vermissen hier Kontinuität. Daß das Papier für die Koalition, die auf vielfältiges Drängen nicht zuletzt der Sozialdemokratischen Partei sich selbst außer der Frist für die Verabschiedung des dringend benötigten Haushalts und die dazugehörigen Gesetze nur eine ganz kurze Zeit gegeben hat, um sich dem Wähler zu stellen, zur Rechtspolitik nichts enthält, ist ein Zeichen von Kontinuität.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Das Interessanteste an der Sache ist das, was Herr Franz Josef Strauß gesagt hat. Man braucht in so aufgeregten Zeiten manchmal Helfer, woher sie auch immer kommen — ich verstehe Ihren Blick, Herr Wehner. Man kann sich da manchmal auch auf Herrn Strauß beziehen. Er hat gesagt: die Unterhändler der Freien Demokratischen Partei haben mit dem Abbruch der Koalitionsgespräche für den Fall gedroht, daß die Union darauf besteht, Einzelheiten zu rechtspolitischen Veränderungen in dieses Programm hineinzuschreiben. Ich habe dem eigentlich nichts hinzuzufügen.

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten die Kontinuität bewahrt!)

    Herr Emmerlich, ich muß Ihnen etwas sagen, das intellektuell nicht ganz einfach, aber wie ich glaube, dennoch sehr klar ist: Von dem, was in 13 Jahren sozialdemokratischer und freidemokratischer Zusammenarbeit im Bereich der Rechtspolitik geleistet worden ist, vergessen wir gar nichts.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir vergessen auch nicht — darauf sind wir, wie ich glaube zu Recht, stolz —, welche Auseinandersetzungen wir mit den Herren von der CDU/CSU in diesen Jahren gehabt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe mir vorhin eine Liste durchgesehen und
    festgestellt, was wir alles verabschiedet haben. Herr
    Kohl, der jetzige Bundeskanzler — damals noch



    Kleinert
    Fraktionsführer —, hat mich neulich hier gefragt, wie ich denn zu dem Problem der Kontinuität der Rechtspolitik im Verhältnis der Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Freien Demokraten einerseits und zu den Christdemokraten andererseits stünde. Da habe ich von dieser Stelle aus die Gelegenheit genommen zu sagen: Es hat einige Dinge in der Vergangenheit gegeben, die haben wir mit den Christdemokraten, wie wir hoffen, sehr zum Wohle des Landes gemeinsam getan. Das habe ich alles längst vor den Ereignissen gesagt, die kürzlich hier stattgefunden haben und die die Gemüter so erregen. Da gab es eine Fülle von Dingen, die hätten Liberale mit Christdemokraten aus respektablen Gründen des gegenseitigen Selbstverständnisses nicht machen können. Wir hätten kein neues Eherecht —

    (Sehr richtig! bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre kein Verlust!)

    bei allen Mängeln, die da noch sind — ohne die Koalition, ohne die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten machen können. Ich will an die aus meiner Sicht — im krassen Gegensatz zu der von mir respektierten Sicht einiger Mitglieder der christdemokratischen Union — eher spaßhaft anzusehenden Auseinandersetzungen über das Vierte Strafrechtsänderungsgesetz erinnern. Das klingt sehr abstrakt; ich sage Ihnen, was das ist: Es betrifft nämlich Sexualstraftaten. Was wir in dem Zusammenhang hier erlebt haben und was wir hier gehört haben, wissen einige der Beteiligten noch. Warum soll ich denn das vergessen? Ich weiß doch, mit wem wir gestritten haben und gegen wen wir gestritten haben.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Das haben wir in der Großen Koalition gemacht!)

    Aber nun kommt das die Kontinuität Betreffende, Herr Emmerlich. Es gibt nun wiederum einige Dinge, die wir vermutlich mit der CDU/CSU-Fraktion etwas besser, weil einfach praxisbezogener, durchführen können. Das gilt für den Bereich der Rechtspolitik, soweit es die wirtschaftlichen Belange unseres Landes angeht, weil es dafür manchmal an einem gewissen Verständnis bei Ihnen fehlt — leider.

    (Vereinzelt Beifall bei der FDP — Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben uns immer fair darüber unterhalten. Wir haben saubere Kompromisse gemacht und durchgezogen. Aber leicht ist es ja nun in diesem Bereich jedenfalls nicht gewesen.
    Herr Emmerlich, die Rechtspolitik ist kein Boden für einen neuen Klassenkampf. Es mag draußen sehr nützlich sein, Klassenkampfgedanken ins Gespräch zu bringen. Der Ausgleich zwischen den unterschiedlichen sozialen Interessen ist zu suchen in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik, auch — und das halte ich für sehr wesentlich — in der Bildungspolitik. Die Rechtspolitik soll den festen und verläßlichen Boden für alle ohne irgendeinen
    Hauch von Klassenkampf darstellen. Das ist ganz wichtig.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Weil das alles so ist — es ist mir jetzt in dieser Stunde nicht möglich, auf die imponierende Reihe der von uns gemeinsam verabschiedeten Gesetze einen auch nur einigermaßen vollständigen Rückblick zu halten —, heißt Kontinuität, daß die Liberalen allerdings Veränderungen an dem nicht zulassen werden, was mit Ihnen besser als mit der CDU zu erreichen war, daß wir aber das, was mit Ihnen — wiederum aus sehr respektablen Gründen — nicht möglich war, dann in dieser Koalition versuchen werden zu verwirklichen.

    (Zuruf von der SPD: Glauben Sie das?)

    — Ja, das glaube ich. Sehen Sie sich die Ungetüme an, die in Ihren Reihen gepflegt werden, wenn man glaubt, Verbraucher schützen zu können durch eine Wahnsinnszahl von Zusatzbestimmungen, die Bürokratie schaffen, aber nicht Verbraucher schützen. Das verstehe ich vom Denkansatz her nicht.

    (Zuruf des Abg. Dr. de With [SPD])

    — Mein lieber Hans, wir haben große Probleme in dem Bereich gehabt. Das Reiseveranstaltervertragsgesetz — Du nennst es gerade — war ursprünglich ein ganz schön dicker Packen; und was Dir und dem Koalitionspartner zuliebe davon übriggeblieben ist, ist verhältnismäßig unschädlich für den Gang der einschlägigen Unternehmungen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU)

    Ich erwähne das nur, weil Du gerade getan hast, als ob da nichts gewesen wäre. Ich weiß, wovon ich spreche — zufällig! —

    (Heiterkeit bei allen Fraktionen)

    Wir sollten hier nicht einseitig werden. Das ist mir eigentlich das Wichtigste an der ganzen Auseinandersetzung. Ich will hier nicht die Schärfen hineinbringen, die Größeren vorbehalten sind, wenn frühere und jetzige Bundeskanzler und Minister und all diese Potentaten sich streiten.

    (Heiterkeit)

    Das muß j a wohl auch härter zugehen.
    Aber wir haben in der Rechtspolitik doch noch mehr als in anderen Bereichen das allermeiste gemeinsam durch alle Fraktionen verabschiedet, nach sehr sachlichen, sehr verständigen Diskussionen, bei denen gelegentlich sogar dem enormen Sachverstand des Ministeriums von Abgeordnetenseite, welcher Fraktion auch immer, noch einiges Nützliche, vielleicht auch Praxisbezogene — das ist unsere Aufgabe — hinzugefügt worden ist.
    Und weil das so ist, brauchen wir doch gar keine Angst davor zu haben, daß es hier an Kontinuität fehlt, zumal wenn die gleiche Gesinnung wie in der Vergangenheit uns auch in Zukunft verbindet, nämlich daß wir als Abgeordnete in erster Linie der Sache und keinesfalls, in welcher Koalition auch



    Kleinert
    I immer, dem jeweiligen Ministerium oder der Bundesregierung verpflichtet sind.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Eine Fraktion ist nicht Schutztruppe der Bundesregierung. Das ist eine Weisheit, die ich im übrigen, Herr Emmerlich, Ihrem Vorgänger im Amt, Martin Hirsch, verdanke, als ich ihn mal besonders erregt anrief, um mich über etwas zu beschweren, was aus dem Bundesjustizministerium auf uns zudrang. Wir haben uns daran einigermaßen gehalten. Wir werden uns auch in Zukunft daran halten.
    Und weil das meiste gemeinsam verabschiedet worden ist, besteht überhaupt keine Veranlassung, ich würde sogar sagen, besteht praktisch gar keine Möglichkeit, zu behaupten, daß es hier an Kontinuität fehlt.
    Und das mit der Ellbogengesellschaft lassen Sie sich von den Sozialpolitikern erläutern, die Leute vertreten, die mit Ellbogen an Töpfe sich ganz energisch ranmachen, in die sie nie etwas eingezahlt haben; es gibt auch andere, die dagegen sind und versuchen, das wieder in Ordnung zu bringen. Das machen Sie mit Leuten aus, die meinen, es wäre nützlich — das betrifft wiederum alle Fraktionen des Hauses — wie z. B. beim Krankenhausfinanzierungsgesetz den, der zahlt, von dem, der anschafft, zu trennen — mit der Folge einer Kostenexplosion, die Ihnen der kleinste Handwerksmeister im Land hätte vorhersagen können, wenn ihn einer von uns vorher gefragt hätte. Wir alle haben dieses Krankenhausfinanzierungsgesetz gemacht. Auch die Opposition der früheren Zeit, unser heutiger Koalitionspartner, war ja bei diesen Veranstaltungen anwesend.

    (Heiterkeit)

    Haben Sie deshalb keine Sorge um Kontinuität, sondern höchstens Sorge, daß uns der klare Blick dafür verlorengeht, daß wir als Parlament nicht Schutztruppe der Regierung, sondern Abgeordnete sind, die dafür sorgen sollen, daß das, was von da kommt, möglichst oft ohne Unterschied zwischen den Fraktionen sorgfältig im Hinblick auf das kontrolliert wird, was unsere hoffentlich in den meisten Fällen vorhandene Praxisbezogenheit uns gegenüber einem ganz anders gearteten — aber deshalb nicht gering zu achtenden — Sachverstand eingibt.
    Wir haben hier große Debatten in der Rechtspolitik gehabt. Ich erinnere an die Frage der Verjährung für Mord. Die Front ist durch alle Fraktionen gegangen; niemand hat einem anderen bestritten, daß er sich ganz gründliche Gedanken gemacht und sein Gewissen erforscht habe. Wir haben keine Veranlassung, von diesem Weg in den wichtigsten rechtspolitischen Fragen abzuweichen und uns in Zukunft anders als in der Vergangenheit zu verhalten.
    Ich kann beim besten Willen nicht alles, was zu sagen mir jetzt dringlich erschiene, hier anbringen, ohne Sie zu sehr zu strapazieren. Ich möchte nur noch zum Schluß sagen, daß ich eine Zeitlang behauptet habe, ich sei der Erfinder einer Idee — —