Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben vor einigen Tagen im Bundesrat den Bundesländern eine faire Zusammenarbeit angeboten. Ich möchte hier für mich sagen — ich bin sicher, daß dem alle Mitglieder des Bundesrates auch in diesem Plenum zustimmen —, daß auch die Länder der Bundersregierung die Unterstützung geben wollen, die notwendig ist, um unsere schwierigen Probleme zu bewältigen. Bund und Länder sind auf Zusammenarbeit angewiesen, gerade in dieser Zeit. Und die großen Probleme, vor denen wir stehen, sind ohnehin nur gemeinsam lösbar. Die Lösung der Probleme aber ist ja letztlich das, was unsere Arbeit rechtfertigt, begründet und legitimiert. Ich meine, wir alle streiten zuviel über Taktik, über Parteien, über Mehrheiten hier und dort und richten unsere Aufmerksamkeit häufig zuwenig auf die Lösung der wirklichen Probleme.
Herr Bundeskanzler, die neue Bundesregierung hat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt aller Probleme gestellt. Dort gehört sie hin. Die Bundesländer und gerade die Stadtstaaten wissen, wie zentral dieses Problem uns heute berührt.
Herr Bundeskanzler Kohl, Sie haben festgestellt, daß sich die Weltwirtschaft in einer tiefgreifenden Strukturkrise befindet. Sie haben dann gesagt: Wir dürfen aber nicht den Blick verstellen für unsere eigenen, hausgemachten Probleme. Sicherlich: Beides ist richtig. Aber so formuliert auch sehr unverbindlich. Entscheidend für das, was zu tun ist, bleibt unser Verständnis für die wahren Ursachen der Krise, in der wir uns befinden.
Die neue Bundesregierung hat in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers festgestellt: Unsere eigenen Wachstums- und Beschäftigungsprobleme resultieren weitgehend daraus, daß unsere Wirtschaft nicht mehr in der Lage war, mit den neuen außenwirtschaftlichen Herausforderungen fertigzuwerden. Herr Bundeskanzler Kohl, ich kann diese Analyse nicht teilen.
Wer weiß, daß wir in diesem Jahr einen Handelsbilanzüberschuß von etwa 60 Milliarden DM haben werden, wer weiß, daß die Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahrzehnt trotz des Einbruchs der Japaner in die Weltmärkte ihren Anteil am Welthandel nicht nur gehalten, sondern sogar leicht erhöht hat, der kann doch wirklich nicht behaupten, wir hätten an Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten verloren.
In Wahrheit hat Ihre Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, nichts gesagt zu den wirklichen Problemen, mit denen wir zu ringen haben, z. B. zu der Frage der Sättigung der Märkte. Die Bürger draußen wissen doch — jeder spricht einen darauf an —: Wie soll denn das eines Tages werden, wenn jeder Haushalt sein Auto, jeder Haushalt seine Waschmaschine, jeder Haushalt auch noch einen Videorecorder hat? Wo soll denn dann die Produktion wirklich hingehen? Die Frage der Sättigung, Herr Bundeskanzler, ist doch ein zentrales Problem unseres Binnenmarktes.
Das betrifft doch auch die Bauindustrie. Meine Damen und Herren, die Krise der Bauindustrie ist natürlich auch abhängig von den Zinsen. Sie ist auch abhängig von der Möglichkeit der öffentlichen Haushalte zu investieren. Aber ein ganz zentrales Problem ist doch auch dort, daß wir nun einmal Straßen gebaut, Schwimmbäder gebaut, Schulen gebaut, Universitäten gebaut haben, daß wir einen so großen Teil der öffentlichen Investitionen in den 70er Jahren gemacht haben. Auch hier gibt es doch inzwischen Sättigungserscheinungen. Jeder, der draußen Kommunalpolitik treibt, weiß das doch.
Dasselbe gilt letztlich für die Exportmärkte.