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ID0912106400

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    Plenarprotokoll 9/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 Inhalt: Bestimmung der Abg. Erhard (Bad (Schwalbach), Dr. Wittmann und Becker (Nienberge) als Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses 7229 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 7213A Präsident Stücklen 7229 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Ehmke SPD 7229 C Dr. Dregger CDU/CSU 7244 A Genscher, Bundesminister AA 7254 B Dr. Apel SPD 7264 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7274 B Westphal SPD 7285 D Nächste Sitzung 7289 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7291*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7291*B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 7213 121. Sitzung Bonn, den 13. Oktober 1982 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 10. Dr. Bugl 15. 10. Coppik 15. 10. Frau Däubler-Gmelin 13. 10. Haar 15. 10. Haehser 15. 10. Hauck 15. 10. Heistermann 15. 10. Hoppe 15. 10. Jansen 15. 10. Jung (Lörrach) 15. 10. Kolb 13. 10. Kuhlwein 13. 10. Lowack 15. 10. Lampersbach 13. 10. Lenzer 14. 10. Müller (Bayreuth) 15. 10. Dr. Müller ** 15. 10. Dr. Olderog 13. 10. Offergeld 13. 10. Pfeifer 15. 10. Reuschenbach 13. 10. Rosenthal 14. 10. Schmidt (Wattenscheid) 15. 10. Schulte (Unna) 15. 10. Schröer (Mülheim) 15. 10. Volmer 15. 10. Weirich 15. 10. Dr. Wendig 15. 10. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 beschlossen, gegen das Mietrechtsänderungsgesetz 1982 (MietRÄndG) Einspruch einzulegen. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates wird als Drucksache 9/2024 verteilt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 ferner beschlossen, den nachstehenden Gesetzen nicht zuzustimmen: Gesetz über die Erstellung von Übersichten über die üblichen Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum (Mietspiegelgesetz - MSpG -) Gesetz zur Neubewertung unbebauter baureifer Grundstücke (Teilhauptfeststellungsgesetz 1983 - TeilhauptG 1983). Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Schreiben des Präsidenten des Bundesrates werden als Drucksachen 9/2025 und 9/2026 verteilt. In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, dem Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - zuzustimmen. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates wird als Drucksache 9/2029 verteilt. In seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 hat der Bundesrat beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Durchführung der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz) Gesetz zu dem Vertrag vom 9. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gemeinsame Information und Beratung der Schiffahrt in der Emsmündung durch Landradar- und Revierfunkanlagen Gesetz zu dem Abkommen vom 6. November 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Nachtragshaushaltsgesetz 1982) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat sieht von der Anrufung des Vermittlungsausschusses ab, weil angesichts des fortgeschrittenen Ablaufs des Haushaltsjahres 1982 eine grundlegende Umgestaltung des Bundeshaushalts 1982 auch durch Einschränkungen bei Leistungsgesetzen noch mit Wirkung für 1982 nicht mehr möglich ist. Das Nachtragshaushaltsgesetz spiegelt trotz einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme um rund 7 Mrd. DM auf fast 34 Mrd. DM die wahre Haushaltslage des Bundes nur unvollständig wider. Die im Oktober vorgesehene Bekanntgabe aktualisierter gesamtwirtschaftlicher Daten sowie die nachfolgende Steuerneuschätzung werden für 1982 Mehrbelastungen durch Mindereinnahmen bei den Steuereinnahmen des Bundes in Höhe von ca. 3 Mrd. DM, aber auch Mehrausgaben bei verschiedenen konjunkturabhängigen Haushaltsansätzen nach sich ziehen; der Finanzierungssaldo dürfte sich wesentlich erhöhen. Schon jetzt überschreitet die Nettokreditaufnahme die durch Art. 115 GG gesetzte Grenze. Der Bundesrat sieht sich in seiner Stellungnahme im ersten Durchgang (Drucksache 230/82 - Beschluß -) bestätigt. Der Bundesrat erwartet unverzüglich eine realistische Bestandsaufnahme der Haushaltslage des Bundes. Die Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 4. Oktober 1982 dem Präsidenten mitgeteilt, daß sie den Vorsitz des Finanzausschusses niedergelegt habe. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 5. Oktober 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Änderung der Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) Nr. 549/69 zur Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung finden (Drucksache 9/1416 Nr. 13) Vorschlag einer Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, EURATOM, EGKS) Nr. 260/68 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksache 9/1416 Nr. 14) 7292* Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 Der Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat mit Schreiben vom 30. September 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Finanzprotokolls zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der demokratischen Volksrepublik Algerien Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Finanzprotokolls zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der tunesischen Republik (Drucksache 9/1950 Nr. 51) Die in Drucksache 9/1950 unter Nummer 56 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Beschlusses 79/783/EWG des Rates vom 11. September 1979 zur Festlegung eines Mehrjahresprogramms (1979-1983) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung wird als Drucksache 9/2015 verteilt.
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    Herr Kollege Hölscher, nach meiner Überzeugung ging es nicht nur um den Haushalt,

    (Zuruf von der SPD: Ja, eben!)

    sondern auch um die Begleitgesetze. Darf ich — auch mit Ihrer freundlichen Zustimmung — den Rückblick nun mit der folgenden Bemerkung beenden: Stellen Sie sich einmal vor, in dem hier angedeuteten Verfahren wäre am 8. Oktober der Haushalt verabschiedet worden, und am 10. Oktober wären die Zahlen bezüglich der drastischen Verschlechterung der Ausgangsbedingungen, von denen ich gesprochen habe und die ich im Hause vorgefunden habe, auf den Tisch gekommen!
    Meine Damen und Herren, darf ich nun aber mit Ihrer freundlichen Nachsicht fortfahren: Herr Kollege Ehmke, Ihre Rede ist mir in der Tat als ein Dokument der Flucht aus der Verantwortung erschienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Daß sich das in diesem blitzartigen Tempo vollziehen würde, habe ich allerdings nicht vermutet.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Nach meiner Überzeugung ist vieles, was Sie und auch Herr Apel an groben klassenkämpferischen Tönen gebracht haben, eine Rückkehr in die 50er Jahre, in die Zeit vor Godesberg!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Das läßt bezüglich der inneren Probleme der Sozialdemokratischen Partei Schlimmes befürchten.
    Wir werden Sie aus der Haftung nicht entlassen. Umverteilung von oben? Nun wollen wir einmal über das Kindergeld reden, Herr Kollege Apel.
    7282 Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982
    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Nach meiner Erinnerung haben Sie als Sozialdemokraten ohne Zustimmung des Bundesrates in der „Operation '82" das Kindergeld für alle nach der Rasenmähermethode gekürzt,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    für die Witwe mit 700 DM Rente — die gibt es ja in jungen Jahren auch — genauso wie für den Großverdiener mit 200 000 DM, von dem Sie so gerne reden, wobei ich Sie am Rande einmal bitten möchte, bei zukünftigen Bemerkungen über hohe Einkommen von dem Selbstverständnis auszugehen, daß wir alle in diesem Hause, meine Damen und Herren, dazugehören. Wir alle gehören dazu!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Einschließlich Neue Heimat! — Zuruf von der SPD: Ja, natürlich! — Dr. Ehmke [SPD]: Ein doppelter Grund, etwas zu tun!)

    — Ich sage das nur deswegen, weil diese Bermerkungen gelegentlich auch gewisse abwertende Nebentöne haben.
    Das, was wir vereinbart haben — was uns schwergefallen ist —, ist demgegenüber ein qualitativer Unterschied, weil wir durch die Einführung einer Einkommensgrenze nicht nur die Bezieher ganz kleiner Einkommen, sondern auch die qualifizierten Facharbeiter — also eine soziologisch bis weit in die Mittelschichten reichende Gruppe — freistellen. Wenn Sie hier von Klassenkampf und von Umverteilung von oben reden, muß ich Sie schon einmal fragen: Warum haben Sie als Sozialdemokraten nicht das fertiggebracht, was die CDU/ CSU in Partnerschaft mit der FDP in 14 Tagen fertigbringt, und zwar unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit?

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Matthöfer [SPD]: Weil es eine bürokratische Lösung ist! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Jawohl, Herr Kollege Matthöfer, ich gebe Ihnen darin recht, daß dies in der Verwaltung einen gewissen Preis fordert. Ich habe mich über diesen Preis sachkundig gemacht und werde ihn nach sorgfältiger Prüfung auch hier vortragen. Aber ob es nun 130 oder 160 Millionen DM sind, ich als Ihr Nachfolger sage Ihnen: Die will ich dann nach einem Kabinettsbeschluß woanders einsparen, um die unteren Einkommensgruppen von einer Kürzung des Kindergeldes freizustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das habe ich schon begriffen.

    In diesem Kernbereich der Familienpolitik haben wir die sozial angemessene Regelung gefunden. Hören Sie mit den Sprüchen von der Umverteilung von oben auf, wenn wir zu den konkreten Fragen deutscher Politik kommen!

    (Abg. Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich darf um Entschuldigung bitten: Ich möchte gerne gleich zum Schluß kommen. Ich bitte um Verständnis.
    Ich sage Ihnen auch — ich kann das jetzt nicht im einzelnen ausführen; im November wird Gelegenheit sein, das zu vertiefen —: Im Prinzip gilt das Gesagte auch für die von Ihnen und anderen heftig kritisierte Investitionshilfe. Nur, Herr Ehmke, sie wird ja aus verschiedenen Motiven kritisiert. Ich bin nicht ganz sicher, ob der Journalist, den Sie zitiert haben, sie aus denselben Motiven kritisiert hat wie Sie. Den einen ist sie zu niedrig, und den anderen ist sie zu hoch, um es kurz zu sagen. So ist es. Wir sollten uns über den Ausgangspunkt wechselnder Kritik einig sein.
    Natürlich ist das eine Vereinbarung von Koalitionspartnern, zu der wir alle stehen und die nach meiner Überzeugung — der Bundeskanzler hat es gesagt — schon an ein bemerkenswertes Konzept Ludwig Erhards aus dem Jahr 1952 anknüpft; nicht in der Ausgestaltung, aber im Grundgedanken eines Solidarbeitrages. Aber wenn Sie nun in dem Zusammenhang — nicht Sie heute, aber manche von Ihnen — von dem Spitzensteuersatz und von der steuerlichen Belastung der Höchstverdienenden oder Hochverdienenden reden, dann müssen wir in einer anderen Debatte auch einmal auf die Probleme der Kapitalflucht aus der Bundesrepublik Deutschland eingehen.
    Der Niedergang des Wohnungsbaus — wir wollen ja in zwei Jahren mit dem jetzt vom Finanzministerium, glaube ich, doch ernsthaft geschätzten Aufkommen von 2,5 Milliarden DM bei Freistellung der Investitionen den Wohnungsbau fördern — liegt doch weithin in Ihrer politischen Verantwortung. Um es kurz zu sagen: 1980 sind in der Bundesrepublik Deutschland kaum mehr als halb soviel Wohnungen und Häuser gebaut worden wie im Jahr 1970 oder 1971, Herr Roth. Diese Zahl kann auf 53, 55 % steigen. Da müssen Sie sich doch wirklich einmal fragen, ob eine Politik, die sozial sein wollte und bei der immer nur von Umverteilung im mechanistischen Sinne und von Belastungsproblemen die Rede war, im Ergebnis nicht höchst unsoziale Konsequenzen gehabt hat für die vielen Wohnungssuchenden, für die vielen arbeitslosen Bauarbeiter, deren Situation Sie doch sicher genauso bedrückt wie uns, und — auch das füge ich hinzu — für die vielen Selbständigen, die in den Konkurs gehen.
    Sie haben den Sachverständigenrat selektiv zitiert. Ich will nur sagen: Für mich war es sehr beachtlich, daß der Sachverständigenrat dieses Konzept begrüßt und sogar gesagt hat, wir sollten es für die unteren Einkommensbereiche hinsichtlich dieser Lösung erweitern — was wir aus Gründen nicht tun werden, die Sie nicht kritisieren werden—, um eine zusätzliche Finanzierung für die gewerbliche Wirtschaft zu erzielen.
    Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer hat Herr Ehmke von „Steuergeschenken an Gutverdienende" gesprochen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Mit den „Gutverdienenden" will ich mich noch einmal auseinandersetzen. Aber ich will Ihnen zunächst in aller Kürze sagen: Sie können das gerne noch ein paarmal vorbringen. Es hat keinen einzigen Gesetzentwurf der alten Bundesregierung ge-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    geben, in dem die Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einer dauerhaften und gleichwertigen Steuersenkung verbunden war. Was Sie über die Lohn-und Einkommensteuer vorgetragen haben, war eine Absichtserklärung in der Fußnote oder in der Begründung eines Gesetzentwurfs. Mein Verständnis ist, daß wir über Gesetzestexte und nicht über Absichtserklärungen abstimmen. Dazu bin ich lange genug Parlamentarier.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Investitionszulage wäre eine einmalige Finanzierung, aber nicht eine dauerhafte gewesen. Sie können den qualitativen Unterschied nicht bestreiten.
    Herr Kollege Apel hat gesagt, daß einige von uns bei der früheren Ablehnung auf die sozial schädlichen Auswirkungen hingewiesen hätten. Das ist sicher richtig, das können Sie uns vorhalten. Nur ist es ja sehr erstaunlich, daß er anschließend als neuer Oppositionssprecher beklagt, wie schlimm die sozialen Wirkungen der Mehrwertsteuer seien, deren Erhöhung er als Kabinettsmitglied zweimal beim Bundestag eingebracht hat, um dann im Bundesrat zu unterliegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch hier ist der Rollenwechsel etwas zu stürmisch verlaufen, Herr Apel; wie überhaupt heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Nun komme ich zur Sache mit den Steuergeschenken für die — wie heißt das? — „Gutverdienenden". Ich habe auch die Informationsmaterialien für die Funktionäre und Abgeordneten draußen im Lande über diese Beschlüsse gelesen, Herr Kollege Wehner. Da ist alles noch schlimmer, als es hier vorgetragen wird.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Herr Stoltenberg, erklären Sie uns mal, warum Sie die Begrenzung des Splittings, die mit der FDP vereinbart war, ablehnen!)

    — Weil wir daraus ein Familiensplitting machen wollen.

    (Lambinus [SPD]: Was ist das? — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Dürfen wir das im November diskutieren. Ich möchte jetzt im Kontext meiner Ausführungen bleiben.

    (Erneute Zurufe von der SPD)

    — Entschuldigen Sie, Sie werden mir doch konzedieren, daß ich auch bereit wäre, eine solche Debatte aufzunehmen. Aber ich möchte zumindest noch einem Kollegen die Chance geben, bis 20 Uhr zu reden. Das entspricht auch meinem Verständnis als Parlamentarier.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Wir haben Zeit, den ganzen Abend!)

    Meine Damen und Herren, „Steuergeschenke an Gutverdienende" — Sie kennen die Regierungserklärung, Sie kennen die Überlegungen der Koalitionsregierung —, was heißt das? Wir setzen das
    Aufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung vorgezogen ein, um einen Schuldzinsenabzug im Wohnungsbau, und zwar für die Errichtung von eigengenutztem Wohnungseigentum, zu ermöglichen. Wollen Sie das alles — ich kenne doch die schleswigholsteinischen Kleinsiedler, und das ist in anderen Bundesländern nicht anders; ich kenne doch die Leute, die ein Familienheim bauen wollen, und auch manche, die eine Eigentumswohnung haben wollen, und ich kenne die jungen Familien, die danach suchen — unter Ihr klassenkämpferisches Motto mit den „Gutverdienenden" bringen?

    (Zurufe von der SPD)

    — Die Gesamtüberschrift bei Ihnen lautete „Umverteilung von oben".

    (Zuruf des Abg. Dr. Apel [SPD])

    — Herr Kollege Apel, Sie können doch in einer Debatte nicht im Ernst diese Absicht, die, wie ich vermute, von einigen Ihrer Wohnungsbaupolitiker im Innersten durchaus positiver gesehen wird, unter diesem Begriff „Umverteilung von oben" oder „Steuerentlastung für Gutverdienende" einbringen.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich kann Ihnen hier sagen — ich begrüße es, daß ich das im Einvernehmen mit dem Herrn Bundeskanzler sagen kann —: Ich werde dem Kabinett vorschlagen, daß diese Ihnen bekannte und im einzelnen ausformulierte Neuregelung für den Schuldzinsenabzug bei selbstgenutztem Wohnungseigenturn bereits mit dem 1. Oktober 1982 in Kraft treten möge, damit die Impulse kommen und der Attentismus aufhört.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin sicher, daß die Koalitionsfraktionen dem Termin zustimmen können — ich greife der Beschlußfassung nicht vor, Herr Kollege Mischnick —, die steuerliche Regelung ab 1. Oktober 1982 gelten zu lassen. Wir brauchen die Impulse sofort und wollen deshalb nicht auf einen späteren Termin warten, auch wenn uns die Mehrwertsteuererhöhung erst in der zweiten Hälfte 1983 Geld in die Kasse bringt.
    Es geht nicht um die Gutverdienenden, es geht nicht nur um diejenigen, die es nutzen; es geht vielmehr darum, daß wir in der Wohnungswirtschaft einen Impuls setzen wollen, um die katastrophale Lage der mittelständischen Firmen, auch der größeren Firmen, ihrer Mitarbeiter und der arbeitslosen Bauarbeiter zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dort haben sich, wie jeder von Ihnen aus seinem Wahlkreis ebensogut wie ich weiß, Hoffnungslosigkeit und Pressimismus ausgebreitet.

    (Zuruf des Abg. Lambinus [SPD])

    — Ich kann den Zwischenruf in diesem Zusammenhang nicht einordnen.
    Meine Damen und Herren, ich komme nun auf die andere entscheidende und finanziell noch wichtigere Maßnahme, nämlich die Absicht, bei der Ge-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    werbesteuer eine Entlastung durch die Verringerung bei den Dauerschuldzinsen vorzunehmen. Herr Kollege Ehmke, da reden Sie von „Steuergeschenken für die Gutverdienenden".

    (Dr. Ehmke [SPD]: Darüber habe ich gar nicht gesprochen!)

    — Sie haben gesagt, in Verbindung mit der Mehrwertsteuererhöhung sollten die Gutverdienenden Steuergeschenke erhalten. Das muß ich inhaltlich an Hand unserer Maßnahmen überprüfen, wofür wir das Aufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung verwenden wollen. Das ist der zweite und in der Größenordnung noch wichtigere Punkt, Herr Ehmke. Darauf müssen Sie sich ansprechen lassen; entschuldigen Sie.
    Wieviel Konkurse müssen wir in diesem Land noch erleben, wieviel hunderttausend Arbeitnehmer müssen ihre Existenz durch Konkurse noch verlieren, bis Sie mit solchen Sprüchen endlich aufhören, meine Damen und Herren?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Ehmke — ich spreche hier auch Herrn Matthöfer an, weil ich hier sozusagen in der Tradition des Amtes stehe — —

    (Zuruf des Abg. Conradi [SPD])

    — Gut, das können Sie als schwachen Einstand empfinden. Die Meinungen im Haus sind da geteilt, wie ich den Reaktionen entnehme.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Das spielt jetzt auch keine Rolle, Herr Conradi. Ich gehe darauf nicht ein.
    Ich will jetzt einmal ein Problem ansprechen, das uns alle wirklich bewegen sollte. Zu meinen Erfahrungen in den ersten Tagen gehört eben nicht nur
    — das galt für Herrn Lahnstein so, das galt für Herrn Matthöfer so; denn unabhängig von allen politischen Gegensätzen gibt es ja auch eine Kontinuität in der Verantwortung —, daß wir diese gewaltigen, drückenden Haushaltsprobleme haben, sondern daß sich die Zahl der Fälle häuft — ich kann das nach einer Woche sagen —, in denen die Bundesregierung und dann irgendwo in der Verantwortung für das Finanzressort der Bundesfinanzminister gefordert wird, schnell — oft ohne die nötige Zeit zur Prüfung — Bürgschaften, Gewährleistungen und Finanzhilfen für notleidende Betriebe zu unterschreiben. Ich weiß, daß das alte Kabinett aus Gründen, die ich überhaupt nicht zu kritisieren habe
    — ich bin mit dem Thema nicht genügend vertraut, aber ich muß mich in den nächsten Tagen neben aller Tätigkeit damit genau vertraut machen —, vor wenigen Monaten, vielleicht nur Wochen, noch einmal eine erhebliche finanzielle Hilfe für einen Bereich der notleidenden Stahlindustrie im Saarland beschlossen hat. Ich weiß, daß die Betriebe in Nordrhein-Westfalen nach einer kurzen zeitlichen Verzögerung mit Wünschen und Vorstellungen kommen. Ich weiß auch, daß das zu den schwersten Entscheidungen der Bundesregierung gehört — der alten wie der neuen. Das kann ich hier sagen, ohne eine Indiskretion zu begehen: Im
    ersten Gespräch, das der Herr Bundeskanzler mit dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes geführt hat — ich war dabei —, wurden trotz der begrenzten Zeit doch konkret Unternehmen angesprochen. Die alte Bundesregierung hat doch diese Milliardenbürgschaft — abgerundet gesagt — für AEG beschlossen aus Gründen, die ich jetzt gar nicht bewerten und kritisieren will. Ich habe keinen Grund; ich bin nicht genügend vertraut mit den Einzelheiten. Ich muß mich vertraut machen, weil ich sozusagen das Risiko im Finanzministerium erbe. Wir haben die Entscheidung in diesen Tagen vollzogen, in wenigen Stunden. Ich habe auf den Vorgang geschrieben: Da die Entscheidung der alten Bundesregierung gefallen ist und die zuständigen Herren jetzt empfehlen, sie zu vollziehen, kann ich mich dem Vollzug nicht widersetzen. — Da gibt es ja bei aller politischen Gegnerschaft auch Kontinuität.
    Nur, Herr Ehmke, das sage ich zu Ihrer Bemerkung: Wenn dies eine problematische Praxis — aber manchmal eine unvermeidliche Praxis — der schnellen Einzelhilfe für Unternehmen ist, dann wissen Sie doch genau, daß die Hilfe rechtlich und materiell den Anteilseignern gegeben wird, auch wenn die Aktien — wie bei der AEG — einen Kurssturz gemacht haben. Die Hilfe geht dem Unternehmen zu, im gesellschaftsrechtlichen Sinne den Anteilseignern, aber doch nicht, weil meine Vorgänger und ich Anteilseignern — also Unternehmern, wie immer das konstituiert ist — Geschenke machen wollen, sondern weil wir wissen, daß mit dem Konkurs schreckliche weitere Wirkungen für den Arbeitsmarkt verbunden sind. Wenn das aber die Praxis war, im Einzelfall gerade jetzt einem großen Unternehmen eine Bürgschaft bis zu einem Milliardenbetrag zu bewilligen — wir müssen versuchen, neue Kriterien zu entwickeln; wir müssen wahrscheinlich die Bedingungen für solche Hilfen etwas verändern; das ist meine erste Vorstellung; ich kann derartige Hilfen in dieser schlimmen Zeit doch nicht ausschließen —, dann sollten Sie, Herr Kollege Ehmke, die Entscheidung der neuen Bundesregierung, dem gesamten Bereich des Mittelstandes und auch Teilen der Industrie, die heute weithin auch in Schwierigkeiten sind, eine Steuerentlastung von netto 1,5 Milliarden DM im ersten Jahr über die Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer zu geben, doch nicht in dieser Form hier kritisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben gesagt, das seien alles — Sie haben vielleicht nicht „Geschenke" gesagt — Leistungen an Gutverdienende. Es ist doch richtiger — ich sage das auch für die Debatten vor der Bundestagswahl —, daß wir den begrenzten Spielraum ausnutzen, durch Senkung von ertragsunabhängigen Steuern weitere Konkurse, wenn möglich, zu vermeiden und dafür zu sorgen, daß der Bundesregierung und den Landesregierungen nicht jede Woche zwei Unternehmen ins Haus stehen, wo wir vor die Frage gestellt werden, entweder mit Steuergeldern Risiken einzugehen oder den Konkurs hinzunehmen.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Man muß versuchen, die Ursachen für dieses Übel ein Stück zu verringern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dafür ist die Senkung einer ertragsunabhängigen Steuer doch eine absolut legitime und berechtigte Maßnahme. Im einzelnen kann man fachlich darüber reden.
    Ich sage es auch deshalb, weil wir aus dem dann vollen Jahresaufkommen der Mehrwertsteuer im Jahre 1984 — mit Wirkung vom 1. Januar — einen weiteren Schritt in diese Richtung gehen wollen, wobei wir uns fünf Monate Zeit nehmen wollen, zu entscheiden, wo wir im einzelnen wirksam ansetzen.
    Die vom Bundeskanzler vorgetragenen Überlegungen für eine weitere Umstrukturierung der Haushalte und Rückführung des strukturellen Defizits, Herr Kollege Ehmke und Herr Kollege Apel, sind keine „finsteren Geheimpläne", wie Sie das offenbar im Wahlkampf nach Ihrem Probelauf sagen wollen. Sie beruhen auf der schlichten Tatsache, daß eine neue Regierung, die 80, 90 Tage vor Jahresende ihr Amt aufgenommen hat, die aus dem Stand schwerwiegende Entscheidungen in wenigen Tagen treffen mußte, die der Sachverständigenrat in der Gesamtrichtung als richtig

    (Dr. Apel [SPD]: Nein!)

    und in Einzelfragen als kritikwürdig bewertet hat.

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    — Herr Kollege Apel, wir können über dieses Dokument im November ausführlicher reden.
    Der angesehene Kommentator der „Stuttgarter Zeitung" — Herr Kollege Roth, das sage ich zu Ihrem Zwischenruf — hat zu Ihrem Kommentar jedenfalls gesagt, der Herr Kollege Roth müsse ein vollkommen anderes Buch als das gelesen haben, das der Sachverständigenrat vorgelegt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das war auch mein Eindruck. Das können Sie in
    einer bekannten liberalen Zeitung unseres Landes
    nachlesen. Nächstes Mal vergleichen wir die Texte.
    Meine Damen und Herren, die Ausgangsdaten haben sich drastisch verschlechtert. Ich will es jetzt kürzer fassen und Ihnen sagen: Sie können im Ernst von mir heute noch nicht erwarten, daß ich eine sichere Prognose für den Haushaltsrahmen und die Neuverschuldung 1983 abgebe,

    (Dr. Ehmke [SPD] und Dr. Apel [SPD]: Akzeptiert!)

    wie ich auch die Ausfüllung der Gemeinschaftsaufgaben natürlich nachholen werde, wenn wir im Parlament beschlossen haben, wie wir das machen.

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist in Ordnung!)

    Herr Ehmke wird gegen Abend — das muß ich anerkennen — wesentlich sachbezogener. In unserem Dialog hat er nämlich auch einige etwas merkwürdige Bemerkungen gemacht. Ich gehe darauf nicht mehr ein; Sie können das nicht erwarten.
    Wir haben seit dem Wochenende das Gutachten des Sachverständigenrates. Sie kennen die Verfahren in der Regierung. Die interministeriellen Arbeitskreise sind tätig. Wir möchten gern das Gutachten der Institute abwarten. Das wird in der zweiten Oktoberhälfte knapp werden, und wir sind bestrebt, eine Steuerschätzung vor dem 28. Oktober 1982 zu haben, dem spätesten Termin für die Kabinettsberatungen. Natürlich braucht die Bundesregierung — dies kann bei der Bedeutung der Frage gar kein einzelner Ressortminister allein — diese Unterlagen, um ihre Entscheidungen über den Rahmen und die Neuverschuldung zu treffen, und natürlich wird es ein höheres konjunkturelles Defizit geben, allein durch die Entwicklung der Bundesanstalt für Arbeit. Deswegen wird im Lichte Ihrer eigenen Beschlüsse vom Juni dieses Schlagwort vom „Totsparen" noch einmal sehr kritisch zu überprüfen sein. Natürlich wird es ein höheres konjunkturelles Defizit gegenüber dem geben, was Sie im Juni beschlossen haben. Das ist vollkommen unvermeidbar, wie jeder Kollege in diesem Hause weiß. Aber wir bemühen uns, es einzugrenzen, und daran werden sich unsere Beschlüsse ausrichten, die ich im November hier vortragen werde.
    Meine Damen und Herren, ich hätte noch manches mehr im Stichwortkatalog. Ich möchte Ihnen für die Aufmerksamkeit danken und Ihnen sagen: Wir stellen uns der entschiedenen Auseinandersetzung. Wir sind zur harten Auseinandersetzung bereit. Ich lade Sie ein, nach der heutigen doch noch durch Leidenschaft und Erregung bestimmten ersten Runde, was sich auch in vielen Bemerkungen zur Finanz- und Wirtschaftspolitik, z. B. des Kollegen Apel, der in den letzten Jahren durch andere Aufgaben stark in Anspruch genommen war, und des Herrn Ehmke, widerspiegelte, die Ernsthaftigkeit unserer Überlegungen und unserer Politik mehr in die Waagschale zu legen, auch in der Art, wie Sie sich dazu äußern. Dann wird es uns vielleicht gelingen, einmal wieder so zu diskutieren, wie Politiker der CDU/CSU — ich darf mich dazurechnen — in den Jahren nach 1969 mit bedeutenden Finanzpolitikern und Finanzministern der SPD diskutiert haben, mit Alex Möller — bei aller Kritik an seiner Politik, er war eine bedeutende Persönlichkeit — oder mit Karl Schiller — lesen Sie noch einmal die Protokolle nach —, von unserer Seite und von Ihrer Seite. Daran sollten Sie denken, bevor wir die nächste Runde hier aufnehmen, meine Damen und Herren!

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bravo-Rufe von der CDU/ CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.
Ich darf denjenigen, die die Absicht haben, bis zum Ende der Sitzung hierzubleiben, mitteilen, daß soeben vermutlich der letzte Redner das Wort erteilt bekommen hat.

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    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, Sie haben eine Fülle von Einzelbemerkungen zu vielfältigen
    7286 Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982
    Westphal
    Einzelthemen gemacht und Argumentationen meiner Vorredner aus der sozialdemokratischen Fraktion sowie auch Polemik abgewehrt. Aber ein Konzept der Finanzpolitik des neuen Bundesfinanzministers hat gefehlt. Wir haben eigentlich erwartet — gerade von Ihnen, Herr Stoltenberg —, ein solches hier heute abend vorgetragen zu bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich muß auf Einzelfragen, die Sie aufgeworfen haben, mit ein paar Stichworten Antworten geben.
    Erstens. Herr Stoltenberg, gewiß ist es so, daß Hamburg, gerechnet auf seinen einzelnen Bürger, höher verschuldet ist als Schleswig-Holstein. Aber Hamburg ist Land und Gemeinde zusammen. Da müssen Sie schon anders rechnen.
    Zweitens. Gewiß ist es so, Herr Stoltenberg, daß Sie in der Frage der Gemeinschaftsaufgaben zu rudern hatten, um die anderen Länder der CDU/CSU-Seite dazu zu bringen, sich Ihrer Auffassung anzuschließen. Heute ist Herr Strauß als Ministerpräsident von Bayern sicher froh darüber; denn das ermöglicht die Mittelerhöhung beim Kanalbau. Mir ist schon klar, daß hier ein Zusammenhang besteht.
    Drittens. Dem, was auf Ihrer Seite zum Thema Einsparung und Rückgängigmachen durch Bundesratsentscheidungen bei milliardenschweren Gesetzen, die aus diesem Hause kamen, gesagt worden ist, ist doch wohl folgendes hinzuzufügen — nehmen wir nur das eine heraus —: Die Tatsache, daß wir kein Lärmschutzgesetz bekommen haben, heißt für die Gemeinden draußen in Zukunft, höhere Belastungen tragen zu müssen. Und zu der zweiten Tatsache, die mit dem nichtvorhandenen Lärmschutzgesetz zusammenhängt, ist zu sagen: Ihr Koalitionspartner wollte es noch teurer.
    Viertens. Herr Stoltenberg, jetzt komme ich zum Stichwort Rentenbetrug 1976. Ich stelle hier noch einmal fest: Die Rentner haben damals 10 % Erhöhung ihrer Renten bekommen. Von Betrug kann keine Rede sein.

    (Beifall bei der SPD — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Rentenproblemchen!)

    Fünftens. Ich möchte gern aufgreifen, was die Kollegin Matthäus-Maier hier in ihrer Zwischenfrage verdeutlicht hat. Hier hinzugehen und zu sagen, Neuwahlen jetzt hätten bedeutet, daß es keine Möglichkeit der finanzpolitischen Entscheidungen gegeben hätte, ist in der Sache falsch. Hier hätte es eine handelnde Regierung gegeben, die bereits Gesetzentwürfe vorgelegt hatte, über die Entscheidungen möglich gewesen wären, die für 1983 tragfähig geworden wären.
    Wenn Sie, Herr Stoltenberg, hier sagen, Sie könnten für die Schuldenhöhe des Jahres 1983 keine sichere Prognose geben, dann nehmen wir Ihnen das ab. Aber Sie sind es gewesen, der, obwohl Sie noch gar nicht ganz im Amt waren, schon Zahlen genannt haben, ohne daß es bereits neue Wirtschaftsdaten gegeben hätte. Sie haben dabei Größenordnungen genannt, die Sie schon jetzt wieder korrigieren, ohne daß irgendeiner zur Zeit einen
    sicheren Schluß daraus ziehen kann. Was Sie bewirkt haben, ist, Ängste zu erzeugen im Hinblick auf die Frage hoher neuer, zusätzlicher Verschuldung. Statt dessen hätten Sie warten müssen, bis Sie Fakten auf dem Tisch haben, um dann danach zu handeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Im übrigen: Herr Stoltenberg, Sie haben das Argument der Vertuschung — das hat mich am meisten getroffen — verwendet. Lassen Sie sich dazu bitte sagen, daß — falls Sie nicht auch davon ausgehen, daß Sie selber oder Ihr Vertreter des Landes Schleswig-Holstein im Finanzplanungsrat mit entschieden hat — als Grundlage für die Aufstellung des Haushalts 1983 die Juni-Zahlen von allen gemeinsam benutzt worden sind, auch seitens des Landes Schleswig-Holstein. Wenn Sie das schon nicht als Grundlage nehmen wollen, dann lassen Sie sich bitte von jemand, der dabei war, sagen: Ihr Kollege, der auch zu dieser neuen Regierung gehörende Wirtschaftsminister ist es, der die Verantwortung für das Korrigieren oder das Vortragen von Wirtschaftsdaten hat, aus denen die Finanzminister die Folgerungen zu ziehen haben, die sich für den Haushalt ergeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bin damals, noch in einer gewissen Unschuld des Neuen im Amte des Ministers, im Bundeskabinett an einer sehr konkreten Stelle vorstellig geworden, als ich Sorgen hatte, daß es vielleicht mit dem Wirtschaftswachstum, das für das nächste Jahr genannt worden war, nicht stimmen könnte. Es war Herr Lambsdorff, der daraus eine Szene machte, die dazu führte, daß der „Bayernkurier" die Behauptung aufstellte, der Westphal sei noch schlauer als der Herr Lambsdorff. Ich habe das so nie geglaubt. So übermäßig möchte ich mich nicht einordnen.
    Aber Tatsache bleibt: Wir haben von Wirtschaftsdaten auszugehen, die uns Fachleute liefern, die die Ministerien kontrollieren. Das Wirtschaftsministerium ist es, das auch die Vorgaben dafür zu liefern hatte, daß wir heute vor neuen Zahlen stehen. Wir ahnten, daß es solche geben würde. Wir haben deshalb — das war die Anregung des Bundeskanzlers Schmidt — ein zusätzliches Gutachten verlangt, das jetzt erst vorgelegt wurde. Es gibt uns im Vergleich zu dem, was Sie uns gerade in der letzten Woche an Zahlen für Arbeitslosigkeit und Verschuldung gesagt haben, wieder neue Daten vor.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun zu den anderen Themen. Herr Stoltenberg, es gibt konkrete Stichworte, an denen man Glaubwürdigkeit messen kann. Inwieweit entsprechen, so möchte ich fragen, die Maßnahmen, mit denen Sie unsere kritische Situation meistern wollen, dem Grundgedanken sozialer Gerechtigkeit? Gucke ich mir an, was heute Bundeskanzler Kohl vorgetragen hat, was in der Koalitionsvereinbarung der beiden neuen Partner steht, komme ich zu der nüchternen Feststellung: Es fehlt bei der vorgesehenen Bela-



    Westphal
    stungsverteilung jegliches Zeichen sozialer Ausgeglichenheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Kappung des Ehegatten-Splittings ist zurückgenommen. Bei der Zwangsanleihe wird zwar der Anspruch erhoben, die Besserverdienenden in die Belastungen einzubeziehen; Tatsache ist aber: Sie soll zurückgezahlt werden. Die Kürzung der Sozialhilfe jedoch, die Verschiebung der Rentenanpassung um ein halbes Jahr, die Erhöhung der Bezüge der Beamtenwitwen um 24)/0 auch erst ab Mitte des nächsten Jahres sind endgültig; da wird nichts zurückgezahlt. Wo ist da die soziale Ausgewogenheit?

    (Beifall bei der SPD)

    Da Sie hier auf das Thema Kindergeldkappung bei Überschreiten einer gewissen Einkommensgrenze zu sprechen gekommen sind und dies als den Ausdruck sozialer Ausgewogenheit Ihres Gesamtpaketes zur Darstellung gebracht haben, lassen Sie mich dazu sagen: Wenn es um das Kappen des Kindergeldes bei Beziehern höherer Einkommen geht, würden viele von uns sehr schnell und sehr gerne ja sagen. Für den Bürger muß allerdings plausibel sein, daß das, was an Verwaltungskosten daraus entsteht, auch in einem sinnvollen Verhältnis zu der tatsächlichen Einsparung im Bundeshaushalt steht. Dies war für uns der Punkt, der uns dazu brachte, dies Instrument dann doch wegzupakken und zu sagen: Lieber keine weitere Kürzung beim Kindergeld überhaupt. Aber dies ist doch nicht Ihr Konzept. Die Diskussion über das Konzept haben Sie auf den November verschoben, Herr Stoltenberg. Das Konzept sagt: Neben dem, was Sie dort groß als soziale Ausgewogenheit verkaufen, daß nämlich die Besserverdienenden beim Kindergeld herangenommen werden, steht weiterhin der Kinderbetreuungskostenbetrag.

    (Beifall bei der SPD)

    Und für diesen soll der Steuerpflichtige von seinen Nachweispflichten entbunden werden. Das heißt, aus ihm wird ein reiner steuerlicher Freibetrag.

    (Zuruf von der SPD: Jawohl!)

    Dessen Wirkung ist doch ganz eindeutig: diejenigen, die die höheren Einkommen haben, werden für ihre Kinder höher entlastet.

    (Beifall bei der SPD)

    Das, was beim Kindergeld oben weggenommen wird — dabei wird gesagt: Guckt einmal, wie sozial wir sind! —, kriegt er auf andere Weise wieder dazu.
    Das geht ja weiter so. Wenn auch die Idee des Familien-Splittings in das Verfahren der umgekehrten Wirkung der Progression im Steuertarif — es geht um Entlastung nicht nur für den Ehegatten, sondern auch für die Kinder — eingeordnet bleibt, dann bleibt auch die Konsequenz — selbst wenn Sie eine kostenneutrale Lösung anstreben; man kann sich das so allerdings noch nicht vorstellen —, daß auch durch dieses Mittel die Reichen reicher gemacht werden.

    (Beifall bei der SPD)