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ID0912103900

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    Plenarprotokoll 9/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 Inhalt: Bestimmung der Abg. Erhard (Bad (Schwalbach), Dr. Wittmann und Becker (Nienberge) als Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses 7229 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl, Bundeskanzler 7213A Präsident Stücklen 7229 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Ehmke SPD 7229 C Dr. Dregger CDU/CSU 7244 A Genscher, Bundesminister AA 7254 B Dr. Apel SPD 7264 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7274 B Westphal SPD 7285 D Nächste Sitzung 7289 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 7291*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7291*B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 7213 121. Sitzung Bonn, den 13. Oktober 1982 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 10. Dr. Bugl 15. 10. Coppik 15. 10. Frau Däubler-Gmelin 13. 10. Haar 15. 10. Haehser 15. 10. Hauck 15. 10. Heistermann 15. 10. Hoppe 15. 10. Jansen 15. 10. Jung (Lörrach) 15. 10. Kolb 13. 10. Kuhlwein 13. 10. Lowack 15. 10. Lampersbach 13. 10. Lenzer 14. 10. Müller (Bayreuth) 15. 10. Dr. Müller ** 15. 10. Dr. Olderog 13. 10. Offergeld 13. 10. Pfeifer 15. 10. Reuschenbach 13. 10. Rosenthal 14. 10. Schmidt (Wattenscheid) 15. 10. Schulte (Unna) 15. 10. Schröer (Mülheim) 15. 10. Volmer 15. 10. Weirich 15. 10. Dr. Wendig 15. 10. für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 beschlossen, gegen das Mietrechtsänderungsgesetz 1982 (MietRÄndG) Einspruch einzulegen. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates wird als Drucksache 9/2024 verteilt. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 ferner beschlossen, den nachstehenden Gesetzen nicht zuzustimmen: Gesetz über die Erstellung von Übersichten über die üblichen Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum (Mietspiegelgesetz - MSpG -) Gesetz zur Neubewertung unbebauter baureifer Grundstücke (Teilhauptfeststellungsgesetz 1983 - TeilhauptG 1983). Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Schreiben des Präsidenten des Bundesrates werden als Drucksachen 9/2025 und 9/2026 verteilt. In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, dem Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - zuzustimmen. Das Schreiben des Präsidenten des Bundesrates wird als Drucksache 9/2029 verteilt. In seiner Sitzung am 8. Oktober 1982 hat der Bundesrat beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Durchführung der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz) Gesetz zu dem Vertrag vom 9. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gemeinsame Information und Beratung der Schiffahrt in der Emsmündung durch Landradar- und Revierfunkanlagen Gesetz zu dem Abkommen vom 6. November 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Nachtragshaushaltsgesetz 1982) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung angenommen: Der Bundesrat sieht von der Anrufung des Vermittlungsausschusses ab, weil angesichts des fortgeschrittenen Ablaufs des Haushaltsjahres 1982 eine grundlegende Umgestaltung des Bundeshaushalts 1982 auch durch Einschränkungen bei Leistungsgesetzen noch mit Wirkung für 1982 nicht mehr möglich ist. Das Nachtragshaushaltsgesetz spiegelt trotz einer Erhöhung der Nettokreditaufnahme um rund 7 Mrd. DM auf fast 34 Mrd. DM die wahre Haushaltslage des Bundes nur unvollständig wider. Die im Oktober vorgesehene Bekanntgabe aktualisierter gesamtwirtschaftlicher Daten sowie die nachfolgende Steuerneuschätzung werden für 1982 Mehrbelastungen durch Mindereinnahmen bei den Steuereinnahmen des Bundes in Höhe von ca. 3 Mrd. DM, aber auch Mehrausgaben bei verschiedenen konjunkturabhängigen Haushaltsansätzen nach sich ziehen; der Finanzierungssaldo dürfte sich wesentlich erhöhen. Schon jetzt überschreitet die Nettokreditaufnahme die durch Art. 115 GG gesetzte Grenze. Der Bundesrat sieht sich in seiner Stellungnahme im ersten Durchgang (Drucksache 230/82 - Beschluß -) bestätigt. Der Bundesrat erwartet unverzüglich eine realistische Bestandsaufnahme der Haushaltslage des Bundes. Die Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 4. Oktober 1982 dem Präsidenten mitgeteilt, daß sie den Vorsitz des Finanzausschusses niedergelegt habe. Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 5. Oktober 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Änderung der Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) Nr. 549/69 zur Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung finden (Drucksache 9/1416 Nr. 13) Vorschlag einer Verordnung (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, EURATOM, EGKS) Nr. 260/68 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (Drucksache 9/1416 Nr. 14) 7292* Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 Der Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat mit Schreiben vom 30. September 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Finanzprotokolls zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der demokratischen Volksrepublik Algerien Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Abschluß eines Finanzprotokolls zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der tunesischen Republik (Drucksache 9/1950 Nr. 51) Die in Drucksache 9/1950 unter Nummer 56 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Beschlusses 79/783/EWG des Rates vom 11. September 1979 zur Festlegung eines Mehrjahresprogramms (1979-1983) auf dem Gebiet der Datenverarbeitung wird als Drucksache 9/2015 verteilt.
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    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Also, Herr Ehmke hat umfassend und genau zitiert. Dies ist zulässig, dies bleibt zulässig, weil es hier nicht um die Frage von Schuld und Nichtschuld, sondern um die Frage des politischen Stils geht. Aber dies geht Ihnen augenscheinlich ab.

    (Beifall bei der SPD — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Verleumdung! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Holzen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Brunnenvergiftung! Pfui! Denunziant! — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Eine Schande ist das, daß ein Parlamentarier so etwas tut! Es muß denunziert werden! — Zuruf von der CDU/CSU: Schämen Sie sich!)

    Meine Damen und Herren, folgende Bemerkung zu den Äußerungen von Herrn Dregger: Also, Herr Kollege Dregger, rührend fand ich ja Ihre Bemerkung, daß die Minister und die Staatssekretäre der neuen Koalition, der neuen Regierung ein Beispiel an Solidarität dadurch gegeben hätten, daß sie eine Gehaltskürzung akzeptiert hätten — mit der Bitte um Nachahmung.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ich habe nur schlicht gesagt: Kürzung der Ministergehälter! — Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU]: Das haben Sie doch nicht gemacht! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das hätten Sie doch machen können, aber Sie haben nur kassiert und Milliarden Schulden gemacht! — Sauer [Salzgitter] [CDU/ CSU]: Sie haben nur Geld ausgegeben! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Sie waren doch der größte Schuldenmacher!)

    Also, nun schauen Sie doch einmal genau hin: Wenn man ganz gut rechnet, dann spart die Republik 300 000 DM. Dadurch, daß Sie als CDU/CSU augenscheinlich im Beförderungs- und Verwendungsstau sind — so die „Süddeutsche Zeitung" — und vier zusätzliche Staatssekretäre brauchen, brauchen wir 1,6 Millionen DM mehr.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Hört! Hört!)

    Am Ende wird der Steuerzahler belastet und nicht entlastet.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wie war das mit dem Tornado?)

    Nun ein zweites: Herr Kollege Dregger, ich verstehe nicht ganz, wie Sie zur Überzeugung kommen, daß sich die Sozialdemokraten in eine Abhängigkeit von Grünen und Alternativen begeben. Hamburg hat genau das Gegenteil bewiesen. Es wäre klug gewesen, diesen Teil Ihrer Rede nach den Entscheidungen in Hamburg neu zu schreiben.

    (Beifall bei der SPD) Ich habe das miterlebt,


    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: In Hessen geht's weiter und demnächst wieder in Hamburg!)

    Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 7269
    Dr. Apel
    und ich sage Ihnen: Nur dieses ist der Weg, mit einer neuen politischen Gruppierung umzugehen: sie nicht auszugrenzen, sie nicht zu diffamieren, mit ihr in Sachgespräche einzutreten, auszuloten, ob sie koalitionsbereit ist, dann, wenn es nicht geht, den Weg der Neuwahlen zu gehen. Appellieren Sie an Herrn Kiep, daß wir am 19. Dezember wählen können, damit nicht auch in Hamburg wie in Bonn der Eindruck entsteht, eigentlich wolle die CDU überhaupt keine Neuwahlen. Appellieren Sie an Herrn Kiep!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Was ist mit Hessen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Nun zu Ihrer Geschichtsklitterung — darauf habe ich ja förmlich gewartet —, Sie hätten uns, Herr Kollege Dregger, 1969 ein blühendes Land übergeben. Also, Herr Kollege Dregger, ich gehöre dem Bundestag seit 1965 an. Mir können Sie mit derartiger Geschichtsklitterung nicht kommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich war dabei. 1966 hat am 13. Dezember Herr Kiesinger, der Bundeskanzler der Großen Koalition, im Deutschen Bundestag in einer Regierungserklärung folgendes zu Protokoll gegeben. Ich zitiere:
    Der Bildung dieser Bundesregierung ... ist eine lange, schwelende Krise vorausgegangen,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wenn er die heutigen Maßstäbe schon damals gehabt hätte! Das war das Problem!)

    deren Ursachen sich auf Jahre zurückverfolgen lassen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Bei wievielen Arbeitslosen? Dr. Dregger [CDU/CSU]: Er ging von einem ordentlich geführten Land aus!)

    — Herr Dr. Dregger, Sie hätten die Sozialdemokraten, die ja über viele Jahre für Sie der Untergang Deutschlands waren, doch nicht zu Hilfe gerufen, wenn Sie nicht mit Ihrem moralischen und politischen Latein am Ende gewesen wären.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sie haben doch eine Koalition mit uns gemacht!)

    1969 sind Sie in die Opposition gegangen, weil Sie unfähig waren, den Zeichen der Sicherheits- und Ostpolitik und den Notwendigkeiten der Entspannung gerecht zu werden. Sie waren zur Reform unfähig.

    (Hartmann [CDU/CSU]: Wegen Unfähigkeit sind nur Sie in der Opposition!)

    Es mußte eine neue Koalition gebildet werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht Sie haben uns die vollen Kassen übergeben, sondern Sie haben eine Koalition verlassen, die in der Frage der Nettokreditaufnahme in der Tat sauber dastand.
    Wenn wir die weitere Entwicklung der Jahre 1970, 1971, 1972, 1973 und auch noch 1974 verfolgen, stellen wir fest, daß diese solide Haushaltspolitik
    Teil der sozialliberalen Politik bleibt. Die Nettokreditaufnahmen schwanken zwischen 1 und 3 Milliarden DM jährlich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und was haben Möller und Schiller gesagt?)

    Dann beginnt allerdings die Weltwirtschaftsrezession.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Möller!)

    Und dann kommt es darauf an, massiv gegenzusteuern.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: „Lassen Sie die Tassen im Schrank!" hat Möller gesagt!)

    Ich sage Ihnen: Wenn uns eher konservative wirtschaftswissenschaftliche Institute sagen, wir hätten heute dank dieser Politik 900 000 Arbeitsplätze mehr, dann war das gut eingesetztes Geld.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist nämlich ein Grund mehr dafür, daß wir uns von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in vielen Nachbarländern so deutlich unterscheiden.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das Beispiel der Schweiz!)

    Heute kommt es darauf an, zu konsolidieren.
    Der Sachverständigenrat hat im übrigen Herrn Matthöfer und Herrn Lahnstein ein vorzügliches Zeugnis ausgestellt. Er sagt: Es ist 1981 und 1982 in den strukturellen Defiziten konsolidiert worden. Und er erwartet von Ihnen, Herr Stoltenberg, daß Sie dies fortsetzen. Aber er sagt eben auch, daß es darauf ankommt, die konjunkturell bedingten Defizite zu finanzieren, damit die Konjunktur nicht weiter in den Keller rauscht.
    Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie fahren ja morgen nach Schleswig-Holstein, um sich dort als Landesvater — wie das so schön heißt — zu verabschieden. Nun schauen wir uns doch mal die Entwicklung in Bonn und in Schleswig-Holstein an. Wenn ich richtig rechnen kann, hatten Sie im Jahre 1970 — da waren Sie schon Landesvater — 1,7 Milliarden DM Schulden.

    (Dr. Schäuble Tornado an!)

    Und 1980 hatten Sie 8 Milliarden DM Schulden. Im vorigen Jahr haben Sie noch 1 Milliarde draufgelegt. Die Schulden des Landes Schleswig-Holstein, die zu den höchsten in der Bundesrepublik Deutschland gehören, haben sich in diesem Jahrzehnt — ich lasse das Jahr 1981 beiseite — um sage und schreibe 444 % gesteigert.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Das ist ein beträchtliches mehr als im Bund, aber ich würde doch nicht auf die Idee kommen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, deswegen davon zu sprechen, daß Sie morgen eine Reise in einen Saustall antreten oder in einen Augiasstall.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei einzelnen Abgeordneten der FDP)




    Dr. Apel
    Ich weiß doch genau, daß Sie gar keine andere Wahl hatten, als eine ähnliche Politik wie in Bonn zu machen.
    Nun werden Sie sagen: „Ja, aber der Bund hat Lasten auf die Länder gewälzt, und die sind ursächlich." Herr Dr. Stoltenberg, Sie haben doch im Bundesrat über ein Jahrzehnt eine zentrale Rolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gespielt, eine durchaus lobenswerte, anerkennenswerte Rolle. Aber von 1978 bis 1983 ist durch die Mehrheit der CDU/CSU bei jeder Vorlage, die aus dem Bundesrat kam, draufgesattelt worden,

    (Beifall bei der SPD und bei einzelnen Abgeordneten der FDP)

    ob das im Bereich der Familienpolitik war, ob das im Bereich der Investitionsförderung war, ob das im Bereich der Steuersenkungen war: 15 Milliarden draufgesattelt, und wenn es nach Ihren Wünschen gegangen wäre, wären es 36 Milliarden gewesen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß in Schleswig-Holstein die Dinge nicht anders sind als in Bonn, und nehmen Sie zur Kenntnis, daß Ihre Rolle als Oppositionspartei nur darin bestanden hat, Ansprüche zu wecken und auf unsere Forderungen zusätzliche zu setzen.

    (Beifall bei der SPD und bei einzelnen Abgeordneten der FDP)

    Ich werde mich zur Lage unseres Landes in unserer Zeit nicht äußern. Unsere Bürger wissen, daß sie in einer Republik leben, in der es sich zu leben lohnt. Unsere Bürger nehmen das schwarze Horrorgemälde, das hier heute gezeichnet worden ist, nicht ab.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte gerne bei den Fragen der Glaubwürdigkeit bleiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, eben!)

    Herr Dr. Stoltenberg, der Sie ja nach mir reden, Sie werden Auskunft geben müssen, wie Sie eigentlich Ihre Meinung ändern konnten, wie das möglich war. Ich lege Ihnen Zitate vor, und dann werden Sie sich dazu äußern müssen. Darauf müssen wir bestehen. Es geht nicht nur um Herrn Dr. Stoltenberg, sondern um die Glaubwürdigkeit des Bundesministers der Finanzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Stoltenberg: „Gegen Steuer- und Abgabenerhöhungen", „Falsche Impulse bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit". Ich zitiere aus einer NDR-Sendung vom 16. Februar: „Die Mehrwertsteuererhöhung ist in dieser Form unakzeptabel.

    (Zurufe von der CDU/CSU: „In dieser Form"!)

    Sie ist eine Belastung für die sozial Schwächeren, und sie erschwert die Tarifverhandlungen."
    Herr Dr. Stoltenberg am 3. Juli in der „Neuen Osnabrücker Zeitung":
    Eindeutig kann man heute die geplante Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von über drei Milliarden DM ablehnen.
    Sie verstößt gegen die erklärten Ziele der Wirtschaftspolitik und der Belastung der Arbeitnehmer.
    Herr Dr. Stoltenberg, heute tun Sie beides, Sie erhöhen die Mehrwertsteuer, und Sie sagen, es bleibe bei der Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Wie wollen sie eigentlich Ihren Meinungswandel erklären, oder geht es hier auch nach der Melodie: „Was kehrt mich das dumme Geschwätz von vorgestern?"

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Matthäus-Maier [FDP])

    Nun kann man ja sagen — manche Sozialdemokraten könnten auf die Idee kommen —: „Na ja, er setzt ja die Politik der Sozialdemokraten fort."

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das mit Sicherheit nicht!)

    Herr Dr. Stoltenberg, davon kann überhaupt nicht die Rede sein. Sie werden übrigens zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Sachverständigenrat Ihnen gesagt hat: Grundsätzlich Mehrwertsteuererhöhungen zur Entlastung bei den direkten Steuern ein adäquates Instrument, aber in dieser Zeit, in dieser sich zuspitzenden Depression Gift, weil entweder die Preise steigen und damit die Konsumnachfrage zurückgeht oder weil die Abwälzung der Mehrwertsteuer nicht gelingt und dann die Unternehmen hängenbleiben und eine Verringerung der Gewinnmarge haben. Zumindest werden Sie doch davon ausgehen müssen, daß die Tarifvertragsparteien diese zusätzliche Belastung des Einkommens bei den Tarifverhandlungen berücksichtigen müssen.
    Das Entscheidende ist aber etwas ganz anderes. Das Entscheidende ist, daß Sie neben der Mehrwertsteuererhöhung, die zweifelsohne die sozial Schwächeren trifft, einen ganzen Katalog von zusätzlichen Maßnahmen beschließen. Hier kommen doch bei den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland täglich neue Horrormeldungen an: höhere Mieten, weniger Rente, weniger Familieneinkommen durch Abbau des BAföG und des Kindergeldes,

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Wer hat das alles verursacht? — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie mit Ihrer Schuldenwirtschaft!)

    weniger Lohn, mehr Arbeitslose.

    (Dr. Friedmann hier scheinheilig? — Sie! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen: Das, was hier an Kumulation im Bereich der Gesellschafts- und Sozialpolitik stattfindet, erschlägt die Konjunktur. Es erschlägt die Konjunktur!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Freiherr von Büllesheim [CDU/CSU]: Er will Fraktionsvorsitzender werden; da muß er scharf reden!)

    Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982 7271
    Dr. Apel
    Sie werden, wenn Sie diese Politik nicht korrigieren, mit der Nettokreditaufnahme, die Sie jetzt schlank auf etwa 40 Milliarden DM heraufgesetzt haben, nicht auskommen. Sie haben j a im übrigen auch bereits Nachtragshaushalte angekündigt, etwas, was hier vor einigen Wochen noch als Teufelszeug verurteilt wurde. Sie werden die Konjunktur mit diesen Maßnahmen kaputtsparen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wird sich ja heraustellen!)

    Was mich am meisten stört, ist aber etwas völlig anderes. Zwar entnehme ich der Koalitionsvereinbarung, daß Sie durch die Kürzung des Wohngeldes 100 Millionen DM einsparen, aber ansonsten ist dies doch nichts weiter als die Bestrafung derer, die auf das Gut Wohnung angewiesen sind und die sich nicht jede Wohnung leisten können.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das haben Sie mit Ihren Schulden angerichtet!)

    Wenn der Wohnungsbauminister in der Bild-Zeitung schlank sagt, 20 % Mieterhöhung seien ja nicht so schlimm,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht!)

    wundere ich mich und frage mich nur, wo hier soziales Gewissen pocht.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Oder nehmen wir die Umstellung des StudentenBAföG völlig auf Darlehen. Dadurch sparen Sie, Herr Dr. Stoltenberg, nicht eine Mark! Sie müssen das Geld einstellen. Sie bekommen es vielleicht in 5 oder 10 oder 15 Jahren über eine unglaubliche Bürokratisierung zurück. Aber das, was Sie wollen, ist auch etwas ganz anderes. Sie wollen wie beim Schüler-BAföG in die alte Klassengesellschaft zurückkehren, zur Trennung derer, die reiche Eltern haben,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Kalter Kaffee!)

    die Chancen haben und studieren können, von den anderen, die bleiben sollen, wo sie wollen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Dummes Geschwätz!)

    Hier ist heute morgen von Bundeskanzler Dr. Kohl in bewegten Worten über Jugendarbeitslosigkeit geredet worden. Herr Dr. Kohl hat dieses Problem als eine Herausforderung dargestellt, und wir stimmen dem Bundeskanzler Dr. Kohl ausdrücklich zu. Aber was wird denn nun eigentlich konkret getan?

    (Dr. Ehmke [SPD]: Ja!)

    Ich habe genau zugehört, und mir ist zweierlei aufgefallen. Es gibt erst einmal einen Appell an die Verbandsvorsitzenden. Das ist die alte Seelenmassage à la Erhard: Die Unternehmen mögen bitte mehr Ausbildungsplätze bereitstellen! Dann wird ein Gesetzentwurf angekündigt, der den Abbau hemmender Vorschriften im Bereich der Berufsausbildung vorsehen soll. Dadurch entsteht doch
    nicht eine einzige Lehrstelle mehr, nicht eine einzige!

    (Beifall bei der SPD)

    Aber ich sage Ihnen: Durch den Abbau des SchülerBAföG werden Sie weitere Hunderttausende junge Leute in das Nichts stürzen, werden Sie ihnen die Chancen zur Berufsausbildung nehmen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Polemik!)

    weil die Eltern nicht in der Lage sind, diese zu finanzieren. Sie tun also genau das Gegenteil von dem, was geboten ist; Sie werden die Jugendarbeitslosigkeit nicht bekämpfen, sondern erhöhen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie geht das alles eigentlich einher mit der großen Wende,

    (Zuruf von der SPD: Nach rückwärts!)

    mit der geistigen Führung, mit dem Prinzip der Solidarität der katholischen Soziallehre? Tatsache ist doch, daß, wie Professor Ehmke gesagt hat, hier entsolidarisiert werden soll. Sie wollen — das ist für mich deutlich sichtbar — eine Politik betreiben, bei der Sie Arbeitslose gegen Arbeitnehmer stellen, mit der Sie Steuerzahler gegen BAföG-Studenten stellen, mit der Sie Deutsche gegen Ausländer stellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!) Sie wollen eine Entsolidarisierung betreiben,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten sich was schämen! — Jäger [Wangen] [CDU/ CSU]: Schlimmste Demagogie!)

    indem Sie ununterbrochen den Eindruck erwecken, als gäbe es in unserem Lande breite Gruppen, die in einem hohen Maße nichts weiter täten, als öffentliche Kassen zu plündern und auszunutzen. Es gibt solche; es gibt solche auch im Bereich der Sozialpolitik. Dies bestreite ich überhaupt nicht. Horst Ehmke hat darüber gesprochen. Aber fangen Sie erst einmal an, dort zu regeln, wo in einem unglaublichen Maße Kassen geplündert werden: bei den Abschreibungsgesellschaften,

    (Beifall bei der SPD) überall dort, wo die Steuerlöcher


    (Windelen [CDU/CSU]: Sie waren doch Finanzminister! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    in einem hohen Maße Ausweichmöglichkeiten geben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das waren doch Sie!)

    Dieser Homunkulus Zwangsanleihe, den Sie jetzt geboren haben, wird doch am Ende dazu führen, daß die besser bezahlten Arbeitnehmer diese Zwangsanleihe bezahlen, während viele kluge Unternehmer in der Lage sein werden, unter Ausnutzung der steuerlichen Gegebenheiten selbst diesem bescheidenen Beitrag zu entgehen.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Um zu investieren!)




    Dr. Apel
    Nun sagen Sie, wir hätten das verhindern sollen. Sie sind uns regelmäßig in den Arm gefallen. Als wir vorgeschlagen haben, wenigstens die Anrechnung des privat genutzten Firmen-Pkw von 20 auf 40% zu erhöhen, haben Sie schon diese bescheidene Maßnahme mit „sozialistischen Neidkomplexen" abgetan. Das ist Ihre Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Stoltenberg, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie — und auch der Bundeskanzler und der Sachverständigenrat — sagen, die Investitionen seien die strategische Größe für Wirtschaftswachstum. Das stimmt. Insofern ist einiges von dem, was Sie vorschlagen, Fortsetzung unserer Politik. Das gilt z. B. für die Hilfen bei Neugründung von Unternehmen; sicherlich in Ordnung. Wenn Sie die Gemeinschaftsaufgaben hochfahren können, mag das ein Beitrag zur Überwindung der Arbeitslosigkeit sein. Das wird öffentliche Investitionen stärken können.
    Allerdings ist der Sinneswandel erstaunlich. Haben Sie nicht bisher immer massiv darum gekämpft, zu einer deutlichen Trennung der Aufgaben von Bund und Ländern zu kommen? Aber, bitte schön, wenn Sie, Herr Dr. Stoltenberg, jetzt eine andere Meinung vertreten, ist das in Ordnung. Mir liegt jetzt daran, daß wir öffentliche Investitionen bekommen. Wenn das auf diesem Wege möglich ist, ist das gut. Nur, lassen wir uns doch nicht dem Irrglauben hingeben, daß die Förderung der Privatinvestitionen die Konjunktur aus dem Tal herausbringt.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Was sonst?)

    — Ich werde Ihnen das gerne sagen.
    Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat unter seinen Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis ist am 4. Oktober in der „Welt" veröffentlicht worden. Da steht: Als wichtigsten Gesichtspunkt für Investitionsentscheidungen haben die Unternehmen immer wieder hervorgehoben, daß es um Absatz und Ertragserwartungen gehe. Wenn Sie durch Ihre Maßnahmen 200 000 Arbeitslose zusätzlich produzieren und einen Nachfrageausfall von mindestens 20 Milliarden DM erzeugen, wie wollen Sie dann eigentlich diese zusätzliche Nachfrage bewirken?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wie wollen Sie eigentlich die binnenwirtschaftliche Konjunktur ankurbeln?
    Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir bei den Investitionen etwas tun müssen. Wenn Sie uns Vorschläge machen, werden wir sie prüfen, unter Umständen auch übernehmen. Aber Ihr eindeutiges Setzen auf Förderung der privaten Investition kann nur mit einem Fehlschlag enden. Der Sachverständigenrat hat darauf hingewiesen, daß die vielfältigen Abschreibungserleichterungen und Investitionszulagen im Jahre 1982 eben nicht zu einer Belebung der Konjunktur geführt haben.
    Ich halte es mit dem Sachverständigenrat, der uns folgendes Zeugnis ausgestellt hat: Die außenwirtschaftliche Flanke ist geschlossen. Wir können wieder alles das bezahlen, was wir im Ausland kaufen; auch die Transferleistungen der ausländischen Arbeitnehmer in ihre Heimatländer, auch die Auslandsreisen. Die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt ist gegeben. Die Lohnpolitik ist ausreichend flexibel. Alles das reicht aus — sagt der Sachverständigenrat —, um zusammen mit anderen Ländern sowohl auf der Angebots- wie der Nachfrageseite etwas zu tun.
    Herr Stoltenberg, dasselbe Problem der Glaubwürdigkeit stellt sich den Sozialdemokraten in Hinsicht Staatsdefizit. Ich darf Ihren Parlamentarischen Staatssekretär, Herrn Dr. Häfele, zitieren, der zu diesem Thema wie viele andere im Bundestag und auch draußen immer wieder explizit Stellung genommen hat. „Eine Steigerung" — ich zitiere Herrn Häfele — „der Neuverschuldung kommt für die CDU/CSU angesichts der beängstigenden Schuldenentwicklung nicht in Betracht." Ihr erster Schritt, Herr Dr. Stoltenberg, besteht darin, daß Sie die Nettokreditaufnahme für das Jahr 1983 um 10 Milliarden DM erhöhen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum?)

    Ich werfe Ihnen das nicht vor. Sie sind angewiesen auf die Zahlen des Bundeswirtschaftsministers. Wenn der Bundeswirtschaftsminister seine Erwartungen herunterschraubt, müssen Sie daraus die finanzpolitischen Konsequenzen ziehen. Ich finde eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme auch angesichts der Ansichten des Sachverständigenrats geboten. Nur: Dann sollten Sie mit der Polemik aufhören und zugeben, daß überall dort, wo in dieser schwierigen Zeit Politik gemacht wird, die Nettokreditaufnahme erhöht werden muß, wenn die ökonomischen Erwartungen nicht eintreten. Dann muß Schluß sein mit dieser Art von Polemik. Dann müssen Sie sich zu dem bekennen, was Sie in Schleswig-Holstein als Erbe hinterlassen, ebenso sehr wie zu dem, was Sie in Bonn als Bundesfinanzminister machen müssen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    Wie ist das mit dem Bundesbankgewinn? Ich lese in der Koalitionsvereinbarung: Es werden weitere 2 Milliarden DM eingestellt. Wie war das denn hier? Hat nicht Herr Häfele gesagt, daß die Abführung des Bundesbankgewinns und die Einstellung in den Haushalt haushaltspolitisch sogar schlimmer sei als eine Neuverschuldung? Das hat er am 15. September 1982 hier im Deutschen Bundestag erklärt, also vor einem Monat. Gilt das heute alles nicht mehr? Wie ist es mit Ihrer Glaubwürdigkeit? Wie wollen Sie diesen Meinungswechsel erklären?

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, über die Zwangsanleihe will ich nicht länger reden. Sie ist nur ein Beispiel dafür — damit bin ich schon bei den Konsequenzen dessen, was Sie uns vortragen —, daß Sie die Probleme in die Zukunft wälzen. Sie wollen jetzt bei den Besserverdienenden eine Zwangsanleihe aufnehmen und ihnen augenzwinkernd sagen: Ihr



    Dr. Apel
    braucht keine Zinsen zu bezahlen, ihr kommt gut weg.

    (Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU])

    Daß aber, Herr Dr. Stoltenberg, Ihr Nachfolger in einigen Jahren diese vielen Milliarden zurückzahlen und damit die Nettokreditaufnahme nach oben treiben muß, ist einfache finanzpolitische Logik. Insofern erhöhen Sie die Nettokreditaufnahme, statt den Mut zu haben zu sagen: Wir müssen von den Besserverdienenden auch ein Solidaropfer in Form der Ergänzungsabgabe verlangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Dr. Stoltenberg, was ist eigentlich aus der „Rasenmäher-Methode" geworden, aus den 5 % oder 8 % Subventionskürzung?

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

    Wir haben das immer für sehr unrealistisch gehalten. Jetzt steht in der Koalitionsvereinbarung, ganze 500 Millionen DM sollten hier gekürzt werden; wo genau, wissen wir noch nicht.
    Sie verschieben Lasten auf die Rentenversicherung. Sie haben überhaupt kein geschlossenes Konzept, wie Sie mit dieser finanzwirtschaftlichen Problematik fertig werden sollen. Mich wundert das nicht. Sie haben die Sonthofen-Strategie bis zum Exzeß verfolgt, sich Denkverbote auferlegt und im übrigen personalpolitisch mit Herrn Genscher gekungelt. Sie haben wertvolle Zeit vertan; Sie sind den Herausforderungen unserer Zeit nicht gewachsen!

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Sauer [Salzgitter] [CDU/ CSU]: Sie sind vom Elefanten getreten! — Dr. Geißler [CDU/CSU]: Reden Sie mal über die Bundeswehr, über Tornado! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ökonomisch sinnvollen Vorschlägen werden wir zustimmen — nicht alles in den Vorschlägen des Herrn Dr. Kohl ist a priori abzulehnen; einiges ist Fortsetzung vergangener Politik, anderes müssen wir prüfen —, aber sinnlosen Maßnahmen werden wir uns widersetzen, insbesondere solchen Maßnahmen, die diese Konjunktur kaputtsparen werden. Wir werden deutlich machen, daß Sie für die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr durch Ihre verfehlte Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ein hohes Maß an Verantwortung tragen!

    (Beifall bei der SPD — Dr. Geißler [CDU/ CSU]: Reden Sie mal über Ihr Ministerium! Reden Sie über die Pannen in Ihrem Ministerium! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    In der Gesellschaft- und Sozialpolitik werden Sie unsere größten Widerstände und Gegensätze zu verzeichnen haben.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    — Wissen Sie, durch solche billigen Zwischenrufe, Herr Geißler, können Sie mich überhaupt nicht aus der Verantwortung bringen. Es kommt doch jetzt darauf an, daß Sie genauso zuhören, wie es demokratischer Brauch ist, wie wir heute morgen zugehört haben. Wenn Sie das nicht können, dann sage ich Ihnen: Ich habe hier die Mikrofone und im übrigen notfalls auch den Präsidenten auf meiner Seite.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Schäuble [CDU/ CSU]: Sie haben überhaupt kein Recht, so zu reden, wie Sie reden! — Dr. Geißler [CDU/CSU]: Geben Sie Rechenschaft!)

    In der Gesellschaftspolitik wird es zu dem größten Konflikt kommen. Das, was sich hier an Ellbogengesellschaft anbahnt, macht uns allergrößte Sorgen. Der Arbeitsminister hat in einem Interview der „Welt" am 6. Oktober den Satz geprägt: Es kommt darauf an, aus Betroffenen Beteiligte zu machen, die dann selbst entscheiden, für wieviel Geld sie wieviel Gegenleistung haben wollen.
    Meine Damen und Herren, dies ist die Aufkündigung einer solidarischen Sozialpolitik. Dies ist nichts weiter als die Rücknahme der katholischen Soziallehre aus der Politik. Hier wird deutlich, daß es darum geht den Schwächsten nicht mehr helfen zu wollen. Das machen Sie auch deutlich, indem Sie dort zulangen, wo man sich nicht helfen kann. Die Sozialhilfeempfänger, die im nächsten Jahr ein Minus von 3 % in ihrem Einkommen haben können, werden sich nicht helfen können;

    (Dr. Geißler [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gemacht?)

    die Rentner, die im nächsten Jahr real weniger haben werden, können sich nicht helfen; die BAföG-Empfänger, die Studenten und Schüler können sich nicht helfen. Hier steht überhaupt nicht zur Debatte, daß Sie aus Beitragszahlern Beteiligte machen können, hier greifen Sie brutal zu,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist Ihre Schuld! — Sie haben seit 1969 regiert!)

    hier verletzen Sie unverzichtbare Grundlagen unserer Sozialstaatlichkeit, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir stellen dagegen die Aussage von Helmut Schmidt, die Horst Ehmke bereits zitiert hat. Die in aller Welt gegebene Stagnation der Wirtschaft oder ein zu geringes Wirtschaftswachstum machen die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherung schwierig. Die Dynamik dieser Systeme muß deshalb begrenzt werden. Dies darf aber nicht so weit gehen, daß die Lebensrisiken auf den einzelnen zurückgewälzt werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das tun wir auch nicht!)

    Das Prinzip der Solidarität mit den Schwächeren
    darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Sie setzen
    das Prinzip der Solidarität mit den Schwächeren —



    Dr. Apel
    denjenigen, die sich nicht wehren können — außer Kraft.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Geißler [CDU/ CSU]: Das müssen gerade Sie sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir werden am 6. März den Deutschen Bundestag wählen. Wir sind jedoch nach Ausführungen von Herrn Dr. Dregger und auch von Herrn Dr. Kohl nicht sicher, ob es dazu kommen wird. Aber wir werden Sie zwingen, Ihre Vorschläge vorzulegen. Wir sind nicht der Büttel Ihrer Versprechungen. Sie müssen sie schon selber vorstellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden dem deutschen Volk sagen, was es nach dem 6. März erwartet; denn eine ganze Reihe von schwerwiegenden Entscheidungen vertagen Sie j a aus wahltaktischen Gründen auf die Zeit nach dem 6. März. Wir werden dem deutschen Volk sagen müssen, daß am 6. März eine Entscheidung fällt zwischen Fortsetzung der Politik der sozialen und gesellschaftlichen Solidarität, der Sicherung der Mitbestimmung, des sozialen Friedens und des Wirtschaftswachstums

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was für ein Wachstum denn? — Weitere Zurufe)

    und einer Politik, die zurück in die 50er und 60er Jahre will, die die Ellbogengesellschaft etablieren will.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage Ihnen: Sie werden in den nächsten Wochen einen schweren Stand haben, nicht nur die FDP, sondern auch Sie, die Sie permanent und ununterbrochen jetzt gegen alles das verstoßen,

    (Dr. Geißler [CDU/CSU]: Partei der Arbeitslosigkeit ist die SPD!)

    was Sie vorher als Ihre politische Meinung verkündet haben. Das Dokument, das uns vorliegt — sowohl die Regierungserklärung als auch die Koalitionsvereinbarungen —, ist ein Dokument der Ahnungslosigkeit, der Hilflosigkeit,

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    aber auch der Böswilligkeit. Dieses werden wir entlarven.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Dr. Geißler [CDU/CSU]: Böswillig war Ihre Rede!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß in den Reden der Sprecher der Fraktionen die Fragen der Finanz-, der Wirtschaftspolitik und der Gesellschaftspolitik im Zentrum vieler Überlegungen und mancher kritischer Anmerkungen von seiten der Sozialdemokratischen Partei stehen würden. Natürlich ist dies auch in dem Sachzusammenhang, den die Regierungserklärung so stark betont hat, das zentrale Thema, die zentrale Herausforderung der kommenden Monate und Jahre.
    Aber ich will Ihnen, Herr Kollege Apel, und Ihnen, Herr Kollege Ehmke, einen persönlichen Eindruck nicht verhehlen, bevor ich zu den Sachfragen komme. Ich habe die Ehre, seit 25 Jahren an den Debatten dieses Hohen Hauses teilzunehmen: fast 14 Jahre als gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages und über 11 Jahre als Mitglied des Bundesrates von jener Bank. Aber ich habe niemals in der großen Auseinandersetzung und auch in der harten Kontroverse nach einem Neubeginn im Wechsel der Regierung ein solches Maß an Polemik, an Gehässigkeit, an Niedertracht erlebt,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    wie Sie es gegenüber Mitgliedern der Bundesregierung, insbesondere den Kollegen Genscher und Zimmermann, hier in einer konzertierten Aktion gezeigt haben. Ich nehme zur Kenntnis, Herr Kollege Apel, daß es zu Ihrer neuen Form der Darstellung gehört,

    (Dr. Schäuble mich, bevor ich meine erste Rede als Mitglied der neuen Regierung hier gehalten habe, bereits in meiner Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber daß Sie die Stirn besitzen, diese Regierungserklärung in Ihren Schlußbemerkungen als ein Dokument der Bösartigkeit zu bezeichnen, ist einmalig in der parlamentarischen Auseinandersetzung dieses Hauses seit 1949. Das war ja nicht nur ein Probelauf zum Wahlkampf der Sozialdemokraten, die nach dem Bankrott ihrer Politik einen hemmungslosen Wahlkampf bis zum 6. März führen wollen, (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


    (Zurufe von der SPD)


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    das war auch — wenn ich Ihnen meinen persönlichen Eindruck schildern darf, nachdem ich Ihre und die Rede von Herrn Ehmke gehört habe — wohl ein verdeckter Wettbewerb um die Nachfolge von Herbert Wehner,

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD)

    wobei ich fast den Eindruck hatte, daß Sie im Unterbewußtsein in diesen Wettbewerb noch die Herren Hansen und Coppik als potentielle Fraktionsmitglieder einbezogen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Buh-Rufe von der SPD)

    Was die Glaubwürdigkeit betrifft — um diesen oft verwandten Ausdruck einzubeziehen —, werde ich Ihnen Punkt für Punkt nachweisen, wo Sie und Herr Ehmke fahrlässig oder bewußt die Unwahrheit gesagt haben.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich will zunächst einige Bemerkungen zu den Aufgaben der Finanzpolitik machen, wie ich sie in der vor uns liegenden Zeit sehe. Die Finanzpolitik des Bundes hat eine zentrale Aufgabe von eigenem



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Rang, aber sie ist nicht Selbstzweck, sie hat auch eine instrumentale Aufgabe, eine dienende Aufgabe. Der erste Grundsatz, der für mich, für alle Mitglieder der Bundesregierung und für das ganze Hohe Haus gelten sollte, ist nach meiner Überzeugung: Der Bürger als Steuerzahler soll die Gewißheit haben, daß seine Steuern und Abgaben sparsam, sorgfältig und überprüfbar für die Staatsaufgaben, d. h. für die großen Gemeinschaftsaufgaben unseres Volkes, verwandt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die erste aktuelle Aufgabe ist, den verlorengegangenen Spielraum gestaltender Politik auch durch den richtigen Einsatz der öffentlichen Mittel wiederzugewinnen. Dieser Spielraum ist durch die Regierungspolitik der letzten Jahre, insbesondere durch die Position der Sozialdemokratischen Partei zunächst verlorengegangen.
    Ich will Ihnen das an Hand einer Äußerung meines Vorgängers, des Bundesministers Lahnstein, vom Juni dieses Jahres in Erinnerung rufen, eine Äußerung, die sich dann auch auf konkrete Zahlen bezieht. Das gesamte damals von Ihnen geplante Wachstum des Haushaltsentwurfs für 1983 wird durch die steigenden Zinsausgaben des Bundes in Anspruch genommen. Sie, Herr Kollege Apel — daran muß man Ihre großen Reden und Anschuldigungen einmal messen — haben im Kabinett einen vorgesehenen Ausgaberahmen für 1983 mit einem Wachstum der Bundesausgaben von 4,5 Milliarden DM beschlossen. Der eingeplante Zuwachs der Zinsausgaben für 1983 betrug 4,6 Milliarden DM. Das heißt, Sie haben sich aus Ihrer Verantwortung für das nächste Jahr mit seinen bedrängenden Problemen für eine Politik des nominellen Nullwachstums in den Bundesausgaben entschieden. Real bedeutet es nach Abzug der Inflationsrate ein empfindliches Minuswachstum.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus diesen Ausgangsdaten Ihrer eigenen Entscheidung werden wir Sie nicht entlassen, wenn wir Ihre großen Sprüche hier hören und hier im einzelnen zur Kenntnis nehmen und uns im kommenden Wahlkampf mit Ihnen auseinandersetzen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich ist Ihnen als dem Bundesminister der Verteidigung der letzten Jahre, der etwas selbstkritischer auch seine eigene Bilanz in jenem Hause betrachten sollte,

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    bekannt, daß es nach den Entscheidungen der alten Regierung unabweisbare politische und rechtliche Verpflichtungen gab, die z. B. dazu führten, daß Sie im Kabinett Schmidt für 1983 eine Ausgabensteigerung für den Verteidigungshaushalt von 4,1 %, d. h. um knapp 2 Milliarden DM, eingeplant haben. Natürlich wissen Sie, daß die geltenden Leistungsgesetze, die Geldübertragungsgesetze — sicher weithin auch im sozialen Bereich anzusiedeln — nach geltendem Recht zu einer noch höheren Ausgabensteigerung für 1983 führen. Das bedeutet bei einem nominalen Nullwachstum nach Ihren Beschlüssen,
    daß in allen anderen Bereichen nachhaltigste und schwerste Einsparungen vorgesehen waren, die nach Ihrer Beschlußlage auch mit großen sozialen Härten verbunden gewesen wären.
    Vor allem aber bedeutet diese Beschlußlage, daß nach Ihren Entscheidungen die schlimme Talfahrt der realen öffentlichen Investitionen des Bundes weitergegangen wäre. Unter der Verantwortung sozialdemokratischer Bundeskanzler und Finanzminister ist ja diese Investitionsquote von 18,4 % im Jahr 1971 auf — nach Ihrem Beschluß — 13,1 % im Jahr 1983 abgesunken.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Nach Ihren Entscheidungen würden 1983 also rund 13 Milliarden DM weniger an Investitionsförderungsmitteln und Investitionen des Bundes zur Verfügung stehen als bei einer gleichförmigen Politik in der Gewichtung, wie wir sie bis 1969 betrieben haben. Hier kann ich Ihnen nur sagen: Zwischen den Reden, auch den ernsthaften Reden — wenn ich einmal Ihre verbalen Exzesse von heute niedriger hänge —, Ihrer Partei in den letzten Jahren und dem Handeln ergibt sich hier eine immer größere Kluft, die Ihre Glaubwürdigkeit schon lange erschüttert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach sozialdemokratischem Verständnis, nach sozialdemokratischer Beschlußlage geben Sie öffentlichen Investitionen im Verhältnis zu den privaten eine noch höhere Priorität als wir. Beides ist wichtig. Aber die privaten Investitionen betragen 84 % der Gesamtinvestitionen in der Bundesrepublik Deutschland, auch nach über 13jähriger sozialdemokratischer Regierungsführung, und die öffentlichen Investitionen 16 %.
    Wenn Sie die Gewichte im einzelnen hier anders setzen als wir, müssen Sie sich aber mit der Tatsache auseinandersetzen, daß in der Zeit der dramatisch steigenden Arbeitslosigkeit und der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit Ihre Beschlußlage zu einem weiteren Verfall der öffentlichen Investitionen führen würde und daß Sie damit eine Hauptverantwortung für Arbeitslosigkeit und Firmenzusammenbrüche zu übernehmen haben, die Sie auch durch einen noch so hemmungslosen Wahlkampf der nächsten fünf Monate nicht abschütteln können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist die Frage der Glaubwürdigkeit, Herr Kollege Apel.

    (Rohde [SPD]: Lambsdorff!)

    — Die Entscheidung über die Investitionen hat doch nicht der Bundeswirtschaftsminister getroffen. Die Richtlinienkompetenz lag immer noch beim sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist die Frage der Glaubwürdigkeit, und der Begriff Glaubwürdigkeit hängt auch mit Wahrhaftigkeit zusammen.
    7276 Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 121. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Oktober 1982
    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Nun haben Sie, Herr Kollege Apel, wie es gelegentlich hier auch in meiner Abwesenheit geschehen ist, vor allem wenn die Fernsehkameras liefen, über die Schulden der Bundesländer gesprochen. Sie sind mit den Einzelheiten nicht gut vertraut.
    Es ist unwahr, daß sich die schleswig-holsteinische Landesregierung jemals für die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben ausgesprochen hätte.

    (Zurufe von der SPD)

    — Erlauben Sie mir, eine der vielen Unwahrheiten von Herrn Apel hier richtigzustellen, ohne sich gleich zu erregen, meine Damen und Herren; ich stelle jedem von Ihnen die Dokumente zu dem zur Verfügung, was ich sage. Wahr ist, daß wir uns nach langer Diskussion im Kreis der elf Bundesländer, unter denen es unterschiedliche Auffassungen gab

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    — hören Sie den zweiten Teil —, auf ein Verhandlungskonzept geeinigt haben — das war vor zwei Jahren —, das davon ausgeht, daß regionale Wirtschaftsförderung, Agrarstruktur, Küstenschutz, Hochschulbau und andere zentrale Bereiche der Gemeinschaftsfinanzierung weiterhin gemeinsame Aufgaben bleiben, und daß wir, Herr Kollege Matthöfer, einige wenige Punkte außerhalb von Art. 91 und am Rande von Art. 104 a des Grundgesetzes definiert haben. Mit diesem Konzept sind wir damals mit Herrn Kollegen Matthöfer in eine Erörterung über Abbau von Mischfinanzierung eingetreten, die aus Gründen, die ich hier nicht zu schildern brauche, nicht zu einem Ergebnis führte. Aber es ist unwahr, zu behaupten, daß zwischen meiner Position als Ministerpräsident in der Frage der Gemeinschaftsaufgaben und dem, was der Bundeskanzler heute über die Verstärkung dieser zentralen Bereiche gesagt hat, auch nur im Ansatz ein Widerspruch bestehe. Sie sollten sich besser informieren, bevor Sie derartige Reden noch einmal im Deutschen Bundestag halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Und Sie sollten sich besser informieren, ehe Sie über Verschuldung der Bundesländer und ihrer Bürger reden. Ich habe jetzt die amtliche Statistik des Bundes nicht zur Hand. Ich schicke sie Ihnen zu. Sie können dieser amtlichen Statistik des Bundes, also meiner Vorgänger, entnehmen — ich nenne nicht Zahlen, sondern Tatsachen —

    (Matthöfer [SPD]: Herr Stoltenberg, 10,5 Milliarden DM! — Weitere Zurufe von der SPD: Sind Zahlen keine Tatsachen?)

    — ich nenne nicht Zahlen, sondern für jedermann verständliche Tatsachen —, daß ich als schleswigholsteinischer Bürger eine niedrigere Pro-KopfVerschuldung als Sie als Hamburger Bürger habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Jungmann [SPD]: Dafür aber eine höhere Arbeitslosenzahl!)

    — Die Wahrheit ist — hören Sie zu Ende —, daß mein bisheriger Kollege Koschnick als Bremer Bürger

    (Abg. Dr. Ehrenberg [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — ich komme zunächst zum Abschluß und möchte Sie bitten, im Augenblick auf eine Zwischenfrage zu verzichten —, daß mein bisheriger Kollege Börner als hessischer Bürger, mein bisheriger Kollege Rau als Bürger von Nordrhein-Westfalen, aber auch mein bisheriger Kollege Werner Zeyer im Saarland und Bernhard Vogel in Rheinland-Pfalz jeweils eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung haben als die Bürger des Landes Schleswig-Holstein. Nur in zwei Bundesländern haben die Bürger eine niedrigere Verschuldung — wenn ich Berlin auf Grund seiner besonderen Situation draußen vor lasse —, nämlich in Bayern und Baden-Württemberg.
    Das von Ihnen gepflegte Mißverständnis beruht auf folgendem. Die schleswig-holsteinischen Bürger haben, was die kommunalen Schulden angeht, die niedrigsten Schulden unter allen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland, niedrigere Schulden als die Bürger Bayerns und Baden-Württembergs. Das Land Schleswig-Holstein hat demgegenüber eine überdurchschnittliche Verschuldung. Dies ist aus der Finanzkraft des Landes heraus erklärbar

    (Abg. Dr. Apel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — ich bitte Sie um Entschuldigung, Herr Apel; ich möchte den Gedankengang zu Ende führen — und aus einer Politik erklärbar, zu der ich mich bekenne und die den finanziellen Spielraum der kommunalen Selbstverwaltung nachhaltiger gestärkt hat als jedes andere Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, zu den Gipfelpunkten der Unverfrorenheit gehört es, die neue Bundesregierung und den neuen Bundesfinanzminister für die Neuverschuldung im Jahre 1982 verantwortlich machen zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Abg. Dr. Apel [SPD] meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage)

    — Entschuldigen Sie, Herr Apel, ich möchte jetzt im Zusammenhang reden.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich schätze die guten parlamentarischen Gepflogenheiten. Nachdem Sie aber die Regierungserklärung als Dokument der Bösartigkeit bezeichnet haben, möchte ich heute keine Zwischenfrage von Ihnen beantworten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Horn [SPD]: Sie haben keine Argumente! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Die Wahrheit ist doch, daß die deutsche Öffentlichkeit zwei Tage nach dem Regierungswechsel die
    tatsächlich zu erwartende Neuverschuldung für das



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Jahr 1982 erstmals durch eine Pressekonferenz, die ich im Auftrage des Kabinetts gab, erfahren hat. Auch viele von Ihnen haben sie erst dann erfahren, denn die Vertuschung unangenehmer Tatsachen ist ja bis in die Reihen der Sozialdemokratischen Partei hinein gegangen. Man braucht nicht ein Mitglied des Haushaltsausschusses zu sein, um zu wissen, daß eine Regierung, die die Amtsgeschäftes 80 Tage vor Jahresende übernimmt, auf den tatsächlichen Ablauf des Haushaltsgeschehens und den Umfang der Neuverschuldung in diesem Jahr keinen gestaltenden Einfluß mehr hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das gehört zu den elementaren Tatsachen politischer Bildung, die meine Tochter in der Oberstufe eines Gymnasiums in Kiel gelernt hat und die auch der Abgeordnete Apel kennt. Insofern ist das, was er dazu gesagt hat, reine Demagogie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)