Rede von
Dr.
Horst
Ehmke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen einen kollegialen Rat geben darf: Schonen Sie Ihre Stimmbänder, Sie werden sie noch brauchen.
Zwar etwas anders, aber keineswegs besser liegen die Dinge bei den von Ihnen vorgeschlagenen tiefen Einschnitten in das soziale Netz. Sie haben in der Opposition zwar immer von der Notwendigkeit von Einsparungen gesprochen; Sie haben sich aber stets davor gedrückt, zu sagen, wo Sie sparen wollen. Das ist nun glücklicherweise anders geworden. Jetzt müssen Sie endlich sagen, was Sie wollen!
Jetzt, meine Damen und Herren, schlagen Sie z. B. plötzlich ein Einfrieren des Anstiegs von Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst vor, nachdem Sie noch vor wenigen Wochen den Deutschen Beamtenbund in seinem fragwürdigen Protest gegen eine nur dreimonatige Verschiebung der Besoldungserhöhung lauthals unterstützt haben.
Noch wichtiger ist, daß Sie die Leistungen für Arbeitslose und Rentner, Schüler und Studenten, Mieter und Eltern in einer Weise kürzen wollen, die als weitere Drosselung der Binnennachfrage wirtschaftspolitisch unvernünftig ist
und gesellschaftspolitisch den sozialen Frieden, eine der Grundvoraussetzungen wirtschaftlicher und sozialer Stabilität, gefährdet.
Der Bürger fühlt sich daher von den Unionsparteien auch in der Sache getäuscht.
Die daraus entspringende Enttäuschung wird Ihnen noch genug zu schaffen machen.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie mir ein Wort zu einer Äußerung, die Sie heute morgen gemacht haben. Sie haben gesagt: Zwar verschieben wir die
Erhöhung der Renten einschließlich der Kriegsopferrenten um ein halbes Jahr, aber es bleibt bei dem Erhöhungssatz von 5,6 %.
Das ist natürlich ein Roßtäuschertrick, denn wenn ich sie um ein halbes Jahr verschiebe, wird die Erhöhung genau halbiert. Sie beträgt für das nächste Jahr 2,8 %, nicht 5,6 %.