Rede von
Prof.
Philip
Rosenthal
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Kollegen aller Parteien! Ich habe es mir wirklich nicht leicht gemacht, hier heraufzukommen, und ich will es Ihnen nicht schwerer machen — nach dem, was ich hier gehört habe — durch eine lange Rede. Ich will nur zwei Punkte aufzeigen, und der eine ist vielleicht auch nicht bei allen in meiner Partei beliebt.
Ich habe zufällig gestern mit dem Bundespräsidenten Carstens gesprochen. Wir waren uns einig; er hat es so gesagt: Wir Deutschen leiden darunter, daß wir wirklich langsam die eingebildeten Kranken werden. Und ich habe gesagt: Wir Deutschen leiden darunter, daß wir die Selbstmiesmacher werden. Wenn einer dies heute mitgehört hat, der Weimar kennt und weiß, wie es in Polen und anderen Ländern aussieht, dann ist ihm bewußt: Dies ist eine würdige Stunde der Demokratie, und wir sollten
stolz auf unsere Demokratie auch in dieser Stunde sein.
Nun der zweite Punkt. Sie, meine Herren Vorsitzenden: Herr Kohl, ich habe ein Papier, wo Ihnen Format abgesprochen werden sollte, nicht unterschrieben. Das halte ich auch nicht für richtig und demokratisch. Aber Sie und Herr Genscher und Herr Strauß haben Neuwahlen versprochen. Ich glaube nicht daran. Sie kennen die Bedenken von der Verfassung, vom Bundespräsidenten.
Herr Barzel, Sie haben von der Gewissensfreiheit des einzelnen Abgeordneten gesprochen. Jetzt lese ich Ihnen etwas vor, was jeden einzelnen von Ihnen in der FDP, jeden einzelnen, wo immer Sie stehen, und jeden einzelnen von Ihnen in der Union angeht — es ist von mir —: Wer nicht weiß, ob Wahlen im Frühjahr, wie versprochen, beabsichtigt oder möglich sind und sich nicht zumindest der Stimme enthält, der hat den Wähler getäuscht und die deutsche Demokratie geschädigt. Das werde ich Ihnen monatelang vorerzählen.