Rede von
Karl-Heinz
Hansen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Aber offensichtlich ist dies die Praxis des heute so viel beschworenen demokratischen Stils und der Würde dieses Hauses, die so oft deklamiert wurde. —
Wir haben gesehen, wie sich die Sozialdemokraten immer mehr erpressen ließen, bis schließlich der Punkt erreicht war, an dem die Gewerkschaften nicht mehr in der Lage waren, den Unmut ihrer Mitglieder zu bremsen und die unsozialen Operationen der Bundesregierung zu rechtfertigen. An diesem Punkt erklärten FDP-Vertreter mit brutaler Offenheit, daß eine SPD, die nicht mehr fähig sei, die Gewerkschaften friedlich zu halten, keinen Regierungswert mehr habe. In der Tat: Für die Kräfte des Großkapitals und der Großindustrie hat sie dann keinen Regierungswert mehr. Deshalb — persönlicher Verrat ist dabei nur eine der Begleiterscheinungen —, deshalb, weil es wirtschaftliche Machtgruppen gibt, weil es Kapitalinteressen gibt, die in der ökonomischen Krise eine Regierung von reinen Kapitalparteien wollen, deshalb wird diese Regierung gestürzt.
Die Betroffenen werden die abhängigen Arbeitnehmer sein, die mehr denn je um Arbeit und Lohn bangen müssen, werden alle sein, die auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind: Arbeitslose, Rentner, Kranke, Alte, Schüler und Studenten.
Wir, Kollege Coppik und ich, sind weit entfernt davon, das Ende dieser Regierung mit Häme und Schadenfreude zu begleiten. Es wäre einfach, klarzulegen, daß der Versuch, Reformpolitik in der Umarmung mit den Hilfskräften des Kapitals durchzusetzen, scheitern mußte. Sicher ist die Erpressungspolitik der FDP dadurch erleichtert worden, daß der Bundeskanzler Schmidt den konservativen Positionen der FDP nicht selten näherstand als den Beschlüssen seiner eigenen Partei.
Aber darum geht es heute nicht. Nicht mehr. Wir haben die große Sorge, daß von jetzt an die Politik der Aufrüstung mit immer schnelleren Schritten vorangetrieben und daß als Folge davon die Friedensbewegung zum Staatsfeind Nummer eins wird, daß das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten in eine Frostperiode eintreten wird. Wir haben die Sorge, daß die wirtschaftliche Krise ausgenutzt wird, um den sozialen Abbau zu verstärken, daß eine massive Umverteilungspolitik zugunsten der Besitzenden eingeleitet wird, daß aus gewissenlosem Opportunismus die Ausländerfeindlichkeit für parteipolitische Zwecke gefördert wird. Wir haben die Sorge, daß demokratische Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden, daß die berufliche Existenz politisch Andersdenkender noch mehr als bisher gefährdet wird, daß die Verachtung der ökologischen Bewegung, die schon die bisherige Regierung auszeichnete, bald offen in die Kriminalisierung des ökologischen Widerstandes einmündet.
Weil wir diese Sorgen haben, frei von allen parteipolitischen Bindungen, sagen wir als unabhängige Abgeordnete zu dem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP, Herrn Kohl zum Bundeskanzler zu wählen, klar und eindeutig nein.