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ID0911408300

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    Plenarprotokoll 9/114 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6977 A Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6992 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksache 9/1920 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksache 9/1921 — Dr. Dregger CDU/CSU 6979 D Löffler SPD 6985 D Cronenberg FDP 6992 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6996 D Dr. Waigel CDU/CSU 7003 D Roth SPD 7010 D Dr. Haussmann FDP 7016A Müller (Remscheid) CDU/CSU 7019C Dr. Mitzscherling SPD 7023A Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 7027 A Westphal, Bundesminister BMA . . . 7031 C Rühe CDU/CSU 7036 B Voigt (Frankfurt) SPD 7041 C Möllemann FDP 7046 D Dr. Wörner CDU/CSU • 7051 C Genscher, Bundesminister AA 7057 D Dr. Ehmke SPD 7059 A Fragestunde — Drucksache 9/1968 vom 10. September 1982 — Übernahme des Document Center in deutsche Verwaltung MdlAnfr 2, 3 10.09.82 Drs 09/1968 Hansen fraktionslos Antw StMin Frau Dr. Hamm-BrücherAA 6977 B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos 6977 B,C,D Schikanen gegen ausreisewillige Deutsche in Polen seit Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 MdlAnfr 4 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . . . 6978 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6978 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6978 C Ausstattung amerikanischer Universitätsbibliotheken mit Literatur zur Wiedervereinigung Deutschlands MdlAnfr 5 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6979 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6979A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6979C Nächste Sitzung 7060 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7061* A Anlage 2 Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau durch die polnische Fluggesellschaft LOT MdlAnfr 45 10.09.82 Drs 09/1968 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* B Anlage 3 Aufpreis für Zeitkarteninhaber bei Benutzung von Bahnbussen MdlAnfr 46 10.09.82 Drs 09/1968 Herberholz SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* C Anlage 4 Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke Bad Lauterberg/Odertal-Scharzfeld im Südharz MdlAnfr 47 10.09.82 Drs 09/1968 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 6977 114. Sitzung Bonn, den 16. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 7061* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 17.9. Dr. Diederich (Berlin) *** 17.9. Feinendegen 16.9. Frau Fischer*** 17.9. Gobrecht*** 17.9. Handlos 17.9. Hauck 17.9. Dr. Hennig*** 17.9. Dr. Holtz*** 17.9. Hoppe 17.9. Dr. Hüsch 16.9. Klein (München) *** 17.9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 17.9. Dr. Kreile 16.9. Lampersbach 17.9. Lenzer** 17.9. Frau Dr. Lepsius*** 17. 9. Lintner*** 17.9. Müller (Bayreuth) 17.9. Schröder (Wilhelminenhof) 16.9. Schulte (Unna) 17.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 17.9. Dr. Soell*** 17.9. Dr. Stercken*** 17.9. Topmann** 17.9. Dr. Wendig 17.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der 69. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 45): Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten der polnischen Fluggesellschaft LOT bei ihrer beabsichtigten Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau bekannt, und könnten diese Schwierigkeiten u. a. auf das in der Volksrepublik Polen geltende Kriegsrecht zurückzuführen sein? Der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag der polnischen Fluggesellschaft LOT auf Wiedereinrichtung der Fluglinie Warschau-Köln/Bonn vor. Ein solches Vorhaben würde ausschließlich unter dem in den vertraglichen Abmachungen mit Polen festgelegten Gesichtspunkt der Wechselseitigkeit geprüft Anlagen zum Stenographischen Bericht werden. Die gegenwärtige politische Situation in Polen hat hierauf keine Auswirkungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Herberholz (SPD) (Drucksache 9/1968 Frage 46): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zeitkartenbenutzer der Deutschen Bundesbahn auf Strecken, auf denen Triebwagen aus Kostengründen eingestellt wurden, bei Benutzung des bereitgestellten Busses jeweils einen Aufpreis zu zahlen haben? Die Fahrpreise der Deutschen Bundesbahn sind im Schienen- und Bahnbusverkehr innerhalb der bei beiden Geschäftszweigen einheitlich gebildeten Entfernungszonen grundsätzlich gleich. Legt der Bus jedoch eine längere Entfernung zurück als das Schienenfahrzeug, können Preisunterschiede auftreten. Diese Preisunterschiede sind jedoch keine Aufpreise. Das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bundesbahn (DB) gestaltet sein Preis- und Leistungsangebot, und damit auch seine Tarife, im Schienen- wie Bahnbusverkehr grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich. Dementsprechend prüft die DB von sich aus bereits, inwieweit bestehende Preisunterschiede im Schienen- und Bahnbusverkehr bei Beförderungen über die gleiche Strecke und unterschiedliche Entfernungen etwa durch Angleichung der Tarifentfernungszonen bereinigt werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 47): Sieht die Bundesregierung, daß ein Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Reiseaufkommen der Deutschen Bundesbahn und dem sich ständig verschlechternden Angebot in den Nebenstrecken besteht, und ist sie bereit, in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß der an sich schon schlechte Verkehrszugang im Südharz-Bereich, der die Benachteiligung dieses Raums ständig erhöht, nicht noch durch weitere Streckenstillegungen (Bad Lauterberg/Odertal und Scharzfeld—Bad Lauterberg) belastet wird. Nein, die Bundesregierung sieht den in Ihrer Frage unterstellten Zusammenhang nicht. Im Gegenteil: Das Angebot der Deutschen Bundesbahn orientiert sich stets an der Nachfrage. So gehört die Teilstrecke Bad Lauterbach-Odertal mit 194 Reisenden im werktäglichen Durchschnitt (beide Richtungen zusammen) zu den schwächst ausgelasteten Reisezugstrecken der Deutschen Bundesbahn. We- 7062* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 gen anstehender Investitionen hat die Deutsche Bundesbahn das Verfahren zur Stillegung der vorgenannten Teilstrecke eingeleitet. Ein Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn mit prüffähigen Unterlagen liegt dem Bundesminister für Verkehr noch nicht vor. Wegen der Lage der Strecke im Zonenrandgebiet wird das Kabinett entscheiden. Der Abschnitt Scharzfeld-Bad Lauterberg soll vorerst sowohl im Reise- als auch im Güterverkehr beibehalten werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Windelen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klejdzinski?
    Müller (Remscheid) CDU/CSU: Ich habe 20 Minuten Zeit. Ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
    Trotz vieler Versprechungen, trotz wohlklingender Worte hat die SPD für die Arbeitnehmer in Wirklichkeit nur traurige Rekorde errungen.
    Erstens. Unter SPD-Verantwortung hat sich die Vollbeschäftigung in Millionenarbeitslosigkeit verkehrt. Als wir 1969 noch in der Regierung waren, hatten wir in Deutschland 179 000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt, das heißt also absolute Vollbeschäftigung. Heute stehen wir bei 1,9 Millionen, und für nächstes Jahr werden unter Umständen 2 Millionen und mehr erwartet. Das sind zehnmal soviel wie unter CDU/CSU-Verantwortung. Am 22. Juni hat Bundeskanzler Schmidt vor der SPD-Bundestagsfraktion selbst zugegeben, daß sozusagen als Ergebnis zwölfjähriger SPD/FDP-Politik 1,3 Millionen Arbeitsplätze abgebaut wurden und gleichzeitig die Arbeitslosenzahl auf 1,8 Millionen gestiegen ist.

    (Zuruf von der SPD: Er hat nichts zugegeben, sondern er hat eine Erklärung abgegeben! — Weiterer Zuruf von der SPD: Das weiß der eben!)

    — Ich darf ihn vielleicht wörtlich zitieren:
    ... wenn wir gleichzeitig sehen, daß in zwölf Jahren die Zahl der Arbeitsplätze von 26,7 Millionen gefallen ist auf 25,4 Millionen — um 1,3 Millionen — und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit von praktisch Null auf 1,8 Millionen gestiegen ist .. .
    Bisher wollte die SPD immer den Eindruck erwekken, sie sei die Partei der Arbeitsplatzsicherheit. Lassen Sie mich an die Wahlkampfplakate 1972 erinnern, wo es hieß:
    Sorgen Sie dafür, daß Sozialdemokraten weiterregieren; dann bleiben die Arbeitsplätze sicher.
    Jetzt gibt der Kanzler selbst zu, daß es unter SPD-Verantwortung nicht zu Vollbeschäftigung, sondern zu Millionenarbeitslosigkeit kam.
    Und wenn die Bundesregierung glaubt, im nächsten Jahr mit zusätzlichen 900 Millionen DM Bundeszuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit hinzukommen, so ist das blanke Illusion. Allein in diesem Jahr müssen voraussichtlich bis zu zwei Milliarden DM mehr nach Nürnberg gezahlt werden, als Sie bisher geschätzt haben. Noch schlimmer sieht es für das nächste Jahr aus. In Ihrem Haushalt gehen Sie für 1983 von 1,85 Millionen Arbeitslosen aus. Tatsächlich glauben Sie Ihre optimistische Annahme für 1983 schon selbst nicht mehr.
    Immer mehr Leute, auch bei der SPD und der FDP, sehen ein, daß diese Haushaltsannahmen auf Sand gebaut sind. Selbst das Bundeswirtschaftsministerium geht bereits davon aus, daß 1983 für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe 3,5 bis 4,5 Milliarden DM mehr gezahlt werden müssen.
    Ihr Haushalt stimmt also hinten und vorn nicht. Die nächste Flickschusterei ist sozusagen programmiert.
    Zweitens. Noch nie wurden die Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben so zur Kasse gebeten wie jetzt. Von 100 DM Lohnerhöhung blieben einem ledigen Durchschnittsverdiener 1980 gerade noch 38,11 DM übrig. Diese Tatsache hat der Bundeskanzler in seiner Rede, die schon der Kollege Waigel zitiert hat, wörtlich so vorgetragen:
    Was wir so gesteigert haben, sind also die Sozialversicherungsbeiträge. Das wirkte sich auf den Arbeitnehmer so aus: Sein durchschnittliches Arbeitseinkommen war 1970 belastet mit 22,7 % Lohnsteuer und Sozialabgaben. Heute ist es belastet mit 31,7 %. Anders ausgedrückt: Die Grenzbelastung des Arbeitnehmers, d. h. die letzten zehn DM, die er bei einer Lohn- oder Gehaltserhöhung bekommt, sind heute belastet mit 49 % im Durchschnitt. Sie stand vor zwölf Jahren bei weniger als 34 %. Wir haben also den Arbeitnehmer immer wieder zur Kasse gebeten.
    So Bundeskanzler Schmidt.
    Obwohl der Bundeskanzler beklagt, daß die Arbeitnehmer immer mehr zur Kasse gebeten wurden, will die SPD genau das jetzt wieder tun. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll auf 4,5 % erhöht werden. Ich glaube, man muß jetzt klar sagen, wie weit die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmer eigentlich noch getrieben werden soll.
    Ein Beispiel: Während unter unserer — der CDU/ CSU — Regierungsverantwortung 1969 ein Arbeitnehmer im Durchschnitt 6,40 DM im Monat an die Arbeitslosenversicherung bezahlen mußte, werden es im nächsten Jahr rund 64 DM im Monat sein. Das ist genau das Zehnfache.

    (Zuruf von der CDU/CSU: „Es geht aufwärts"!)

    Drittens. Die SPD hat die Rentenkassen geplündert und die Renten der Arbeitnehmer durch das 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz auf Dauer um 15 % gekürzt.

    (Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

    Die allgemeine Bemessungsgrundlage — das ist die Größe, nach der die Renten berechnet werden —beträgt heute 24 099 DM. Bei Beibehaltung der Rentenformel von 1957 müßte sie bei 27 804 DM liegen. Konkret bedeutet das, daß Sie durch Zuwachskürzung die Rente eines Durchschnittsverdieners mit 40 Versicherungsjahren von 1 390 DM auf 1 205 DM monatlich verringert haben.



    Müller (Remscheid)

    Mit den Haushaltsgesetzen, die jetzt als Entwurf vorliegen, will die SPD erneut die Rentenkasse für den total überschuldeten Bundeshaushalt plündern. Wir meinen: Es muß endlich Schluß damit sein, daß die Rentenkasse immer wieder als Notopfer für die leere Bundeskasse herangezogen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Vermögensbildung für die Arbeitnehmerschaft kann man nur Fehlanzeige melden. In den letzten 13 Jahren gab es hier nur leere Versprechungen und Tatenlosigkeit. 1981 hat die SPD sogar die Arbeitnehmersparzulage gekürzt. Und jetzt soll auch die betriebliche Vermögensbildung eingeschränkt werden.
    Wenn ich diese Ergebnisse für die Arbeitnehmer mit den Reden der SPD vergleiche, kann ich nur sagen: Die SPD redet viel von sozialer Gerechtigkeit, aber tatsächlich handelt sie anders. Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen.
    Die Gewerkschaften gehen in Frontstellung gegen diese arbeitnehmerfeindliche Politik, so sagen sie, zumal dieser Politik jede Perspektive und langfristige Konzeption fehlt.
    Angesichts dieser Tatsachen und Fakten ist es barer Unsinn, wenn die SPD der Union immer wieder unterstellt, sie wolle ins soziale Netz einschneiden. Nach dem Motto „Haltet den Dieb" wollen Sie uns immer anhängen, was Sie jetzt selbst tun müssen. Wir bezweifeln nicht, daß in der Sozialpolitik gespart werden muß. Wenn wir davon reden, ist es „soziale Demontage"; wenn Sie es tun, sind es „politische Notwendigkeiten". Ich meine, das ist nicht aufrichtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Klejdzinski [SPD]: Sagen Sie mal, was Sie möchten!)

    1969 wurde von der SPD so getan, als beginne mit ihrer Regierungsverantwortung das soziale Zeitalter. Reformen wie am Fließband wurden versprochen. Die Wirklichkeit sieht heute, nach 13 Jahren, anders aus. Die Rücklagen der Sozialversicherungsträger sind verbraucht. Die Beitrags- und Steuerbelastung der Arbeitnehmer wurde auf durchschnittlich 31 % hochgeschraubt. Und die Fundamente unserer sozialen Sicherheit sind durch jahrelange Millionenarbeitslosigkeit erschüttert.
    Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dieser Haushalt 1983 dokumentiert dies überdeutlich. In der Sozialpolitik sind Sie absolut am Ende.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Nicht nur dort!) Sie stehen sozusagen vor dem Offenbarungseid.

    Herr Brandt sprach am Sonntag in den „Bonner Perspektiven" von der Notwendigkeit einer Reform der Reformen. Auch von Ihren Herren Glombig und Glotz hört man völlig neue sozialpolitische Töne. Im „Vorwärts" belehrte Peter Glotz die SPD, daß die sozialen Sicherungssysteme auf die wirtschaftlichen Wachstumsraten vergangener Jahre eingestellt seien und nicht mehr in allen ihren Elementen erhalten werden könnten. In der „Westfälischen Rundschau" vom 20. August meinte der SPD-Bundesgeschäftsführer sogar:
    Auch wenn die SPD nicht Kompromisse mit dem Koalitionspartner schließen müßte, wären schmerzhafte Maßnahmen nötig und müßten auch von den Gewerkschaften, wenn nicht mitgetragen, so doch zur Kenntnis genommen werden.
    Auch Eugen Glombig zeigt neue Einsichten der SPD, indem er betont, die Sozialdemokraten müßten lernen, daß die Zeit des weiteren Ausbaus der sozialen Sicherung vorbei sei.
    Ich glaube, es ist bemerkenswert — auch dankenswert —, daß von der SPD heute offensichtlich eingesehen wird, daß die bisherige perspektivlose Flickschusterei und das Hin- und Herschieben von Milliarden-Beträgen von einer Sozialkasse in die andere

    ( Dr. George [CDU/CSU]: Aus einer Sozialkasse in die andere!)

    nicht mehr weiterführt.
    Meine Damen und Herren, ich meine, die Bürger unseres Landes sind bereit, notwendige Opfer zur Sanierung von Wirtschaft und Staatsfinanzen auf sich zu nehmen, wenn sie — und das ist die Voraussetzung — erstens wissen, wofür diese Opfer gebracht werden müssen, zweitens das Gefühl haben, daß die Opfer gerecht verteilt werden und drittens der Überzeugung sind, daß diese Opfer nicht vergeblich gebracht werden.
    Diese Regierung hat aber mit ihren immer kurzatmigeren Sanierungen und willkürlichen Eingriffen in den Sozialbereich bewiesen, daß sie dazu nicht mehr in der Lage ist. Ich glaube, die Leute glauben Ihnen auch nicht mehr; denn Sie haben das Vertrauenskapital verspielt. Von daher brauchen wir einen neuen Anfang.
    Wir müssen eine neue qualitative Sozialpolitik verwirklichen,

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Was heißt das?)

    um auch in Zeiten knapper werdender Mittel die Grundlagen einer sozial gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu sichern.

    (Zuruf von der SPD: Schwafelei!)

    Wer das Netz der sozialen Sicherheit erhalten will, muß gerade auch deshalb bereit sein, über Mißstände und Mißbräuche zu reden, zumal selbst Betriebsräte immer öfter an einen herantreten und sagen, daß es nicht angehe, daß sich einige wenige auf Kosten vieler gutwilliger Arbeitnehmer und Beitragszahler ein schönes Leben machten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Ist das der ganze Beitrag?)

    Hier muß der Schutz der Leistungswilligen und Fleißigen vor Leuten, die sich nicht scheuen, die Möglichkeiten exzessiv auszunutzen, in Teilbereichen noch verstärkt werden.
    Unsere soziale Sicherung beruht auf dem Grundgedanken der Solidarität. Gemeinschaftlich werden die Risiken abgesichert, die der einzelne alleine nicht bewältigen kann. Die Solidarität der Gemeinschaft mit dem einzelnen erfordert auch die Solida-



    Müller (Remscheid)

    rität des einzelnen mit der Gemeinschaft und verbietet demnach jeden Mißbrauch sozialer Leistungen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Finanzkrise unseres Staates darf aber nicht kurzerhand auf eine Krise des Sozialsystems reduziert werden. Das wäre eine unzulässige Verkürzung des Problems. Alle Leistungen des Staates müssen auf den Prüfstand, auch die Subventionen und Steuervergünstigungen. Wenn Opfer gebracht werden müssen, dann in allen Bereichen. Ich betone klar, eindeutig und mit Nachdruck: Mißbrauch muß überall, auch im Wirtschaftsleben, bekämpft werden. Wir können nicht sozusagen die Splitter im Auge der Arbeitnehmer entfernen und die Balken bei den anderen übersehen.

    (Zuruf von der SPD: Bravo!)

    Nun gibt es ein schon viel diskutiertes Papier des Bundeswirtschaftsministers, das genau in diese Kategorie paßt, von dem wir glauben, daß es sozial nicht ausgewogen ist. Einiges wird von uns akzeptiert, zumal wir schon immer, zuletzt in unserer Sieben-Punkte-Erklärung vom 10. Februar 1982, eine grundsätzliche Kursänderung in der Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik gefordert haben. Wir sind der Meinung, daß sich die Belastungen, die sich aus dieser grundsätzlichen Kursänderung ergeben, von allen Schichten der Bevölkerung mitgetragen werden müssen. Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Kohl hat in seinem Schreiben vom 27. August 1982 an den DGB-Chef Breit deutlich gemacht, daß alle Bürger, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit, an den Sanierungsmaßnahmen beteiligt werden müssen. Ich möchte diese Auffassung von Dr. Kohl noch einmal voll und ganz unterstreichen und betonen, daß in diesem Zusammenhang das LambsdorffPapier in seinem Vorschlagsteil trotz guter Ansätze für uns in seiner Gesamtheit so nicht akzeptabel ist. Man kann nicht immer nur die Kleinen hängen und die Großen laufen lassen.

    (Zuruf von der SPD: Richtig! Ergänzungsabgabe!)

    Warum werden in dem Papier bei dem Stichwort „Sanierung der Alterssicherung" nur die Bedingungen für die gesetzliche Rentenversicherung verschlechtert? Der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner soll von den beschlossenen 4 % auf 6 % erhöht werden und einiges mehr. Der Rentenzuwachs wurde bereits um 15 % gekürzt. Durch den Krankenversicherungsbeitrag sollen nochmals 6 % dazukommen. Demgegenüber sehen die Abstriche in anderen Alterssicherungsbereichen sehr mager aus. Der Staat zahlt jährlich über 60 Milliarden DM zu den verschiedenen Alterssicherungssystemen. Dieses Geld muß nach den Prinzipien der Beitrags- und Leistungsgerechtigkeit gerechter verteilt werden. Die Veränderung der ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen betrifft alle Alterssicherungsbereiche gleichermaßen. Ich glaube, es ist daher untragbar, wenn immer nur die Sozialversicherungsrentner belastet werden. Es ist zu fragen, warum dem Bundeswirtschaftsminister zu diesem Problembereich nichts eingefallen ist.
    Im Krankenversicherungsbereich wird für mehr Selbstbeteiligung, degressive Pflegesätze und die Abschaffung des Kostenersatzprinzips plädiert. Über all diese Punkte kann man reden, und die letzten beiden Punkte sind sogar sehr vernünftig. Es steht aber nichts in dem Papier, wie man die hohen Kosten im Anbieterbereich des Gesundheitswesens begrenzen kann. All dies sind Kosten, die über den Krankenversicherungsbeitrag in die Kostenrechnungen der Unternehmen eingehen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft mitbestimmen. Im Gesundheitswesen ist bei allen Beteiligten Eigenverantwortung und Kostenbewußtsein verlorengegangen. Ohne Frage: Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen muß gestoppt werden, aber in allen Bereichen, bei Krankenhäusern, Apotheken, Ärzten, und nicht nur bei den Patienten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Darüber hinaus empfiehlt der Bundeswirtschaftsminister andere kräftige Einschnitte im sozialen Bereich, zu denen ich im einzelnen jetzt nicht Stellung nehmen will, zumal wir gesagt haben: Wir sind offen für die Prüfung. Aber es ist zu fragen, warum dem Minister nicht eingefallen ist, wie man die vielen Steuerschlupflöcher dicht machen kann. Warum sagt er nichts dazu, wie man die vielfache Verschwendung von Steuergeldern durch die öffentliche Hand — hier gibt es massenweise Beispiele vom Steuerzahlerbund — eindämmen kann? Warum wird in dem Papier kein Vorschlag gemacht, wie das gigantische Haushaltsrisiko der Bundesbahn in den Griff zu bekommen ist?
    Meine Damen und Herren, folgendes muß klar sein: Die notwendige grundsätzliche Kurskorrektur in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik muß alle Bereiche erfassen und betreffen. Nur so ist der soziale Konsens, der in den letzten 30 Jahren einen hohen und unschätzbaren Produktivfaktor in unserem Lande darstellte, zu bewahren.
    Müller-Armack, einer der Väter unserer Sozialen Marktwirtschaft, schrieb einmal — ich zitiere —:
    Zur Sozialen Marktwirtschaft gehören unabdingbar ein geordneter Wettbewerb und soziale Gerechtigkeit.

    (Zuruf von der SPD: Nicht nur für die Landwirte!)

    Beides ist notwendig. Wettbewerb und sozialer Ausgleich sind die beiden Seiten einer Medaille. Es hat keinen Zweck, wenn wir Richtungskämpfe anzetteln, bei denen einmal die ökonomische Seite, einmal die soziale Seite in den Vordergrund gestellt wird. Beide sind Teile einer Einheit, die wir auch als Einheit begreifen müssen.
    Wer die geistig-moralischen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft verschweigt und ihre soziale Dimension leugnet, leistet ihr am Ende einen Bärendienst. Wir brauchen eine Kursänderung und einen generellen neuen Anfang. Für die notwendige Generalbereinigung unseres sozialen Sicherungssystems brauchen wir einen Sozialpakt, an dem sich alle sozialen Gruppen und politischen Kräfte beteiligen



    Müller (Remscheid)

    sollten. Dabei muß die Gemeinwohlorientierung stärker zum Tragen kommen, und die Parteien müssen sich aus der zunehmenden Umklammerung durch die Verbände lösen.
    Das Gebot der Stunde sind auch nicht Betreuung und damit teilweise Entmündigung, sondern Hilfe zur Selbsthilfe und Konzentration der geringer werdenden Mittel. Das Gebot des Grundgesetzes, die Schwachen zu schützen, das Gemeinwohl gegen Individual- und Verbandsegoismus zu verteidigen und soziale Gerechtigkeit anzustreben, wird sich künftig ernsthafter als bisher zu bewähren haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Mitzscherling.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Mitzscherling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Müller (Remscheid), es ist für einen Wirtschaftspolitiker eine Freude und auch sehr interessant, einem Sozialpolitiker folgen zu können, weil uns in diesem Hause die Interdependenz von Sozial- und Wirtschaftspolitik beschäftigt

    (Franke [CDU/CSU]: Und Finanzpolitik!)

    und dies die Möglichkeit gibt, noch einmal aus der Sicht des Wirtschaftspolitikers darauf einzugehen.

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Das ist leider immer übersehen worden!)

    Herr Kollege Müller (Remscheid), Sie haben diesem Hause ein Horrorgemälde über das System unserer sozialen Sicherheit aufgezeigt, das einer Betrachtung der wirklichen Verhältnisse nicht standhält.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben Vergleiche hinsichtlich der Belastung mit Abgaben gezogen, die über Jahre hinweg zurückreichen, aber vergessen, zu erklären, daß diese Entwicklung doch offenbar von einer erfolgreichen Gesamtpolitik begleitet war, die es ermöglicht hat, dem einzelnen Einkommen zu sichern, die ihm heute nicht nur hohe Renten bescheren, sondern ihn aus dem Solidarprinzip heraus selbstverständlich auch veranlassen, denen, die nicht mehr arbeiten, und denen, die noch nicht arbeiten, mit ihren Beiträgen die Leistungen zu ermöglichen, die die genannten Personengruppen heute empfangen.
    Als Wirtschaftspolitiker empfehle ich Ihnen, sich einmal die Statistiken der Deutschen Bundesbank oder auch einmal Zeitschriften des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes anzusehen und daraus zu entnehmen, wie sich allein die Vermögensbildung in Rentnerhaushalten in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Da erkennen Sie ein Problem, das uns in diesem Hause sicherlich noch einmal beschäftigen wird. Wir müssen feststellen, daß der Arbeitnehmer — zugegeben — mit seiner Abgabenbelastung schlechter dran ist, als es heute bei unseren Rentnern der Fall ist, denen wir eine enorme Beteiligung am Wohlstand ermöglicht haben. Das muß an dieser Stelle einmal ganz deutlich gesagt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber nun zur Wirtschaftspolitik. Die Interdependenz ist heute morgen deutlich geworden. Sie ist in dem Papier deutlich geworden, das der Bundeswirtschaftsminister vorgelegt hat und das durchaus als umstritten anzusehen ist, umstritten auch aus der Sicht meiner politischen Freunde.
    Wir haben uns in diesem Hause in den letzten Monaten sehr häufig über die wirtschaftliche Situation in unserem Land unterhalten. Wir haben darüber gestritten und im Grunde festgestellt, daß wir in den Zielen einig sind. Ziel Nummer eins war und ist auch heute noch die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dazu brauchen wir Wachstum. Wir wollen wieder Arbeitsplätze schaffen. Wir brauchen mehr Investitionen. In dieser Einschätzung differieren wir gar nicht.
    Wir brauchen außerdem ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Geldwertstabilität, damit die reale Kaufkraft dessen, was der einzelne verdient, auch erhalten bleibt.

    (Franke [CDU/CSU]: Warum macht ihr das denn nicht? Ihr regiert doch!)

    — Darauf komme ich jetzt, Herr Kollege.
    Zwischen Ihnen und uns werden allerdings Unterschiede deutlich, wenn es darum geht — ich muß an dieser Stelle sagen, daß uns dabei in der Tat die Sieben-Punkte-Erklärung der CDU/CSU, heute schon angesprochen, nicht wesentlich weitergeholfen hat —, konkrete Vorschläge darüber zu unterbreiten, welche Therapie wir gemeinsam entwickeln können, um uns diesen gemeinsamen Zielen nähern zu können. Da bleiben Sie uns die Antwort schuldig, da sind Sie nicht präzis genug.

    (Beifall bei der SPD — Franke [CDU/CSU]: 13 Jahre regieren und dann die Opposition fragen, wie man aus dem wieder herauskommt, in das man hineingefahren ist!)

    — Wenn Sie sich der Mitwirkung in diesem Parlament verweigern, Herr Kollege, dann zwingen Sie uns zu dem Verhalten, das wir ohnehin praktizieren, nämlich unsere Politik ohne Ihre konstruktive Mitwirkung zu entwickeln.

    (Franke [CDU/CSU]: Sie können doch mit Ihrer Mehrheit selber etwas gestalten!)

    Wir — damit meine ich ganz deutlich die sozialliberale Koalition —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Weder sozial noch liberal!)

    haben durchaus eine ausgewogene Politik verfolgt. Wir haben auf die Anwendung neu- oder altmodischer Rezepte verzichtet. Wir haben die Handlungsspielräume, die — zugegeben — enger geworden sind, genutzt. Wir waren dabei erfolgreicher — auch wenn Sie das nicht mehr hören wollen — als fast alle anderen Industrieländer. Das ist heute morgen an dieser Stelle schon mehrfach betont worden; Kollege Roth hat es anhand der neuesten Statistiken noch einmal belegt.



    Dr. Mitzscherling
    Wenn wir in dem Umfeld, das uns umgibt, nicht mehr erreicht haben, dann liegt das sicherlich an unserer starken außenwirtschaftlichen Abhängigkeit.

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Immer sind die anderen schuld, immer sind die anderen schuld!)

    Denn — das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen — ein Drittel dessen, was in diesem Lande produziert wird, geht in das Ausland, muß dort verkauft werden.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Donnerwetter! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Dazu bedarf es nur der Einsicht und nicht der Zwischenrufe, Herr Kollege. —

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es gibt Branchen, in denen 80 % der Produktion ins Ausland gehen. Was das bedeutet, müßte Ihnen doch klar sein. Daß es weltweit Schwierigkeiten gibt, dürfte auch Ihnen von der Union nicht verborgen geblieben sein.

    (Franke [CDU/CSU]: Auch das ist nicht neu!)

    — Nein, das ist nicht neu, das ist bekannt. — Unsere Unternehmen haben Mühe — auch das wissen Sie —, Ihre Produkte zu verkaufen. Die Nachfrage der ölproduzierenden Länder — auch das wissen Sie — hat in letzter Zeit deutlich nachgelassen. Die Entwicklungsländer haben wenig Geld — sie sind verschuldet —, und in anderen Industrieländern breitet sich zunehmend Investitionsschwäche aus. Das heißt, daß unsere potentiellen Handelspartner, an die wir unsere Produkte, unsere Güter — Waren und Dienstleistungen — verkaufen, sich in der Tat in einer Situation befinden, die uns im Inland unmittelbar berührt. Daß diese Investitionsschwäche eine Folge des extrem hohen internationalen Zinsniveaus ist, das wegen der Größe und der Dominanz der Vereinigten Staaten im wesentlichen von dorther bestimmt wird, ist, glaube ich, auch klar.
    Klar sein müßte auch ein anderer Zusammenhang: Wenn es für einen Unternehmer lohnender ist, sein Geld in festverzinslichen Wertpapieren anstatt in Sachkapital anzulegen, dann wird nicht investiert.

    (Franke [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Klar ist aber auch, daß die Differenz zwischen Kapitalrendite und Zinsniveau auf zwei Wegen verringert werden kann: zum einen durch eine Erhöhung der Kapitalrentabilität, indem ich Löhne, Sozialtransfers oder Lohnnebenkosten zurücknehme, zum anderen durch eine Senkung des Zinsniveaus.

    (Dr. George [CDU/CSU]: So einfach ist das!)

    Es gibt also zwei Möglichkeiten. Daß wir Sozialdemokraten unsere Politik auf die Möglichkeit richten, eine Senkung des Zinsniveaus herbeizuführen oder herbeiführen zu helfen, ist unter den Wirtschaftspolitikern in diesem Hause bei der Behandlung wirtschaftspolitischer Themen j a wohl des öfteren deutlich geworden.

    (Franke [CDU/CSU]: Mit der Erhöhung der Nettokreditaufnahme senken Sie die Zinsen, was? — Dr. George [CDU/CSU]: Mit „Bundesschätzchen" werden Zinsen gesenkt, was?)

    Wir — hier meine ich einmal mehr uns Sozialdemokraten — halten also eine Zinssenkung für ein ganz vorrangiges politisches Ziel.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Auf die Finanzierung komme ich noch zu sprechen, Herr Kollege.
    Die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten und die exorbitant hohen Zinsen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Woher kommen die denn?)

    nicht die von Ihnen überzeichneten Probleme in unserem eigenen Land sind also für mich die Hauptursachen der gegenwärtigen schwierigen Situation. Deswegen muß ich auch den Versuchen widersprechen, die Schwierigkeiten dem Ausbau des Sozialsystems anzulasten.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Herr Roth hat etwas ganz anderes gesagt!)