Rede:
ID0911204600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 114
    1. und: 11
    2. für: 4
    3. die: 4
    4. den: 4
    5. der: 4
    6. zu: 3
    7. 22: 3
    8. 23: 3
    9. Debatte: 2
    10. Tagesordnungspunkten: 2
    11. Fraktionen: 2
    12. es: 2
    13. wenn: 2
    14. wir: 2
    15. über: 2
    16. 21: 2
    17. Dann: 2
    18. des: 2
    19. Herrn: 2
    20. Arbeit: 2
    21. Sozialordnung: 2
    22. das: 2
    23. —: 2
    24. zur: 2
    25. Meine: 1
    26. Damen: 1
    27. Herren,: 1
    28. liegen: 1
    29. mir: 1
    30. seitens: 1
    31. keine: 1
    32. Wortmeldungen: 1
    33. mehr: 1
    34. vor.: 1
    35. Im: 1
    36. Zuge: 1
    37. Rationalisierung: 1
    38. unserer: 1
    39. wäre: 1
    40. zweckmäßig,: 1
    41. jetzt: 1
    42. nicht: 1
    43. Vorlagen: 1
    44. unter: 1
    45. Punkten: 1
    46. abstimmten,: 1
    47. sondern: 1
    48. Tagesordnungspunkt: 1
    49. aufriefen: 1
    50. danach: 1
    51. Punkte: 1
    52. 21,: 1
    53. abgestimmt: 1
    54. würde.: 1
    55. hät-\n: 1
    56. Vizepräsident: 1
    57. Dr.: 1
    58. h.: 1
    59. c.: 1
    60. Leberten: 1
    61. nur: 1
    62. mit: 1
    63. einer: 1
    64. Rede: 1
    65. Bundesministers: 1
    66. tun.\n: 1
    67. Ist: 1
    68. Plenum: 1
    69. damit: 1
    70. einverstanden?\n: 1
    71. stelle: 1
    72. ich: 1
    73. Abstimmung: 1
    74. soeben: 1
    75. behandelten: 1
    76. zurück: 1
    77. rufe: 1
    78. Punkt: 1
    79. Tagesordnung: 1
    80. auf:Erste: 1
    81. Beratung: 1
    82. von: 1
    83. SPD: 1
    84. FDP: 1
    85. eingebrachten: 1
    86. Entwurfs: 1
    87. eines: 1
    88. Gesetzes: 1
    89. Änderung: 1
    90. sozialrechtlicher: 1
    91. Vorschriften: 1
    92. Drucksache: 1
    93. 9/1958: 1
    94. —Überweisungsvorschlag:Ausschuß: 1
    95. Ausschuß: 1
    96. Jugend,: 1
    97. Familie: 1
    98. Gesundheit: 1
    99. Haushaltsausschuß: 1
    100. mitberatend: 1
    101. gemäß: 1
    102. §: 1
    103. 96: 1
    104. GODas: 1
    105. Wort: 1
    106. Begründung: 1
    107. wird: 1
    108. gewünscht.: 1
    109. Ich: 1
    110. erteile: 1
    111. dem: 1
    112. Abgeordneten: 1
    113. Hölscher: 1
    114. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/112 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 112. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 6837 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Einkommensteueränderungsgesetz 1983) — Drucksache 9/1956 — Poß SPD 6837 B Dr. Kreile CDU/CSU 6839 D Frau Matthäus-Maier FDP 6844 B Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 6848 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und von anderen Vorschriften (Sechstes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 9/1957 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1983 — Drucksache 9/1730 — Glombig SPD 6851 B Franke CDU/CSU 6855 D Heyenn SPD 6861 B Schmidt (Kempten) FDP 6863 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (SVÄG 1982) — Drucksache 9/1958 — Hölscher FDP 6867 A Franke CDU/CSU 6870 C Urbaniak SPD 6873 B Westphal, Bundesminister BMA . . . 6875C Nächste Sitzung 6879 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6880*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 6837 112. Sitzung Bonn, den 10. September 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    6880 * Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 10.9. Dr. Ahrens ** 10.9. Bamberg 10.9. Bohl 10.9. Dr. Bardens ** 10.9. Büchner (Speyer) ** 10.9. Dr. Dregger 10.9. Eickmeyer ** 10.9. Eigen 10.9. Dr. Faltlhauser 10.9. Feinendegen 10.9. Fellner 10.9. Frau Fromm 10.9. Funke 10.9. Frau Geier 10.9. Hauck 10.9. Herterich 10.9. Hoppe 10.9. Frau Luuk 10.9. Dr. Müller ** 10.9. Müller (Bayreuth) 10.9. Müller (Wadern) 10.9. Neumann (Bramsche) 10.9. Pensky ** 10.9. Rappe (Hildesheim) 10.9. Rösch 10.9. Dr. Schachtschabel 10.9. Schäfer (Mainz) 10.9. Schmidt (Wattenscheid) 10.9. Schulte (Unna) ** 10.9. Dr. Freiherr Spies v. Büllesheim ** 10.9. Stöckl 10.9. Dr. Unland ** 10.9. Dr. Vohrer ** 10.9. Dr. Warnke 10.9. Frau Dr. Wex 10.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hansheinrich Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Franke, ich akzeptiere es nicht nur, sondern ich respektiere es auch, weil es das in jeder Fraktion, in diesem Haus generell geben muß, daß man über unterschiedliche Meinungen diskutiert.

    (Franke [CDU/CSU]: Warum kritisieren Sie das denn?)

    Aber wenn Sie seit Wochen und Monaten über eine Alternativlösung zu der der Bundesregierung nachdenken, dann müßten Sie allerdings einmal sagen: Die sieht so und so aus.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Da haben Sie aber nur einen einzigen Punkt genannt, die Krankenversicherung der Rentner. Oder habe ich einen Ihrer Kollegen — ich sehe ihn im Moment nicht — in Nürnberg falsch verstanden — es ist der Kollege Vogt gewesen —, als er vor der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten die Bruttorente verteidigte, Kritik des DGB voll übernahm und voll auf diese Bundesregierung lenkte? Habe ich ihn da falsch verstanden, oder ist das nicht auch ein Stück Meinung Ihrer Oppositionsfraktion?

    (Frau Steinhauer [SPD]: Die Sozialausschüsse vergißt er!)

    Also, wenn hier jemand — ich tue es nicht — über neue Mehrheiten nachdenkt, dann kann ich nur sagen: Diese neue Mehrheit wäre eine miese Sache für die Rentner und für die Lösung all der Probleme, die vor uns liegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn die Probleme würden zunächst einmal um ein,
    zwei Jahre verschoben und nicht etwa angepackt,



    Schmidt (Kempten)

    wie wir das mit unseren Gesetzentwürfen versuchen.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Hier wird aus der Koalitionseine Fraktionsdebatte!)

    Sie sagen — Herr Kohl hat das gestern auch schon getan —, hier würden Wahlgeschenke zurückgenommen. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, da klopfen wir uns einmal alle an die Brust. Ich habe vor einigen Jahren schon einmal gesagt: Es gab natürlich bessere Jahre, bessere Jahre, die nichts mit einer verfehlten Wirtschaftspolitik zu tun hatten — das muß doch endlich einmal heraus

    (Zuruf der Abg. Frau Hürland [CDU/ CSU])

    — Frau Kollegin Hürland! —; das waren eben die Jahre des Nachholbedarfs in der Nachkriegszeit, die zu besseren Zuwachsraten führten. Es war hinsichtlich der Zuwachsraten doch schon Anfang der 70er Jahre zu erwarten, daß das nicht mehr mit 6 % und 7 % pro Jahr läuft, wie wir das in den ersten 20 Jahren gehabt haben. Das konnte Ihnen jeder Volkswirtschaftler, jeder Wirtschaftswissenschaftler damals schon sagen. Aber es brauchte etwas länger, daraufhin dann auch umzudenken.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das war aber eine lange Denkpause!)

    So haben wir doch noch 1972 — ich klopfe mich auch an die Brust, aber auch Sie waren sehr mitbeteiligt — in der Rentenversicherung sicher des Guten zuviel getan. Ein bißchen war die verkürzte Wahlperiode schuld, die ja dann zu Ihren Lasten neu aufgenommen wurde; Sie waren ja nach dem 22. September 1972, als die Neuwahl kam, schlechter dran. Aber Sie hatten es versucht und hatten diesen Bundestag damit vor einer vorgezogenen Wahl — ich sage das offen — unter einen gewissen Druck gesetzt. Ich weiß noch sehr gut, daß ich hier wegen der finanziellen Folgen, die sich daraus ergeben würden, gegen die Vorziehung um ein halbes Jahr in der Rentenversicherung gesprochen habe. Aber zum Schluß gab es nur wenige Gegenstimmen. Sie haben es gefordert, und wir konnten es auch aus der damaligen Abstimmungssituation heraus schwer ablehnen. Klopfen wir uns da einmal alle an die Brust! Wir haben zu spät gemerkt, daß sich die Rahmenbedingungen langfristig ändern; sie sind heute durch die Arbeitslosigkeit noch schwieriger.

    (Zustimmung des Abg. Löffler [SPD])

    Wenn Sie von Verwirrspiel sprechen: Wer versucht denn immer zu verwirren?

    (Franke [CDU/CSU]: Ich habe das Wort „Flickschusterei" nicht erfunden, das haben Sie erfunden!)

    — Herr Kollege Franke, ich schätze Ihren hohen Sachverstand in sozialpolitischen Fragen. Wir sind beinahe gleich lange mit diesen Fragen in diesem Bundestag beschäftigt. Ich wundere mich nur immer, wie Sie von hier aus plötzlich zu einem polemischen Strauß-Schüler werden können,

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    während Sie sonst in Sachdebatten, Podiumsdiskussionen die Probleme sehr klar und offen ansprechen, weil Sie genauso wissen, daß wir gemeinsame Lösungen brauchen, um die soziale Sicherheit von morgen zu stabilisieren und in den Grenzen zu halten, innerhalb derer sie von den wirtschaftlichen Möglichkeiten her finanziert werden kann.
    Sie haben sicher auch recht — ich will das nicht noch vertiefen —, wenn Sie sagen, vieles sei hausgemacht. Aber das haben wir doch gemeinsam gemacht.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU — Frau Hürland [CDU/CSU]: Auf einmal gemeinsam?)

    — Das habe ich nie bestritten. Alle Sozialgesetze, die sich heute natürlich sehr kostenträchtig auswirken, sind in den Jahren mit hohen Zuwachsraten in diesem Deutschen Bundestag zur Freude aller vereinbart worden, weil es notwendig war, die Renten anzupassen, weil es notwendig war, da und dort bessere Leistungen zu beschließen. Damals brauchten wir auch keine Drucksache, auf der unten stand: „Kosten", weil wir immer wußten, daß die Einnahmen im nächsten Jahr wahrscheinlich größer sein würden als die Vorausschätzungen. Dies ist aber etwas länger her, und wir wissen seit längerem, daß sich das ändert. Insoweit gilt: Wenn etwas hausgemacht ist, dann haben wir es alle gemacht, und wir müssen erkennen, daß das nicht mehr so weitergeht, wenn wir dem echten Ziel, nämlich der sozialen Sicherheit in wohlverstandenem Maß, dienen wollen.
    Ein Wort zur Zukunftssicherung der Renten. Ein Schritt in diese Richtung — und ich mache kein Geheimnis daraus, daß dies für uns Freie Demokraten seit langem ein Wunsch war — ist die Einführung eines echten Krankenversicherungsbeitrages der Rentner, der am 1. Januar mit 1 % beginnt. Ich finde es auch richtig — weil Sie das angesprochen haben —, daß wir mit der Beitragsleistung der Rentner an die Krankenversicherung aus zusätzlichen Alterseinkommen bereits im Vorjahr eine Korrektur einer Entscheidung der Großen Koalition vorgenommen haben, die ebenfalls am 1. Januar 1983 materiell wirksam wird. Es war doch unwürdig, daß Rentenbezieher mit kleinen Renten und hoher anderer Altersversorgung zu Lasten der Beitragszahler der Krankenversicherung voll krankenversicherungsfrei waren und sich dort erst als Rentenbezieher ansiedelten. Dies mußten wir ändern, und das sollte man auch aus der Sicht der Opposition als eine richtige Entscheidung ansehen und nicht mit in ein polemisches Paket packen.
    Ich stimme Ihnen zu, und ich glaube, wir alle tun das, die wir insbesondere mit Sozialpolitik zu tun haben, und das sind j a die meisten Anwesenden hier — leider Gottes ist der Freitagmittag kein besonders günstiger Termin für ein solches Thema — —

    (Löffler [SPD]: Wir könnten natürlich auch in den Ausschußsaal gehen!)

    — Das könnten wir auch, Herr Löffler, da haben Sie völlig recht. Man muß aber leider Gottes auf solche Dinge antworten, wenn sie hier so polemisch in den Raum gestellt werden.



    Schmidt (Kempten)

    Ich stimme Ihnen zu, daß es auf Dauer nicht geht, daß die Bundeszuschüsse immer wieder einmal verschoben oder, wie noch einmal geschehen, gekürzt werden. Ich stimme Ihnen da zu. Wir alle haben uns dazu schon des öfteren geäußert. Ich kann nur wieder sagen, wir müssen uns dieser Frage des Bundeszuschusses so bald als möglich — sicher nicht im Rahmen dieser Beratungen — zuwenden und ihn konkret auf einen Erstattungssatz festlegen, der tatsächlich die Fremdleistungen abdeckt. Da stimmen die 33 % nicht — Sie haben das mit Recht gesagt —, da stimmen vielleicht die 16 % nicht.

    (Kolb [CDU/CSU]: Aber dazwischen liegt es!)

    Das ist dann aber ein Bundeszuschuß, der diese Rentenversicherung wieder ordnungspolitisch abgrenzt und in Zukunft verhindert, daß der Haushalt ab und zu einmal davon partizipieren kann, was sicher für die zukünftige mittel- und langfristige Finanzierung der Rentenversicherung keine gute Sache ist. Deshalb gehe ich auch davon aus — und ich weiß das auch —, daß diese 1,3 Milliarden, die 1983 noch einmal durch Kürzung im Haushalt bleiben, der letzte Schritt einer solchen Regelung sind. Dies sehe ich als eine letzte Entscheidung in dieser Richtung seitens der sozialliberalen Koalition an.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wollten es doch schon beim letztenmal nicht machen!)

    Lassen Sie mich abschließend, weil ich nur noch drei Minuten habe, noch zwei allgemeinere Gedanken ansprechen. Es wird immer sehr viel kritisiert, wenn es um das Thema der Ausgewogenheit der Vorschläge geht. Ich glaube, es ist noch nie darüber nachgedacht worden — und das möchte ich einmal all denen ins Stammbuch schreiben, die in Verbänden, die Institutionen oder wo auch immer diese Vorschläge kritisieren —, daß von diesen Maßnahmen — sei es von denen in diesem Gesetz, sei es von denen in dem nachher noch zu beratenden Gesetz —90 % unserer Bevölkerung betroffen werden und nicht, wie Sie vorhin gesagt haben, nur „der kleine Mann". Denn 90 % sind in unseren Sozialversicherungen entweder freiwillig oder pflichtmäßig versichert.

    (Kolb [CDU/CSU]: Mehr pflichtmäßig! — Franke [CDU/CSU]: Das ist der kleine Mann!)

    — Freiwillig oder pflichtmäßig versichert! Man muß diese Ausgewogenheit insoweit ein bißchen untersuchen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist vielleicht eine Argumentation!)

    Es wird also nicht, wie es mit Schlagworten so gern gesagt wird, eine kleine Gruppe von armen, kranken und schwachen Arbeitnehmern betroffen, sondern es sind tatsächlich 90 % der Bevölkerung, die diese 8 Milliarden, die da genannt werden, aufbringen. Dazu gehört auch der Generaldirektor, der heute krankenversichert und rentenversichert ist, genauso allerdings auch der Arbeitnehmer am Fließband. Dazu gehören sie alle, auch der leitende Angestellte, der in Zukunft nur noch eine geringere Anrechnung seiner
    Ausbildungszeiten hat. Es gehört die ganze Vielfalt dazu, und es wird nicht — das einmal bei Ihrer Kritik zu sehen, möchte ich doch auch und gerade die Gewerkschaften bitten — nur auf den kleinen Mann abgewälzt. Es ist viel ausgewogener! Es gehört auch die Anhebung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung hinzu, die zwar zur Hälfte vom Arbeitnehmer, aber zur anderen Hälfte wieder vom Arbeitgeber getragen wird. Das alles bitte ich mit zu sehen, wenn man über Ausgewogenheit redet. Man sollte das nicht immer bloß an den Kleinen und den Armen aufhängen und damit wieder polemisieren.
    Ich bin davon überzeugt, daß diese 90 % draußen in der Bevölkerung viel Verständnis dafür haben, daß jetzt einmal — statt immer wieder nur Verunsicherung — klare Maßnahmen kommen müssen, und daß sie auch Verständnis dafür haben, daß wir diese Gesetzentwürfe nach den Beratungen im Bundestag sachgerecht zu Ende bringen, damit den Haushalt 1983 stabilisieren und auch — —

    (Kolb [CDU/CSU]: Doch nicht den Haushalt!)

    — Natürlich auch den Haushalt! Das sind doch flankierende Gesetze. Wir hätten sie besser nächste Woche im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung behandelt. Reden wir doch nicht so darum herum; natürlich sind es flankierende Gesetze zum Haushalt 1983.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aber im Haushalt fehlen 10 Milliarden!)

    — Wir sprechen jetzt von dem vorliegenden Haushalt, der nächste Woche hier besprochen wird.

    (Franke [CDU/CSU]: Und wir von der Wirklichkeit!)

    — Über die anderen Fragen, Herr Kollege, werden wir uns sicher im Oktober und im November, wenn die neuen Zahlen vorliegen, noch einmal verständigen, und ich bin sicher — das möchte ich zum Schluß doch einigen sagen, die da vielleicht schon wieder Honig saugen —, daß sich die sozialliberale Koalition, die sozialliberale Bundesregierung,

    (Franke [CDU/CSU]: Sei vorsichtig! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nicht auf ewig halten wird!)

    so wie sie sich auf diese Vorlagen verständigt hat, auch über die notwendigen Nachbesserungen für 1983 im November verständigen wird. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Trau schau wem!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, für die Debatte zu den Tagesordnungspunkten 22 und 23 liegen mir seitens der Fraktionen keine Wortmeldungen mehr vor. Im Zuge der Rationalisierung unserer Debatte wäre es zweckmäßig, wenn wir jetzt nicht über die Vorlagen unter den Punkten 22 und 23 abstimmten, sondern Tagesordnungspunkt 21 aufriefen und wenn danach über die Punkte 21, 22 und 23 abgestimmt würde. Dann hät-



Vizepräsident Dr. h. c. Leber
ten wir es nur mit einer Rede des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zu tun.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU — Franke [CDU/CSU]: Akzeptiert!)

Ist das Plenum damit einverstanden?

(Franke [CDU/CSU]: Jawohl!)

— Dann stelle ich die Abstimmung zu den soeben behandelten Tagesordnungspunkten zurück und rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (SVÄG 1982)

— Drucksache 9/1958 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend)

Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort zur Begründung wird gewünscht. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Hölscher das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Hölscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Initiativentwurf eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften, den ich hiermit im Namen der Koalitionsfraktionen SPD und FDP einbringe, ist inhaltsgleich mit dem von der Bundesregierung kürzlich über den Bundesrat vorgelegten Entwurf. Diese parallele Einbringung aus der Mitte des Bundestages ermöglicht es uns, bereits heute die erste Lesung durchzuführen und unmittelbar danach mit den Beratungen in den Ausschüssen zu beginnen.
    Aber dabei darf nicht übersehen werden: Dieser Gesetzentwurf steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beschlüssen der Koalition zum Haushalt 1983. Manchem Sozialpolitiker — das weiß ich — wäre es lieber gewesen, wenn wir diese Debatte deshalb in der nächsten Woche im Zusammenhang mit dem Gesamthaushalt hätten führen können. Denn mit dem Haushalt 1983 werden wir die bereits mit dem Haushalt 1982 begonnenen Konsolidierungsmaßnahmen fortsetzen. Unser gemeinsames Ziel ist es, durch die Begrenzung der Nettokreditaufnahme Rahmenbedingungen zu schaffen, die vor allem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen. Denn je mehr der Staat sich verschuldet, je mehr die ohnehin hohe Last der Bürger durch Steuern und Abgaben erhöht wird, um so schwieriger wird es sein, die notwendige Investitionsbereitschaft für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu erhalten.
    Ziel der „Operation '83" ist daher wiederum, eine Umschichtung von den konsumtiven zu den investiven Ausgaben zu erreichen und überall dort zu sparen, wo es ökonomisch sinnvoll und sozial vertretbar ist.
    Zur Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit von den bedrohlich angewachsenen Ausgaben für Arbeitslose sollen daher die Beiträge an die Krankenkassen von 100 auf 70 % des letzten Bruttoentgelts gesenkt werden.
    Selbstverständlich wäre es uns lieber gewesen, wenn wir es bei der bisherigen Bemessungsgrundlage für die Zahlungen der Bundesanstalt an die Krankenversicherung der Arbeitslosen hätten belassen können. Aber an den Realitäten konnten wir nicht vorbeisehen. Die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen machen eine Orientierung der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen notwendig. Im Hinblick darauf, daß das tatsächliche Einkommen, das auch sonst Grundlage der Beitragsbemessung ist, bei den Arbeitslosen 68 % des letzten Nettoeinkommens beträgt, stellt die in diesem Gesetzentwurf und im vorher beratenen Gesetzentwurf vorgesehene Bemessungsgrundlage von 70 % einen vertretbaren Kompromiß dar, der jedenfalls nicht so weit geht — ich erwähne auch das noch einmal, Herr Kollege Franke — wie der 1981 über den Bundesrat eingebrachte Vorschlag Ihrer Parteifreunde, bei der Senkung sogar auf 68 % des Nettoentgelts zu gehen. Aber, wenn Sie so wollen: Wir waren offen für Ihre Vorschläge und haben den Vorschlag der Opposition aus dem vorigen Jahr übernommen. Um so weniger verstehe ich, daß gerade dies dort hin und wieder kritisiert wird.

    (Franke [CDU/CSU]: Herr Hölscher, Sie wissen, weshalb wir 68 genommen haben!)

    — Ja, ja.
    Die nunmehr vorgesehene Senkung der Beiträge auf 70 % des Bruttoentgelts würde aber bei den gesetzlichen Krankenversicherungen natürlich ein Defizit von ca. 1,3 Milliarden DM im Jahr 1983 entstehen lassen. Dies mußten, dies wollten wir selbstverständlich vermeiden.
    Deshalb sieht der Gesetzentwurf Maßnahmen vor, die es den Krankenkassen ermöglichen, Beitragserhöhungen zu vermeiden. Wir garantieren also — und dies auch im Interesse der versicherten Arbeitnehmer — trotz der Einnahmeausfälle die dringend notwendige Beitragssatzstabilität.
    Der Entwurf schlägt im Rahmen dieser Konzeption vier Maßnahmen zur Entlastung der Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vor: die Anhebung der Arzneimittelgebühr auf zwei DM; die Eigenbeteiligung mit fünf DM in den ersten sieben Tagen, also insgesamt 35 DM bei einem Krankenhausaufenthalt; die Eigenbeteiligung mit 10 DM täglich während einer vollbezahlten Kur, und bei geringfügigen Gesundheitsstörungen die Herausnahme bestimmter Bagatellarzneimittel aus der Kassenleistung.
    Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß unzumutbare Belastungen von Versicherten vermieden werden sollen. Denn dafür sind — was, wie ich erlebt habe, in der öffentlichen Diskussion oft übersehen wird — entsprechende Härteregelungen vorgesehen, die von der Selbstverwaltung noch im einzelnen zu konkretisieren sind. Der Gesamtbetrag der zu erwartenden Belastungen entspricht den Einnahmeausfällen, die durch die Absenkung der Beitragsbe-



    Hölscher
    messungsgrundlage für Arbeitslose auf 70 % des letzten Bruttoentgelts entstehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Wunschdenken!)

    Meine Damen und Herren, außer den Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung war eine Regelung erforderlich, durch die eine gleichmäßige Verteilung der Mindereinnahmen, die den Krankenkassen durch die Kürzung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslose entstehen, auf alle Kassen erreicht wird. Es steht fest, daß der Anteil der arbeitslosen Mitglieder bei den einzelnen Krankenkassen und Kassenarten unterschiedlich hoch ist — z. B. die AOKs haben einen höheren Anteil an Arbeitslosen als Ersatzkassen —, wohingegen die vorgesehenen Maßnahmen zum Ausbau der Eigenbeteiligung in der Krankenversicherung die Krankenkassen gleichmäßig entlasten. Damit aber nun keine Kassenart wegen des besonderen Strukturproblems Arbeitslosigkeit — es ist ja ein Strukturproblem — benachteiligt oder bevorzugt wird, mußte ein Belastungsausgleich vorgesehen werden.
    Im Rahmen eines Kompromisses zwischen den Koalitionsfraktionen haben wir uns auf einen zweistufigen Ausgleich geeinigt. Dieser Kompromiß sieht vor, daß in der ersten Stufe die Beitragsausfälle kassenartintern gleichmäßig verteilt werden und daß erst in der zweiten Stufe Belastungsspitzen unter den verschiedenen Kassenarten ausgeglichen werden. Nach diesem Verfahren kommen also übergreifende Ausgleichszahlungen nur dann in Betracht, wenn ein interner Ausgleich durchgeführt worden ist und dieser allein nicht ausreicht, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Das Beitragssatzgefüge — darauf kommt es an — zwischen den Kassenarten wird nicht verändert. Diese Wettbewerbsneutralität verhindert Beitragserhöhungen bei den Kassen, derzeit also bei den Ortskrankenkassen.
    Nach der im Entwurf vorgesehenen Regelung können die erforderlichen Verrechnungen unmittelbar über die Bundesanstalt für Arbeit abgewickelt werden. Wir wollten damit neue Verwaltungsorganisationen vermeiden; sie brauchen nicht aufgebaut zu werden. Die Einzelheiten des Verfahrens sollen die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der Bundesanstalt für Arbeit vereinbaren; es handelt sich also — das liegt uns sehr am Herzen — um eine Art Selbstverwaltungsregelung.
    Nach dem derzeitigen Stand würde nach Durchführung dieses Ausgleichsverfahrens im Ergebnis jede Krankenkasse mit rund 0,2 Beitragssatzpunkten durch die Mindereinnahmen belastet. Dem stehen auf der Ausgabenseite die durch die vorgesehenen Maßnahmen bewirkten Einsparungen gegenüber; aus heutiger Sicht wird jede Kasse um rund 0,24 Beitragssatzpunkte entlastet. Beitragserhöhungen sind demnach also nicht zu erwarten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach der Erläuterung des Gesetzentwurfs für die Koalitionsfraktionen SPD und FDP möchte ich den Gesetzentwurf aber auch aus der Sicht meiner Fraktion bewerten. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen
    Regelungen bezüglich einer Eigenbeteiligung an den Leistungen der Krankenversicherung sind für uns Liberale mehr als nur eine fiskalische Operation im Rahmen des Haushalts 1983.

    (Zustimmung bei der FDP) Sie stellen sehr wohl eine Wende dar,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Noch eine „Wende"!)

    und zwar hin zu mehr Eigenverantwortung und Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung.

    (Zustimmung bei der FDP)

    Wenn unser Sozialsystem seine fundamentale Aufgabe der Existenzsicherung auch in Zukunft erfüllen soll — das setzt ja seine Finanzierbarkeit voraus —, dann muß es in seiner Struktur den neuen Herausforderungen angepaßt werden. Dies gilt nicht nur für die Krankenversicherung, dies gilt für alle Formen der sozialen Vorsorge.
    Der Vorsitzende der FDP, Hans-Dietrich Genscher, hat gestern von diesem Platz von der Herausforderung gesprochen, die da lautet: Wie können wir angesichts geringer Wachstumsraten auch in Zukunft Freiheit und sozialen Frieden sicherstellen? Die veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben eben vor allem unser Sozialsystem einer großen Belastungsprobe ausgesetzt. Ich denke auch, wenn wir unser Sozialsystem auf Dauer wetterfest machen wollen, dann müssen wir mit Reformen am System selbst beginnen. Dabei kann — damit es da gar kein Mißverständnis gibt — nicht Abbau, sondern nur Umbau die Devise sein. Wir müssen dabei aber auch zur Kenntnis nehmen, daß die Belastungsgrenze erreicht und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Systems — insbesondere auch der Krankenversicherung — langsam überfordert wird. Wir sind längst an einer Grenze angelangt, wo Finanzierbarkeit und Leistungsfähigkeit noch sichergestellt werden können. Aus dieser Erkenntnis heraus müssen wir uns einmal auf Solidarität zwischen Versicherten, aber auch auf Eigenverantwortung und Selbsthilfe besinnen.
    Ich weiß, die Eigenbeteiligung von 5 DM pro Tag bei Krankenhausaufenthalt und von 10 DM pro Tag bei vollbezahlten Kuren wird scharf kritisiert. Aber — ich wende mich da insbesondere den Kollegen von der SPD zu — hat denn nicht die Solidargemeinschaft der Versicherten, die doch neben den Arbeitgebern all diese Leistungen bezahlen muß, ein Recht darauf, sein Mitglied zu bitten, doch wenigstens einen kleinen Teil der häuslichen Ersparnis bei Krankenhausaufenthalt und Kuren selber zu zahlen? Ist es wirklich Aufgabe der Solidargemeinschaft Krankenversicherung, etwa bei einer Kur auch noch die letzte Mark für Essen und Trinken zu finanzieren? Ich glaube, das wäre ein falsch verstandener Begriff von Solidarität im Rahmen einer Krankenversicherung, wobei j a sichergestellt ist, daß es eine ungeschmälerte, hundertprozentige Leistung für all das gibt, was für die Gesundheit notwendig ist: Arzt, Unterbringung und vieles andere mehr.

    (Zurufe von der SPD)




    Hölscher
    Kann es weiterhin Aufgabe der Versichertengemeinschaft sein, Abführmittel oder Kopfschmerztabletten zum Nulltarif zu liefern, obwohl gar keine ernsthafte gesundheitliche Gefährdung vorliegt?
    Die Eigenbeteiligung bei der Krankenversicherung war für uns eigentlich immer auch deshalb eine entscheidende Frage, weil wir damit ein politisches Signal setzen wollten, das von einer — zugegeben — entstandenen Anspruchsgesellschaft wegführt und aus der Krankenversicherung wieder eine Gemeinschaft macht, in der nicht nur Solidarität, sondern auch Eigenverantwortung und Subsidiarität wieder eine wichtige Rolle spielen. Ich komme darauf noch.
    Ein Blick in die Geschichte ist da sehr lehrreich. Was ich jetzt sage, habe ich vom DGB gelernt. Er hat nämlich eine sehr interessante Dokumentation über das Entstehen unseres Sozialsystems herausgebracht. Was darin steht, war mir neu. Für mich war deutsche Sozialgesetzgebung bzw. deutsches soziales Sicherungssystem nämlich immer nur mit dem Namen Bismarck verbunden. Aber jetzt habe ich viel gelernt; denn nach der Dokumentation sind die ersten sozialen Sicherungssysteme schon Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: In Selbsthilfe!)

    Bürger schlossen sich zu kleinen dezentralen, selbstverantwortlichen Selbsthilfeorganisationen zusammen.
    Deshalb frage ich mich, ob es eigentlich richtig war, daß wir 100 Jahre Bismarcksche Sozialgesetzgebung so gefeiert haben, mit der j a auch der Grundstein für ein Sozialsystem gelegt wurde, das heute schon die Züge — ich will es nicht verallgemeinert verstanden wissen — eines Gießkannensystems staatlicher Prägung von Zwangsversicherten hat, womit auch die Gefahr besteht, daß es verkümmert.

    (Kolb [CDU/CSU]: Bis zum Selbstbedienungsladen!)

    Das Gefühl, zu wissen, was dieses System ist, schwindet völlig. Es sollte nämlich eigentlich eine Solidargemeinschaft sein, bei der der einzelne ganz selbstverständlich das Recht hat, Leistungen zu beziehen, da er es ja auch mitfinanziert, aber auch selber mitverantwortet.
    Da ist mir das Jahr 1848 schon lieber als die Geburtsstunde des deutschen Sozialsystems. Jedenfalls scheint mir nach dem, was ich gelesen habe, der Arbeiterverbrüderungsverein in Berlin-Kreuzberg aus jenem Jahr — das war die erste von Arbeitern gegründete deutsche Krankenversicherung — demokratischer, solidarischer, motivierter und auch relativ wirtschaftlicher gewesen zu sein als manche heutige RVO-Kasse.
    Im übrigen sehe ich mich hier als Liberaler in einer guten Tradition. Denn auch die Liberalen gingen im letzten Jahrhundert vom Genossenschaftsgedanken aus, für den eben auch Selbstverantwortung, Solidarität und Selbstbeteiligung die tragenden Säulen waren.
    Formal findet sich dieses Prinzip auch heute noch in unserer Sozialversicherung. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir eben eingestehen, daß die tragenden Säulen der sozialen Sicherung, auch der Krankenversicherung, kaum noch im Bewußtsein der Menschen von Solidarität getragene Selbsthilfeorganisationen sind, bei denen jeder nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten seinen Beitrag leistet, damit er und die anderen in der Gemeinschaft Schutz finden vor Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter.

    (Beifall bei der FDP)

    So verstanden, meine Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf auch eine Aufforderung, gerade in einer Zeit der leeren Kassen alle Möglichkeiten zu nutzen, wieder zu den Werten von Selbstverantwortung, Selbsthilfe und Solidarität zurückzufinden.

    (Beifall bei der FDP)

    Natürlich sehe ich die Gefahr, daß solche Gedanken von Neokonservativen mißbraucht werden. Sie ist sogar sehr groß. Deshalb möchte ich hier einmal klipp und klar feststellen, damit es da keine Mißverständnisse gibt: Der einzelne ist ohne den Schutz der Gemeinschaft machtlos und nicht in der Lage, sich zu behaupten gegen die mannigfaltigen Wechselfälle des Lebens. Niemand, der in Not gerät — das halte ich für selbstverständlich, aber ich möchte es hier sagen —, darf allein gelassen werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Niemandem darf bei einer Krankheit die optimale medizinische Versorgung verweigert werden.
    Ich gebe offen zu, daß es auch meiner Partei bisher noch nicht gelungen ist — genausowenig wie den anderen Parteien —, die schlüssigen Konzepte für den notwendigen Umbau unseres Sozialsystems zu entwickeln. Wir waren zu sehr von der Hektik der Arbeiten am Zustandekommen eines soliden Haushalts 1981 und 1982 in Anspruch genommen. Erkennen wir daher bitte — diese Bitte richtet sich an die SPD, natürlich auch an die CDU — in dem vorliegenden Gesetzentwurf auch die Chance für einen Einstieg, einen kleinen Einstieg in eine Reform unserer Krankenversicherung!

    (Beifall bei der FDP)

    Über alles andere — und da ist noch sehr viel zu tun — müssen wir miteinander reden. Denn es gilt, die Solidarität zwischen Beitragzahlern und Leistungsempfängern durch eine stärkere individuelle Verantwortung der Versicherten — derjenigen Versicherten, denen es zumutbar ist, will ich gleich sagen —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist das?)

    zu festigen, gerade weil wir die Sicherung gegen soziale Risiken auf solidarischer Grundlage schon zu unseren Traditionen rechnen.
    Eine Sozialpolitik jedenfalls, die den einzelnen aus der Verantwortung entläßt — damit meine ich nicht nur die Versicherten im Bereich der Krankenversicherung, sondern auch die Ärzte —, endet in einer anonymeren, noch bürokratischeren, noch weni-



    Hölscher
    ger finanzierbaren staatlichen Fürsorgeeinrichtung, die letztlich weder leistungsfähig noch human sein kann.

    (Beifall bei der FDP)

    Zum Schluß eine ganz andere Feststellung, die der Kollege Schmidt schon getroffen hat, die ich aber so wichtig finde, daß ich sie mit meinen Worten wiederholen möchte: Mit der gemeinsamen Vorlage dieses Gesetzentwurfs wurde noch etwas ganz anderes erreicht, was gerade in dieser Woche festzustellen besonders wichtig ist. Wir haben nämlich hier den Beweis erbracht, daß diese Koalition sehr wohl handlungsfähig ist. Wir haben uns geeinigt auf einem Feld, auf dem — und das weiß jeder — die Grundvorstellungen von SPD und FDP zunächst weit auseinander lagen. Es war wirklich nicht einfach, aber ich denke, wir haben ganz gute Arbeit geleistet. Deshalb verstehe ich als FDP-Mitglied auch gar nicht,

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Das sind die Sozialausschüsse der Koalition, nicht?)

    warum so viel vom Ende der Gemeinsamkeiten zwischen SPD und FDP geredet wird.

    (Franke [CDU/CSU]: „Reisende soll man nicht aufhalten", sagt Schmidt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich frage mich: Wo sind eigentlich die so oft zitierten neuen Mehrheiten für die Bewältigung unserer strukturellen Probleme?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Löffler [SPD]: Eine sehr berechtigte Frage! — Frau Hürland [CDU/CSU]: Wo ist denn die „Wende"?)

    Vermutet werden sie doch von vielen, auch in meiner eigenen Fraktion, gerade in der Sozialpolitik. Aber wie sieht es denn tatsächlich aus?
    Wir haben es heute — obwohl es nicht ganz so schlimm war wie sonst, Herr Kollege Franke — wieder erlebt: Die Einsicht in die Notwendigkeit, das Sozialsystem den neuen Rahmenbedingungen anzupassen, kommt nicht, wie viele erwartet hatten, von der CDU/CSU, sondern von den Herren Glombig und Glotz — von uns einmal abgesehen; für uns ist das seit einiger Zeit in der Diskussion. Uneinsichtigkeit und Konzeptionslosigkeit finden wir dafür bei der CDU/CSU. Konzeptionslosigkeit hat jedenfalls heute Ihren Beitrag, Herr Kollege Franke, auch wenn er sachlicher als sonst war, bestimmt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir finden diese Uneinsichtigkeit und Konzeptionslosigkeit bei Männern mit Namen, bei Herrn Geißler, welcher der SPD noch im Februar dieses Jahres hier vorgeworfen hat, sie habe sich von uns das soziale Gewissen abnehmen lassen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir finden sie auch bei Herrn Kohl und bei vielen Ihrer Kollegen auf DGB-Konferenzen, an denen Sie zur Zeit alle teilnehmen, da Sie sich den Gewerkschaften anbiedern und so tun, als wenn sich, wenn
    Sie an die Macht kämen, überhaupt nichts ändern würde.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Jeder, der sich angesprochen fühlt, soll das hören. Deshalb — ich wende mich jetzt an die Koalitionsfraktionen — sind für mich nach diesen Erfahrungen die neuen Mehrheiten zur Bewältigung der Probleme die alten Mehrheiten. Deshalb, liebe Kollegen von der SPD: Wir haben noch viel zu tun — packen wir's gemeinsam an!

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Jetzt geben alle eine persönliche Erklärung ab!)