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ID0911200200

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    Plenarprotokoll 9/112 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 112. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 6837 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Einkommensteueränderungsgesetz 1983) — Drucksache 9/1956 — Poß SPD 6837 B Dr. Kreile CDU/CSU 6839 D Frau Matthäus-Maier FDP 6844 B Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 6848 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und von anderen Vorschriften (Sechstes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 9/1957 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1983 — Drucksache 9/1730 — Glombig SPD 6851 B Franke CDU/CSU 6855 D Heyenn SPD 6861 B Schmidt (Kempten) FDP 6863 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (SVÄG 1982) — Drucksache 9/1958 — Hölscher FDP 6867 A Franke CDU/CSU 6870 C Urbaniak SPD 6873 B Westphal, Bundesminister BMA . . . 6875C Nächste Sitzung 6879 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6880*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 6837 112. Sitzung Bonn, den 10. September 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    6880 * Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 10.9. Dr. Ahrens ** 10.9. Bamberg 10.9. Bohl 10.9. Dr. Bardens ** 10.9. Büchner (Speyer) ** 10.9. Dr. Dregger 10.9. Eickmeyer ** 10.9. Eigen 10.9. Dr. Faltlhauser 10.9. Feinendegen 10.9. Fellner 10.9. Frau Fromm 10.9. Funke 10.9. Frau Geier 10.9. Hauck 10.9. Herterich 10.9. Hoppe 10.9. Frau Luuk 10.9. Dr. Müller ** 10.9. Müller (Bayreuth) 10.9. Müller (Wadern) 10.9. Neumann (Bramsche) 10.9. Pensky ** 10.9. Rappe (Hildesheim) 10.9. Rösch 10.9. Dr. Schachtschabel 10.9. Schäfer (Mainz) 10.9. Schmidt (Wattenscheid) 10.9. Schulte (Unna) ** 10.9. Dr. Freiherr Spies v. Büllesheim ** 10.9. Stöckl 10.9. Dr. Unland ** 10.9. Dr. Vohrer ** 10.9. Dr. Warnke 10.9. Frau Dr. Wex 10.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben in diesen Tagen — die gestrige Debatte hat es teilweise gezeigt, und die Zeitungen bringen es jeden Tag — vielleicht den vorläufigen Höhepunkt einer ideologisch und parteipolitisch motivierten Kampagne, die auch von Teilen der Wirtschaft geführt wird und meines Erachtens Selbstlähmungserscheinungen hervorruft. Da wird Kurswechsel gefordert, wo man Regierungswechsel meint, und es bleibt unklar, was man denn konkret will. Andere fordern eine widerspruchsfreie Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sollte damit die Überbetonung der Angebotsseite und die kompromißlose Durchsetzung einseitiger Interessen angesprochen sein, dann müssen die Sozialdemokraten warnend auf negative Beispiele verweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir müssen in diesen Tagen eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Lebenslüge registrieren, die
    Lebenslüge nämlich, die sich im Zuge der von mir genannten Kampagne auswächst und den Menschen einreden will, man könne die Wirtschaft auf Kosten des Sozialstaats retten. Das ist eine groteske Verzerrung der Wirklichkeit,

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Wo wohnen Sie denn?)

    die in einigen Chefetagen schon zu einem Quasi-Investitionsstreik geführt hat. Herr Jenninger, Sie stricken ja an dieser Legende fleißig mit.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Jenninger [CDU/ CSU]: Wo wohnen Sie denn?)

    Hier liegen neben den bekannten objektiven Faktoren wie z. B. der Zinshöhe die Investitionshemmnisse.
    Es möge sich niemand täuschen: Eine gesellschaftspolitische Roll-back-Bewegung ist jedenfalls kein Garant für eine wirtschaftliche Belebung.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Im Zentrum aller Bemühungen der SPD-Fraktion steht daher eine aktive Beschäftigungspolitik, flankiert von einer soliden Haushalts- und Finanzpolitik. Die Weichen einer solchen Politik sind mit der Gemeinschaftsinitiative richtig gestellt, die Voraussetzungen z. B. durch die ausgeglichene Leistungsbilanz verbessert worden. Im Zusammenhang mit den getroffenen und den geplanten Sparmaßnahmen entzündet sich die Diskussion in der Bevölkerung und in der Öffentlichkeit zu Recht immer mehr an der Frage der sozialen Ausgewogenheit. Nun existieren ja sehr unterschiedliche Auffassungen über das, was man als sozial ausgewogen ansieht. Ich denke hier z. B. an den Brief des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß an seine Ministerpräsidentenkollegen von der CDU.
    Es stellt sich die Frage nach der politischen Moral, die hinter den diskutierten Haushaltsvorschlägen steht. Zur Moral gehört — der Bundeskanzler hat es gestern sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht —, daß man die Bezieher hoher und höchster Einkommen bei den Sparbemühungen nicht ausklammert. In unzähligen Gesprächen im Wahlkreis klingt diese Forderung durch. Kürzlich sagte mir ein Finanzamtsvorsteher, daß er auf Grund täglicher Er-



    Poß
    fahrungen den Unmut der Durchschnittsverdiener über die Steuervorteile der Bezieher hoher Einkommen verspüre; er befürchte nachhaltigen Schaden für die Steuertreue vieler Menschen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Auch hier liegen die Ansatzpunkte für den weitverbreiteten und nicht nur in der jungen Generation vorzufindenden Verdruß über staatliches Handeln und gesellschaftliche Mißstände. Hier Abhilfe zu schaffen, wäre ein hervorragendes Arbeitsfeld für alle Parteien; auch für die CDU/CSU, von der man dazu nichts hört.
    Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben mit dem Entwurf des Einkommensteueränderungsgesetzes 1983 den richtigen Weg eingeschlagen. Leider steht zu befürchten, daß dieser Entwurf an der CDU/CSU-Mehrheit scheitern wird. Dieser Entwurf soll das, was es an Einschnitten in den nächsten Jahren zwangsläufig geben wird, steuerpolitisch und sozial gerecht flankieren. Deshalb werden wir allen Menschen deutlich und verständlich sagen, um was es bei diesem Steueränderungsgesetz geht.
    Die meistdiskutierte Frage ist die geplante Kappung des Ehegattensplittings — nach Franz Josef Strauß ein Schlag gegen das Wesen der Ehe.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Wenn der Splittingvorteil in der Proportionalzone bei 926 DM, im obersten Progressionsbereich aber bei nahezu 15 000 DM liegt, der Spitzeneinkommensbezieher also einen etwa 15fachen Vorteil hat, so ist die geplante Kappung an der Obergrenze von 10 000 DM ohne Zweifel gerechtfertigt und einleuchtend.
    Ich habe vorhin über Moral gesprochen. Ich muß fragen, was das für eine Moral ist, die einerseits lautstark von der sozialen Hängematte redet, andererseits jedoch eine Steuerersparnis von knapp 5 000 Mark bei einem zu versteuernden Einkommen von rund 250 000 Mark und mehr für unantastbar erklärt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist christlich-soziale Heuchelei bester Schule.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nun ist es aber genug!)

    Oder: Wo liegt die Moral, wenn mit Hinweisen auf Umgehungsmöglichkeiten der Nutzen einer solchen steuerlichen Maßnahme angezweifelt wird, wie wir es von Ihnen hören?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sozialistische Gleichmacherei!)

    Umgehungsmöglichkeiten, meine Damen und Herren, gibt es bei fast jeder Bestimmung, wir wissen das. Schlimm finde ich nur, wenn Politiker und Zeitung zur Umgehung auffordern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Das ist, glaube ich, das sehr Bedauerliche.


    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Staatssekretär Huonker hat kürzlich in einem Beispiel auf eine Anfrage Ihrer Kollegin Hürland hin nachgewiesen, daß einem Angestellten mit sieben Kindern bei einem Jahresbruttolohn von 120 000 DM und einem zu versteuernden Einkommen von rund 87 000 DM eine Steuermehrbelastung von nur 109 DM im Jahr verbleibt. Ich glaube, das läßt sich doch auch unter familienpolitischen Gesichtspunkten verkraften und zumuten.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Jedenfalls gibt es keine stimmigen Argumente dagegen, außer dem sehr technokratischen, auf Umgehung angelegten Argument.
    Der vorgesehene Ausschluß des Ausgleichs bestimmter ausländischer Verluste nach dem neuen § 2 a — dies betrifft insbesondere Verluste aus Vermietung und Verpachtung von ausländischem Grundbesitz und aus Land- und Forstwirtschaft sowie Verluste aus ausländischer gewerblicher Tätigkeit, die nicht produktiv im Sinne des § 5 des Auslandsinvestitionsgesetzes sind, ist eine längst fällige Maßnahme, um speziellen Verlustzuweisungsmodellen die Attraktivität zu nehmen. Dieser Vorschlag dient der Beseitigung des Ärgernisses, daß vor allem Großverdiener durch ausländische Steueroasen Steuern sparen. Sie kennen j a das Stichwort „Indianerland" und anderes mehr.
    Darüber hinaus macht auch der Prüfungsauftrag an den Bundesfinanzminister Sinn, der bis Ende des Jahres feststellen soll, wie denn ungerechtfertigte Steuervorteile aus Verlustzuweisungsgesellschaften, Bauherrengemeinschaften und ähnlichem durch § 15a ausgeschlossen bzw. begrenzt werden können. Dabei können wir auf die eindrucksvolle Fallsammlung des nordrhein-westfälischen Finanzministers Posser zurückgreifen. Ich empfehle auch Ihnen, sich diese Fallsammlung sehr nachdrücklich zu Gemüte zu führen, meine Damen und Herren von der Opposition.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist nämlich ein Stück sozialer Wirklichkeit, die da abgebildet wird und die man verändern muß.

    (Beifall bei der SPD)

    Durch die Erhöhung des pauschalierten Lohnsteuersatzes von 10 auf 15 % für bestimmte zusätzliche Altersvorsorgeleistungen, z. B. Beiträgen zu Direktversicherungen, Zuwendungen an Pensionskassen nach § 40b EStG, soll eine in der bisherigen Höhe nicht mehr in die heutige Landschaft passende Steuervergünstigung vermindert werden, und zwar in aller Regel zu Lasten der Arbeitgeber, die die pauschalierte Lohnsteuer zahlen.
    Die Kappung der Vorsorgepauschale für nicht sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, in erster Linie also für Beamte, kann in den Fällen zu einer höheren Steuerbelastung führen, in denen die Vorsorgepauschale höher ist als die tatsächlichen Ausgaben für die Vorsorge, in denen die Pauschale also eine an sich nicht beabsichtigte Freibetragswirkung entfaltet. Erbringen Beamte, die bekanntlich keine Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu zahlen haben, tatsächlich Vorsorgeaufwendungen, so



    Poß
    können diese im Rahmen der für alle geltenden Höchstbeträge für Sonderausgaben beim Lohnsteuerjahresausgleich bzw. bei der Einkommensteuererklärung geltend gemacht und Mehrbelastungen vemieden werden. Da die Vorsorgepauschale für Beamte nicht ganz gestrichen, sondern nur auf 2 000 bzw. 4 000 DM begrenzt werden und die Kinderkomponente der Vorsorgepauschale voll erhalten bleiben soll, sind die untersten Besoldungsgruppen von dieser Maßnahme auch dann nicht betroffen, meine Damen und Herren, wenn sie finanziell nicht in der Lage sind, über die notwendige Zusatzkrankenversicherung hinaus Vorsorgeleistungen zu erbringen. Das halte ich für richtig und wichtig und sozial ausgewogen.
    Ebenfalls ausdrücklich zu begrüßen ist die Absicht, in einer Verwaltungsanweisung die Grundsätze für die Überprüfung konzerninterner Verrechnungspreise zusammenzufassen und zu vereinheitlichen. Wir wollen hoffen, daß es damit gelingt, die in der Bundesrepublik Deutschland erzielten Gewinne multinationaler Unternehmen auch bei uns voll zu versteuern. Das ist eine weitere wichtige steuerpolitische Maßnahme.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Durch die Änderung des Abschnitts 118 Abs. 2 der Einkommensteuerrichtlinien soll der private Nutzungsanteil betrieblich genutzter Personenkraftwagen auf einen Regelsatz von 40 % angehoben werden. Dieser Vorschlag folgt im übrigen auch der Empfehlung des Bundesrechnungshofs, der beanstandet hatte, daß die Oberfinanzdirektionen auch bei in ihren Büros oder Praxen stationär tätigen Gewerbetreibenden und Freiberuflern entgegen allen Realitäten bei der Einkommensbesteuerung den privaten Nutzungsanteil von Pkws mit nur 20 bis 25 % ansetzten, den betrieblichen bzw. beruflichen Anteil aber auf 75 bis 80 %. Das führt, meine Damen und Herren, zu der Groteske, daß — so der Bundesrechnungshof — beispielsweise bei Fachärzten bis zu drei oder mehr berufliche Personenkraftwagen anerkannt werden, obwohl eine nennenswerte Reisetätigkeit nicht nachgewiesen werden kann.
    Wer an die Belastungen denkt, die viele Arbeitnehmer als Pendler durch die gestiegenen Kosten hinnehmen müssen, kann über die Unempfindlichkeit der Steuerverwaltung der Länder angesichts solcher Tatsachenverkehrungen nur verwundert sein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kohl meinte gestern u. a.: Die einen dienen, die anderen verdienen, und wir sind auf keinem Auge blind. Wenn das so ist, meine Damen und Herren von der Opposition, dann verschließen Sie doch bitte Ihre Augen nicht vor ungerechtfertigten Steuervergünstigungen und Subventionen! Dann müßten Sie dem Steueränderungsgesetz konsequenterweise zustimmen.
    Herr Häfele hat von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit gesprochen.

    (Zuruf von der SPD: Das macht er immer!)

    Minister Lahnstein hat vorgestern nachgewiesen, daß diese gegeben sind. Wir Sozialdemokraten werden der geschichtlichen Klarheit und Wahrheit wegen in den nächsten Wochen nicht müde werden, aufzuzeigen, warum Sie von der Opposition dem Steueränderungsgesetz nicht zustimmen wollen:

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    weil sich soziale Gerechtigkeit, immer wenn es konkret wird, für Sie zu einem nicht zu übersetzenden Fremdwort entwickelt.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir werden darüber aufklären, wer Antworten für die 80er Jahre hat und wer nur Etikettenschwindel betreibt.
    Der CDU/CSU gelingt es im Moment glänzend, darüber hinwegzutäuschen, daß sie keine Antworten hat, durch die gesellschaftliche Wirklichkeit gestaltet und der soziale Frieden erhalten werden kann. Damit will ich eigene konzeptionelle Mängel nicht wegretuschieren. Aber die Wähler, die den geistigideologischen Bereich der CDU betreten und meinen, sie seien auf dem Weg in ein gut ausgestattetes Einfamilienhaus, müssen, wenn sie das Innere dieses Gebäudes betreten, erkennen, daß sie sich in einer Bauruine befinden.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir, meine Damen und Herren, müssen die Menschen davor warnen, daß sie sich in neokonservativen Anlageformen engagieren.

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese Menschen könnten sonst die Erfahrung machen, die einige von uns mit nicht ganz seriösen Kapitalanlagegesellschaften machen mußten. Diese Erfahrungen können wir vielleicht auch bei Ihnen sammeln. Das ist niemandem zu gönnen.
    Ich weiß nicht, was Ihre Aufregung soll. Sie kennen doch eigentlich nur das Spiel „6 aus 49". Bei diesem Lottospiel dürfen alle einsetzen, aber nur wenige gewinnen. Die meisten zahlen. So ist das bei Ihnen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kreile.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Reinhold Kreile


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ein wenig erstaunt.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Die Ballonmütze ist wieder modern!)

    Nachdem ich diese Rede gehört habe, habe ich fast
    den Eindruck, als wenn die SPD 13 Jahre nicht regiert hätte. Sie klagt nämlich ständig Steuergesetze



    Dr. Kreile
    an, die sie selbst gemacht hat. Es ist also schwer verständlich, was Sie hier vorgetragen haben. Es ist genauso schwer verständlich wie das Einkommensteueränderungsgesetz 1983, das eine sehr blasse Bezeichnung trägt. Aber natürlich ist dieses Einkommensteueränderungsgesetz wieder das, was alle Steueränderungsgesetze in den letzten Jahren nahezu kontinuierlich waren, nämlich ein Steuererhöhungsgesetz.
    Was haben wir denn von dieser Bundesregierung, von dieser Regierungskoalition in den eindreiviertel Jahren dieser 9. Legislaturperiode an Steuergesetzen bisher vorgelegt bekommen? Ausschließlich Steuererhöhungsgesetze! Durch das Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetz vom März 1981 wurden diese Steuern ganz kräftig erhöht. Das Subventionsabbaugesetz vom 26. Juni 1981 war im steuerlichen Teil wiederum ein reines Steuererhöhungsgesetz. Das Verbrauchsteueränderungsgesetz, das dann im Dezember 1981 kam, war wieder ein Steuererhöhungsgesetz. Auch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 22. Dezember 1981 war in dem uns interessierenden Teil ausschließlich ein Steuererhöhungsgesetz.
    Die Steuer- und Abgabenerhöhungen der beiden ersten Jahre der Legislaturperiode betragen, auf das Jahr umgerechnet, 16 Milliarden DM. Nun sollen im Einkommensteuerbereich durch das vorliegende Steueränderungsgesetz insgesamt 2 Milliarden DM hinzukommen. Dann kommen noch im Sozialversicherungsbereich durch die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge weitere 3 Milliarden DM dazu.
    Angesichts dieser Steuer- und Abgabenerhöhungen, die gleichsam am laufenden Band produziert werden, muß doch immer drängender die Frage gestellt werden, ob dies eine richtige Politik ist, ob sie geeignet ist, die explodierende Staatsverschuldung, die quälend ansteigende Arbeitslosigkeit und die als Ursache und Wirkung von beiden anhaltende und sich immer mehr vertiefende Wachstumsschwäche der Wirtschaft zu bekämpfen. Um die Antwort ganz deutlich zu geben: Dies ist nicht der Fall.
    Seit zwölf Jahren erleben wir in rascher Abfolge Steuererhöhungen der verschiedensten Art, seit 1975 von gelegentlichen Steuerentlastungen begleitet, die von der SPD bekämpft und von der CDU/ CSU erzwungen wurden. Als heimliche Steuererhöhungen kommen bei der Einkommensteuer und Lohnsteuer jedes Jahr noch weitere 5 bis 6 Milliarden DM als Folge des Zusammenwirkens von Inflation und Steuerprogression hinzu.
    Bei der Unternehmensbesteuerung wirkt sich der im internationalen Vergleich einmalig hohe Anteil an ertragsunabhängigen Steuern wie der Gewerbesteuer und der Vermögensteuer in einer Rezessionsphase mit drastischem Gewinnverfall besonders bedrohlich aus. Dieser Konstruktionsfehler unseres Steuersystems kostet uns derzeit Investitionsmöglichkeiten und damit Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man all dies zusammenfügt, dann kann man feststellen, daß die direkten Steuern total ausgereizt sind.
    An die Adresse des Bundesfinanzministers sei gesagt, er sollte seine finanzpolitische Kompetenz nicht dadurch unter Beweis stellen wollen, daß er immer auf die Steuerquote von 24 % pocht. Diese 24 % sind eine theoretische Zahl aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, aber ohne praktischen Aussagewert für die Steuerbelastung des einzelnen. Was allein zählt, ist doch die Tatsache, daß z. B. dem Arbeitnehmer von jeder zusätzlich verdienten Mark rund 60 Pf für Steuern und Sozialabgaben abgenommen werden und nur 40 Pf in seiner Tasche bleiben. Das zählt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Das ist doch eine andere Betrachtung!)

    Ein solches Abgabensystem ist nicht in Ordnung. Man darf sich nicht wundern, wenn so viele in die Schattenwirtschaft ausweichen und manche andere es sich im sozialen Netz bequem machen.
    Aber auch bei den indirekten Steuern hat die Regierung geholt, was zu holen war. Sie hätte noch mehr geholt, wenn die CDU/CSU geplante Mehrwertsteuererhöhungen nicht mehrmals verhindert hätte. Erhöht wurde die Tabaksteuer; es wurde die Branntweinsteuer erhöht. Rigoros verschärft wurde die Mineralölsteuer, 1972 und 1973 um 9 Pfennig pro Liter Benzin und ab 1. April 1981 nochmals um 7 Pfennig, also in der Zeit dieser Regierungskoalition um 16 Pfennig je Liter. Die SPD/FDP-Koalition ist allerdings die Einlösung einer Zusage schuldig geblieben, die schon 1969 von ihr gegeben wurde, nämlich die Kilometerpauschale dann angesichts dieser Mineralölsteuerbelastung und der Erhöhung der Mineralölsteuer zu erhöhen. Dies ist nicht nur ein Wortbruch, es entspricht auch nicht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn die Kosten für notwendige Benutzung eines Kraftfahrzeugs steuerlich nicht als Unkosten anerkannt werden.
    Mit einem Wort: Auch die Verbrauchsteuern hat diese Regierung bereits überstrapaziert. Es gilt deswegen das, was die Union in den letzten Monaten bereits immer wieder zu sagen gezwungen war: Steuererhöhungen sind derzeit Gift und werden von uns abgelehnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Nur für die hohen Einkommen wird das abgelehnt!)

    Das gilt insbesondere auch für dieses Einkommensteueränderungsgesetz 1983, und zwar aus folgenden Gründen. Die gestrige Generaldebatte zur Lage der Nation, die auch eine Debatte über die desolate Lage des Haushalts geworden ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    hat gezeigt, daß sich die SPD in weitere Steuererhöhungen flüchten will.

    (Zuruf von der SPD: Steuergerechtigkeit!)




    Dr. Kreile
    Die Ergänzungsabgabe, im Klartext also die Erhöhung der Einkommensteuer, ist von ihr erneut gefordert worden.

    (Gobrecht [SPD]: Und von Herrn Albrecht unterstützt!)

    Die FDP zeigt hier begrüßenswerterweise Ablehnung und Reserve. Aber hat sie denn nicht gesehen, daß bereits die Kappung des Ehegattensplittings, die sie bei diesem Einkommensteueränderungsgesetz 1983 mit vorschlägt, genau der Einstieg in die Ergänzungsabgabe ist?

    (Huonker [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Die von der Kappung betroffenen Ehepaare und Familien sollen als erste eine partielle Ergänzungsabgabe zahlen.

    (Zuruf von der SPD: Na und?)

    Die Politik dieser Bundesregierung hat in Verfolg eines Beschlusses eines früheren SPD-Parteitages bisher versucht, die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft zu erproben,

    (Widerspruch des Abg. Gobrecht [SPD]) und zwar mit katastrophalem Ergebnis.


    (Zuruf von der SPD: Quatsch!)

    Jetzt soll nunmehr offenbar auch die Belastungsfähigkeit der Familie erprobt werden,

    (Lachen bei der SPD)

    und zwar mit dem Ziel der Nivellierung. Hat denn die FDP, als sie dem zustimmte, nicht die Worte ihres Parteivorsitzenden Genscher bedacht, die er gestern hier so deutlich ausgesprochen hat: daß leere Kassen nicht die Stunde der Nivellierung sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Der Bundeskanzler hat zur Rechtfertigung dieser Kappung des Ehegattensplittings in der letzten Zeit gerade von diesem Ort aus so manch Drohendes gesagt, das mehr von Ideologie als von steuerrechtlichen Fakten geprägt war.

    (Zuruf von der SPD: Sind Sie auch davon betroffen?)

    Die Freien Demokraten und die Sozialdemokraten werden bei der Diskussion im Finanzausschuß sicherlich bemerken, daß ihr Gesetzentwurf nicht nur familienfeindlich ist,

    (Zuruf von der SPD: Wieviel Arbeitnehmer verdienen denn über 100 000 DM?)

    nicht nur die Familien benachteiligt, bei denen die Mutter die Aufgabe darin sieht, sich unter Verzicht auf eigene Erwerbstätigkeit um die Kinder zu kümmern, ihren Beruf also in der Erziehung ihrer Kinder sieht.

    (Zurufe von der SPD)

    Die bisherigen Koalitionspartner werden vielmehr
    sehen, daß die von ihr vorgeschlagene Kappung des
    Splittings ausgesprochen arbeitnehmerfeindlich ist.

    (Zuruf von der SPD: Wie viele Arbeitnehmer verdienen denn über 100 000 DM? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich möchte hier im Plenum des Bundestages gern zwei Beispiele bringen, damit nicht alles in der Abgeschiedenheit des Finanzausschusses bleibt. Nehmen wir also zwei Beispiele.
    Bei der Familie A — ich könnte auch sagen: der Familie Meier —

    (Heiterkeit — Zurufe: Matthäus-Maier!)

    mit drei Kindern wird das Familieneinkommen von 120 000 DM jährlich vom Ehemann allein erzielt.

    (Huonker [SPD]: Das ist ein Facharbeiter! — Dr. Spöri [SPD]: Normalverbraucher! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich habe gedacht, wir reden hier über eine steuersystematische Frage, und deswegen bringe ich dieses Sie relativ quälende Beispiel — Sie kennen es offenbar — jetzt in Ausführlichkeit.

    (Zurufe von der SPD)