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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/77 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 Inhalt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/1222 — Volmer CDU/CSU 4457 B Frau Dr. Hartenstein SPD 4458 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 4460A von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 4461A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit — Drucksache 9/1126 — Buschbom CDU/CSU 4462 A Dr. Schwenk (Stade) SPD 4464 B Kleinert FDP 4466A Dr. de With, Parl. Staatssekretär BMJ . 4467 C Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein (München), Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Marx, Köster, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Abelein, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Czaja, Dr. Todenhöfer, Höffkes, Lamers, Frau Fischer, Schmöle, Dr. Kunz (Weiden) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Lage im Libanon — Drucksache 9/1121 Dr. Stercken CDU/CSU 4469 A Dr. Soell SPD 4471 B Schäfer (Mainz) FDP 4472 D Nächste Sitzung 4474 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4475*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4475* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 4457 77. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Dr. Bardens * 15. 1. Coppik 15. 1. Cronenberg 15. 1. Daubertshäuser 15. 1. Dr. Dollinger 15. 1. Echternach 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 15. 1. Feinendegen 15. 1. Gansel 15. 1. Frau Geier 15. 1. Dr. Geßner * 15. 1. Dr. Haack 15. 1. Haar 15. 1. Dr. Hackel 15. 1. Handlos 15. 1. Hartmann 15. 1. Dr. Hüsch 15. 1. Jung (Kandel) * 15. 1. Jungmann 15. 1. Kiep 15. 1. Dr. Kreile 15. 1. Liedtke 15. 1. Lorenz 15. 1. Michels 15. 1. Möllemann 15. 1. Müller (Bayreuth) 15. 1. Neuhaus 15. 1. PoB 15. 1. Reddemann * 15. 1. Dr. Riesenhuber 15. 1. Rohde 15. 1. Frau Roitzsch 15. 1. Schmidt (Wattenscheid) 15. 1. Schmöle 15. 1. Dr. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 15.1. Schulte (Unna) * 15. 1. Dr. Solms 15. 1. Stöckl 15. 1. Dr. Vohrer * 15. 1. Dr. Waffenschmidt 15. 1. Dr. Wendig 15. 1. Wissmann 15. 1. Baron von Wrangel 15. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die 27. Jahreskonferenz der Nordatlantischen Versammlung vom 12. bis 16. Oktober 1981 in München (Drucksache 9/1127) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksache 9/1209) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß Bericht über den Mutterschaftsurlaub (Drucksache 9/1210) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Bewertung der Strahlenexposition in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken und Vergleich mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke (Drucksache 9/1247) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rolle des Europäischen Parlaments in seinen Beziehungen zum Europäischen Rat (Drucksache 9/1248) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981; hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgabe bei a) Kap. 1112 Tit. 61631 - Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) b) Kap. 1112 Tit. 68101 - Arbeitslosenhilfe c) Kap. 1112 Tit. 68141 - Leistungen für die Teilnahme von Aussiedlern, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen an Deutschlehrgängen (Drucksache 9/1160) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 08 09 Tit. 682 01 - Zuschuß an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein - (Drucksache 9/1174) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1981 bei Kap. 14 12 Tit. 643 01 Ersatzleistungen für Wege- und Straßenschäden - (Drucksache 9/1177) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 27 02 Tit. 642 21 (Förderung des Besuchsreiseverkehrs) (Drucksache 9/1213) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981 hier: Einwilligung zu einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 643 01 Kosten der Kriegsopferfürsorge (ausgenommen Darlehen) aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes sowie entsprechender Leistungen aufgrund des Häftlingshil- 4476* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 fegesetzes, des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe, für Angehörige von Kriegsgefangenen und des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Drucksache 9/1233) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 32 05 Tit. 575 02 — Zinsen für Bundesschatzbriefe — (Drucksache 9/1234) zuständig: Haushaltsausschuß Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksache 9/1238) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — (Drucksache 9/1239) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/82 — Zollkontingent 1982 für Bananen) (Drucksache 9/1240) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Achtzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 9/1245) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir bei der Premiere schnell den § 34 unserer neuen Geschäftsordnung durchgelesen, um festzustellen, ob die Saalmikrofone auch für diejenigen offen sind, die von der Regierungsbank kommen. Ich konnte eigentlich — dies war allerdings nur ein flüchtiges Durchlesen — nichts Gegenteiliges finden. Allerdings steht ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes noch aus.

    (Heiterkeit)

    Weil Herr Kollege Buschbom mich ohnehin als einen Veteranen bezeichnet hat, gehe ich deswegen um so beruhigter an dieses Pult; ich bin dann sicher, daß das mit Bestimmtheit richtig und zutreffend ist und nicht angegriffen werden kann.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Mikrofon 15 wäre noch frei!)

    Ich könnte schon eines der Mikrofone aus der ersten Reihe nehmen, nehme ich an, Herr Kollege Bötsch.
    Nun zur Sache. Worum geht es? Die statistischen Zahlen weisen aus, daß die Eingänge bei den Landgerichten von 1978 bis 1980 — was ich jetzt vortrage, sind ganz neue Zahlen — um 23,3 % gestiegen sind, wohingegen die Zahlen bei den Amtsgerichten in entsprechender Zeit lediglich eine Steigerung von 6,8 % aufweisen. Wir haben die Jahre ab 1978 gewählt, weil wir so sicher sind, daß es Schwierigkeiten nicht gibt. Von diesem Zeitpunkt an laufen nämlich, wie wir wissen, die Ehesachen bei den Amtsgerichten.
    Nun kennt jedermann das Sprichwort, es gebe Notlügen, Zwecklügen und statistische Angaben. Wenn man sich anschaut, wie die Erledigungsziffern aussehen, wird deutlich, daß diese unterschiedlichen Eingangszahlen noch nicht so klar bei der Erledigung durchgeschlagen sind.



    Parl. Staatssekretär Dr. de With
    Dennoch ist festzuhalten, daß bei den Landgerichten, und zwar ab 1978, im Gegensatz zu den Amtsgerichten die Erledigungen ganz offensichtlich schwieriger geworden sind, obwohl hier die Differenz nur etwa 5 % beträgt. Offenbar waren die Landgerichte mit ihrer Kapazität eher als die Amtsgerichte in der Lage, die gestiegenen hohen Eingangszahlen zu verdauen. Es gibt ja bei den Landgerichten auch die Möglichkeit, auf den Einzelrichter zurückzugehen.
    Dennoch ist eines ganz deutlich. Die Statistik belegt, daß es einen Trend gibt, wonach der rechtsuchende Bürger auf die Dauer beim Landgericht auf sein Urteil länger als beim Amtsgericht warten muß.
    Das zwingt uns zum Handeln. Denn es gibt ein weiteres Sprichwort: Spätes Recht ist halbes Recht. Dies darf für das Landgericht nicht wahr werden.
    Die Vermehrung der Planstellen hat ganz offenkundig eine Grenze. Also muß man überlegen, ob eine Korrektur der Wertgrenzen zwischen Amtsgericht und Landgericht am Platz ist, und zwar so, daß wir zu einem Ausgleich kommen und der Bürger in etwa gleicher Weise beim Amtsgericht wie beim Landgericht auf seinen Prozeß warten oder nicht warten muß.
    Wie erwähnt, hatten wir die letzte Korrektur im Jahre 1975. Wenn man sich die Wertsteigerungen anschaut, die es seitdem gibt, wenn man sich die Statistik erneut betrachtet, dann ist klar, daß die Streitwerte gewachsen sind — allerdings nicht in dem Maß, wie der Bundesrat hier eine Erhöhung um das Doppelte vorschlägt. Würden wir dem Vorschlag des Bundesrats folgen, dann kämen wir ganz sicher zu begrenzten strukturellen Änderungen im Gefüge von Amtsgericht und Landgericht mit allen Folgen. Aber es käme dadurch ganz sicher auch zu einer Verkürzung der Verfahren. Werden doch, wie wir alle wissen, beim Landgericht in 70 % aller Fälle drei Richter behelligt — wenn ich das so formulieren darf —, während das beim Amtsgericht ein einziger Richter erledigt. Eine Änderung der Streitwertgrenzen würde deshalb mit Sicherheit zu einer Beschleunigung führen, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß einige Richter vom Landgericht zum Amtsgericht wechseln müssen.
    Dennoch sage ich: Wir werden im Ausschuß sehr, sehr sorgfältig zu prüfen haben, ob die hier vorgeschlagene Wertgrenzänderung richtig ist.
    Zwei Gesichtspunkte dürfen bei unseren Überlegungen nicht Pate stehen. Der eine ist, daß es zu einer unvertretbaren strukturellen Änderung dergestalt kommt, daß die quantitative Änderung in eine unvertretbare qualitativ-strukturelle Änderung durchschlägt. Zweitens müssen wir Bedacht nehmen, daß standespolitische Überlegungen und finanzielle Besorgnisse von Organen der Rechtspflege zurückbleiben.
    Zur Änderung der Berufungssumme ist das Erforderliche hier schon gesagt worden. Gehen wir hier von 500 DM auf 1 000 DM, so besteht in der Tat die Gefahr, daß viele Fälle des täglichen Lebens, die den kleinen Mann treffen, bei einer Instanz bleiben. Und ich sage etwas unvorsichtig: Wir kennen ja dazu
    auch das Wort „Über uns der blaue Himmel". Hier sollte sehr, sehr sorgfältig geprüft werden, ob wir dies generell hinnehmen können.
    Erfreulicherweise hat die Justizministerkonferenz auf ihrer Sitzung im Herbst vergangenen Jahres in Celle einen Beschluß gefaßt, der dahin geht, des weiteren zu prüfen, welche Möglichkeiten es noch gibt, hier zu einer vernünftigen Abhilfe zu gelangen. Es gibt auch schon einen Katalog, der allerdings noch nicht durchgeprüft ist. Wenn wir auch verstehen, daß eine Änderung zugunsten der Länder im Gefüge Amts-/Landgericht bald erfolgen muß, so steht doch zu hoffen, daß dabei vielleicht dennoch auch ein Teil der Überlegungen Eingang finden kann, von denen ich gerade im Zusammenhang mit den Überlegungen der Justizministerkonferenz sprach.
    Was schließlich die Frage der Beschwerdesumme anlangt, so ist dies vielleicht nicht ganz so gravierend. Dieser Punkt ist auch noch nicht ganz so deutlich in das Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten. Aber auch hier sage ich mit aller Deutlichkeit: Bei näherem Hinsehen bringt auch das mehr Probleme mit sich, als wir alle erwartet haben. Auch hier gilt: Wir werden sehr, sehr sorgfältig zu prüfen haben, inwieweit wir zu Änderungen zu kommen haben.
    Bei allem muß gelten: Der Staat hat dem Bürger zu dienen. Der Bürger darf nicht den Eindruck gewinnen, daß hier im Rahmen bloßer Streitwertberichtigungen umgekehrt verfahren wird. — Vielen herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf des Bundesrats Drucksache 9/1126 an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein (München), Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Marx, Köster, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Abelein, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Czaja, Dr. Todenhöfer, Höffkes, Lamers, Frau Fischer, Schmöle, Dr. Kunz (Weiden) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Lage im Libanon
— Drucksache 9/1121 —
Überweìsungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß (federführend)

Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? — Ich stelle dies fest.



Vizepräsident Windelen
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Stercken.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Stercken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entschließungsantrag, der heute in die parlamentarische Beratung eingeführt wird, will dem in unseligen Kriegswirren leidgeprüften libanesischen Volk eine Hilfe bei der Wiederherstellung des Friedens und der Selbstbestimmung sein. Die darin niedergelegten grundsätzlichen Gedanken zur Sicherung des Friedens sind in Übereinstimmung mit allen Bevölkerungsteilen des Libanon und ihren politischen Repräsentanten zusammengetragen worden. Die Verabschiedung dieser Entschließung wird daher von dem um seine Einheit und Unabhängigkeit ringenden libanesischen Volk als eine Hilfe bei der Sicherung seiner nationalen Integrität und damit als ein Dienst am Frieden empfunden.
    Der Deutsche Bundestag kann sich damit als der eigentlich kompetente Träger öffentlicher Verantwortung in Sachen des Friedens einsetzen. Die zu geringe Bewertung, die über eine lange Zeit hin der Außenpolitik in der Öffentlichkeit, aber auch in diesem Hause zuteil wurde, hat sicher an dem Eindruck mitgewirkt, es bedürfe anderer Institutionen, um den Frieden hinreichend zu sichern. Nein, meine Damen und Herren, dieser Deutsche Bundestag ist als frei gewähltes Parlament in seiner Gesamtheit der berufene Wächter des deutschen Volkes über die Fragen von Sicherheit und Frieden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle Entwicklungen, die den Weltfrieden bedrohen, müssen daher in diesem Hause mit dem Ziel erörtert werden, sämtliche Möglichkeiten politischer Mitwirkung einzusetzen, um den Frieden in dieser Welt, der unteilbar geworden ist, wiederherzustellen und zu sichern.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Dazu besteht in diesen Tagen uni so mehr Veranlassung, als durch die weitgehende Abstinenz der Friedensbewegung vom 10. Oktober 1981 in Sachen Kriegsrecht in Polen der moralische Anspruch verwirkt worden ist, über den zwischen uns und in unserem Volk seitdem gestritten worden ist. Wer die Nachrüstung verteufelt, das Kriegsrecht in Polen und den zweijährigen Befreiungskampf in Afghanistan derart systematisch verschweigt, der macht die Wertvorstellungen unglaubwürdig, die er geradezu mit einem Alleinvertretungsanspruch in die Politik einführen wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Kümmern wir uns daher mehr darum, was dieses Haus in die Friedensdebatte einzuführen vermag, und mühen wir uns darum, daß unsere Beiträge von den Bürgern, die wir vertreten, weder als opportunistisch noch als ideologisch verblendet oder einseitig im Erkennen von Gefahren beurteilt werden können. So sollte auch der Versuch gewertet werden, konstruktive und stabilisierende Positionen zur Lage im Libanon einzunehmen.
    Doch Stellung beziehen heißt eine klare Haltung einnehmen, heißt das aussprechen, was wir für Recht erkennen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Der Frieden ist die Folge des Rechts. Wer nicht das Unrecht beseitigt, schafft keinen Frieden.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Hervorragend!)

    Der Entschließungsantrag beschreibt diese Kategorien des Rechtes als Voraussetzung für den Frieden, nach dem sich alle Teile der Bevölkerung des Libanon ohne Ausnahme sehnen, dieses aus vielen religiösen und ethnischen Gruppen zur Nation gewachsenen Volkes, in dem das Bedürfnis nach Einheit und Unabhängigkeit nie stärker war als nach den leidvollen Erfahrungen eines in das Land hineingetragenen Bürgerkriegs.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

    Aus der Entwicklung der letzten Wochen ergibt sich allerdings das Erfordernis, den Überlegungen des Entwurfs noch eine weitere hinzuzufügen. Die Bemühungen des amerikanischen Unterstaatssekretärs Philip Habib, über die volles Einverständnis mit der libanesischen Regierung besteht, sollten durch die beabsichtigte Entschließung des Deutschen Bundestages ebenfalls unterstützt werden:
    Erstens. Den Truppen der Vereinten Nationen (UNIFIL) sollte im Zusammenwirken mit libanesischen Streitkräften der gesamte Süden des Landes von der Grenze zu Israel bis zum Litani-Fluß zur Kontrolle zugewiesen werden.
    Zweitens. Alle schweren Waffen der Palästinenser in Grenznähe sollen mindestens 30 km von der libanesisch-israelischen Grenze abgezogen werden.
    Drittens. Die an archäologischen und historischen Denkmälern reiche Stadt Tyros soll neutralisiert werden.
    Viertens. Kontrollpunkte der UNIFIL sollen in Chekif und an der Khardali-Brücke eingerichtet werden.
    Fünftens. Internationale Truppen sollen künftig in einem Bereich 9 km von Marjejoun die weitere Infiltration von Palästinensern verhindern.
    Meine Damen und Herren, ich gebe zu, das ist sehr konkret.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das ist ja gut! Endlich!)

    Aber wenn wir uns nur in generalisierenden Vorstellungen zum Frieden im Libanon äußern, dann nehmen wir eben nicht in den Positionen eine klare Haltung ein, um die im Augenblick zwischen den Beteiligten gestritten wird.
    Mit diesen neuen Vorschlägen, denen — auch im Einvernehmen mit der libanesischen Regierung — der Deutsche Bundestag seine politische Unterstützung geben sollte, würden folgende Ziele erreicht:
    Erstens. Die Grenze des Libanon mit Israel wird durch UNIFIL im Zusammenwirken mit den libanesischen Streitkräften insgesamt gesichert. Von die-



    Dr. Stercken
    sem Augenblick an gibt es keinen Vorwand mehr für die Anwesenheit syrischer Streitkräfte im Libanon.
    Zweitens. Die Souveränität des libanesischen Staates und seiner Streitkräfte wird eine erhebliche Stärkung erfahren.
    Drittens. Die Kontrolle des gesamten Südens durch UNIFIL und den Libanon wird in diesem Gebiet weitere Kampfhandlungen ausschließen und damit wesentliche Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich alle Menschen in der Region an den Frieden gewöhnen und auf den Einsatz von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele verzichten.
    Das gelegentlich auch bei uns erkennbare Verständnis für den Einsatz von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele durch Befreiungsbewegungen — und so auch für die im Libanon operierenden Streitkräfte der PLO — ist für mich nicht nachvollziehbar. Wir Deutschen verzichten auf den Einsatz von Gewalt, um unsere nationale Einheit zu erreichen und damit einen Teil Deutschlands von kommunistischer Fremdherrschaft zu befreien. Ich erkenne nicht den rechtlichen oder moralischen Unterschied, den diejenigen in Anspruch nehmen könnten, die heute über das Leben anderer zum Zwecke der politischen Demonstration verfügen, weil sie in einem eigenen autonomen Land leben möchten.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    In Europa gäbe es auch keinen Frieden, wenn nicht von den demokratischen Rechtsstaaten Gewaltverzicht geübt würde. Der Dienst, den wir ganz allgemein zur Sicherung der Menschenrechte leisten wollen, muß mit der Forderung nach Gewaltverzicht verbunden bleiben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Die Deutschen haben angesichts der Teilung ihres Landes und ihres Verzichts auf den Einsatz von Gewalt zur Lösung dieses Problems ein besonderes Recht, von anderen den Verzicht auf die Anwendung von Terror und Gewalt zu fordern.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Besondere Erfahrungen!)

    Ist unser Verhalten das Opfer und die Voraussetzung für den Frieden in Europa, so müssen sich alle am Konflikt im Nahen Osten Beteiligten der Gewalt enthalten. Ohne Gewaltlosigkeit wird es keinen Frieden geben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Also muß man alle Mittel einsetzen, die dazu zwingen, auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten. Wenn wir diesen Grundsatz nicht allen am Konflikt Beteiligten abverlangen, können wir für uns nicht in Anspruch nehmen, etwas für die Sicherung des Friedens getan zu haben.
    Zur Gewährleistung von Sicherheit und Frieden ist die Stationierung syrischer Raketeneinheiten auf libanesischem Gebiet in der Bekaa-Ebene ebenso untauglich wie die Schaffung vollendeter Tatsachen
    durch die israelische Regierung auf den Golan-Höhen im Windschatten des Kriegsrechtes in Polen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zwar geben die Syrer dem Staat Israel seit Jahrzehnten nicht ein einziges Zeichen der Hoffnung und des Friedens. Dennoch erwarten wir von Israel, dessen Frieden in Freiheit unsere ganzen Sympathien gelten, daß es den Verhandlungsweg offenhält und damit bekundet, was seine Demokratie von der Willkür und Ungerechtigkeit nichtdemokratischer Staaten unterscheidet.
    Der vorliegende Antrag ist das Ergebnis einer Informationsreise, an der die Kollegen Dr. Alois Mertes, Hans Klein und ich teilgenommen haben. Dieses Unternehmen ist wohl von allen Libanesen so betont freundlich aufgenommen worden, weil es nicht nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe galt, sondern deutlich machte, daß die deutschen Besucher die Einheit dieses Landes in seiner Mannigfaltigkeit erkennen, verstehen und achten wollen.
    Zu den Besuchen im Lande, die zunächst unsere Verwunderung und dann unsere Bewunderung hervorgerufen haben, gehörte ein Flug zu den eben bereits erwähnten Truppen der Vereinten Nationen (UNIFIL), über deren Aufgabenstellung, Leistungen und Opfer die Öffentlichkeit in einer völlig unzureichenden Weise unterrichtet ist.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das muß um so mehr beklagt werden, als neben einem entsagungsvollen Dienst in einer Umgebung, die vielerlei Entbehrungen abverlangt, auch der Blutzoll dieser Truppe denjenigen, für die sie ihre Arbeit tut, ein höheres Maß an Dankbarkeit und Interesse abverlangen müßte. 69 Soldaten der Vereinten Nationen, der UNIFIL-Streitkräfte, haben bis zum Herbst letzten Jahres ihr Leben hingegeben, davon 39 in Kampfhandlungen. 110 Soldaten wurden verwundet. Den Truppen der Fidschi, den Senegalesen und den Iren sind die größten Verluste zugefügt worden. Sechs Soldaten sind meuchlings ermordet worden.
    Meine Damen und Herren, diese Truppen stehen für uns alle im Süden des Libanon, um den Frieden zu erhalten. Ein Mordanschlag auf sie gilt uns allen. Wir können darüber nicht leichtfertig hinweggehen. Den Palästinensern, die für diese Massaker die Verantwortung tragen, kann nur geraten werden, auf diese barbarischen Anschläge unverzüglich zu verzichten. Es kann einem angst und bange werden, wenn auf der Grundlage eines solchen Terrorismus nun auch noch ein Staat gebaut werden sollte.
    Gibt es für die ganze Welt schon hinreichende Veranlassung, selbst das Leben für die Sache des Friedens im Libanon herzugeben, so gibt es für die Deutschen noch einen weiteren Grund, sich dem Schicksal des libanesischen Volkes verbunden zu wissen. Wir verfügen über die Erfahrung, was die Teilung eines Landes bewirkt, wenn sie durch imperialistische Interessen oder durch die Anwesenheit fremder Truppen im Lande verursacht wird. Die Spannungsursachen, die für die Zersplitterung des Landes in Einflußzonen verantwortlich gemacht werden, lie-



    Dr. Stercken
    gen nicht in gelegentlichen Rivalitäten der Bevölkerungsgruppen, sondern vielmehr darin begründet, daß unter vielerlei Vorwänden eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes stattgefunden hat, für die das libanesische Volk die leidvolle Zeche zu zahlen hat. Es gehört zu den großen Unverfrorenheiten unserer Tage, daß Okkupanten allenthalben als Friedensstifter auftreten und trotz ihrer Zugehörigkeit zu den Vereinten Nationen, dem Bekenntnis zu ihrer Charta und ihren Menschenrechtspakten hemmungslos formale Begründungen ausweisen, um andere Völker zu unterjochen.
    In diesem Zusammenhang ein offenes Wort an die Adresse der Palästinenser. Ihr Umgang mit den Libanesen und ihrem Land ist nicht gerade ein ermutigendes Beispiel für die Achtung vor den Rechten anderer Staaten und Völker. Es würde die Durchsetzung ihrer eigenen Rechte erleichtern, wenn sie die politischen Rechte respektieren würden, um die sie selbst so erbarmungslos kämpfen.
    Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, als Deutsche empfinden wir ein besonderes Maß an Solidarität mit dem Libanon, weil uns diese Auswirkungen hegemonialer Politik und diese Mißachtung von Menschenrechten hinlänglich bekannt sind. Wenn wir anderen helfen, solches Unrecht zu beseitigen, dann vertrauen wir auch auf deren Beistand, wenn es um die Sache der Deutschen geht, die auch ihre endgültige Friedenssicherung erst erfahren, wenn das Problem ihrer nationalen Einheit in einer europäischen Friedensordnung gelöst werden kann.
    Das Europäische, belgische und britische Parlament sowie der amerikanische Senat haben bereits nach der Beschlußfassung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Entschließungen verabschiedet, die zur Zeit ihrer Veröffentlichung als ein Beitrag zur Stärkung der libanesischen Position angesehen werden konnten. Der Deutsche Bundestag besitzt jetzt die Möglichkeit, seinen Teil mit vielen neuen Einzelheiten beizusteuern, damit einem vormals blühenden Land ein neuer friedlicher Anfang erschlossen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)