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ID0907701000

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    Plenarprotokoll 9/77 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 Inhalt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/1222 — Volmer CDU/CSU 4457 B Frau Dr. Hartenstein SPD 4458 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 4460A von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 4461A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit — Drucksache 9/1126 — Buschbom CDU/CSU 4462 A Dr. Schwenk (Stade) SPD 4464 B Kleinert FDP 4466A Dr. de With, Parl. Staatssekretär BMJ . 4467 C Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein (München), Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Marx, Köster, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Abelein, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Czaja, Dr. Todenhöfer, Höffkes, Lamers, Frau Fischer, Schmöle, Dr. Kunz (Weiden) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Lage im Libanon — Drucksache 9/1121 Dr. Stercken CDU/CSU 4469 A Dr. Soell SPD 4471 B Schäfer (Mainz) FDP 4472 D Nächste Sitzung 4474 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4475*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4475* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 4457 77. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Dr. Bardens * 15. 1. Coppik 15. 1. Cronenberg 15. 1. Daubertshäuser 15. 1. Dr. Dollinger 15. 1. Echternach 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 15. 1. Feinendegen 15. 1. Gansel 15. 1. Frau Geier 15. 1. Dr. Geßner * 15. 1. Dr. Haack 15. 1. Haar 15. 1. Dr. Hackel 15. 1. Handlos 15. 1. Hartmann 15. 1. Dr. Hüsch 15. 1. Jung (Kandel) * 15. 1. Jungmann 15. 1. Kiep 15. 1. Dr. Kreile 15. 1. Liedtke 15. 1. Lorenz 15. 1. Michels 15. 1. Möllemann 15. 1. Müller (Bayreuth) 15. 1. Neuhaus 15. 1. PoB 15. 1. Reddemann * 15. 1. Dr. Riesenhuber 15. 1. Rohde 15. 1. Frau Roitzsch 15. 1. Schmidt (Wattenscheid) 15. 1. Schmöle 15. 1. Dr. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 15.1. Schulte (Unna) * 15. 1. Dr. Solms 15. 1. Stöckl 15. 1. Dr. Vohrer * 15. 1. Dr. Waffenschmidt 15. 1. Dr. Wendig 15. 1. Wissmann 15. 1. Baron von Wrangel 15. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die 27. Jahreskonferenz der Nordatlantischen Versammlung vom 12. bis 16. Oktober 1981 in München (Drucksache 9/1127) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksache 9/1209) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß Bericht über den Mutterschaftsurlaub (Drucksache 9/1210) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Bewertung der Strahlenexposition in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken und Vergleich mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke (Drucksache 9/1247) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rolle des Europäischen Parlaments in seinen Beziehungen zum Europäischen Rat (Drucksache 9/1248) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981; hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgabe bei a) Kap. 1112 Tit. 61631 - Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) b) Kap. 1112 Tit. 68101 - Arbeitslosenhilfe c) Kap. 1112 Tit. 68141 - Leistungen für die Teilnahme von Aussiedlern, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen an Deutschlehrgängen (Drucksache 9/1160) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 08 09 Tit. 682 01 - Zuschuß an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein - (Drucksache 9/1174) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1981 bei Kap. 14 12 Tit. 643 01 Ersatzleistungen für Wege- und Straßenschäden - (Drucksache 9/1177) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 27 02 Tit. 642 21 (Förderung des Besuchsreiseverkehrs) (Drucksache 9/1213) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981 hier: Einwilligung zu einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 643 01 Kosten der Kriegsopferfürsorge (ausgenommen Darlehen) aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes sowie entsprechender Leistungen aufgrund des Häftlingshil- 4476* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 fegesetzes, des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe, für Angehörige von Kriegsgefangenen und des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Drucksache 9/1233) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 32 05 Tit. 575 02 — Zinsen für Bundesschatzbriefe — (Drucksache 9/1234) zuständig: Haushaltsausschuß Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksache 9/1238) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — (Drucksache 9/1239) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/82 — Zollkontingent 1982 für Bananen) (Drucksache 9/1240) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Achtzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 9/1245) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Buschbom


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ihnen in der Drucksache vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit hat der Bundesrat am 9. Oktober 1981 beschlossen und der Bundeskanzler dem Deutschen Bundestag am 3. Dezember mit der Bemerkung zugeleitet, daß der Bundesminister der Justiz federführend sei.
    Nach der vorliegenden Formulierung des Entwurfs und seiner Begründung ist beabsichtigt, erstens in Zivilstreitigkeiten durch eine Erhöhung der Streitwertgrenze von 3 000 auf 6 000 DM sowohl die Zuständigkeit der Amtsgerichte zu erweitern und auf Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 6 000 DM auszudehnen als auch zugleich die Landgerichte wegen verstärkter Eingänge seit 1979 um diese Streitigkeiten zu entlasten, zweitens ebenfalls in Zivilstreitigkeiten durch Erhöhung der Berufungssumme auf 1 000 DM und in Hausratsverfahren und Verfahren in Wohnungseigentumssachen durch Erhöhung der Beschwerdesummen ebenfalls auf 1 000 DM sowie durch Verdoppelung der Beschwerdesummen in Kosten- und Gebührensachen auf 200 DM die Rechtsmittel zu den Landgerichten — so in der Begründung — „auf die Fälle zu beschränken, deren Bedeutung den mit ihnen verbundenen Aufwand rechtfertigt", sowie die Landgerichte und die sonst mit Beschwerden befaßten Gerichte „von Bagatellstreitigkeiten" zu entlasten.
    Außerdem soll ausweislich der Begründung des Entwurfs die Erhöhung der Wertgrenze für erstinstanzliche Streitigkeiten über den bloßen Ausgleich des durch die Preissteigerungsrate bedingten Anstiegs der Zahl der landgerichtlichen Verfahren hinausgehen, um ein ausgewogenes Gesamtgefüge der Zivilgerichtsbarkeit und den sachgerechten Einsatz der nur begrenzt vorhandenen Kapazitäten zu gewährleisten, weil dies einer seit langem erhobenen rechtspolitischen Forderung entspreche, bei der gegenwärtigen Finanzlage der öffentlichen Hand mit einer spürbaren Personalverstärkung der Gerichte nicht gerechnet werden könne und durch die Erhöhung der Streitwertgrenze auf 6 000 DM erreicht werde, daß die Amtsgerichte einen größeren Prozentsatz der zivilen Rechtsstreitigkeiten schneller und mit weniger Aufwand erledigten.
    Nun, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht leugnen, daß mich diese Begründung für diese doch erhebliche Zuständigkeitsänderung und die damit verbundene Rechtsmittelbeschränkung überrascht hat. Zwar bin auch ich der Ansicht, daß die Hauptlast der Rechtsgewährung in Zivilsachen bei den Amtsgerichten liegt, die 80 % ihrer Eingänge in meist noch unmittelbarem Kontakt mit dem rechtsuchenden Bürger innerhalb von vier Monaten erledigen und ihren Aufgaben mit erheblich geringerem Kostenaufwand als die Landgerichte gerecht werden, ohne daß dies nach meinem Eindruck von den Justizverwaltungen immer gebührend gewürdigt würde. Doch in einem Rechtsstaat zählt bei der Wahrung und Gewährung von Recht nicht nur die reine Kosten-Nutzen-Analyse, sondern auch die Qualität der Rechtsprechung und des Rechtsschutzes, die bei den Landgerichten wegen der Rechtsfindung durch das Kollegium von drei Richtern höher eingeschätzt wird.
    Ich konnte mich daher des Eindrucks nicht erwehren, daß bei dem hier vorliegenden Entwurf weniger der Rechtsschutz des Bürgers und die Gediegenheit der Rechtsprechung als vielmehr die Misere der öffentlichen Haushalte und der Personalmangel bei den Gerichten Pate gestanden haben.
    Hört man dann zusätzlich, daß außer dieser geplanten Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsgerichte Alternativen zu zivilen Justizverfahren, Zulassungsberufungen und obligatorische Einzelrichter bei den Landgerichten erörtert werden, und bedenkt man weiter, daß das Landgericht durch die Übertragung der Ehe- und Familiensachen auf das Amtsgericht gerade tüchtig Haare lassen mußte, so wird die Vermutung nicht abwegig, daß mit dem geplanten Gesetz nicht nur das Landgericht entlastet werden soll, sondern auch wohlwollend gebilligt wird, daß sich der bisherige Gerichtsaufbau nicht unerheblich ändert.
    Nun, meine Damen und Herren, ich möchte es nicht bei der Mitteilung meines Eindrucks bewenden lassen. Deshalb zu den Grundsätzen der Vorlage folgendes:
    Seit dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes sind die Grenzen der Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche elfmal und die Berufungssumme für vermögensrechtliche Ansprüche achtmal geändert worden, davon vier- bzw. mindestens zweimal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenn man die Protokolle des Deutschen Bundestages über die beiden letzten Wertgrenzenänderungsgesetze nachliest, stellt man fest, daß vieles von dem, was die ehrenwerten Kollegen Emmerlich, Engelhard, Jahn, Kleinert und de With — vorsichtshalber alphabetisch aufgeführt —, die sich — gewissermaßen als Streitwertveteranen — noch unter uns befin-



    Buschbom
    den, ausgeführt haben, auch heute wieder gesagt werden könnte.
    Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich ganz kurz Herrn Jahn, den damaligen Minister der Justiz, zitieren:
    Gegen die vom Bundesrat angestrebte Lösung sprechen eine Reihe von schwerwiegenden Gesichtspunkten . .. Die Abgrenzung nach dem Streitwert zwischen der Kompetenz des alleinentscheidenden Richters beim Amtsgericht einerseits und des aus drei Richtern bestehenden Kollegiums beim Landgericht andererseits ist seit jeher als problematisch empfunden worden ... Bei einer Anhebung der Wertgrenze auf 3 000 DM müssen sich jedoch die Bedenken gegen eine solche Abgrenzung erheblich verstärken. Ich weise ... darauf hin, daß bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Wertgrenze auch in dem Streitwertbereich zwischen 1 500 und 3 000 DM
    — darum ging es damals —
    künftig 93 Landgerichte letztinstanzlich entscheiden würden.
    Damit würde in einem weiten Bereich gerade der Streitigkeiten des täglichen Lebens mit oft erheblich rechtlicher und sozialer Problematik die Einheitlichkeit der Rechtsprechung außerordentlich gefährdet werden. Vor allem würde diese Abgrenzung auch keine befriedigende Lösung für die Dauer darstellen.
    Zweitens. Große Zweifel habe ich auch, ob der mit dem Entwurf erstrebte Entlastungseffekt im personellen Bereich ... erzielt wird.
    Es würde zwar eine Entlastung
    bei den ... Oberlandesgerichten ... vorübergehend (geben) ..., da jedoch vor allem bei den Landgerichten, die gegenwärtig überlastet sind, kaum Personal freigestellt werden kann, wird der auf die Amtsgerichte zukommende Aufgabenzuwachs zu einer Personalvermehrung bei diesen Gerichten zwingen. Die Amtsrichter sind, jedenfalls in den Ballungsgebieten, völlig ausgelastet. Bei einer Erhöhung der Wertgrenze ... ist eine Überlastung der Amtsrichter und damit die Notwendigkeit des Einsatzes zusätzlichen richterlichen und nichtrichterlichen Personals vorauszusehen. Insgesamt würde die vorgeschlagene Maßnahme also zur Vergrößerung des Personalbestandes führen und damit die Engpässe im personellen Bereich noch verstärken.
    Zum dritten hat Herr Jahn darauf hingewiesen, daß auch noch Gerichtsgebäude gebaut werden müßten. — Ende des Zitates.
    Meine Damen und Herren Kollegen, Sie sehen also, daß das Haus sich nicht zum ersten Male mit gerichtlichen Wertgrenzen befaßt. Für unsere heutigen Erörterungen und die anschließende Untersuchung im Rechtsausschuß erlaube ich mir folgendes festzustellen. Grundsätzlich: Das statistische Zahlenwerk, das in der Begründung der Vorlage mitgeteilt wird, ist unzulänglich und erlaubt keine endgültige Wertung und Stellungnahme. In der alten Drucksache aus dem Jahre 1973 war eine Anlage beigefügt, deren Tatsachenkenntnis für die Willensbildung und Entscheidung erforderlich ist. Ich darf auf diese Anlage verweisen und darauf aufmerksam machen, daß den damaligen Beratungen mehrjährige statistische Angaben über Höhe und Dauer der Verfahren bei den Amts- und Landgerichten und ihr Verhältnis zueinander zugrunde lagen. Da die zu beurteilende Vorlage leider keine derartigen Angaben enthält, bin ich versucht, zu fragen, ob der Bundesrat oder auch der Bundesminister der Justiz etwa angenommen haben, der derzeitige Bundestag enthalte inzwischen so viele Hellseher, daß solche Angaben überflüssig wären. Den weiteren Beratungen sollte daher ausreichendes Tatsachenmaterial zur Verfügung stehen.

    (Zuruf des Abg. Kleinert [FDP])

    — Herr Kleinert, sind Sie Hellseher? Ich auch nicht.
    Durch die Streitwertverdoppelung würde vermutlich mehr als ein Drittel aller erstinstanzlichen Zivilsachen vom Landgericht an das Amtsgericht gelangen. Das hätte zur Folge — jetzt kommen also die Tatsachen —:
    Erstens. Das Landgericht würde erheblich entlastet, verlöre einen maßgeblichen Anteil an Zivilsachen und würde immer mehr zu einem Berufungs-
    und Kriminalgericht. Es würde in seiner Struktur verändert.
    Zweitens. Das Landgericht verlöre einen Teil seiner Beförderungsmöglichkeiten und damit einen Teil der personellen Attraktivität.
    Drittens. Die Qualität des Landgerichts als Richterausbildungs- und -erprobungsgericht in Zivilsachen ginge weitgehend verloren.
    Viertens. Durch die Steigerung der Zahl wirtschaftlich schwierigerer Zivilsachen bei dem Amtsgericht würde die Zahl der Berufungen an das Landgericht anwachsen.
    Fünftens. Für Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis 6 000 DM wäre das Landgericht das letzte Rechtsmittelgericht, und damit wäre die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in wichtigen Rechtsgebieten nicht gewährleistet.
    Sechstens. Das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof würden entlastet— jetzt kommt also auch etwas Positives —, da Zivilstreitigkeiten mit einem Streitwert zwischen 3 000 und 6 000 DM nicht mehr obergerichtlich appellationsfähig wären.
    Siebtens. Die Eingänge beim Amtsgericht würden sich um etwa 15 % vermehren. Da diese Vermehrung hauptsächlich durch schwierigere Sachen erfolgen würde, müßte sich die Erledigungsquote des Amtsrichters, der berühmte Pensenschlüssel, von zur Zeit 640 Zivilsachen auf 400 bis 450 Zivilsachen verringern. Das hätte einen um mindestens 30 % erhöhten Richterbedarf zur Folge, der nur aus Proberichtern gedeckt werden könnte, weil Landrichter nicht entbehrlich oder nicht versetzbar wären.



    Buschbom
    Achtens. Die Amtsgerichte sind ausgelastet. Der mit der Anhebung der Streitwertgrenze erhöhte Richterbedarf beim Amtsgericht würde notwendig zu zusätzlichem Bedarf an nichtrichterlichem Personal und Sachmitteln einschließlich Gerichtsraum führen, der bei der derzeitigen Situation nicht zu decken oder nicht zu beschaffen wäre. Jedenfalls läßt sich die Feststellung der Vorlage, es entstünden keine Kosten, nicht aufrechterhalten.
    Neuntens. Das Amtsgericht würde dem Landgericht gegenüber nach der Zuweisung der Familiensachen weiter aufgewertet; das würde auf die Dauer nicht ohne besoldungsmäßige Auswirkungen denkbar sein.
    Die Erhöhung der Berufungssumme bei erstinstanzlichen Entscheidungen der Landgerichte auf 1000 DM würde die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in bedeutsamen Fällen mangels Berufungsoder Revisionsfähigkeit nicht mehr gewährleisten und für einen nicht unerheblichen Teil der Zivilrechtsstreitigkeiten — gerade des wirtschaftlich schwächeren Teils unserer Bevölkerung durch den Wegfall der Überprüfbarkeit der erstinstanzlichen zivilrichterlichen Entscheidung Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit versagen.
    Die Verdoppelung der Beschwerdesummen in Kostensachen würde wegen der großen Häufigkeit der Beschwerdesachen mit einem Streitwert bis zu 100 DM Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit vermindern und wäre zwecks Erhalt der Einheitlichkeit der Kostenrechtsprechung nur mit der besonderen Zulassung einer weiteren Beschwerde vertretbar.
    In Hausrats- und Wohnungseigentumssachen sollte die Beschwerdesumme der Berufungssumme entsprechen.
    Ich komme zur Schlußbemerkung: Der derzeitige Erkenntnisstand läßt weder eine inflations- noch eine strukturbedingte Notwendigkeit einer Erhöhung der Streitwertgrenze und von Berufungs- oder Beschwerdesummen zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Zivilgerichtsbarkeit erkennen. Das Echo der Fachverbände, also des Richterbundes, des Anwaltsvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer — das letzte habe ich heute früh bekommen —, auf den uns vorliegenden Gesetzentwurf in der Presse vom 12. Januar und in den Fachzeitschriften ist extrem negativ, so negativ, wie es bisher noch nicht erlebt worden ist.
    Die Vorlage bedarf eingehender Beratung im Rechtsausschuß nach tatsächlicher Ergänzung der Beratungsgrundlage. Dabei werden die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion insbesondere darauf Bedacht nehmen, daß eine funktionsfähige Zivilgerichtsbarkeit mit einem ausreichenden Rechtsschutz unserer Bürger gewährleistet bleibt. — Herr Präsident, meine Damen und Herren, vielen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwenk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schwenk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine ausgesprochen
    trockene Materie, mit der wir uns in dieser stillen Stunde zu beschäftigen haben. Vielleicht ist es dem einen oder anderen noch vergönnt, das etwas zu würzen.

    (Clemens [CDU/CSU]: Kleinert kommt noch! — Heiterkeit)

    Aber es müssen auch technische Dinge erledigt werden, wenngleich ich sagen möchte: Es ist nicht nur Technik, sondern ein Stück Rechtspolitik liegt auch hier drin. Das werden wir noch deutlicher herausarbeiten müssen. Mein Vorredner, Herr Buschbom, hat schon auf zahlreiche Ecken und Kanten dieses Entwurfs hingewiesen; wir werden das im Ausschuß gründlich beraten müssen.
    Der Bundesrat hat diese Erhöhung der Wertgrenzen vorgeschlagen, weil er sich als Träger der Zivilgerichtsbarkeit der unteren Instanzen vor einer schwierigen Lage sieht. Es soll also die Streitwertgrenze — ich wiederhole es - von 3 000 auf 6 000 DM erhöht werden. Davon verspricht man sich nun eine wesentliche Entlastung.
    Es ist auch nicht zu bestreiten — das tut auch niemand —, daß die Eingänge bei den Amtsgerichten und bei den Landgerichten gestiegen sind, die Prozeßfreudigkeit zugenommen hat. Das muß man nun nicht unbedingt negativ beurteilen. Der Bürger will sein Recht, und er sucht es bei Gericht zu bekommen. Natürlich gibt es auch Klagen, bei denen es weniger um den Streitgegenstand als um die Prozeßfreudigkeit geht; das hat es nun immer gegeben. Aber es gibt weniger Bürger, die sich wirkliches oder vermeintliches Unrecht gefallen lassen. Dazu trägt natürlich die erhöhte Zahl von Rechtsschutzversicherungen bei; jeder vierte Haushalt soll irgendeine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Das setzt natürlich die Scheu vor einem Prozeß herab. Dazu hat auch die Einführung der Prozeßkostenhilfe beigetragen. Man braucht sich also nicht so leicht zu beugen, sondern kann sich bemühen, sein Recht zu bekommen.
    Nun muß also der Träger der Gerichtsbarkeit etwas tun. Auch wir wollen, daß die ordentliche Gerichtsbarkeit, die das bisher ja gut bewältigt hat, Recht auch in Zukunft in überschaubarer Zeit gewähren kann. Daß das bisher so der Fall war, danken wir dem Fleiß und der Umsicht aller in der Rechtsfindung Beschäftigten. Das wollen wir hier einmal deutlich aussprechen.

    (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

    Es ist schon ein großer Vorteil, daß man bei uns in der Bundesrepublik nicht lange warten muß, um zu wissen, woran man ist.
    Um nun diese zügige Erledigung zahlenmäßig steigender Eingänge zu sichern — die Haushaltsenge ist überall gegeben, auch bei den Ländern der verschiedensten Couleur —, war dann der Gedanke da: Wir setzen die Schwelle höher, und dann geht es flotter; denn bei den Amtsgerichten wird eine Sache nun mal schneller erledigt als bei den Landgerichten. Das liegt allerdings nicht daran, daß die einen



    Dr. Schwenk (Stade)

    flotter arbeiteten als die anderen, sondern das liegt einfach an der Materie.
    Eine Vermehrung der Richterstellen würde bedeuten, daß auch die Zahl der Mitarbeiterstellen erhöht werden müßte; denn der Richter sitzt nun einmal nicht alleine. Was er sich ausgedacht hat, muß auch umgesetzt werden. Dann kämen noch Baulichkeiten oder teure Anmietungen dazu; denn die Gerichte befinden sich meistens im Stadtkern, da ist es nicht ganz billig. — Also dieser Weg ist wohl nicht gangbar.
    Gegen die einfache Umschichtung von Zuständigkeiten von einem Gericht auf das andere mit neuen Berufungsmöglichkeiten, die dann wieder gekappt werden, spricht, daß das zu Folgen führen dürfte, die zum Schluß keiner gewollt hat. Deswegen werden wir uns damit genau befassen müssen.
    Herr Kollege Buschbom hat schon darauf hingewiesen: Der Amtsgerichtsprozeß wird bürgernäher abgewickelt — das liegt auch an dem Stoff, den das Amtsgericht zu verhandeln hat —, während beim Landgericht, im Kollegialgericht, doch oftmals schwierigere Beweisaufnahmen und Sachverständigenanhörungen durchzuführen sind.
    Wenn man nun sagt: „Bis 6 000 DM Streitwert herunter zum Amtsgericht", führt das nicht zur Vereinfachung der Prozesse, sondern der Amtsrichter muß sich dann mit Prozessen und Stoffen herumschlagen, die eigentlich mehr für ein Kollegialgericht geeignet sind. Ich darf hierbei an die sogenannten Spitzenprozesse erinnern, etwa im Bauwesen, wo hinter einem Streitwert von 5 000 DM in Wahrheit ein Streitgegenstand von zehn- bis zwanzigfacher Höhe steht. Ich denke da an Bausachen, wo, wenn ein Garantieprozeß geführt wird, auf einmal ein großer Punkteprozeß herauskommt, und das soll dann in Zukunft der Amtsrichter allein machen. Es würde also eine Wesensänderung durchgeführt werden.

    (Beifall des Abg. Kleinert [FDP])

    Als ich die Sache auf den Tisch bekam, dachte ich: Das machen wir so mit einem Federstrich. Kaum haben wir mit der Beratung angefangen, werden wir schon fertig sein. — Taucht man aber in die Sache ein, wird es vielschichtig. Wir wollen das auch alles machen.
    Umgekehrt wollte der Bundesrat dann, weil er sah, daß auf die Landgerichte mehr Berufungen zukommen könnten, die Sache dadurch wieder vereinfachen, daß er die Berufungssumme erhöhen wollte. Aber es ist nicht so, wie Herr Kollege Clemens jetzt in einer Frage an die Bundesregierung geklärt haben wollte. Er wollte wissen, ob nun in der Tat der Geldwertschwund in der Zeit verdoppelt war. Die Antwort war nicht so ausgefallen, wie sie vielleicht erhofft worden war. Der Bundesrat wollte weitaus höher gehen. Das ist mit Geldwertschwund überhaupt nicht mehr zu erklären.
    Wir gehen also in die Strukturen hinein.
    Wir werden das aber keineswegs einfach so ablehnen, wie in ihrer gemeinsamen Presseerklärung der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltsverein und die Bundesrechtsanwaltskammer das jetzt vorgeschlagen haben. So einfach können wir uns das nun auch wieder nicht machen. Vielleicht ist das auch so gesagt worden, weil die Anhörungen seitens des Bundesrates nicht in dem Maße durchgeführt worden waren, wie es an sich sonst üblich ist.
    Wir werden all das, was von diesen Seiten kommt, ebenfalls in unsere Beratungen einbeziehen und dabei auch die Anliegen der Arbeitsgemeinschaften der Verbraucher keineswegs aus dem Auge lassen, die uns darauf hinweisen, daß mit einer Erhöhung der Berufungssumme gerade die Anliegen des Verbraucherschutzes weggedrückt werden könnten; denn viele dieser Prozesse liegen in diesem Bereich, und auch heute noch ist ein Prozeß über 1 000 DM für Otto Normalverdiener keine Bagatelle.
    Deswegen werden wir uns eher noch Überlegungen zuzuwenden haben, ob etwa ungerechtfertigte, offensichtlich unbegründete Berufungen zurückgewiesen werden können, ohne in der Sache groß behandelt zu werden, damit die wirklich berufungswürdigen Sachen weiter bei einer geringeren Berufungssumme verhandelt werden können. Wir wollen auch dem kleinen Mann den Rechtsschutz nicht verkürzen. Man könnte sogar schlußfolgern — aber bisher hat sich schon gezeigt, daß alle statistischen Aufstellungen da nicht recht greifen —, daß bei dem Vorschlag des Bundesrates am Ende eine Entlastung der Oberlandesgerichte herauskommt und weniger der unteren Instanzen.

    (Gnädinger [SPD]: Es wäre ganz gut, wenn der Bundesrat vertreten wäre!)

    — Ja, eben. Er hat das beantragt, aber niemand ist da — schönen Dank für den Hinweis —, während wir uns hier mit dieser Sache bemühen.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Versäumnisurteil! — Heiterkeit)

    — Jawohl, Herr Kollege Lenz. Nur sind wir in der schwierigen Lage eines Richters, der dann sieht, daß das so nicht erledigt werden kann, sondern daß er in der Sache etwas machen muß. Ich freue mich aber sehr über Ihren Zuruf. Diese trockene Materie, von der ich soeben sprach, ist also durchaus auch einer Auflockerung fähig.
    Wir dürfen dann auch noch an folgendes denken. Wenn wir diese Konzentration durchführen und wenn bei einer Heraufsetzung der Streitwerte der Anwaltzwang bis 6 000 DM entfällt, bedeutet das zwar keineswegs, daß die Anwälte nicht genommen werden, aber daß gerade für jüngere Anwälte der Aufbau einer Praxis erheblich schwieriger würde, was dann dazu führen könnte, daß sich alles noch mehr bei großen Praxen konzentriert und die ständige Erneuerung in der Rechtsanwaltschaft darunter auch etwas leidet. Auch an diesen Gesichtspunkt muß man denken.
    Also schlußendlich: Wir haben reichlich Stoff zur Beratung, werden das gründlich machen, hoffen aber, die Beratung zügig durchführen und das Anliegen der Bundesländer auch zügig mit einem Gesetzesvorschlag beantworten zu können, um weiterhin für den Bürger eine zügige — um dieses Wort noch
    4466 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982
    Dr. Schwenk (Stade)

    .) einmal zu verwenden — Rechtsfindung zu gewährleisten. — Schönen Dank fürs Zuhören.

    (Beifall bei allen Fraktionen)