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ID0907700800

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    Plenarprotokoll 9/77 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 Inhalt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/1222 — Volmer CDU/CSU 4457 B Frau Dr. Hartenstein SPD 4458 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 4460A von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 4461A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit — Drucksache 9/1126 — Buschbom CDU/CSU 4462 A Dr. Schwenk (Stade) SPD 4464 B Kleinert FDP 4466A Dr. de With, Parl. Staatssekretär BMJ . 4467 C Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein (München), Dr. Mertes (Gerolstein), Graf Huyn, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Marx, Köster, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Abelein, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Czaja, Dr. Todenhöfer, Höffkes, Lamers, Frau Fischer, Schmöle, Dr. Kunz (Weiden) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Lage im Libanon — Drucksache 9/1121 Dr. Stercken CDU/CSU 4469 A Dr. Soell SPD 4471 B Schäfer (Mainz) FDP 4472 D Nächste Sitzung 4474 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4475*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4475* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 4457 77. Sitzung Bonn, den 15. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Dr. Bardens * 15. 1. Coppik 15. 1. Cronenberg 15. 1. Daubertshäuser 15. 1. Dr. Dollinger 15. 1. Echternach 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 15. 1. Feinendegen 15. 1. Gansel 15. 1. Frau Geier 15. 1. Dr. Geßner * 15. 1. Dr. Haack 15. 1. Haar 15. 1. Dr. Hackel 15. 1. Handlos 15. 1. Hartmann 15. 1. Dr. Hüsch 15. 1. Jung (Kandel) * 15. 1. Jungmann 15. 1. Kiep 15. 1. Dr. Kreile 15. 1. Liedtke 15. 1. Lorenz 15. 1. Michels 15. 1. Möllemann 15. 1. Müller (Bayreuth) 15. 1. Neuhaus 15. 1. PoB 15. 1. Reddemann * 15. 1. Dr. Riesenhuber 15. 1. Rohde 15. 1. Frau Roitzsch 15. 1. Schmidt (Wattenscheid) 15. 1. Schmöle 15. 1. Dr. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 15.1. Schulte (Unna) * 15. 1. Dr. Solms 15. 1. Stöckl 15. 1. Dr. Vohrer * 15. 1. Dr. Waffenschmidt 15. 1. Dr. Wendig 15. 1. Wissmann 15. 1. Baron von Wrangel 15. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über die 27. Jahreskonferenz der Nordatlantischen Versammlung vom 12. bis 16. Oktober 1981 in München (Drucksache 9/1127) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Bericht über die tatsächlich entstandenen Kosten des Fünften Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (Drucksache 9/1209) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Haushaltsausschuß Bericht über den Mutterschaftsurlaub (Drucksache 9/1210) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Bewertung der Strahlenexposition in der Umgebung von Steinkohlekraftwerken und Vergleich mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke (Drucksache 9/1247) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rolle des Europäischen Parlaments in seinen Beziehungen zum Europäischen Rat (Drucksache 9/1248) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981; hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgabe bei a) Kap. 1112 Tit. 61631 - Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) b) Kap. 1112 Tit. 68101 - Arbeitslosenhilfe c) Kap. 1112 Tit. 68141 - Leistungen für die Teilnahme von Aussiedlern, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen an Deutschlehrgängen (Drucksache 9/1160) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 08 09 Tit. 682 01 - Zuschuß an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein - (Drucksache 9/1174) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1981 bei Kap. 14 12 Tit. 643 01 Ersatzleistungen für Wege- und Straßenschäden - (Drucksache 9/1177) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 27 02 Tit. 642 21 (Förderung des Besuchsreiseverkehrs) (Drucksache 9/1213) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Haushaltsführung 1981 hier: Einwilligung zu einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 11 11 Tit. 643 01 Kosten der Kriegsopferfürsorge (ausgenommen Darlehen) aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes sowie entsprechender Leistungen aufgrund des Häftlingshil- 4476* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Januar 1982 fegesetzes, des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe, für Angehörige von Kriegsgefangenen und des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Drucksache 9/1233) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 32 05 Tit. 575 02 — Zinsen für Bundesschatzbriefe — (Drucksache 9/1234) zuständig: Haushaltsausschuß Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksache 9/1238) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — (Drucksache 9/1239) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/82 — Zollkontingent 1982 für Bananen) (Drucksache 9/1240) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen Aufhebbare Achtzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache 9/1245) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 25. März 1982 vorzulegen
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kommt sich ab sofort wahrscheinlich etwas altmodisch vor, wenn man von hier vorn aus spricht. Aber ich möchte es trotzdem tun und einige wenige Bemerkungen machen. Ich hatte das eigentlich nicht vor, aber da ich der Rede des Kollegen Volmer entnommen habe, daß der Sturz der Bundesregierung kurz bevorstehe, habe ich mir gesagt, es ist vielleicht die letzte Gelegenheit, hier noch einmal in alter Funktion zu sprechen. Die wollte ich jetzt wahrnehmen.

    (Heiterkeit)

    Mir ist, während Sie gesprochen haben, auch eingefallen, was ich sagen könnte. Das möchte ich jetzt tun, Herr Kollege Volmer. Ihre Rede hat einen sachlichen Teil enthalten. Dazu haben die Frau Kollegin Hartenstein und der Kollege Wolfgramm etwas gesagt. Dazu will ich deshalb weiter gar nichts äußern. Dann hat Ihre Rede aber auch einen unsachlichen Teil enthalten. Zu dem möchte ich gerne etwas sagen. Das bietet sich im Rahmen der „letzten" Rede ja geradezu auch an.
    Sie haben den Bundesinnenminister angegriffen.

    (Volmer [CDU/CSU]: Ist das unsachlich?)

    — Das ist natürlich das gute Recht der Opposition, aber Sie haben ihn unsachlich angegriffen. Anders ist es bei Ihnen gar nicht möglich, meine Damen und Herren von der Opposition. — Sie haben gesagt, das sei alles glücklos gewesen.

    (Volmer [CDU/CSU]: Bis auf Menke-Glükkert!)

    Wissen Sie, Herr Kollege Volmer — was ich jetzt
    sage, ist mir durchaus ernst —: So kann man miteinander nicht umgehen, sich nämlich hier hinzustellen und scheinheilig zu sagen, es müsse eine umfassende Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz vorgelegt werden, wenn doch vor gar nicht langer Zeit, am Ende der letzten Legislaturperiode, diese umfassende Novelle maßgeblich durch Ihre Fraktion aufgehalten worden ist. Denn Sie haben mit der Forderung nach der Durchführung eines Hearings dafür gesorgt, daß sie in der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden konnte.
    Man kann doch nicht sagen, der Innenminister habe eine glücklose Hand, weil es Kritik an der TA Luft gibt. Wäre es nicht besser, wenn Sie gesagt hätten: „Wir weisen die Angriffe der Industrie auf den Umweltminister wegen des Entwurfs der TA Luft zurück"? Hätte das dem Umweltschutz nicht vielleicht mehr gedient?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Aber hier in einer nicht ausgesprochenen, aber heimlichen Koalition mit den Gegnern des Umweltschutzes dem einen absprachegemäß die Kritik in der Sache zu übertragen, nämlich der Industrie, und hier im Plenum des Bundestages die hämische Kritik wegen der von anderen vorgebrachten sachlichen Bedenken zu übernehmen, diese Doppelstrategie, um das einmal aufzugreifen, werden wir nicht mitmachen, und die werden auch die Bürger, wie ich meine, durchschauen.
    Um neben Abfallbeseitigungsgesetz und neben TA Luft noch ein drittes Beispiel zu nehmen: Der Bundesinnenminister und ich bekommen im Augenblick mehrfach Briefe von Kollegen aus den Reihen Ihrer Fraktion, wo es darum geht, daß wir aufweichende Ausnahmegenehmigungen nach dem Abwasserabgabengesetz erteilen sollen. So geht es nicht! Hier „glücklose Hand", beklagen, daß nichts passiert sei, und in der Praxis in allen Gebieten kritisieren und blockieren.
    Ich wäre dankbar, wenn Ihre positiven Äußerungen zum Umweltschutz hier nicht verbal blieben, sondern zu einer Unterstützung der Politik des Bundesinnenministers auf dem Gebiet des Umweltschutzes führten. Es gibt in der Tat zahlreiche Initiativen des Bundesinnenministers, den Umweltschutz voranzutreiben, die Sie durchaus unterstützen könnten. Vielleicht ergibt sich das dann in der Zukunft. Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die auf gerufenen Vorschriften sind damit einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten ein in die
dritte Beratung



Vizepräsident Windelen
und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit
— Drucksache 9/1126
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? — Ich stelle dies fest. Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Dies ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Buschbom.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Buschbom


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ihnen in der Drucksache vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit hat der Bundesrat am 9. Oktober 1981 beschlossen und der Bundeskanzler dem Deutschen Bundestag am 3. Dezember mit der Bemerkung zugeleitet, daß der Bundesminister der Justiz federführend sei.
    Nach der vorliegenden Formulierung des Entwurfs und seiner Begründung ist beabsichtigt, erstens in Zivilstreitigkeiten durch eine Erhöhung der Streitwertgrenze von 3 000 auf 6 000 DM sowohl die Zuständigkeit der Amtsgerichte zu erweitern und auf Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 6 000 DM auszudehnen als auch zugleich die Landgerichte wegen verstärkter Eingänge seit 1979 um diese Streitigkeiten zu entlasten, zweitens ebenfalls in Zivilstreitigkeiten durch Erhöhung der Berufungssumme auf 1 000 DM und in Hausratsverfahren und Verfahren in Wohnungseigentumssachen durch Erhöhung der Beschwerdesummen ebenfalls auf 1 000 DM sowie durch Verdoppelung der Beschwerdesummen in Kosten- und Gebührensachen auf 200 DM die Rechtsmittel zu den Landgerichten — so in der Begründung — „auf die Fälle zu beschränken, deren Bedeutung den mit ihnen verbundenen Aufwand rechtfertigt", sowie die Landgerichte und die sonst mit Beschwerden befaßten Gerichte „von Bagatellstreitigkeiten" zu entlasten.
    Außerdem soll ausweislich der Begründung des Entwurfs die Erhöhung der Wertgrenze für erstinstanzliche Streitigkeiten über den bloßen Ausgleich des durch die Preissteigerungsrate bedingten Anstiegs der Zahl der landgerichtlichen Verfahren hinausgehen, um ein ausgewogenes Gesamtgefüge der Zivilgerichtsbarkeit und den sachgerechten Einsatz der nur begrenzt vorhandenen Kapazitäten zu gewährleisten, weil dies einer seit langem erhobenen rechtspolitischen Forderung entspreche, bei der gegenwärtigen Finanzlage der öffentlichen Hand mit einer spürbaren Personalverstärkung der Gerichte nicht gerechnet werden könne und durch die Erhöhung der Streitwertgrenze auf 6 000 DM erreicht werde, daß die Amtsgerichte einen größeren Prozentsatz der zivilen Rechtsstreitigkeiten schneller und mit weniger Aufwand erledigten.
    Nun, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht leugnen, daß mich diese Begründung für diese doch erhebliche Zuständigkeitsänderung und die damit verbundene Rechtsmittelbeschränkung überrascht hat. Zwar bin auch ich der Ansicht, daß die Hauptlast der Rechtsgewährung in Zivilsachen bei den Amtsgerichten liegt, die 80 % ihrer Eingänge in meist noch unmittelbarem Kontakt mit dem rechtsuchenden Bürger innerhalb von vier Monaten erledigen und ihren Aufgaben mit erheblich geringerem Kostenaufwand als die Landgerichte gerecht werden, ohne daß dies nach meinem Eindruck von den Justizverwaltungen immer gebührend gewürdigt würde. Doch in einem Rechtsstaat zählt bei der Wahrung und Gewährung von Recht nicht nur die reine Kosten-Nutzen-Analyse, sondern auch die Qualität der Rechtsprechung und des Rechtsschutzes, die bei den Landgerichten wegen der Rechtsfindung durch das Kollegium von drei Richtern höher eingeschätzt wird.
    Ich konnte mich daher des Eindrucks nicht erwehren, daß bei dem hier vorliegenden Entwurf weniger der Rechtsschutz des Bürgers und die Gediegenheit der Rechtsprechung als vielmehr die Misere der öffentlichen Haushalte und der Personalmangel bei den Gerichten Pate gestanden haben.
    Hört man dann zusätzlich, daß außer dieser geplanten Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsgerichte Alternativen zu zivilen Justizverfahren, Zulassungsberufungen und obligatorische Einzelrichter bei den Landgerichten erörtert werden, und bedenkt man weiter, daß das Landgericht durch die Übertragung der Ehe- und Familiensachen auf das Amtsgericht gerade tüchtig Haare lassen mußte, so wird die Vermutung nicht abwegig, daß mit dem geplanten Gesetz nicht nur das Landgericht entlastet werden soll, sondern auch wohlwollend gebilligt wird, daß sich der bisherige Gerichtsaufbau nicht unerheblich ändert.
    Nun, meine Damen und Herren, ich möchte es nicht bei der Mitteilung meines Eindrucks bewenden lassen. Deshalb zu den Grundsätzen der Vorlage folgendes:
    Seit dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes sind die Grenzen der Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche elfmal und die Berufungssumme für vermögensrechtliche Ansprüche achtmal geändert worden, davon vier- bzw. mindestens zweimal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenn man die Protokolle des Deutschen Bundestages über die beiden letzten Wertgrenzenänderungsgesetze nachliest, stellt man fest, daß vieles von dem, was die ehrenwerten Kollegen Emmerlich, Engelhard, Jahn, Kleinert und de With — vorsichtshalber alphabetisch aufgeführt —, die sich — gewissermaßen als Streitwertveteranen — noch unter uns befin-



    Buschbom
    den, ausgeführt haben, auch heute wieder gesagt werden könnte.
    Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich ganz kurz Herrn Jahn, den damaligen Minister der Justiz, zitieren:
    Gegen die vom Bundesrat angestrebte Lösung sprechen eine Reihe von schwerwiegenden Gesichtspunkten . .. Die Abgrenzung nach dem Streitwert zwischen der Kompetenz des alleinentscheidenden Richters beim Amtsgericht einerseits und des aus drei Richtern bestehenden Kollegiums beim Landgericht andererseits ist seit jeher als problematisch empfunden worden ... Bei einer Anhebung der Wertgrenze auf 3 000 DM müssen sich jedoch die Bedenken gegen eine solche Abgrenzung erheblich verstärken. Ich weise ... darauf hin, daß bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Wertgrenze auch in dem Streitwertbereich zwischen 1 500 und 3 000 DM
    — darum ging es damals —
    künftig 93 Landgerichte letztinstanzlich entscheiden würden.
    Damit würde in einem weiten Bereich gerade der Streitigkeiten des täglichen Lebens mit oft erheblich rechtlicher und sozialer Problematik die Einheitlichkeit der Rechtsprechung außerordentlich gefährdet werden. Vor allem würde diese Abgrenzung auch keine befriedigende Lösung für die Dauer darstellen.
    Zweitens. Große Zweifel habe ich auch, ob der mit dem Entwurf erstrebte Entlastungseffekt im personellen Bereich ... erzielt wird.
    Es würde zwar eine Entlastung
    bei den ... Oberlandesgerichten ... vorübergehend (geben) ..., da jedoch vor allem bei den Landgerichten, die gegenwärtig überlastet sind, kaum Personal freigestellt werden kann, wird der auf die Amtsgerichte zukommende Aufgabenzuwachs zu einer Personalvermehrung bei diesen Gerichten zwingen. Die Amtsrichter sind, jedenfalls in den Ballungsgebieten, völlig ausgelastet. Bei einer Erhöhung der Wertgrenze ... ist eine Überlastung der Amtsrichter und damit die Notwendigkeit des Einsatzes zusätzlichen richterlichen und nichtrichterlichen Personals vorauszusehen. Insgesamt würde die vorgeschlagene Maßnahme also zur Vergrößerung des Personalbestandes führen und damit die Engpässe im personellen Bereich noch verstärken.
    Zum dritten hat Herr Jahn darauf hingewiesen, daß auch noch Gerichtsgebäude gebaut werden müßten. — Ende des Zitates.
    Meine Damen und Herren Kollegen, Sie sehen also, daß das Haus sich nicht zum ersten Male mit gerichtlichen Wertgrenzen befaßt. Für unsere heutigen Erörterungen und die anschließende Untersuchung im Rechtsausschuß erlaube ich mir folgendes festzustellen. Grundsätzlich: Das statistische Zahlenwerk, das in der Begründung der Vorlage mitgeteilt wird, ist unzulänglich und erlaubt keine endgültige Wertung und Stellungnahme. In der alten Drucksache aus dem Jahre 1973 war eine Anlage beigefügt, deren Tatsachenkenntnis für die Willensbildung und Entscheidung erforderlich ist. Ich darf auf diese Anlage verweisen und darauf aufmerksam machen, daß den damaligen Beratungen mehrjährige statistische Angaben über Höhe und Dauer der Verfahren bei den Amts- und Landgerichten und ihr Verhältnis zueinander zugrunde lagen. Da die zu beurteilende Vorlage leider keine derartigen Angaben enthält, bin ich versucht, zu fragen, ob der Bundesrat oder auch der Bundesminister der Justiz etwa angenommen haben, der derzeitige Bundestag enthalte inzwischen so viele Hellseher, daß solche Angaben überflüssig wären. Den weiteren Beratungen sollte daher ausreichendes Tatsachenmaterial zur Verfügung stehen.

    (Zuruf des Abg. Kleinert [FDP])

    — Herr Kleinert, sind Sie Hellseher? Ich auch nicht.
    Durch die Streitwertverdoppelung würde vermutlich mehr als ein Drittel aller erstinstanzlichen Zivilsachen vom Landgericht an das Amtsgericht gelangen. Das hätte zur Folge — jetzt kommen also die Tatsachen —:
    Erstens. Das Landgericht würde erheblich entlastet, verlöre einen maßgeblichen Anteil an Zivilsachen und würde immer mehr zu einem Berufungs-
    und Kriminalgericht. Es würde in seiner Struktur verändert.
    Zweitens. Das Landgericht verlöre einen Teil seiner Beförderungsmöglichkeiten und damit einen Teil der personellen Attraktivität.
    Drittens. Die Qualität des Landgerichts als Richterausbildungs- und -erprobungsgericht in Zivilsachen ginge weitgehend verloren.
    Viertens. Durch die Steigerung der Zahl wirtschaftlich schwierigerer Zivilsachen bei dem Amtsgericht würde die Zahl der Berufungen an das Landgericht anwachsen.
    Fünftens. Für Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert bis 6 000 DM wäre das Landgericht das letzte Rechtsmittelgericht, und damit wäre die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in wichtigen Rechtsgebieten nicht gewährleistet.
    Sechstens. Das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof würden entlastet— jetzt kommt also auch etwas Positives —, da Zivilstreitigkeiten mit einem Streitwert zwischen 3 000 und 6 000 DM nicht mehr obergerichtlich appellationsfähig wären.
    Siebtens. Die Eingänge beim Amtsgericht würden sich um etwa 15 % vermehren. Da diese Vermehrung hauptsächlich durch schwierigere Sachen erfolgen würde, müßte sich die Erledigungsquote des Amtsrichters, der berühmte Pensenschlüssel, von zur Zeit 640 Zivilsachen auf 400 bis 450 Zivilsachen verringern. Das hätte einen um mindestens 30 % erhöhten Richterbedarf zur Folge, der nur aus Proberichtern gedeckt werden könnte, weil Landrichter nicht entbehrlich oder nicht versetzbar wären.



    Buschbom
    Achtens. Die Amtsgerichte sind ausgelastet. Der mit der Anhebung der Streitwertgrenze erhöhte Richterbedarf beim Amtsgericht würde notwendig zu zusätzlichem Bedarf an nichtrichterlichem Personal und Sachmitteln einschließlich Gerichtsraum führen, der bei der derzeitigen Situation nicht zu decken oder nicht zu beschaffen wäre. Jedenfalls läßt sich die Feststellung der Vorlage, es entstünden keine Kosten, nicht aufrechterhalten.
    Neuntens. Das Amtsgericht würde dem Landgericht gegenüber nach der Zuweisung der Familiensachen weiter aufgewertet; das würde auf die Dauer nicht ohne besoldungsmäßige Auswirkungen denkbar sein.
    Die Erhöhung der Berufungssumme bei erstinstanzlichen Entscheidungen der Landgerichte auf 1000 DM würde die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in bedeutsamen Fällen mangels Berufungsoder Revisionsfähigkeit nicht mehr gewährleisten und für einen nicht unerheblichen Teil der Zivilrechtsstreitigkeiten — gerade des wirtschaftlich schwächeren Teils unserer Bevölkerung durch den Wegfall der Überprüfbarkeit der erstinstanzlichen zivilrichterlichen Entscheidung Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit versagen.
    Die Verdoppelung der Beschwerdesummen in Kostensachen würde wegen der großen Häufigkeit der Beschwerdesachen mit einem Streitwert bis zu 100 DM Rechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit vermindern und wäre zwecks Erhalt der Einheitlichkeit der Kostenrechtsprechung nur mit der besonderen Zulassung einer weiteren Beschwerde vertretbar.
    In Hausrats- und Wohnungseigentumssachen sollte die Beschwerdesumme der Berufungssumme entsprechen.
    Ich komme zur Schlußbemerkung: Der derzeitige Erkenntnisstand läßt weder eine inflations- noch eine strukturbedingte Notwendigkeit einer Erhöhung der Streitwertgrenze und von Berufungs- oder Beschwerdesummen zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Zivilgerichtsbarkeit erkennen. Das Echo der Fachverbände, also des Richterbundes, des Anwaltsvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer — das letzte habe ich heute früh bekommen —, auf den uns vorliegenden Gesetzentwurf in der Presse vom 12. Januar und in den Fachzeitschriften ist extrem negativ, so negativ, wie es bisher noch nicht erlebt worden ist.
    Die Vorlage bedarf eingehender Beratung im Rechtsausschuß nach tatsächlicher Ergänzung der Beratungsgrundlage. Dabei werden die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion insbesondere darauf Bedacht nehmen, daß eine funktionsfähige Zivilgerichtsbarkeit mit einem ausreichenden Rechtsschutz unserer Bürger gewährleistet bleibt. — Herr Präsident, meine Damen und Herren, vielen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)