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    Plenarprotokoll 9/76 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 76. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde 4349 A Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritte Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung — Drucksache 9/983 - Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 4361D, 4403C Dr. Riesenhuber CDU/CSU 4366 C Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 4372 A Beckmann FDP 4376 C Dr. Probst CDU/CSU 4379 D Reuschenbach SPD 4382 D Dr.-Ing. Laermann FDP 4386 B Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 4389 A Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT 4392 A Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 4394 B Schäfer (Offenburg) SPD 4396 C Dr. Laufs CDU/CSU 4398 D Dr. Hirsch FDP 4401 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Gespräche des Bundeskanzlers am 5. und 6. Januar 1982 in Washington sowie über aktuelle Fragen der Ost-West-Beziehungen Schmidt, Bundeskanzler 4404 B Dr. Kohl CDU/CSU 4413 B Dr. Ehmke SPD 4422 B Genscher, Bundesminister AA 4428 D Klein (München) CDU/CSU 4433 D Mischnick FDP 4438 B Wischnewski SPD 4442 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Zweites Folgetreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Madrid — bisherige Verwirklichung der Schlußakte in Helsinki — weiterführende Vorschläge zur Schlußakte von Helsinki — Drucksachen 9/803, 9/1251 — . . . . 4445C Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger (Wangen), Schulze (Berlin), Graf Huyn, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Hennig, Lintner, Lowack, Frau Berger (Berlin), Böhm (Melsungen), Sauer (Salzgitter), Dr. Schwarz-Schilling, Kittelmann, Dr. Mertes (Gerolstein), Höffkes, Werner, Dr. Wörner, Clemens, Straßmeir, Schwarz, Schröder (Lüneburg) und der Fraktion der CDU/CSU Presse- und Informationsfreiheit in der DDR — Drucksache 9/1047 — Jäger (Wangen) CDU/CSU 4445 D Dr. Geßner SPD 4448 B Frau Fromm FDP 4450 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 28. April 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten über die Regelung gewisser Fragen betreffend deutsches Vermögen und zur Verteilung von Entschädigungen für deutsches Vermögen in Ägypten und Honduras — Drucksache 9/990 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/1223 — 4452 A Fragestunde — Drucksache 9/1252 vom 8. Januar 1982 — Beteiligung der Bundesregierung an Entscheidungen der USA über Entwicklung, Produktion und Lagerung neuer chemischer Waffen MdlAnfr 41, 42 08.01.82 Drs 09/1252 Hansen fraktionslos Antw StMin Dr. Corterier AA 4349 B, D, 4350 A, B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos . . 4349D, 4350 A, B, C ZusFr Dr. Ehmke SPD 4350 A ZusFr Thüsing SPD 4350 D • Gespräche des Bundesaußenministers mit Regierungsmitgliedern von Militärdiktaturen in den letzten drei Jahren MdlAnfr 44 08.01.82 Drs 09/1252 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 4351 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 4351 B, C ZusFr Thüsing SPD 4351 C Zusage der polnischen Militärregierung bezüglich der Weitergeltung der Offenhalteklausel des Ausreiseprotokolls von 1975 MdlAnfr 45 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . 4351D, 4352 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 4351D, 4352A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 4352 A ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 4352 B Verhandlungen mit der niederländischen Regierung über den Bau des Dollarthafens MdlAnfr 49, 50 08.01.82 Drs 09/1252 Schröder (Wilhelminenhof) CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA 4352 B, C, D, 4353A, B ZusFr Schröder (Wilhelminenhof) CDU/ CSU 4352 C, D, 4353 A ZusFr Ewen SPD 4353 A Beurteilung der amerikanisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen MdlAnfr 51 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 4353 B, C, D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 4353 C, D Förderung der Mutterkuhhaltung MdlAnfr 88, 89 08.01.82 Drs 09/1252 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 4354 A, C, D, 4355A ZusFr Eigen CDU/CSU . . . 4354 B, C ,D, 4355A ZusFr Kirschner SPD 4355A Erforschung des Zusammenhangs zwischen saurem Regen und Tannen- und Fichtensterben MdlAnfr 67 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Laufs CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . . 4355 B, D, 4356 A ZusFr Dr. Laufs CDU/CSU . . . . 4355D, 4356A Einberufung Schwerbehinderter zur Musterung wegen Auskunftsverweigerung der Versorgungsämter MdlAnfr 90, 91 08.01.82 Drs 09/1252 Pauli SPD Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . 4356 B, C, D ZusFr Pauli SPD 4356 C, D Kündigung der Belegung von Kurheimen durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf Grund der Reduzierung von Kuren MdlAnfr 94, 95 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Enders SPD Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . 4357 A, C, D ZusFr Dr. Enders SPD 4357C, D Verbesserung der Arbeitnehmereinkommen der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen angesichts höherer Sozialhilfesätze MdlAnfr 96, 97 08.01.82 Drs 09/1252 Kirschner SPD Antw PStSekr Zander BMJFG 4358 A, B, C, D, 4359 A, B ZusFr Kirschner SPD 4358 B, C, 4359 B ZusFr Heyenn SPD 4358C, D ZusFr Peter (Kassel) SPD 4358 D Struktur und Entwicklung unterschiedlicher Gruppen von Sozialhilfeempfängern MdlAnfr 98, 99 08.01.82 Drs 09/1252 Peter (Kassel) SPD Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 III Antw PStSekr Zander BMJFG . 4359 C, D, 4360 A ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . . 4359C, 4360A Anpassung der Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz an die allgemeine Preisentwicklung MdlAnfr 100, 101 08.01.82 Drs 09/1252 Heyenn SPD Antw PStSekr Zander BMJFG 4360 B, D, 4361A ZusFr Heyenn SPD 4360 C, D, 4361 A Durchführung der gegenseitigen Unterrichtung des Bundes und der Länder über Gerichtsentscheidungen gemäß § 72 des Weingesetzes MdlAnfr 103 08.01.82 Drs 09/1252 Herberholz SPD Antw PStSekr Zander BMJFG . . . 4361 A, C ZusFr Herberholz SPD 4361 B, C Nächste Sitzung 4452 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4453* A Anlage 2 Vorübergehender Erlaß der Gebühren für Pakete nach Polen MdlAnfr 30 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Becker BMP . . . . 4453* B Anlage 3 Aussagen des Bundeskanzlers und des Regierungssprechers Becker über die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen; Erklärungen des Bundeskanzlers und des Regierungssprechers über die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen MdlAnfr 38 08.01.82 Drs 09/1252 Reddemann CDU/CSU MdlAnfr 39, 40 08.01.82 Drs 09/1252 Niegel CDU/CSU SchrAntw StSekr Becker BPA 4453* C Anlage 4 Zustimmung des Zentralbankrats und der Bundesbank zur Verlängerung des zinslosen Überziehungskredits an die DDR MdlAnfr 76, 77 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Voss CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 4454* B Anlage 5 Neuordnung des Kriegsdienstverweigerungsrechts und des Zivildienstes MdlAnfr 102 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . 4454* C Anlage 6 Vorführung der sowjetisch-amerkanischen Fernsehserie „Der unvergessene Krieg" an Schulen MdlAnfr 104, 105 08.01.82 Drs 09/1252 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4454* D Anlage 7 BAföG-Zahlungen an Strafgefangene in Nordrhein-Westfalen MdLAnfr 106, 107 08.01.82 Drs 09/1252 Daweke CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4455* B Anlage 8 Finanzielle Unterstützung der Fernuniversität Hagen MdlAnfr 108 08.01.82 Drs 09/1252 Reddemann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4455* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 4349 76. Sitzung Bonn, den 14. Januar 1982 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Dr. Bardens * 15. 1. Bergerowski 14. 1. Dr. Böhme (Freiburg) 14. 1. Büchner (Speyer) * 14. 1. Echternach 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 15. 1. Feinendegen 15. 1. Frau Geier 15. 1. Dr. Geßner * 15. 1. Haar 15. 1. Dr. Hackel 15. 1. Hauser (Krefeld) 14. 1. Jung (Kandel) * 15. 1. Dr. Kreile 15. 1. Möllemann 15. 1. Müller (Bayreuth) 15. 1. Rawe 14. 1. Reddemann * 15. 1. Rohde 15. 1. Frau Roitzsch 15. 1. Schmidt (Wattenscheid) 15. 1. Schmöle 15. 1. Schulte (Unna) * 15. 1. Dr. Solms 15. 1. Stöckl 15. 1. Dr. Vohrer * 15. 1. Dr. Wendig 15. 1. Dr. Wittmann 14. 1. Baron von Wrangel 15. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Becker auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 30): Ist die Bundesregierung bereit, für eine befristete Zeit angesichts der wirtschaftlichen Notlage der Bevölkerung in Polen und aus humanitären Gründen private Spendenpakete portofrei zu befördern? Der Bundesregierung sind in letzter Zeit vielfältige Anregungen zugegangen, im Postpaketverkehr mit Polen die Beförderungsgebühren zu senken bzw. zu erlassen. Die Klärung dieser Frage erfordert die Lösung schwieriger rechtlicher und postbetrieblicher Probleme. Anlagen zum Stenographischen Bericht In Anbetracht der Versorgungssituation in Polen und der bisher gezeigten Spendenbereitschaft der Bevölkerung unseres Landes prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob und inwieweit der Postpaketverkehr nach diesem Land vorübergehend gebührenmäßig erleichtert werden kann. Sie sieht sich damit in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Außenminister der NATO, humanitäre Maßnahmen für die polnische Bevölkerung auch in Zukunft zu fördern. Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Becker auf die Fragen des Abgeordneten Reddemann (CDU/CSU) und Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 38, 39 und 40): Wie kann die Bundesregierung erklären, daß der Bundeskanzler gemeinsam mit dem Präsidenten der USA seine „Sorge über den Druck, den die Sowjetunion auf die polnischen Bemühungen um eine Erneuerung ausübt", ausdrückt und expressis verbis „auf die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen" hinweist, während der Sprecher der Bundesregierung, Staatssekretär Becker, bislang unwiderrufen als Auffassung des Bundeskanzlers und seiner Bundesminister wörtlich versicherte, „Wir teilen die Auffassung nicht, daß die Sowjetunion als Anstifter für die Verhängung des Kriegsrechts (in Polen) zu betrachten ist"? Warum hat Bundeskanzler Schmidt seinen Regierungssprecher angewiesen, Ende Dezember zu erklären, „Wir teilen die Auffassung nicht, daß die Sowjetunion als Anstifter für die Verhängung des Kriegsrechts (in Polen) zu betrachten ist.", und warum hat nunmehr Bundeskanzler Schmidt in etwa eine Woche später, am 5. Januar, gemeinsam mit Präsident Reagan in dem gemeinsamen Kommuniqué folgendes erklärt, „Beide wiesen auf die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen hin und brachten ihre Sorgen über den schwerwiegenden Druck, den die Sowjetunion auf die polnischen Bemühungen uni eine Erneuerung ausübt, zum Ausdruck. ? Welche Meinung ist nunmehr gültig? Zu Fragen 38 und 39: In der Bundespressekonferenz am 30. Dezember 1981 habe ich zur Lage in Polen und zur Reaktion des Westens auf diese Lage Stellung genommen. Ich habe diese Stellungnahme in 12 Punkten zusammengefaßt, die die abgestimmte Meinung der Bundesregierung darstellten. In Punkt 9 dieser Stellungnahme hieß es: „Wir stehen mit der amerikanischen Regierung wie auch mit den anderen Verbündeten und Partnern der Europäischen Gemeinschaft in engem Kontakt. In den Konsultationen sind natürlich auch unterschiedliche Bewertungen der Vorgänge zur Sprache gekommen. Wir sind uns aber alle darin einig, daß ein endgültig gesichertes Urteil über diese Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich ist." In Beantwortung der Frage eines Journalisten zu diesem Punkt habe ich selbst die von mir als theoretisch qualifizierte Frage gestellt, ob die Sowjetunion gewissermaßen als Anstifter der Verhängung des Kriegszustandes in Polen zu betrachten ist, und ge- 4454* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 sagt, daß wir diese Auffassung nicht teilen. Ich habe diese Fragestellung als theoretisch bezeichnet, weil die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen sich nicht danach bestimmt, wer den letzten Anstoß für die Anordnung des Kriegszustandes in Polen gegeben hat. Es war jedenfalls nicht meine Absicht, mit diesen Ausführungen die Sowjetunion von der Verantwortung für die Verhängung des Kriegszustandes in Polen freizusprechen. Im Gegenteil, ich habe in der Pressekonferenz am 30. Dezember 1981 mehrfach den Brief des Bundeskanzlers an Generalsekretär Breschnew vom 26. Dezember 1981 erwähnt, in dem die Gesamtverantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen angesprochen war. Ich bedauere es, daß meine Antwort von einigen Medien, vor allem im Ausland, fehlinterpretiert wurde. Zu Frage 40: Die Haltung der Bundesregierung zur Frage der sowjetischen Verantwortung für die Ereignisse in Polen ergibt sich aus dem Schlußkommuniqué der Sitzung der Außenminister der 10 EG-Staaten vom 4. Januar 1982, der gemeinsamen Erklärung über die Gespräche des Bundeskanzlers mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vom 5. Januar 1982 und der von der Sondertagung des Nordatlantikrats auf Ministerebene am 11. Januar 1982 verabschiedeten Erklärung zu den Ereignissen in Polen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Voss (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 76 und 77): Ist für die weitere Gewährung des zinslosen Überziehungskredits an die „DDR" in Höhe von 850 Millionen DM bis zum 30. Juni 1982, die anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in der „DDR" erfolgte, die Zustimmung des Zentralbankrats sowie der Deutschen Bundesbank eingeholt worden, und welche Einlassung ist von dort gegeben worden? Welche ökonomischen, kommerziellen und politischen Gründe sprechen für die jetzige und eventuelle weitere Verlängerungen des zinslosen Überziehungskredits? Zu Frage 76: Die Verlängerung der Swing-Regelung um 6 Monate bis zum 30. Juni 1982 erfolgte in Absprache mit dem Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank. Wegen der Vertraulichkeit der Sitzungen des Zentralbankrates bitte ich um Verständnis, daß ich auf weitere Einzelheiten nicht eingehen kann. Zu Frage 77: Für den Swing gibt es bedeutsame ökonomische, kommerzielle und politische Gründe. Die mit der DDR zu vereinbarende künftige Swing-Regelung gehört insbesondere in den politischen Gesamtzusammenhang der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik. An diesem Gesamtzusammenhang hat und wird sich die Verhandlungsposition der Bundesregierung orientieren. Ich bitte um Verständnis dafür, daß es mit Rücksicht auf die Verhandlungsposition vor Verhandlungen mit der DDR nicht hilfreich wäre, hier die Gründe für den Swing und seine künftige Ausgestaltung im einzelnen zu erörtern. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 102): Warum hat die Bundesregierung ihre mir in der Fragestunde vom 24. Juni 1981 gegebene Zusage, den parlamentarischen Gremien noch im Jahr 1981 einen Regierungsentwurf zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes zuzuleiten, nicht eingehalten, und warum braucht die Bundesregierung vier Jahre, um endlich die Konsequenzen aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen und damit ihrer Ankündigung in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu entsprechen? Die Antwort in der Fragestunde vom 24. Juni 1981, auf die Sie sich berufen, entsprach dem damaligen Sach- und Meinungsstand. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. April 1978 gibt es Bemühungen um eine interfraktionelle Lösung. Zunächst haben alle drei Fraktionen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf erarbeitet, zu dem die Bundesregierung Formulierungshilfe geleistet hat. Zu einer gemeinsamen Einbringung kam es leider nicht, weil die CDU/CSU-Fraktion sich dazu entschloß, den gemeinsam erarbeiteten Entwurf mit Abweichungen in einigen wichtigen Punkten einzubringen. Beide Entwürfe scheiterten kurz vor Ende der 8. Legislaturperiode. Inzwischen ist die interfraktionelle Diskussion fortgeführt worden. In einem interfraktionellen Gespräch am 1. Dezember 1981 im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit haben Vertreter aller drei Bundestagsfraktionen darin übereingestimmt, daß eine gemeinsame Regelung angestrebt werden soll. Dabei wurde in Aussicht genommen, bis zur Sommerpause 1982 die interne Meinungsbildung abzuschließen und noch im Laufe des Jahres einen Gesetzentwurf einzubringen. Angesichts des Standes der Diskussion im Parlament konnte die Bundesregierung davon absehen, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 104 und 105): Trifft es zu, daß der Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft empfohlen hat, die 15teilige sowjetisch-amerikanische Fernsehserie „Der unvergessene Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 4455" Krieg" an Schulen vorzuführen, und heißt das, daß er sie für geeignet hält, die Enkel der Kriegsgeneration ein so schwerwiegendes Stück Zeitgeschichte nacherleben zu lassen? Billigt die Bundesregierung gegebenenfalls die Empfehlung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, und wenn ja, bedeutet dies, daß sie den Film, der erwiesenermaßen keinen Anspruch auf Objektivität erheben kann, für geeignet hält, der jungen Generation wieder ein ungebrochenes Verhältnis zur deutschen Geschichte zu vermitteln und die bedrohlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Generationen beheben zu helfen? Zu Frage 104: In seinem Kommentar im Funkreport vom 15. September 1981 hat Staatssekretär Dr. Granzow zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Fernsehserie und zu einer breiten Diskussion über die dort dargestellten Schrecken des Krieges, die Leiden und Opfer, vor allem auch der sowjetischen Bevölkerung aufgefordert. Insofern stimmt Dr. Granzow mit dem Niedersächsischen Kultusminister Dr. Remmers überein, der eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Filmmaterial in den Schulen angeregt hat. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, daß die Fernsehserie einen Beitrag zum Nacherleben eines schwerwiegenden Stückes Zeitgeschichte darstellt. Zu Frage 105: Die Bundesregierung hält es für richtig, daß Jugendliche und Erwachsene sich mit dieser Serie auseinandersetzen. Zweifellos hat die Fernsehreihe dokumentarische Schwächen; Fehleinschätzungen geschichtlicher Fakten sind nicht zu übersehen. Dennoch leistet diese Dokumentation einen Beitrag dazu, der Jugend ein tieferes Verständnis der Schrecken des Krieges zu übermitteln. Notwendige Voraussetzung ist, daß diese Filmdokumente durch sachkundige Erläuterungen begleitet und mit den Jugendlichen diskutiert werden. Eben dazu hat Staatssekretär Granzow aufgefordert. Diesem Zweck dienen auch die mediendidaktischen Handreichungen zu dieser Sendereihe, die für Kursleiter in der Erwachsenenbildung entwickelt wurden. Im übrigen kann es nicht alleiniges Ziel des Geschichtsunterrichts sein, ein „ungebrochenes" Verhältnis zur deutschen Geschichte zu vermitteln; gerade im Hinblick auf die jüngste Zeitgeschichte kommt es eher auf eine möglichst differenzierte Betrachtung des Geschehens und der handelnden Personen an. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen des Abgeordneten Daweke (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 106 und 107): Sind der Bundesregierung Presseberichte bekannt, wonach Strafgefangene in Nordrhein-Westfalen BAföG-Zahlungen erhalten, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang? Sieht die Bundesregierung bei der Zahlung von BAföG-Geldern n Strafgefangene den Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn Gefangene bis zu 161 DM BAföG beziehen, was dem monatlichen Arbeitsentgeld eines acht Stunden täglich arbeitenden Gefangenen entspricht? Zu Frage 106: Ja, entsprechende Presseberichte sind der Bundesregierung bekannt: Viele Strafgefangene durchlaufen während der Haftzeit Schul- oder Berufsausbildungen. Soweit es sich dabei um Ausbildungen handelt, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig sind, werden Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich auch an Strafgefangene gewährt. Die Höhe der Ausbildungsförderung richtet sich nach den in §§ 12, 13 BAföG genannten Bedarfssätzen, von denen allerdings die Kosten für Unterbringung und Verpflegung abgezogen werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung erscheint eine finanzielle Förderung für Strafgefangene in der Ausbildung sinnvoll. Zu Frage 107: Nein, die Bundesregierung sieht den Gleichheitsgrundsatz nicht als verletzt an. Mit dem Arbeitsentgelt wird für die Arbeitsleistung eines Strafgefangenen nach den im Strafvollzug geltenden Grundsätzen bezahlt. Wenn Gefangene eine im Sinne der §§ 2, 3 BAföG förderungsfähige Ausbildung absolvieren, haben sie (sofern die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden) Anspruch auf Ausbildungsförderung, die auch etwaige Ausbildungskosten mit abdeckt. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Frage des Abgeordneten Reddemann (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 108): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der mittlerweile auf 36 639 Studenten angewachsenen Fern-Universität Hagen finanzielle Unterstützung zur Erfüllung ihrer bundesweiten Aufgaben zu geben? Die Möglichkeiten der Bundesregierung, eine Hochschule eines Landes in ihrer Arbeit zu fördern, sind durch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eng begrenzt. Die Bundesregierung hat unter weitgehender Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten der Fernuniversität bis einschließlich 1981 über die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau Investitionsmittel in Höhe von etwa 27 Millionen DM, für Modellversuche etwa 9,9 Millionen DM und für Vorhaben der Bildungsforschung etwa 530 000 DM zur Verfügung gestellt. Auch für die kommenden Jahre sind für Modellversuche und Forschungsvorhaben Mittel für laufende und neue Vorhaben geplant. Ihre Höhe ist noch nicht absehbar, solange konkrete Anträge des Landes nicht vorliegen. Welche Investitionsvorhaben nach dem Hochschulförderungsgesetz in den kommenden Jahren mitfinanziert werden können, läßt sich erst nach Abschluß der Beratungen im Wissenschaftsrat und im Planungsausschuß für den Hochschulbau über die weitere Ausbauplanung absehen. Die entsprechenden Beschlüsse sollen bis Ende März gefaßt werden.
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    Rede von Hans Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube zu wissen, daß dem Bundesaußenminister besonders viel daran gelegen ist, heute ein hohes Maß an Gemeinsamkeit in dieser Debatte zu erreichen. Abgesehen davon, daß die Regierung immer in Augenblicken der eigenen Bedrängnis Gemeinsamkeiten beschwört, ist es für den Außenminister natürlich legitim, in einer so schwerwiegenden Frage eine möglichst breite Basis zu erhalten.
    Herr Bundesaußenminister, was die Sache anbetrifft, für die Sie Gemeinsamkeit erstreben, versichere ich Ihnen: Die CDU/CSU-Fraktion ist in bezug



    Klein (München)

    auf Beschlüsse unseres Bündnisses mit Sicherheit von niemandem übertreffbar, was ihre Zuverlässigkeit angeht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Freilich, der Bundeskanzler hat dem Bundesaußenminister einen polemischen Strich durch die Debattenrechnung gemacht. Nun machen wir unsere politische Haltung in einer solchen Frage nicht vom Auftreten des Herrn Bundeskanzlers hier abhängig. Lassen Sie mich gleichwohl noch ein paar Bemerkungen zum Thema Gemeinsamkeit anfügen. Ein Kollege dieses Hohen Hauses hat mir vorhin erzählt, daß die CDU in Mainz versucht habe, mit der SPD und mit der FDP am 22. Dezember 1981 einen gemeinsamen Schweigemarsch „Solidarität mit dem polnischen Volk" zu veranstalten. Die Vorsitzenden der beiden Koalitonsparteien haben zugesagt und am nächsten Tag abgesagt, weil ihre Basis das nicht mitmachte.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Das ist die Wirklichkeit! — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Da ist die Basis schon ziemlich verdorben! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Jetzt weiß ich auch, warum der Herr Schäfer vorhin so geschrien hat!)

    Der wackere Kollege Ehmke ist leider (Zuruf von der CDU/CSU: Verschwunden!)

    im Moment nicht da; ich vermute, er hat dringende

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bedürfnisse!) anderweitige Verpflichtungen.


    (Zuruf von der SPD: Sie haben sehr recht!)

    Aber ein paar Sätze zu seinem Auftritt werden Sie mir schon erlauben. Ich hätte ihm das gerne in seiner Gegenwart gesagt.
    Was seinen polemischen Pflichtteil betrifft, war er schon besser. Bei seiner sicheren Witterung für öffentliche Wirkung hat er immer die Namen verwechselt; er hat immer „Kohl" gesagt, wo er eigentlich „Schmidt" hätte sagen müssen.
    Trotzdem verdanken wir ihm in dem Teil, den der Herr Bundesaußenminister als einen bemerkenswerten analytischen Beitrag bezeichnet hat — man sollte hier dem Wort „analytisch" das Wörtchen „selbst" voranstellen: in einem bemerkenswerten selbstanalytischen Beitrag —, doch einige Enthüllungen, beispielsweise den Hinweis darauf, die Entspannungspolitik sei ein Kind des Mauerbaus.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: In der Tat sehr verblüffend!)

    Die Väter heißen infolgedessen Ulbricht und Chruschtschow.
    Er hat auch vom Frieden und vom Wohlstand im Ostblock gesprochen. Das Wort „Freiheit" kam in der „bemerkenswerten Analyse" nicht vor.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Herr Bundeskanzler hat uns vor der Gefahr gewarnt, aus der Krise des kommunistischen Systems eine Krise der Allianz herbeizureden.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das waren ja wohl nicht wir!)

    Doch die Bundesregierung selbst und prominente Vertreter der sie tragenden Parteien

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

    haben die Krise des Bündnisses durch allzuviel Bedachtnahme auf die Sowjetunion

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Durch Beflissenheit!)

    und das polnische Militärregime herbeigesäuselt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch nie in der Geschichte dieses Staates hat eine Bundesregierung weltweit, insbesondere aber bei den eigenen Verbündeten so viel Mißtrauen geweckt und antideutsche Emotionen mobilisiert wie die Ihre, Herr Bundeskanzler, in den Wochen seit der von Moskau erzwungenen kommunistischen Selbstbesetzung Polens.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Dieser Tatbestand kann beschönigt, aber nicht geleugnet werden. Er läßt sich nicht mit verkürzt wiedergegebenen Tonbandinterviews oder mit journalistischer Voreingenommenheit erklären.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben versucht, dieses international ziemlich einheitliche Meinungsbild zur „Kritik in einigen Medien" herunterzuspielen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Und zu sagen, wir seien schuld!)

    Aber die Wechselbeziehung zwischen öffentlicher Meinung und politischer Willensbildung gerade in einem demokratischen Staat wie den USA ist Ihnen doch nicht unbekannt. Schließlich gar die Verantwortung dafür der Opposition, die die Dinge bei ihren wahren Namen nennt, zuschieben zu wollen Herr Bundeskanzler, ich glaube nicht, daß Sie das ernsthaft meinen können.
    Lassen Sie mich deshalb von vornherein klarstellen: Wenn die Opposition erklärt, daß der deutsche Bundeskanzler keine wie auch immer umschriebene schiedsrichternde Mittlerfunktion zwischen Moskau und Washington einzunehmen hat, so beeinträchtigt dies nicht die deutsche Position im westlichen Bündnis.
    Wenn die Opposition feststellt, daß die zuvorderst in deutschem Interesse liegende Solidarität mit den USA durch konkrete Politik und unbezweifelbare Bündnistreue bewiesen werden muß, beeinträchtigt dies nicht die deutsche Position im westlichen Bündnis.
    Wenn die Opposition feststellt, daß Mitglieder der Regierungsmehrheit gegenüber den eigenen Verbündeten mit weit härterer Kritik als gegenüber Moskau auftreten, dann gefährdet auch dies nicht die deutsche Position im westlichen Bündnis. Im Gegenteil!



    Klein (München)

    Die Union, stärkste Fraktion in diesem Haus, Regierungspartei in der Mehrheit der deutschen Bundesländer und geschlossenste politische Kraft dieser Republik, signalisiert damit vielmehr den Vereinigten Staaten und unseren europäischen Bündnispartnern, was die Mehrheit der Menschen hierzulande wirklich empfindet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da werden in unserem Nachbarland Polen, dessen historisches Schicksal seit einem Jahrtausend mit unserem verbunden ist, bei Nacht und Nebel die kleinen, in den letzten eineinhalb Jahren mühsam erkämpften Menschen- und Bürgerrechte abgeschafft, politische Widersacher der Kommunisten erschossen, Zehntausende in Gulags gesperrt, Kriegsrecht verhängt — und der Herr Bundeskanzler schreibt zwei Briefe. Niemand auf der Welt und erst recht kein erfahrener Politiker, Herr Bundeskanzler, kann ernsthaft annehmen, daß zu diesem Zeitpunkt die Herren Breschnew und Jaruzelski davon irgendwie beeindruckt gewesen wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Entschließung des Deutschen Bundestages zu den polnischen Vorgängen, die der Bundeskanzler in Washington wie eine Standarte vor sich hergetragen hat, ist zwar bei einer Enthaltung, wenn ich mich recht entsinne, einstimmig von allen Fraktionen angenommen worden. Sie kam aber — das muß hier einmal festgehalten werden — auf Initiative und auf der Gundlage eines Papiers der CDU/CSU-Fraktion zustande.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie enthält die drei Kardinalforderungen, die sich inzwischen in allen wichtigeren Erklärungen des Westens wiederfinden: Freilassung aller Inhaftierten, Wiederherstellung des Reformkurses und Wiederaufnahme des Dialogs mit den reformwilligen und patriotischen Kräften des polnischen Volkes.
    Meine Damen und Herren, diese Debatte soll keine künstlichen Frontstellungen schaffen. Sie soll der Wahrheit und der Klarheit dienen. Um ihretwillen lassen Sie micht nüchtern konstatieren, wo der Unterschied zwischen Regierung und Opposition in der politischen Antwort auf die Vorgänge in Polen liegt. In dem Entschließungsantrag von SPD und FDP wird — über das parlamentarische Rollenverständnis der Mehrheit dieses Hauses habe ich nicht zu urteilen — die Bundesregierung für alles, was sie in den letzten Wochen getan und damit implizit auch unterlassen hat, gelobt. Sehr pauschal werden die diversen Erklärungen der EG-Außenminister, von Bundeskanzler und US-Präsident und der NATO begrüßt. Ausdrücklich bekräftigt wird die Fortsetzung der humanitären Hilfe an das polnische Volk, und hervorgehoben wird die Ankündigung verstärkter Wirtschafts- und Finanzhilfen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Was ist daran verkehrt? Ist das nicht sehr gut?)

    Ich weiß, meine Damen und Herren, Herr Kollege
    Voigt, daß das Thema wirtschaftlicher Gegenmaß-
    nahmen, insbesondere auch gegenüber der Sowjet-
    union als Urheber der Vorgänge in Polen, vielen Kollegen in der SPD und manchen in der FDP so unangenehm ist, daß es in dem Antrag nicht erwähnt wird.

    (Zuruf von der SPD: Weil es dumm ist! — Graf Huyn [CDU/CSU]: Das ist das Entscheidende!)

    Wer liest draußen schon den Text der NATO-Erklärung genau nach, von dem man sich, Herr Kollege Voigt, im richtigen Zeitpunkt dann auch noch distanzieren kann?
    Ich halte es für mißverstandene Außenpolitik, in Kategorien von Belohnung und Bestrafung zu denken. Es geht in der Außenpolitik ausschließlich um die Geltendmachung von Interessen. Auch in diesem Fall müssen wir uns schlicht fragen: Was dient — vor allem auch längerfristig — deutschen Interessen, westlichen Interessen und den Interessen des um seine Freiheit ringenden polnischen Volkes?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gewährung und Zusage von Krediten ebenso wie der Abschluß von Außenhandelsgeschäften mit der Volksrepublik Polen sind uns in den letzten anderthalb Jahren doch stets mit dem Hinweis schmackhaft gemacht worden, daß dadurch der Reformkurs abgesichert werden soll.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist ja auch richtig!)

    Das war die offizielle Geschäftsgrundlage. Ist diese Grundlage entfallen, Herr Kollege Voigt, dann ist der Grundsatz „Pacta sunt servanda" von der Gegenseite verletzt worden. Wer seine Einhaltung gleichwohl jetzt von uns erzwingen will und deshalb wirtschaftlichen Sanktionen, wie Sie, Herr Kollege, das mit dem Einwurf getan haben, das sei Dummheit, widerrät, der ermutigt das kommunistische System geradezu, seinen menschenverachtenden Kurs fortzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Doch genau das, meine Damen und Herren, widerspricht deutschen, westlichen und polnischen Interessen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber hier gerät die Regierungsmehrheit mit sich selbst in Konflikt. Denn sie will doch unter allen Umständen beweisen, daß ihre Art von Entspannungspolitik erfolgreich gewesen sei,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der eigentliche Grund!)

    trotz Afghanistan, was ja für den Herrn Bundeskanzler heute offenbar nur noch ein anonymer Staat in Westasien ist

    (Urbaniak [SPD]: Unerhört! Er hat es doch klar angesprochen!)

    — dann haben sie nicht zugehört, Herr Kollege —,

    (Zuruf von der SPD: Sie nicht!)

    trotz Erhöhung der Zwangsumtauschrate, trotz brutaler Drosselung der Zahl der deutschen Aussiedler aus Osteuropa, trotz Polen.
    4436 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 14. Januar 1982
    Klein (München)

    Herr Kollege Ehmke hat eben in einer Weise das
    Wort „Entspannungspolitik" in diese Debatte einzuführen versucht — ich glaube, er hat es einige hundert Male gebraucht —, von der ich nicht weiß, meine Damen und Herren, ob ich sie grotesk oder gespenstisch finden soll. Denken wir doch einmal daran, wie es in den Ohren von Polen klingen muß, wenn jemand hier auf diesem Rostrum einen Verteidigungsritt für jene Form der Entspannungspolitik unternimmt, die genau zu solchen Ergebnissen geführt hat, wie wir sie vor uns haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber damit das klar ist: Nur sehr einschichtige Polemiker haben den — inzwischen freilich auf der ganzen Breite mißglückten — Versuch unternommen, die Interpretation der Entspannungspolitik durch die Unionsparteien in Feindseligkeit gegenüber der Sowjetunion, in Kalten Krieg oder, Herr Bundeskanzler, in Friedensunfähigkeit umzufälschen.
    CDU und CSU haben sich lediglich erlaubt, die sowjetische Politik realistischer einzuschätzen. Heißt Entspannung für den Westen Menschenrechte und Gleichgewicht, so hieß sie für Moskau zu jedem Zeitpunkt Unterdrückung und Übergewicht.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wir haben uns — der tragische Ablauf der jüngsten
    Geschichte hat uns leider immer wieder bestätigt —
    von Anfang an in der Einschätzung der Sowjetunion
    ) einfach einer größeren Nüchternheit befleißigt als beispielsweise Willy Brandt oder seinerzeit Franklin Delano Roosevelt.
    Dieser nüchternen Einschätzung entspringt auch die Feststellung, daß für die Bundesrepublik Deutschland wie für den gesamten freien Westen kein Anlaß besteht, sich so zu verhalten, als säße Moskau grundsätzlich am längeren Hebelarm. Die Wirtschaftslage in sämtlichen kommunistischen Staaten jenseits des Eisernen Vorhangs ist verheerend. Der Drang nach wenigstens bescheidenen bürgerlichen Freiheiten wächst. Der Ruf nach nationaler Unabhängigkeit in den Ländern Osteuropas und nach autonomen Nationalitätenrechten in der UdSSR kann, wie das Beispiel Polen zeigt, nur mit brutaler Gewalt unterdrückt werden. Und selbst nach Jahrzehnten staatlicher Atheismuspropaganda sind die christliche Religiosität der Slawen in Osteuropa und die islamische Religiosität der orientalischen Völkerschaften in der UdSSR ungebrochen. Das weltweite Versagen des Kommunismus, der den Menschen Freiheit raubt und Brot vorenthält, gibt seine Anhänger und Fürsprecher in der westlichen Welt der Lächerlichkeit preis.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die gigantischen inneren Schwierigkeiten der sowjetischen Gerontokratie spiegeln auch die länger werdenden Eingreiffristen. Den Volksaufstand 1953 in Mitteldeutschland haben die Sowjets in wenigen Tagen niedergewalzt. Die Erhebung in Ungarn schlugen sie erst nach einigen Wochen nieder. Der Prager Frühling 1968, dieser treuherzig-sympathische Versuch, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu errichten, währte Monate.

    (Gansel [SPD]: Was ist an dieser Tragödie treuherzig? Ist es nicht etwas makaber, das treuherzig zu nennen?)

    — Ich fürchte: nein, Herr Kollege Gansel. Die Art und Weise, wie die Sowjetunion darauf reagiert hat, hat die Treuherzigkeit ja geradezu unterstrichen. Den Einmarsch damals unternahmen die Sowjets bereits gemeinsam mit anderen Warschauer-Pakt-Staaten, darunter schändlicherweise die DDR. Und in Polen lebte die wohl kühnste Freiheitsbewegung unserer Zeit ohne Eingriff über ein Jahr. Für ihre Vernichtung hat sich der Kreml jetzt eine besonders heimtückische Methode ausgedacht. Wie in den schlimmsten Tagen stalinistischer Säuberungswellen läßt er mit Massenverhaftungen, Terror, Mord, Mord auch an den Seelen der Menschen, gegen die vorgehen, die nur das wollen, was Moskau so oft in völkerrechtlich verbindlichen Dokumenten unterschrieben hat, wofür seine Waffenlieferungen nach Afrika, Asien und Lateinamerika angeblich bestimmt sind

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Angeblich!)

    und was dem Wortlaut nach sogar in den meisten kommunistischen Verfassungen steht.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Verfassung und Verfassungswirklichkeit!)

    Nach neuesten, sehr zuverlässigen Informationen liegt gegenwärtig die Zahl der sowjetischen Soldaten in polnischen Uniformen, die wohlgemerkt nicht den sowjetischen Stationierungstruppen angehören, bei 80 000.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Die Kontrolle der Sowjets über Armee und Miliz gilt bereits als nahezu perfekt. Stehen irgendwo mehr als vier Uniformierte beisammen, rechnet die polnische Bevölkerung realistischerweise damit, daß einer von ihnen ein Sowjetsoldat ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: In polnischer Uniform!)

    Unmittelbar nach dem 13. Dezember wurden die meisten militärischen Führungspositionen, oft hinunter bis zum Zugführer, neu besetzt. Zwischen den regulären polnischen Streitkräften und der kommunistisch beherrschten Miliz findet ein ständiger Personalaustausch statt. Aber die polnische Zivilbevölkerung — das ist eine bittere Ironie marxistischer Wirtschaftswirklichkeit — hat das Merkmal für die Unterscheidung zwischen echten und vorgeblichen Soldaten rasch herausgefunden. Die als Armeeangehörige verkleideten Milizionäre tragen mangels neuen Schuhwerks meist immer noch ihre schwarzen Milizstiefel, die Armee dagegen trägt braune.
    Bei ihren Einsätzen zur Disziplinierung der Bevölkerung schlagen die Milizionäre mit langen, eisenbewehrten Stöcken den Menschen auf Beine und Füße. Nach Aussage eines Arztes standen sie in Kattowitz offenkundig unter Drogeneinfluß und schlugen besonders erbarmungslos zu. Wie dialektisch



    Klein (München)

    Beweggründe und Verhalten des polnischen Militärregimes von Herrn Rakowski in Bonn auch interpretiert wurden und zu welch abenteuerlich naivem Urteil das den Herrn Bundeskanzler verführt haben mag: In den Augen der polnischen Bevölkerung gilt General Jaruzelski im doppelten Wortsinn als Kommissar der Sowjetunion.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Polen — betroffene, hungernde — haben uns wissen lassen, ja angefleht, westliche Hilfe um Gottes willen nicht an die gegenwärtige polnische Regierung zu leisten oder auch nur über sie zu leiten.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das sollte die Bundesregierung endlich zur Kenntnis nehmen! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist sehr wichtig!)

    Nach ihrer Darstellung fahren täglich Eisenbahnzüge voll Kohle und Getreide in Richtung UdSSR.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Anderen — ich erkläre ausdrücklich: weniger zuverlässigen — Informationen zufolge sollen auch Lebensmittelgeschenksendungen aus dem Westen in sowjetische Kanäle verschwunden sein.
    Die Bundesregierung muß, gegebenenfalls gemeinsam mit den EG-Partnern, einen wirksamen Kontrollmechanismus für die Verteilung humanitärer Hilfe, einschließlich Lebensmittel, einrichten. Wir wollen den Menschen helfen und nicht das System stabilisieren, das die Menschen unterdrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hätte die Bundesregierung diesen Grundsatz in der Vergangenheit strenger beachtet, dafür gesorgt, daß pauschal geleistete Rentennachzahlungen auch in die Hände der Betroffenen gelangen,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    daß die in der KSZE-Schlußakte vereinbarten Menschenrechte auch den Deutschen in Polen gewährt werden,

    (Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    daß Wirtschaftskredite nicht — auch nicht teilweise — zur Etatstützung verschwinden, wäre manche Entwicklung vielleicht anders verlaufen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    auch was unsere Glaubwürdigkeit im westlichen Bündnis betrifft.
    Der Herr Bundeskanzler fühlt sich von einer Welle der Ablehnung beschwert. Wer die internationale Presse verfolgt hat, weiß, daß es teilweise eine Welle des Hasses ist, der die Haltung der Bundesregierung in der öffentlichen Meinung vieler unserer Verbündeter begegnet. Aber die latenten Neutralismustendenzen innerhalb der SPD, die vom Bundeskanzler selbst immer wieder eingenommene Pose des Ost-West-Dolmetschers,

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    auch die überwiegend gegen den Westen gerichtete
    und von manchem namhaften Sozialdemokraten unterstützte sogenannte Friedensbewegung — von der übrigens seit dem 13. Dezember vorigen Jahres so gut wie nichts mehr zu hören ist —,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    haben die Nerven unserer westlichen Partner strapaziert.
    Da aber nicht nur West-Berlins Freiheit von Amerika, Frankreich und Großbritannien gewährleistet wird, sondern die Existenz unseres Staates, unserer Freiheit von einem intakten Bündnis abhängt, muß diese Entwicklung uns alle beschweren. Deshalb ist es an der Bundesregierung, ihre Ursachen auszuräumen.
    Niemand hätte Sie daran gehindert, Herr Bundeskanzler, heute diesem Hohen Hause und damit der internationalen Öffentlichkeit ein Konzept — und wäre es nur in Form eines Katalogs von Zielvorstellungen gewesen — dafür vorzulegen, wie die Bundesregierung den Punkt 16 der gemeinsamen Erklärung der NATO-Außenminister zu verwirklichen gedenkt. Darin heißt es, daß die Bündnispartner auch die längerfristigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West überdenken werden, insbesodere im Energiebereich, bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und anderen Gütern und beim Technologie-Export, und zwar im Licht der veränderten Situation und der Notwendigkeit, ihre Wettbewerbsposition auf dem Gebiet der militärischen und technologischen Fähigkeiten zu schützen.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Erdgas-RöhrenGeschäft!)

    Diese Chance, unseren Partnern Solidarität zu signalisieren, hat der Bundeskanzler heute nicht genutzt. Es wird erlaubt sein, zu fragen: Mit Rücksicht auf wen? Sicher nicht auf die USA, denen er ja Presseberichten zufolge — im kleinen Plauderkreis, versteht sich — vorgerechnet hat, daß sie mit Einstellung ihrer Getreidelieferungen mehr bewirken könnten als wir mit dem Verzicht auf das Gas-Röhren-Geschäft. Wieviel staatsmännische Klugheit eine solche Rechnung, aufgemacht als Gast in den Vereinigten Staaten, verrät, will ich nicht beurteilen. Fest steht nur, daß die Sowjets für das Getreide nicht mit vorfinanzierten Naturalien bezahlen und daß man mit Mais- oder Weizenkörnern nicht schießen kann. Langfristige Milliardenkredite dagegen, die später mit Gas abgestottert werden sollen, machen automatisch Mittel für Moskaus Rüstungsetat frei.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Quatsch! Schlicht und ergreifend Quatsch!)

    — Ich bedaure, Herr Kollege Voigt, wenn das Ihr Begriffsvermögen übersteigt.
    Vor dem Hintergrund der NATO-Erklärung noch eine Bemerkung zu den sieben Tage vorher gefaßten Beschlüssen der EG-Außenminister. Die gesamte NATO-Erklärung hebt sich wohltuend davon ab. Denn die Außenminister haben lediglich mißbilligt, zur Kenntnis genommen, appelliert, festgestellt, gewarnt, sich solidarisch erklärt, Konsultationen angeregt, die Wiederaufnahme des Madrider Treffens



    Klein (München)

    vorgeschlagen, Tätigwerden zugunsten einer UN-Rüge gegen Menschenrechtsverletzungen angekündigt, Maßnahmen ins Auge gefaßt und Prüfungen zugesagt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kreml-Gewaltigen werden gezittert haben — vor Lachen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung bescheinigte sich flugs „entschiedene, aber maßvolle" Haltung. Das Lob aus Moskau ließ nicht auf sich warten. „Die Europäer", so stellte der sowjetisches Staatsrundfunk mit satter Genugtuung fest, „haben dem Druck der USA widerstanden". Denn die Konferenz hatte sich wie die Bundesregierung bis nach dem Kanzlerbesuch in Washington um eine eindeutige Anprangerung der sowjetischen Verantwortung für die Entwicklung in Polen herumgedrückt.
    Auf den schon am 30. Dezember von Regierungssprecher Kurt Becker gefällten Freispruch für Moskau will ich hier nicht eingehen, aus Respekt vor einem alten Berufskollegen, dessen Seriosität jetzt mißbraucht und als Propagandamünze ausgegeben wird.
    In der Beurteilung der EG-Außenminister-Erklärung mache ich mir den lakonischen Kommentar des Kollegen Dr. Manfred Wörner zu eigen: „Der schädliche Bonner Kurs der Beschwichtigung beginnt in Europa die Oberhand zu gewinnen."

    (Zuruf von der SPD: Also auch bei den Franzosen, oder?)

    Unser polnisches Nachbarvolk — lassen Sie mich das zum Schluß noch einmal sagen — ist in schwerer Not. Die wechselseitigen Beziehungen des Leids sind von Herrn Dr. Kohl beschrieben worden. Meine Damen und Herren, helfen wir jetzt den tapferen Polen als gute Nachbarn, die wir aus der Geschichte gelernt haben! Helfen wir ihnen, Hunger und Kälte zu überstehen! Helfen wir ihnen auch, durch solidarische westliche Haltung ihre Freiheitsbewegung in eine bessere Zukunft hinüberzuretten! Zeigen wir ihnen, daß ihr Patriotismus nicht nur zu Beginn des vorigen Jahrhunderts deutsche Bewunderer hatte, sondern daß er uns angesichts unserer eigenen Teilung ein Beispiel gibt! In dieser welthistorisch dramatischen Situation ist Ihre Politik, Herr Bundeskanzler, wie Ihr heutiger Auftritt vor dem Deutschen Bundestag aber eher nur peinlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile dem Abgeordneten Mischnick das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Klein, was hier peinlich ist, werden alle die merken, die genau zugehört haben oder, wenn sie es nicht gehört haben, die nachlesen, was Sie gesagt haben. Ich werde auf einzelnes noch zurückkommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Zunächst möchte ich im Namen der FDP-Bundestagsfraktion dem Herrn Bundeskanzler und dem
    Herrn Bundesaußenminister unseren Dank dafür aussprechen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Um Gottes Willen!)

    daß sie in verantwortungsbewußter Weise konsequent die Politik fortgesetzt haben, die wir von der Koalition gemeinsam für notwendig hielten, nämlich in jeder kritischen Situation sorgfältig zu prüfen, was nicht nur für den Augenblick, sondern auch mittel- und langfristig für unser Volk, für unser Land das Beste ist. Dieser Weg ist beschritten worden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir stimmen dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zu, weil er konsequent das fortsetzt, was wir am 18. Dezember begonnen haben. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Poltern ist leicht; die daraus entstandenen Scherben wieder zusammenzukitten ist aber schwer, manchmal unmöglich.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir wollen hier gar nicht erst Scherben machen. Was heute an Urteil und Verurteilung sehr klug klingt, muß, mittel- und langfristig gesehen, noch lange nicht klug sein. Das, was hier in den Reden der Opposition anklang, war doch auch ein Abgehen von dem, was wir gemeinsam am 18. Dezember beschlossen haben.
    Der Herr Kollege Kohl hat hier davon gesprochen, daß der Herr Bundeskanzler blanke Aggressivität und Beleidigung als Ausweg aus einer mißlichen Situation benutzt hat.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: War es etwas anderes? — Dr. Möller [CDU/CSU]: Da bringen Sie ihn auch nicht heraus!)

    — Lieber Herr Kollege, wenn Sie sagen, ich würde hier blanke Aggressivität und Beleidigung bringen,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das hat doch niemand gesagt!)

    weiß ich nicht, was Sie meinen. Das, was ich gesagt habe, kann mit Sicherheit weder Aggressivität noch Beleidigung gewesen sein.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das sagt auch keiner!)

    — Er hat es ja gesagt, nicht Sie. — Herr Kollege Kohl, wenn Sie der Meinung waren, dies sei blanke Aggressivität und Beleidigung gewesen:

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: War es ja auch!)

    Man könnte zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man sich einmal manche Passagen Ihrer Rede ansieht. Ich halte nichts davon, daß man diese Art Bewertungen vornimmt, wie ich überhaupt bedaure, daß manchmal herumstehende Schuhe angezogen werden, ohne daß das notwendig ist. Das scheint hier aber manchmal zu passieren. Herr Kollege Kohl, Sie haben auch gefragt, ob denn der Bundeskanzler nicht begreife, daß auch andere recht haben könn-



    Mischnick
    ten. Ich kann nur hoffen, daß das auch für jeden Redebeitrag aus Ihren Reihen hier gilt.

    (Dr. Stercken [CDU/CSU]: Natürlich!)

    Wenn ich mich dann aber an manches erinnere, was der Herr Kollege Klein hier gesagt hat, habe ich nicht das Gefühl, daß die Bereitschaft, sich wirklich in Argumente hineinzudenken, so vorhanden ist, wie Sie es verlangen, wie ich es — das gebe ich allerdings zu — von jedem erwarte und verlange und wie ich Skepsis und Gegenposition auch gegenüber meinen eigenen Ausführungen jederzeit für berechtigt halte. Aber meine herzliche Bitte, das nicht nur als Maßstab bei anderen anzulegen, sondern das auch für sich selbst gelten zu lassen! Ich denke da z. B. an die Frage — ich werde noch darauf zurückkommen —: Sind Sanktionen eine sinnvolle Maßnahme oder nicht? Es kann doch wohl nicht so sein, daß, wenn man gegen Sanktionen ist, man natürlich im Unrecht ist, man aber, wenn man für Sanktionen ist, im Recht ist. Hier muß man dieses Abwägen genauso gelten lassen.
    Es ist hier mehrfach von Jalta und der falschen Zitierung gesprochen worden. Ich gestehe ganz offen: Als ich „Jalta" gehört habe, ist mir natürlich auch Teheran in Erinnerung gekommen, ist mir auch in Erinnerung gekommen, was in den 50er Jahren sonst an bedenklichen Entscheidungen gefallen ist, ist mir der Februar 1961 in Wien in Erinnerung gekommen, als zwischen Kennedy und Chruschtschow gewisse Festlegungen getroffen worden sind. Warum sage ich das? Ich habe oft den Eindruck, daß man immer nur versucht, aus Entscheidungen, Verträgen, Verhandlungen, Vereinbarungen genau das, was gerade in die Diskussion hineinpaßt, herauszunehmen, statt wirklich die Gesamtentwicklung zu sehen, die zu heutigen, schwierigen Situationen geführt hat.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es ist geklagt worden, die Koalitionsfraktionen, besonders die FDP, seien in den letzten Wochen sprachlos gewesen. Ich kann Ihnen sämtliche Erklärungen, die allein ich in den letzten vier Wochen zu diesem Punkt abgegeben habe, vortragen. Von Sprachlosigkeit kann keine Rede sein. Aber wir sind immer bemüht gewesen, abgewogen zu dem Stellung zu nehmen, was sich in Polen entwickelt, und nicht durch lautstarkes Vorpreschen Negatives zu erreichen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD) Herr Kollege Klein, Sie haben kritisiert,


    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Zu Recht!)

    daß der Herr Bundeskanzler zwei Briefe geschrieben habe. Sie haben gefragt, was das solle. Jetzt bin ich mir nicht ganz klar, ob Sie damit auch den Brief des Präsidenten Reagan an Herrn Breschnew kritisieren wollten. Sie haben deutlich gemacht, daß das Ihrer Meinung nach nichts bewirken würde.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das ist zu billig!)

    Ich bin sicher, daß, wenn das nicht geschehen wäre, hier kritisiert worden wäre, warum der Bundeskanzler nicht die Gelegenheit wahrgenommen hätte, den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 18. Dezember auch Breschnew, auch Jaruzelski deutlich zu machen, ihn umzusetzen, ihn ihnen nahezubringen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Aber das allein ist zuwenig!)

    — Lieber Herr Kollege, wenn die Kritik gewesen wäre, das allein sei zuwenig, hätte man gern darüber reden können. Aber hier wird doch immer wieder versucht, das, was geschieht, herabzusetzen, wenn das jedoch nicht geschehen wäre, den Vorwurf des Nichtstuns zu erheben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Herr Kollege Klein, Sie sprachen davon, daß die Krise „herbeigesäuselt" worden sei. Ich habe mit verschiedenen Kollegen meiner Fraktion gesprochen, aber sie alle konnten mir nicht sagen, was damit gemeint sein könnte. Da war doch sehr dunkel Ihrer Rede Sinn.
    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Klein hat aber auch einen sehr interessanten und, wie ich meine, sehr wichtigen Satz gesagt: Keine Belohnung! Keine Bestrafung! Ich wäre sehr froh, wenn das auch in Ihren eigenen Entschließungen so zum Ausdruck käme. Das ist aber nicht der Fall. Hier ist wieder ein Widerspruch zwischen dem, was Sie sagen und dem, wie Sie handeln. Räumen Sie den doch bitte selber aus!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben am 18. Dezember, wie ich schon erwähnte, hier eine gemeinsame Entschließung verabschiedet. Ich meine, sie war erfreulicherweise sehr differenziert in der Betrachtungsweise der polnischen Entwicklung. Derzeit müssen wir leider im wachsendem Maße lautstarke Stellungnahmen aus den Reihen der Union hören, die sich auch in der heute vorgelegten Entschließung niederschlagen und die diese differenzierte Betrachtungsweise vermissen lassen. Man gewinnt dabei den Eindruck, daß sich wieder einmal der Gedanke durchgesetzt hat, Politik in Krisenzeiten könne nur durch den Gegenschlag beantwortet werden. Aber genau das ist doch falsch.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Aber, aber! Welche Polemik!)

    Wohin der Verzicht auf mäßigenden Einfluß führen muß, haben doch viele Nationen in den Nachkriegsjahren bitter erfahren müssen. Der Kalte Krieg hatte doch die Verbindung zwischen Ost und West völlig einfrieren lassen. Es ist noch gar nicht lange her, daß gerade Millionen Menschen dadurch unmittelbar Nachteile zu tragen und zu ertragen hatten. Man kann doch beim besten Willen nicht behaupten, daß die damalige Politik des gegenseitigen Übertrumpfens den Frieden etwa sicherer gemacht oder den Menschen mehr Freiheitsspielraum geschaffen hätte. Das Gegenteil war der Fall.
    Mich erfüllt mit großer Sorge, daß immer mehr glauben, daß diese schwierige internationale Lage



    Mischnick
    durch Scharfmacherei — wie ich meine, für durchsichtige innenpolitische Zwecke — gebraucht oder mißbraucht werden soll. Ich möchte hier von Hans Jakob Stehle, einem Journalisten das zitieren — - jetzt können Sie zurufen „Zitat" —, was er am vergangenen Sonntag in der Höfer-Runde unter anderem sagte. Er war jahrelang in Warschau und ist heute in Rom. Jeder, der ihn kennt, weiß, daß er ein sehr seriöser und überlegter Journalist ist. Er hat wörtlich gesagt:
    Die Chancen zu einer Veränderung sind aber auch deshalb schlecht — wenn Sie mich das noch sagen lassen —, weil wir im Westen generell dazu neigen, aus der polnischen Tragödie innenpolitische und außenpolitische Munition für unsere eigenen Auseinandersetzungen zu machen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir führen — das gilt nicht nur für die Bundesrepublik, ich erlebe das auch in Italien — mit der polnischen Tragödie innenpolitische Auseinandersetzungen. Wir, d. h. der Westen als Ganzer und der Osten genauso, haben begonnen, den Kalten Krieg zu reaktivieren mit Hilfe dieser polnischen Munition — dies alles auf Kosten der armen Menschen in Polen. Wenn ich das einmal so banal sagen darf: Auf ihrem Bukkel werden jetzt innenpolitische und außenpolitische Auseinandersetzungen der ganzen Welt ausgetragen. Und das ist die zweite polnische Tragödie.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das ist zu billig!)

    Ich stimme weitgehend — ich sage nicht, Wort für Wort — dem zu. Wer ehrlich ist und sich nicht von Propagandathesen gefangen nehmen läßt, muß zugeben, daß der Wahrheitsgehalt dieser Worte viel größer ist, als uns allen im Interesse unserer eigenen Politik und im Interesse des polnischen Volkes lieb sein kann.
    Meine Damen und Herren, nur wenn wir Krisen zu überwinden suchen und nicht durch Anstacheln von Emotionen, durch Schüren von Emotionen und durch impulsive verbale Kraftakte, sondern mit rationalem Handeln nach gründlicher Analyse vorgehen, nur so kann das kalkulierbare politische Handeln möglich gemacht werden, das wir brauchen, um solche krisenhaften Situationen zu überwinden.
    Niemand bestreitet doch, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, daß der Jahresbeginn 1982 durch die Verhängung des Ausnahmezustandes in Polen mit einer schweren Hypothek belastet ist. Niemand bestreitet doch, daß es dort Tote gegeben hat, daß Hunderte, Tausende verhaftet worden sind; das beklagen wir doch alle gemeinsam. Natürlich haben diese Vorgänge in Polen Auswirkungen auf die Ost-West-Beziehungen. Bei weiterer Eskalation kann das natürlich den Frieden gefährden.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Natürlich kann das den Frieden gefährden, wenn das eskaliert.

    (Dr. Stercken [CDU/CSU]: Was soll noch eskalieren? — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Worauf warten Sie noch?)

    — Aber Entschuldigung! Wenn Sie fragen: Was kann noch eskalieren?, dann kann ich nur darüber verwundert sein, daß Sie damit offensichtlich sagen wollen, jede weitere Entwicklung sei ausgeschlossen. Ich schließe sie nicht aus. Ich muß doch die Gefahren sehen und meine Politik darauf einrichten, daß solche Gefahren möglichst nicht Wirklichkeit werden. Das ist doch der Sinn unserer politischen Arbeit.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir müssen auch das polnische Volk sehen! — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Welche Gefahren sehen Sie denn noch?)

    — Keine Sorge, dazu werde ich noch einiges sagen. Es gibt vielleicht sehr viele, die so viel direkte Kontakte nach Polen haben, wie ich sie habe.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie denken zu sehr an die Russen!)

    — Ich denke überhaupt nicht an die Russen. Diese primitive Art, zu sagen: Denken Sie nicht so viel an die Russen!, macht doch deutlich, daß Sie gar nicht bereit sind, über diese Dinge sachlich nachzudenken, sondern nur polemisch an sie herangehen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Gerade die Notwendigkeit, hier herauszufühlen und zu spüren, welcher richtige Weg gegangen werden kann, machte es so wichtig, daß der stellvertretende Ministerpräsident Rakowski hier in Bonn war, um den Dialog zu suchen, wohlwissend, daß er hier vom Bundesaußenminister und von uns keine Schmeicheleien zu hören bekam. Im Gegenteil, unsere Forderungen — um es hier noch einmal klar zu sagen — sind ihm vom Außenminister und von Vertretern aller drei Fraktionen in gleicher Form in aller Deutlichkeit gesagt worden: Freilassung der Internierten, Aufhebung des Ausnahmezustandes, Weiterführung des Dialogs mit der Kirche und den Gewerkschaften.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sie sollten aber nicht von Internierten, sondern von Inhaftierten sprechen! Das ist ein Unterschied!)

    Spielen wir doch nicht herunter, wie gut und wie wichtig es ist, daß diesem polnischen Vertreter hier gemeinsam von Regierung und Fraktionen das deutlich gemacht worden ist, was wir beschlossen haben.
    Natürlich gilt, um auch das hier in aller Offenheit zu sagen, für uns der Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, wie er auch in der KSZE-Schlußakte niedergelegt ist. Aber dies kann, darf und wird uns nicht daran hindern, unsere andere Meinung zur politischen Entwicklung deutlich zu sagen, wenn es erfor-



    Mischnick
    derlich ist. Die haben wir in diesem Fall in aller Deutlichkeit gesagt.
    Wer aber in diesem Zusammenhang immer wieder an der Bündnistreue der Bundesrepublik Deutschland zweifelt, muß doch ein sehr schlechtes Gedächtnis haben. Man erinnere sich doch: Nicht alle EG-Staaten und NATO-Verbündeten haben im Frühjahr 1980 den Beschluß gefaßt, auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Moskau zu verzichten. Im übrigen wissen wir doch heute sehr genau, wie wenig Wirkung der Boykott der Olympischen Spiele durch die Bundesrepublik Deutschland hatte. Ich verhehle nicht: So alleingelassen wie danach habe ich mich selten gefühlt. Nachdem wir diesen Beschluß gefaßt hatten, mußten wir feststellen, daß die Solidarität sehr gering war. Das heißt für mich aber nicht, daß nun Solidarität umgekehrt nicht in Betracht kommt. Das zeigt aber, daß wir immer bereit waren, Zugesagtes, wie es der Herr Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat, einzuhalten und durchzuführen, und daß zwischen verbaler Darstellung und praktischem Handeln bei uns keine Kluft bestanden hat. Dies ist leider bei anderen des öfteren feststellbar gewesen. Deshalb kann doch unser Bemühen nur sein, alles zu tun, um zu erreichen: wenn man sich im Bündnis auf eine gemeinsame Entschließung, auf ein gemeinsames Konzept geeinigt hat, muß man auch sicher sein, daß das, was gemeinsam vorgesehen ist, auch durchgeführt wird. Deshalb muß man darum ringen, daß, wenn man sich bestimmte Dinge gemeinsam vornimmt, dann wirklich eine Gemeinsamkeit im Handeln vorhanden ist.
    Jetzt geht die Diskussion wieder einmal darum, welche die geeigneten Mittel sind, um möglichst bald zu einer Beendigung des Ausnahmezustandes in Polen zu kommen und damit weitere Menschenrechtsverletzungen auszuschließen. Es gibt auch keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß wir natürlich aus unserem Demokratieverständnis dem polnischen Volk jede Möglichkeit zur eigenen Gestaltung seines Lebens, seiner Gesellschaftsordnung geben wollen. Wir wollen, daß die Polen ihre Freiheit so nutzen, wie es für mich, wie es für uns selbstverständlich ist.
    Natürlich ist es schlimm, daß in Polen, aber nicht nur in Polen, möchte ich hier hinzufügen, sondern in vielen Teilen der Welt, dieses alles eben nicht selbstverständlich ist. Aber es nützt doch den betreffenden Menschen gar nichts, wenn meine eigene Bereitschaft, wenn unsere Bereitschaft, uns für die Freiheit einzusetzen, wirkungslos bleibt, wirkungslos bleiben muß, wenn ich über die emotionalen Reaktionen hinaus nicht sehe, welche praktischen Umsetzungsmöglichkeiten vorhanden sind oder auch nicht vorhanden sind. Dies muß ich doch bei all diesen Überlegungen mit einbeziehen. Wir haben ja in unserem eigenen Volk — wenn ich an den 17. Juni, wenn ich an den 13. August erinnern darf — nur allzu deutlich bei mehreren Gelegenheiten das gleiche spüren müssen. Ich weiß, mancher ist geneigt, dies als Resignation auszulegen. Das ist es mitnichten. Aber wer wie ich mehrfach erlebt hat, daß aller gute Wille, aller persönlicher Einsatz nicht ausreicht, die Gesellschaftsform zu schaffen, in der man leben will, der ist eher bereit, über Willensbekundungen hinaus zu prüfen, welche Möglichkeiten zur Durchsetzung es überhaupt gibt.
    Wir wissen doch alle, daß die Entwicklungen der Nachkriegsjahre Abhängigkeiten mit sich gebracht haben, die durch noch so viele Entschließungen, lautstarke Forderungen und Bekenntnisse nicht einfach aus der Welt geschafft werden können. Ich frage mich oft — und ich bin sicher, das werden viele tun —: habe ich selbst genug getan, um anderen die Freiheit zu ermöglichen, die ich für mich in Anspruch nehmen kann? Aber das Bemühen darum scheitert oft an Fakten, die gar nicht oder schwer zu ändern sind. Dann bleibt doch nur übrig, Schritt für Schritt, auch wenn das nur über einen längeren Zeitraum möglich ist, die Fakten, die Bedingungen so zu ändern, daß allmählich die Chance für mehr Freiheit auch Wirklichkeit werden kann. Das ist eine mühselige Aufgabe. Aber an diese mühselige Aufgabe heranzugehen, ist langfristig gesehen für die Menschen in Polen mehr wert als jede lautstarke Demonstration.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn man heute so tut, als habe sich seit den Beschlüssen von Helsinki nichts geändert, so ist das doch schlicht falsch. Für meine Begriffe ist noch nicht genug geschehen. Für meine Begriffe ist noch nicht genug umgesetzt.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Noch nicht genug Entspannung? Noch mehr?)

    Aber für viele Betroffene — auch das müssen Sie zugeben — ist doch schon erheblich mehr erreicht, als es 1975 der Fall war.
    Deshalb muß sich jeder, der es ernst mit mehr Selbstgestaltung für das polnische Volk meint, fragen, ob noch so gut gemeinte Reaktionen oder beabsichtigte Aktionen am Ende wirklich zu dem gewünschten Erfolg führen. Ich finde es deshalb wenig hilfreich, daß manche schon das Nachdenken darüber, ob der eine oder der andere Weg richtig ist, als einen Verrat an der Freiheit betrachten. Wer selbst, wie ich, von der anderen Seite, von der Unfreiheit aus, gute Ratschläge ohne praktische Konsequenzen gehört hat, ist hellhöriger für das, was realistischer, und für das, was Utopie ist.
    Diesen Maßstab lege ich natürlich auch an — das bekenne ich ganz offen — an das, was in dem Gespräch mit Herrn Rakowski und anderen Vertretern der Warschauer-Pakt-Staaten in den letzten Tagen möglich war und was andere polnische Bekannte von mir nur mündlich oder schriftlich mitgeteilt haben. Ich sage hier in aller Offenheit: Ich bin überzeugt, daß Herr Rakowski es mit dem Bemühen ernst meint, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu meistern, die in seinem Land vorhanden sind.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das wäre ja auch noch schöner!)




    Mischnick
    Ich bin überzeugt, daß er es ernst meint mit dem Bemühen, diesen Ausnahmezustand möglichst rasch zu beseitigen

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Den Kriegszustand!)

    und weitere reformerische Entwicklungen möglich zu machen.

    (Zuruf des Abg. Graf Huyn [CDU/CSU])

    — Sie sagen, das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich sage, ich bin überzeugt, daß er es ernst meint. Ich füge hinzu: das, was ich seit diesem Gespräch an Beweisen gehört habe, reicht mir nicht aus. Das ist für mich nicht das Signal, daß die Entwicklung schon voll in die richtige Richtung geht. Ich verstehe auch, daß viele diesen Erklärungen skeptisch gegenüberstehen. Aber wenn man nicht der Meinung ist, daß man nur selbst recht hat, dann muß ich auch bereit sein, hier weitere Entwicklungen in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen. Deshalb billige ich das doch nicht. Deswegen heiße ich doch nicht gut, was dort geschieht. Aber ich bin bereit, Möglichkeiten der Entwicklung aufzunehmen und, wenn sie nicht eintreten, die Verhältnisse natürlich mit der gleichen Schärfe zu kritisieren, wie wir das bisher getan haben.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir haben doch in unseren Gesprächen keinerlei Zweifel darüber gelassen, wie wir hier stehen. Je schneller der Kriegszustand aufgehoben wird, je schneller der Dialog mit Kirche und Gesellschaft vorangetrieben wird, um so leichter wird es für uns sein, die auch in unserer Entschließung vorgeschlagenen wirtschaftlichen und finanziellen Hilfen in die Tat umzusetzen.
    Ganz nebenbei: Die Äußerung des Kollegen Graf Huyn, der das Gespräch mit Herrn Rakowski — ich zitiere wörtlich — „eine Brüskierung der westlichen Alliierten" nannte, ist deplaziert und wird der tatsächlichen Situation überhaupt nicht gerecht.

    (Beifall bei der FDP)

    Eine Hinnahme der Gewaltanwendung, der Gewaltandrohung und der vielfältigen Menschenrechtsverletzungen gibt es für uns nicht. Aber diese Haltung und der Ausdruck unserer Empörung reichen nicht aus, eine Besserung der bedrückten Verhältnisse für die Menschen in Polen zu erreichen. In ihrem Interesse müssen wir die Bereitschaft zum Gespräch mit allen Regierungen der osteuropäischen Staaten ungeschmälert aufrechterhalten. Nichts wäre falscher, als durch eine Unterbrechung der Kontakte und durch Drohgebärden ein stärkeres Zusammenrücken und dichteres Abschotten des Warschauer Paktes zu provozieren und damit den Reformkräften in Polen die letzte Hoffnung zu nehmen. Wer heute mit markigen Worten jedwede wirtschaftliche Stabilisierung Polens gefährdet oder gar verhindert, schmiedet doch das erschöpfte Land noch viel stärker an die Sowjetunion, als es bisher schon geschehen ist.
    Natürlich, jeder Gedanke an einen Alleingang von uns Deutschen in dieser Lage wäre falsch, wäre sogar vermessen. Wir brauchen die Abstimmung und den Konsens im westlichen Bündnis. Natürlich brauchen wir auch die Aufgeschlossenheit der Gegenseite, nämlich des Warschauer Paktes und da vor allem der Sowjetunion. Deshalb begrüße ich für meine Fraktion ausdrücklich, daß die Genfer Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion über die Mittelstreckenraketen fortgesetzt werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Aber es lag j a ganz auf der Linie Ihrer kurzsichtigen Ratschläge von Kreuth, Herr Kollege Zimmermann, von einem Abbruch dieser Verhandlungen zu schwärmen. Von unseren Zielen rücken wir nicht ab, so mühselig es sein wird, ihnen nahezukommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Mir erscheint es wichtig, gerade jetzt in der emotionalisierten Diskussion die Grundlagen unserer praktischen Politik nicht zudecken zu lassen; denn wir wissen nur allzu genau: Das, was einmal als „Politik der Stärke" bezeichnet wurde, führt zu einer Schwäche der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)