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    Plenarprotokoll 9/76 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 76. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde 4349 A Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritte Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung — Drucksache 9/983 - Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 4361D, 4403C Dr. Riesenhuber CDU/CSU 4366 C Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 4372 A Beckmann FDP 4376 C Dr. Probst CDU/CSU 4379 D Reuschenbach SPD 4382 D Dr.-Ing. Laermann FDP 4386 B Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 4389 A Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT 4392 A Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU 4394 B Schäfer (Offenburg) SPD 4396 C Dr. Laufs CDU/CSU 4398 D Dr. Hirsch FDP 4401 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Gespräche des Bundeskanzlers am 5. und 6. Januar 1982 in Washington sowie über aktuelle Fragen der Ost-West-Beziehungen Schmidt, Bundeskanzler 4404 B Dr. Kohl CDU/CSU 4413 B Dr. Ehmke SPD 4422 B Genscher, Bundesminister AA 4428 D Klein (München) CDU/CSU 4433 D Mischnick FDP 4438 B Wischnewski SPD 4442 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Zweites Folgetreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Madrid — bisherige Verwirklichung der Schlußakte in Helsinki — weiterführende Vorschläge zur Schlußakte von Helsinki — Drucksachen 9/803, 9/1251 — . . . . 4445C Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger (Wangen), Schulze (Berlin), Graf Huyn, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Hennig, Lintner, Lowack, Frau Berger (Berlin), Böhm (Melsungen), Sauer (Salzgitter), Dr. Schwarz-Schilling, Kittelmann, Dr. Mertes (Gerolstein), Höffkes, Werner, Dr. Wörner, Clemens, Straßmeir, Schwarz, Schröder (Lüneburg) und der Fraktion der CDU/CSU Presse- und Informationsfreiheit in der DDR — Drucksache 9/1047 — Jäger (Wangen) CDU/CSU 4445 D Dr. Geßner SPD 4448 B Frau Fromm FDP 4450 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 28. April 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten über die Regelung gewisser Fragen betreffend deutsches Vermögen und zur Verteilung von Entschädigungen für deutsches Vermögen in Ägypten und Honduras — Drucksache 9/990 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/1223 — 4452 A Fragestunde — Drucksache 9/1252 vom 8. Januar 1982 — Beteiligung der Bundesregierung an Entscheidungen der USA über Entwicklung, Produktion und Lagerung neuer chemischer Waffen MdlAnfr 41, 42 08.01.82 Drs 09/1252 Hansen fraktionslos Antw StMin Dr. Corterier AA 4349 B, D, 4350 A, B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos . . 4349D, 4350 A, B, C ZusFr Dr. Ehmke SPD 4350 A ZusFr Thüsing SPD 4350 D • Gespräche des Bundesaußenministers mit Regierungsmitgliedern von Militärdiktaturen in den letzten drei Jahren MdlAnfr 44 08.01.82 Drs 09/1252 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 4351 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 4351 B, C ZusFr Thüsing SPD 4351 C Zusage der polnischen Militärregierung bezüglich der Weitergeltung der Offenhalteklausel des Ausreiseprotokolls von 1975 MdlAnfr 45 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . 4351D, 4352 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 4351D, 4352A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 4352 A ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 4352 B Verhandlungen mit der niederländischen Regierung über den Bau des Dollarthafens MdlAnfr 49, 50 08.01.82 Drs 09/1252 Schröder (Wilhelminenhof) CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA 4352 B, C, D, 4353A, B ZusFr Schröder (Wilhelminenhof) CDU/ CSU 4352 C, D, 4353 A ZusFr Ewen SPD 4353 A Beurteilung der amerikanisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen MdlAnfr 51 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 4353 B, C, D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 4353 C, D Förderung der Mutterkuhhaltung MdlAnfr 88, 89 08.01.82 Drs 09/1252 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 4354 A, C, D, 4355A ZusFr Eigen CDU/CSU . . . 4354 B, C ,D, 4355A ZusFr Kirschner SPD 4355A Erforschung des Zusammenhangs zwischen saurem Regen und Tannen- und Fichtensterben MdlAnfr 67 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Laufs CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . . 4355 B, D, 4356 A ZusFr Dr. Laufs CDU/CSU . . . . 4355D, 4356A Einberufung Schwerbehinderter zur Musterung wegen Auskunftsverweigerung der Versorgungsämter MdlAnfr 90, 91 08.01.82 Drs 09/1252 Pauli SPD Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . 4356 B, C, D ZusFr Pauli SPD 4356 C, D Kündigung der Belegung von Kurheimen durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf Grund der Reduzierung von Kuren MdlAnfr 94, 95 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Enders SPD Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . 4357 A, C, D ZusFr Dr. Enders SPD 4357C, D Verbesserung der Arbeitnehmereinkommen der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen angesichts höherer Sozialhilfesätze MdlAnfr 96, 97 08.01.82 Drs 09/1252 Kirschner SPD Antw PStSekr Zander BMJFG 4358 A, B, C, D, 4359 A, B ZusFr Kirschner SPD 4358 B, C, 4359 B ZusFr Heyenn SPD 4358C, D ZusFr Peter (Kassel) SPD 4358 D Struktur und Entwicklung unterschiedlicher Gruppen von Sozialhilfeempfängern MdlAnfr 98, 99 08.01.82 Drs 09/1252 Peter (Kassel) SPD Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 III Antw PStSekr Zander BMJFG . 4359 C, D, 4360 A ZusFr Peter (Kassel) SPD . . . . 4359C, 4360A Anpassung der Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz an die allgemeine Preisentwicklung MdlAnfr 100, 101 08.01.82 Drs 09/1252 Heyenn SPD Antw PStSekr Zander BMJFG 4360 B, D, 4361A ZusFr Heyenn SPD 4360 C, D, 4361 A Durchführung der gegenseitigen Unterrichtung des Bundes und der Länder über Gerichtsentscheidungen gemäß § 72 des Weingesetzes MdlAnfr 103 08.01.82 Drs 09/1252 Herberholz SPD Antw PStSekr Zander BMJFG . . . 4361 A, C ZusFr Herberholz SPD 4361 B, C Nächste Sitzung 4452 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4453* A Anlage 2 Vorübergehender Erlaß der Gebühren für Pakete nach Polen MdlAnfr 30 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Becker BMP . . . . 4453* B Anlage 3 Aussagen des Bundeskanzlers und des Regierungssprechers Becker über die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen; Erklärungen des Bundeskanzlers und des Regierungssprechers über die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen MdlAnfr 38 08.01.82 Drs 09/1252 Reddemann CDU/CSU MdlAnfr 39, 40 08.01.82 Drs 09/1252 Niegel CDU/CSU SchrAntw StSekr Becker BPA 4453* C Anlage 4 Zustimmung des Zentralbankrats und der Bundesbank zur Verlängerung des zinslosen Überziehungskredits an die DDR MdlAnfr 76, 77 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Voss CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 4454* B Anlage 5 Neuordnung des Kriegsdienstverweigerungsrechts und des Zivildienstes MdlAnfr 102 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . 4454* C Anlage 6 Vorführung der sowjetisch-amerkanischen Fernsehserie „Der unvergessene Krieg" an Schulen MdlAnfr 104, 105 08.01.82 Drs 09/1252 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4454* D Anlage 7 BAföG-Zahlungen an Strafgefangene in Nordrhein-Westfalen MdLAnfr 106, 107 08.01.82 Drs 09/1252 Daweke CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4455* B Anlage 8 Finanzielle Unterstützung der Fernuniversität Hagen MdlAnfr 108 08.01.82 Drs 09/1252 Reddemann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 4455* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 4349 76. Sitzung Bonn, den 14. Januar 1982 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 1. Dr. Ahrens * 15. 1. Dr. Bardens * 15. 1. Bergerowski 14. 1. Dr. Böhme (Freiburg) 14. 1. Büchner (Speyer) * 14. 1. Echternach 15. 1. Egert 15. 1. Dr. Ehrenberg 15. 1. Erhard (Bad Schwalbach) 15. 1. Feinendegen 15. 1. Frau Geier 15. 1. Dr. Geßner * 15. 1. Haar 15. 1. Dr. Hackel 15. 1. Hauser (Krefeld) 14. 1. Jung (Kandel) * 15. 1. Dr. Kreile 15. 1. Möllemann 15. 1. Müller (Bayreuth) 15. 1. Rawe 14. 1. Reddemann * 15. 1. Rohde 15. 1. Frau Roitzsch 15. 1. Schmidt (Wattenscheid) 15. 1. Schmöle 15. 1. Schulte (Unna) * 15. 1. Dr. Solms 15. 1. Stöckl 15. 1. Dr. Vohrer * 15. 1. Dr. Wendig 15. 1. Dr. Wittmann 14. 1. Baron von Wrangel 15. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Becker auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 30): Ist die Bundesregierung bereit, für eine befristete Zeit angesichts der wirtschaftlichen Notlage der Bevölkerung in Polen und aus humanitären Gründen private Spendenpakete portofrei zu befördern? Der Bundesregierung sind in letzter Zeit vielfältige Anregungen zugegangen, im Postpaketverkehr mit Polen die Beförderungsgebühren zu senken bzw. zu erlassen. Die Klärung dieser Frage erfordert die Lösung schwieriger rechtlicher und postbetrieblicher Probleme. Anlagen zum Stenographischen Bericht In Anbetracht der Versorgungssituation in Polen und der bisher gezeigten Spendenbereitschaft der Bevölkerung unseres Landes prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob und inwieweit der Postpaketverkehr nach diesem Land vorübergehend gebührenmäßig erleichtert werden kann. Sie sieht sich damit in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Außenminister der NATO, humanitäre Maßnahmen für die polnische Bevölkerung auch in Zukunft zu fördern. Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Becker auf die Fragen des Abgeordneten Reddemann (CDU/CSU) und Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 38, 39 und 40): Wie kann die Bundesregierung erklären, daß der Bundeskanzler gemeinsam mit dem Präsidenten der USA seine „Sorge über den Druck, den die Sowjetunion auf die polnischen Bemühungen um eine Erneuerung ausübt", ausdrückt und expressis verbis „auf die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen" hinweist, während der Sprecher der Bundesregierung, Staatssekretär Becker, bislang unwiderrufen als Auffassung des Bundeskanzlers und seiner Bundesminister wörtlich versicherte, „Wir teilen die Auffassung nicht, daß die Sowjetunion als Anstifter für die Verhängung des Kriegsrechts (in Polen) zu betrachten ist"? Warum hat Bundeskanzler Schmidt seinen Regierungssprecher angewiesen, Ende Dezember zu erklären, „Wir teilen die Auffassung nicht, daß die Sowjetunion als Anstifter für die Verhängung des Kriegsrechts (in Polen) zu betrachten ist.", und warum hat nunmehr Bundeskanzler Schmidt in etwa eine Woche später, am 5. Januar, gemeinsam mit Präsident Reagan in dem gemeinsamen Kommuniqué folgendes erklärt, „Beide wiesen auf die Verantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen hin und brachten ihre Sorgen über den schwerwiegenden Druck, den die Sowjetunion auf die polnischen Bemühungen uni eine Erneuerung ausübt, zum Ausdruck. ? Welche Meinung ist nunmehr gültig? Zu Fragen 38 und 39: In der Bundespressekonferenz am 30. Dezember 1981 habe ich zur Lage in Polen und zur Reaktion des Westens auf diese Lage Stellung genommen. Ich habe diese Stellungnahme in 12 Punkten zusammengefaßt, die die abgestimmte Meinung der Bundesregierung darstellten. In Punkt 9 dieser Stellungnahme hieß es: „Wir stehen mit der amerikanischen Regierung wie auch mit den anderen Verbündeten und Partnern der Europäischen Gemeinschaft in engem Kontakt. In den Konsultationen sind natürlich auch unterschiedliche Bewertungen der Vorgänge zur Sprache gekommen. Wir sind uns aber alle darin einig, daß ein endgültig gesichertes Urteil über diese Fragen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich ist." In Beantwortung der Frage eines Journalisten zu diesem Punkt habe ich selbst die von mir als theoretisch qualifizierte Frage gestellt, ob die Sowjetunion gewissermaßen als Anstifter der Verhängung des Kriegszustandes in Polen zu betrachten ist, und ge- 4454* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 sagt, daß wir diese Auffassung nicht teilen. Ich habe diese Fragestellung als theoretisch bezeichnet, weil die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen sich nicht danach bestimmt, wer den letzten Anstoß für die Anordnung des Kriegszustandes in Polen gegeben hat. Es war jedenfalls nicht meine Absicht, mit diesen Ausführungen die Sowjetunion von der Verantwortung für die Verhängung des Kriegszustandes in Polen freizusprechen. Im Gegenteil, ich habe in der Pressekonferenz am 30. Dezember 1981 mehrfach den Brief des Bundeskanzlers an Generalsekretär Breschnew vom 26. Dezember 1981 erwähnt, in dem die Gesamtverantwortung der Sowjetunion für die Ereignisse in Polen angesprochen war. Ich bedauere es, daß meine Antwort von einigen Medien, vor allem im Ausland, fehlinterpretiert wurde. Zu Frage 40: Die Haltung der Bundesregierung zur Frage der sowjetischen Verantwortung für die Ereignisse in Polen ergibt sich aus dem Schlußkommuniqué der Sitzung der Außenminister der 10 EG-Staaten vom 4. Januar 1982, der gemeinsamen Erklärung über die Gespräche des Bundeskanzlers mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vom 5. Januar 1982 und der von der Sondertagung des Nordatlantikrats auf Ministerebene am 11. Januar 1982 verabschiedeten Erklärung zu den Ereignissen in Polen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Voss (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 76 und 77): Ist für die weitere Gewährung des zinslosen Überziehungskredits an die „DDR" in Höhe von 850 Millionen DM bis zum 30. Juni 1982, die anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Schmidt in der „DDR" erfolgte, die Zustimmung des Zentralbankrats sowie der Deutschen Bundesbank eingeholt worden, und welche Einlassung ist von dort gegeben worden? Welche ökonomischen, kommerziellen und politischen Gründe sprechen für die jetzige und eventuelle weitere Verlängerungen des zinslosen Überziehungskredits? Zu Frage 76: Die Verlängerung der Swing-Regelung um 6 Monate bis zum 30. Juni 1982 erfolgte in Absprache mit dem Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank. Wegen der Vertraulichkeit der Sitzungen des Zentralbankrates bitte ich um Verständnis, daß ich auf weitere Einzelheiten nicht eingehen kann. Zu Frage 77: Für den Swing gibt es bedeutsame ökonomische, kommerzielle und politische Gründe. Die mit der DDR zu vereinbarende künftige Swing-Regelung gehört insbesondere in den politischen Gesamtzusammenhang der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik. An diesem Gesamtzusammenhang hat und wird sich die Verhandlungsposition der Bundesregierung orientieren. Ich bitte um Verständnis dafür, daß es mit Rücksicht auf die Verhandlungsposition vor Verhandlungen mit der DDR nicht hilfreich wäre, hier die Gründe für den Swing und seine künftige Ausgestaltung im einzelnen zu erörtern. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 102): Warum hat die Bundesregierung ihre mir in der Fragestunde vom 24. Juni 1981 gegebene Zusage, den parlamentarischen Gremien noch im Jahr 1981 einen Regierungsentwurf zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes zuzuleiten, nicht eingehalten, und warum braucht die Bundesregierung vier Jahre, um endlich die Konsequenzen aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu ziehen und damit ihrer Ankündigung in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu entsprechen? Die Antwort in der Fragestunde vom 24. Juni 1981, auf die Sie sich berufen, entsprach dem damaligen Sach- und Meinungsstand. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. April 1978 gibt es Bemühungen um eine interfraktionelle Lösung. Zunächst haben alle drei Fraktionen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf erarbeitet, zu dem die Bundesregierung Formulierungshilfe geleistet hat. Zu einer gemeinsamen Einbringung kam es leider nicht, weil die CDU/CSU-Fraktion sich dazu entschloß, den gemeinsam erarbeiteten Entwurf mit Abweichungen in einigen wichtigen Punkten einzubringen. Beide Entwürfe scheiterten kurz vor Ende der 8. Legislaturperiode. Inzwischen ist die interfraktionelle Diskussion fortgeführt worden. In einem interfraktionellen Gespräch am 1. Dezember 1981 im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit haben Vertreter aller drei Bundestagsfraktionen darin übereingestimmt, daß eine gemeinsame Regelung angestrebt werden soll. Dabei wurde in Aussicht genommen, bis zur Sommerpause 1982 die interne Meinungsbildung abzuschließen und noch im Laufe des Jahres einen Gesetzentwurf einzubringen. Angesichts des Standes der Diskussion im Parlament konnte die Bundesregierung davon absehen, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 104 und 105): Trifft es zu, daß der Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft empfohlen hat, die 15teilige sowjetisch-amerikanische Fernsehserie „Der unvergessene Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Januar 1982 4455" Krieg" an Schulen vorzuführen, und heißt das, daß er sie für geeignet hält, die Enkel der Kriegsgeneration ein so schwerwiegendes Stück Zeitgeschichte nacherleben zu lassen? Billigt die Bundesregierung gegebenenfalls die Empfehlung des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, und wenn ja, bedeutet dies, daß sie den Film, der erwiesenermaßen keinen Anspruch auf Objektivität erheben kann, für geeignet hält, der jungen Generation wieder ein ungebrochenes Verhältnis zur deutschen Geschichte zu vermitteln und die bedrohlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Generationen beheben zu helfen? Zu Frage 104: In seinem Kommentar im Funkreport vom 15. September 1981 hat Staatssekretär Dr. Granzow zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Fernsehserie und zu einer breiten Diskussion über die dort dargestellten Schrecken des Krieges, die Leiden und Opfer, vor allem auch der sowjetischen Bevölkerung aufgefordert. Insofern stimmt Dr. Granzow mit dem Niedersächsischen Kultusminister Dr. Remmers überein, der eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Filmmaterial in den Schulen angeregt hat. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, daß die Fernsehserie einen Beitrag zum Nacherleben eines schwerwiegenden Stückes Zeitgeschichte darstellt. Zu Frage 105: Die Bundesregierung hält es für richtig, daß Jugendliche und Erwachsene sich mit dieser Serie auseinandersetzen. Zweifellos hat die Fernsehreihe dokumentarische Schwächen; Fehleinschätzungen geschichtlicher Fakten sind nicht zu übersehen. Dennoch leistet diese Dokumentation einen Beitrag dazu, der Jugend ein tieferes Verständnis der Schrecken des Krieges zu übermitteln. Notwendige Voraussetzung ist, daß diese Filmdokumente durch sachkundige Erläuterungen begleitet und mit den Jugendlichen diskutiert werden. Eben dazu hat Staatssekretär Granzow aufgefordert. Diesem Zweck dienen auch die mediendidaktischen Handreichungen zu dieser Sendereihe, die für Kursleiter in der Erwachsenenbildung entwickelt wurden. Im übrigen kann es nicht alleiniges Ziel des Geschichtsunterrichts sein, ein „ungebrochenes" Verhältnis zur deutschen Geschichte zu vermitteln; gerade im Hinblick auf die jüngste Zeitgeschichte kommt es eher auf eine möglichst differenzierte Betrachtung des Geschehens und der handelnden Personen an. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen des Abgeordneten Daweke (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 106 und 107): Sind der Bundesregierung Presseberichte bekannt, wonach Strafgefangene in Nordrhein-Westfalen BAföG-Zahlungen erhalten, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang? Sieht die Bundesregierung bei der Zahlung von BAföG-Geldern n Strafgefangene den Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn Gefangene bis zu 161 DM BAföG beziehen, was dem monatlichen Arbeitsentgeld eines acht Stunden täglich arbeitenden Gefangenen entspricht? Zu Frage 106: Ja, entsprechende Presseberichte sind der Bundesregierung bekannt: Viele Strafgefangene durchlaufen während der Haftzeit Schul- oder Berufsausbildungen. Soweit es sich dabei um Ausbildungen handelt, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig sind, werden Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich auch an Strafgefangene gewährt. Die Höhe der Ausbildungsförderung richtet sich nach den in §§ 12, 13 BAföG genannten Bedarfssätzen, von denen allerdings die Kosten für Unterbringung und Verpflegung abgezogen werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung erscheint eine finanzielle Förderung für Strafgefangene in der Ausbildung sinnvoll. Zu Frage 107: Nein, die Bundesregierung sieht den Gleichheitsgrundsatz nicht als verletzt an. Mit dem Arbeitsentgelt wird für die Arbeitsleistung eines Strafgefangenen nach den im Strafvollzug geltenden Grundsätzen bezahlt. Wenn Gefangene eine im Sinne der §§ 2, 3 BAföG förderungsfähige Ausbildung absolvieren, haben sie (sofern die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden) Anspruch auf Ausbildungsförderung, die auch etwaige Ausbildungskosten mit abdeckt. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Frage des Abgeordneten Reddemann (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 108): Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der mittlerweile auf 36 639 Studenten angewachsenen Fern-Universität Hagen finanzielle Unterstützung zur Erfüllung ihrer bundesweiten Aufgaben zu geben? Die Möglichkeiten der Bundesregierung, eine Hochschule eines Landes in ihrer Arbeit zu fördern, sind durch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eng begrenzt. Die Bundesregierung hat unter weitgehender Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten der Fernuniversität bis einschließlich 1981 über die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau Investitionsmittel in Höhe von etwa 27 Millionen DM, für Modellversuche etwa 9,9 Millionen DM und für Vorhaben der Bildungsforschung etwa 530 000 DM zur Verfügung gestellt. Auch für die kommenden Jahre sind für Modellversuche und Forschungsvorhaben Mittel für laufende und neue Vorhaben geplant. Ihre Höhe ist noch nicht absehbar, solange konkrete Anträge des Landes nicht vorliegen. Welche Investitionsvorhaben nach dem Hochschulförderungsgesetz in den kommenden Jahren mitfinanziert werden können, läßt sich erst nach Abschluß der Beratungen im Wissenschaftsrat und im Planungsausschuß für den Hochschulbau über die weitere Ausbauplanung absehen. Die entsprechenden Beschlüsse sollen bis Ende März gefaßt werden.
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    Warum erregen Sie sich eigentlich über die Äußerungen von Franz Josef Strauß so, wenn Franz Josef Strauß doch nur — auf deutsch übersetzt — die Karikatur des französischen „Express" wiedergibt, einer Zeitung, die Ihrem früheren Freund Giscard d'Estaing nahesteht? Herr Bundeskanzler, das ist doch Ihre Politik.

    (Zurufe)

    Das war doch die Wiedergabe Schmidtscher Politik, die wir hier erlebt haben.

    (Zurufe von der SPD) Aber jetzt zum Thema!


    (Zurufe von der SPD)

    — Ja, meine Damen und Herren, zu dem Thema, das bedrückend genug ist, weil die Politik, die Sie in diesen Wochen und Monaten führen, am Ende dazu führt, daß wir schließlich zwischen allen Stühlen sitzen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist doch das, was Sie erreichen.

    Mit der Überschrift „Polen — auch eine westliche Tragödie?" fragte die „Neue Zürcher Zeitung" einige Wochen nach dem Militärcoup von General Jaruzelski in Polen nach der Lage der westlichen Länder. Die Antwort auf diese Frage ist heute eindeutig. Was sich in den letzten vier Wochen innerhalb des Bündnisses abgespielt hat, ist in der Tat eine Tragödie, und die Verantwortung dafür tragen nicht zuletzt die deutschen Sozialdemokraten und Sie, Herr Bundeskanzler.

    (Zurufe von der SPD)

    In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in über 30 Jahren gab es noch nie zuvor eine so eindeutige, eine so harte Kritik an Politik und Person eines deutschen Bundeskanzlers und einer Regierung, wie wir dies in den letzten Wochen in Europa und in Amerika erfahren mußten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie sprachen von „Kritik in einigen Medien". Sie werden es schwer haben, überhaupt noch eine positive Stimme über das Kommuniquédeutsch hinaus irgendwo zu finden.

    (Zuruf von der SPD)

    Unser Land hat durch Ihre opportunistische Politik viel von jenem Vertrauenskapital verloren, das wir in 30 Jahren mühsam gewonnen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist eine schlimme Entwicklung für die Bundesrepublik Deutschland, denn es gibt kein Land in Eu-



    Dr. Kohl
    ropa, das so sehr auf das Vertrauen in die Solidarität seiner Freunde angewiesen ist. Niemand, wir ganz gewiß nicht, empfindet über diese Entwicklung Schadenfreude; denn die Folgen tragen wir gemeinsam in Deutschland.
    Herr Bundeskanzler, was jetzt in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung Frankreichs und in den USA laut wurde, ist nicht ein Ergebnis von Mißverständnissen. Das hat auch überhaupt nichts mit augenblicklicher Verärgerung zu tun. Die Welle dieser Erregung hat antideutschen Bodensatz hochgeschwemmt, der uns alle zutiefst betroffen machen muß, der unserem Lande Schaden zufügt, weil Ressentiments wiedergeweckt werden, die nur sehr langsam abgebaut werden können.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Die Vorwürfe gegen Ihre Regierung — und daraus kommen dann allgemeine Vorwürfe gegen die Deutschen — sind von einer bestürzenden Heftigkeit. Die französische Zeitung „Le Quotidien de Paris" sagte dazu:
    Vielleicht ist es schwierig für einen Deutschen, das Schicksal des Polen zu bemitleiden, von dem er gewohnt ist, daß es von den Ketten deutscher Panzer umgepflügt wird.
    Bei der Wahl zwischen der Ostpolitik und der atlantischen Solidarität hat Bonn sich für die Ostpolitik entschieden. Zwischen seinen nationalen Interessen und seinen Bindungen an die freie Welt wählte die Bundesrepublik ihre nationalen Interessen.
    Der den Sozialisten nahestehende „Nouvel Observateur" warf Ihnen, Herr Kollege Brandt, und der Sozialistischen Internationale vor, daß Sie zuerst sprachlos gewesen seien, und danach hätten Sie den anderen demokratischen Sozialisten die These von einer „innerpolnischen Krise" aufoktroyiert. Wörtlich heißt es:
    Man kann es nicht fassen: Der Mann, der mutig gegen die Nazis gekämpft hat, der sich für die spanischen Republikaner eingesetzt hat, der in Warschau auf die Knie gefallen ist, um Verzeihung für die Verbrechen der Herren des Dritten Reiches zu suchen, findet kein Wort der Verdammung für die gegenwärtigen Henker des polnischen Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und „Le Matin", ebenfalls eine sozialistische Zeitung, sprach davon, daß Westeuropa soeben die ersten perversen Konsequenzen der berühmten Ostpolitik erlebte — und fragt, ob das Europa der Zehn „unter den drei Zeichen von Ostpolitik, Pazifismus und Antiamerikanismus leben" wolle.
    Wenn das so verläuft,
    — so fährt die Zeitung fort —
    dann wird man hinnehmen müssen, daß die Finnlandisierung nicht mehr länger ein Mythos ist.
    Das sind doch nicht Stimmen aus der deutschen Opposition; das sind Stimmen aus dem Lager Ihrer
    politischen Freunde in Frankreich. Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Frankreichs, Jospin, erklärte in diesen Tagen:
    Die französische Kommunistische Partei — der Sozialistenführer sagt das —
    steht nicht allein mit ihrer Haltung zu Polen. Sie vertritt Standpunkte, wie sie auch Bundeskanzler Schmidt vertritt.
    Herr Bundeskanzler, in welcher Nachbarschaft bewegen Sie sich eigentlich in Europa, wenn so etwas möglich ist?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Brandt, gestern hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Frankreichs die Verhängung des Kriegsrechts in Polen verteidigt und gleichzeitig die sehr realistische und maßvolle Position des SPD-Vorsitzenden Brandt gewürdigt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Heute, Herr Kollege Brandt — damit das Bild vollständig wird —, haben die Führungsgremien der kommunistischen Partei Italiens festgestellt, daß die Partei geschlossen hinter der Verurteilung der Sowjetunion durch ihren Generalsekretär Enrico Berlinguer stehe, und die 219 Mitglieder des Zentralkomitees und der zentralen Kontrollkommission der KPI verabschiedeten in der Nacht zum Donnerstag eine Resolution, die das Entsprechende enthält. In der Resolution wird die Verhängung des Kriegsrechts über Polen scharf verurteilt und der Sowjetunion offene und direkte Einmischung vorgeworfen.
    Herr Kollege Brandt, offensichtlich sind die italienischen Kommunisten eher bereit, klar zu sagen, was in Polen vonstatten geht, als Sie und viele Ihrer Freunde in der Sozialdemokratischen Partei.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Pfui, Herr Kohl! — Löffler [SPD]: Das ist Ihre nationale Verantwortung! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Herr Bundeskanzler, um das Bild abzurunden: Die Pariser Zeitung „Le Monde", die Sie gerne und oft zitieren, geht in diesen Tagen so weit, in der deutschen Politik gegenüber Warschau eine Fortsetzung der Unterdrückung der Freiheit Polens zu sehen, zu der sich im September 1939 Stalin und Hitler zusammengefunden haben.
    Herr Bundeskanzler, Sie waren gestern in Paris. Es ist doch ausgeschlossen, daß Sie von dieser Stimmung nichts bemerkt haben! Es ist doch undenkbar, daß Sie nicht wissen, was sich in unserer Nachbarschaft vollzieht!

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sonst wäre er doch nicht hingefahren! — Zuruf von der SPD: Wo waren Sie denn, Herr Kohl?)

    Die italienische Zeitung „Corriere della Sera" stellt die Frage, ob Europa vor einem „neuen Rapallo" stehe, vor einem — diesmal stillschweigenden —hereinkommen zwischen Rußland und Deutschland.



    Dr. Kohl
    Herr Bundeskanzler, eines Ihrer Lieblingsblätter, das Sie regelmäßig hier zitieren, das New Yorker „Wall Street Journal", stellt fest:
    Schmidts Haltung gegenüber Moskau deutet auf eine demoralisierte Führung hin, die die Zukunft Westdeutschlands am ehesten noch als die eines finnlandisierten, industrialisierten Vasallen eines totalitären Imperiums sieht.
    Es heißt in dieser Zeitung wörtlich:
    Deutschland hat sich effektiv auf die Seite der kommunistischen Generäle gestellt.

    (Zuruf von der FDP: Wollen Sie hier Zeitungen vorlesen?)

    — Meine Damen und Herren, wir müssen uns immer Ihre Zitate anhören. Sie müssen heute in diesem Hause die Wahrheit anhören!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die „New York Times", ebenfalls ein Blatt, das Sie gerne und häufig zitieren, wirft Ihrer Regierung vor, daß die zögerliche Haltung der Deutschen zum Thema „Sanktionen gegen die Warschauer Militärregierung" — jetzt wörtlich — „Ausdruck eines deutschen Hirngespinstes namens Entspannung" sei. Die zahme westdeutsche Reaktion mache deutlich: „Unser westdeutscher Verbündeter verrät eine alarmierende Toleranz für sowjetische Unterdrükkung".
    Als letztes sei ein amerikanisches Blatt genannt, aus dem Sie hier auch regelmäßig zitieren. Die „Washington Post" schrieb:
    Wenn Deutschland, das Herzstück der NATO, sich in die Position des Vermittlers zwischen der Allianz und ihren Gegnern manövriert, was bleibt dann noch von dieser Allianz übrig?
    Herr Bundeskanzler, ist es wirklich so, daß Sie, der „crisis manager" des Erdballs, allein wissen, was richtig ist — und all jene Konservativen, Liberalen und Sozialisten, die Ihren Weg beobachten und kommentierend begleiten, sich täuschen sollten? Glauben Sie nicht, daß zur Demut vor der Geschichte auch die Erkenntnis gehört, daß andere recht haben könnten? Wenn Sie sich jetzt in der für Sie typischen Haltung zur Opposition von uns abwenden, ist das tiefenpsychologisch nur ein Hinweis darauf, daß Sie dies nicht begreifen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Verfall des Ansehens der deutschen Politik draußen in der Welt und der Verfall des Ansehens dieser Regierung sind unübersehbar. Die Summe der Kritik hat Raymond Aron eindrucksvoll zusammengefaßt, als er sagte:
    Die Bundesrepublik weiß nicht mehr, zu welcher der zwei Welten sie gehören will, von welcher mehr zu fürchten, und von welcher mehr zu erwarten sei.
    Aus dem Munde dieses klugen Mannes am Ende der Ära Schmidt eine vernichtende Kritik!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für uns heißt das Problem nicht „Bundeskanzler Schmidt"; die Frage, die uns bewegt, heißt: Wie geht
    es weiter mit der Bundesrepublik Deutschland? Deshalb müssen wir uns fragen: Worauf ist es zurückzuführen, daß im verbündeten und befreundeten Ausland das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit, die Standfestigkeit und die Berechenbarkeit der deutschen Außenpolitik so erschreckend abgenommen hat?
    Herr Bundeskanzler, es wäre nicht zu diesem Schwund an Vertrauen gekommen, wenn Sie nicht selber seit dem Militärputsch in Polen Äußerungen getan hätten, die in den Hauptstädten unserer Verbündeten — und nicht nur dort — Fragen nach dem eigentlichen Ziel deutscher Außenpolitik geradezu heraufbeschwören mußten. Ich will drei dieser Äußerungen aus den letzten Wochen noch einmal nennen.
    Erstens. Bei Ihrem Besuch im anderen Teil Deutschlands sagten Sie am 13. Dezember — das liegt jetzt gerade vier Wochen zurück —, auf die Vorgänge in Polen angesprochen: „Herr Honecker ist genau so bestürzt gewesen wie ich, daß dies nun notwendig war."

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    Herr Bundeskanzler, wie mußte eigentlich auf die Welt, wie mußte auf polnische Arbeiter, von denen Sie gesprochen haben, das Wort wirken, „daß dies nun notwendig sei"? Wie mußte es wirken, wenn der frei gewählte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit dem Herrn Honecker, dem Chef einer kommunistischen Diktatur sagt, das sei „notwendig" gewesen?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Zweitens. Am 30. Dezember — Sie bestreiten dies jetzt zwar, aber ihre eigenen Texte liegen im Originalton vor — ließen Sie den Regierungssprecher, in klarer Frontstellung zur Führungsmacht des Westens, den Vereinigten Staaten erklären: „Wir teilen die Auffassung nicht, daß die Sowjetunion als Anstifter für die Verhängung des Kriegsrechts zu betrachten ist."

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie können diese Äußerung nicht bestreiten, und Sie werden doch nicht behaupten können, daß Ihr Sprecher, der doch versucht, Ihre Politik draußen darzustellen und zu verkaufen, dies gesagt habe, ohne zu wissen, wie Sie in dieser Sache denken.
    Sie haben dieses Urteil nicht aufrechterhalten können. Von Erklärung zu Erklärung innerhalb der letzten Tage bis hin zur heutigen Regierungserklärung mußten Sie modifizieren, mußten Sie sich in Ihrer Position verändern. Inzwischen sind Sie zu einer Verurteilung der sowjetischen Verantwortung gekommen. Glauben Sie im Ernst, Herr Bundeskanzler, daß für das freie Deutschland damit die verheerenden politischen und moralischen Wirkungen Ihres Versuchs zu Ende sind, die Sowjetunion von ihrer Verantwortung für die Vorgänge in Polen öffentlich freizusprechen? Sie haben dem Ansehen des Landes mit diesen Äußerungen geschadet.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Zu Beginn dieses Jahres — Sie haben auch das heute bestritten und haben alle, die darüber reden, als Fälscher bezeichnet — haben Sie in einem Interview in der „New York Times" die Vorgänge in Polen in einen Zusammenhang mit der Konferenz von Jalta im Frühjahr 1945 gebracht. Ich streite jetzt gar nicht darüber, wie Sie das Wort von den „Einflußsphären" in Europa verstanden wissen wollten. Ich gebe zu, das ist vieldeutig. Nur, Herr Bundeskanzler: Wie kommt es Ihnen in den Sinn, in dieser Lage in Polen und in Deutschland überhaupt an die JaltaKonferenz zu erinnern?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann doch erwarten, daß der deutsche Regierungschef wenigstens eine Mindestausstattung an historischen Kenntnissen hat, bevor er sich an eine solche Behauptung wagt.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Wer das Wort Jalta in diesem Zusammenhang in den Mund nimmt, muß doch wissen, daß dies zu Mißdeutungen führt. Der Beifall, den Sie für diese Hinweise sofort aus Moskau bekommen haben, ist ein verräterischer Beifall, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man muß sich doch fragen: Haben Sie sich gerade auch im Blick auf Osteuropa gefragt, welchen Eindruck Sie mit Ihrem Wort von den „Einflußsphären" bei den Völkern in Mittel- und Osteuropa, bei den 17 Millionen unserer Landsleute im anderen Teil Deutschlands hinterlassen, denen Menschenrecht und Menschenwürde verwehrt sind?
    Am 1. August 1975 ist in Helsinki die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit auch von Polen, auch von der Sowjetunion, unterzeichnet worden.

    (Conradi [SPD]: Auch von uns, Herr Kohl, gegen Ihren Willen!)

    In diesem Dokument heißt es ausdrücklich: „Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte und die Grundfreiheiten ... achten." Herr Bundeskanzler, warum sprachen Sie in Ihrem Interview von Jalta und nicht von Helsinki? Das wäre doch naheliegend gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Faßt man die Äußerungen, die ich gerade zitiert habe, zusammen, ergibt sich ein klarer Befund: Sie haben Spannungen im Verhältnis zu unserer Schutzmacht Amerika und Risse im Bündnis in Kauf genommen, um das Verhältnis zur Sowjetunion von Spannungen möglichst freizuhalten. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, als was Sie und Ihre eigene Partei, die SPD, die Bundesrepublik Deutschland letztlich betrachten: immer noch als einen unstreitig integralen Bestandteil des Atlantischen Bündnisses

    (Löffler [SPD]: Selbstverständlich!)

    — Herr Kollege, Ihnen nehme ich das ab; aber Sie sind nicht mehr typisch für die deutsche Sozialdemokratie —

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    oder schon als einen Staat, dem wegen seiner besonderen Lage eine „Sonder-" und „Vermittlerrolle" zwischen Ost und West zukommt — jene Sonder- und Vermittlerrolle, Herr Bundeskanzler, die nach unserer Überzeugung das Ende unserer Freiheit herbeiführen muß.
    Der französische „Le Matin", ebenfalls eine Zeitung Ihrer Parteifreunde in Paris, warnt im Zusammenhang mit Ihren Reaktionen, Herr Bundeskanzler, auf die polnischen Ereignisse vor der Gefahr eines neuen München. Und Herr Brzezinski, Ihnen aus früheren Zeiten besonders verbunden, sagte unlängst über Ihre Politik:
    Er gibt sich als wichtigstes Mitglied der Allianz, aber tatsächlich benimmt er sich wie ein perfekter Neutralist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Den hat er vorhin gemeint!)

    Ich kann Sie, Herr Bundeskanzler, nur auffordern, solche Kritik im Ausland aus berufenem Mund mit großer Wirkung innerhalb der Bevölkerung dieser demokratischen Staaten nicht einfach abzutun, sondern durch Taten zu widerlegen. Sie sind es dem deutschen Volk schuldig, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie groß inzwischen der Unterschied zwischen Ihren Worten und Taten geworden ist, will ich Ihnen einmal an Hand Ihrer gemeinsam mit dem französischen Präsidenten herausgegebenen Erklärungen vor Augen führen. Ich werde es hier sicherlich zitieren dürfen, weil auch Sie es früher immer wieder zitiert haben.

    (Zuruf von der FDP: Noch ein Zitat!)

    — Meine Damen und Herren, es ist ziemlich traurig, daß Sie hier Ihr Pflichtsoll an Beifall für diese Koalition wegen des schlechten Gewissens der FDP in dieser Sache auf diese Weise deutlich machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU— Lachen bei der FDP)

    In der Erklärung vom 5. Februar 1980 nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan stellten Sie zusammen mit dem französischen Präsidenten fest, „daß durch die Ereignisse in Afghanistan die Entspannung schwieriger und unsicherer geworden ist und daß deshalb der Rückzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan erforderlich ist". Sie erklärten,

    (Zuruf von der FDP: Noch ein Zitat!)

    „daß die Entspannung einem neuen Schlag gleicher Art nicht standhalten würde. In diesem Fall würden Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihren Bündnispartnern die Maßnahmen ergreifen, die unter diesen Umständen erforderlich sind, um ihre Sicherheit zu gewähr-



    Dr. Kohl
    leisten und die internationale Stabilität zu verteidigen".
    Herr Kollege, Sie sagten: „Noch ein Zitat!" Das ist ein amtliches Dokument deutscher Politik. Sind wir inzwischen schon so weit heruntergekommen, daß Sie ein Zitat aus einem amtlichen Dokument der von Ihnen getragenen Regierung nach einem Jahr nicht mehr ertragen können?!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Genau ein Jahr später, am 6. Februar 1981, stellten Sie wiederum mit dem französischen Präsidenten die Forderung auf, „daß Polen in der Lage sein muß, seine ernsten Probleme selbst friedlich und ohne Einmischung von außen zu lösen".

    (Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

    Sie sahen in dieser Forderung eine der Voraussetzungen, „von denen die Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses und die Erhaltung des Friedens abhängen". Wörtlich sagten Sie in dieser Erklärung:
    Mäßigung ist überall — außerhalb wie innerhalb Europas — mit dem Rückgriff auf Gewalt, mit der Politik der vollendeten Tatsachen und mit Versuchen unvereinbar, sich einseitige Vorteile zu verschaffen.
    Im Januar 1982, Herr Bundeskanzler, stehen noch immer die sowjetischen Truppen in Afghanistan, trotz der Zusicherung, sie zurückzuziehen. Am 13. Dezember letzten Jahres hat das polnische Militär die neue Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung mit fast 10 Millionen Mitgliedern zerschlagen. Tausende polnischer Patrioten wurden verhaftet; sie sind zum Teil bereits zu Gefängnisstrafen verurteilt. Viele Arbeiter wurden entlassen, die nicht bereit waren, aus der neuen polnischen Arbeiterbewegung auszutreten. Dies alles ist unleugbar auf direkten Druck und unter direkter Mithilfe der Sowjetunion geschehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Zurufe von der FDP und Gegenrufe von der CDU/CSU)

    — Meine Damen und Herren, ich muß schon sagen: Es ist sehr bemerkenswert, daß Sie überhaupt nicht mehr spüren, daß das, was der Bundeskanzler im Ausland sagt, und das, was er hier am Pult sagt, überhaupt nicht mehr übereinstimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Januskopf!)

    Und ein Liberaler sollte doch Verständnis dafür haben, daß hier im Parlament über deutsche Politik gerungen und entschieden wird.
    Herr Bundeskanzler, Sie sagten wörtlich: „Ich glaube, daß Jaruzelski in erster Linie so gehandelt hat, wie es seiner Ansicht nach den besten Interessen der polnischen Nation entspricht, also in erster Linie als Pole. In zweiter Linie erscheint er als ein
    Militär. Und erst in dritter Linie, glaube ich, handelt er als Kommunist."

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Die Neue Züricher Zeitung sagt dazu: „Die Polen nennen Jaruzelski nicht, wie deutsche Politiker, einen Patrioten, sondern einen Verräter." — Welche deutschen Politiker sind da wohl gemeint?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Bild ist bedrückend. Es ist bedrückend, weil zwischen Ihren Worten und Ihren Taten keine Übereinstimmung besteht. Das gilt nicht nur für die Bundesregierung; das gilt besonders für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Ihre Freunde in Paris, Herr Brandt, haben von einer „Abdankung der deutschen Arbeiterbewegung angesichts der Niederdrückung des polnischen Volkes" gesprochen.
    Ich hätte es begrüßt, wenn in diesen letzten Wochen bei vielen Gelegenheiten, auch bei Gelegenheiten, bei denen meine Freunde in einigen deutschen Städten zu Kundgebungen aufgerufen haben, die örtlichen Parteiorganisationen der SPD und der FDP bereit gewesen wären, in Schweigemärschen für die Solidarität mit Polen zu demonstrieren.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Fehlanzeige!)

    Ich hätte es begrüßt, wenn auch im Deutschen Gewerkschaftsbund die Bereitschaft zu einer öffentlichen Demonstration deutlich geworden wäre.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: In Bayern!)

    Wenn ich mich an all jene kritischen Stimmen erinnere, die sich da gegen die Diktatur in Portugal, in Spanien, in Chile, in der Türkei erhoben haben, dann frage ich mich: Sind Sie nur dann wirklich empört, wenn der Ort oder der Gegenstand Ihrer Empörung weit entfernt ist und keinen großen Patron in der internationalen Politik hat?
    Wir sind weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind.

    (Zurufe von der SPD: Auf beiden!)

    Wer Menschenrechte mit Füßen tritt, findet unsere entschiedene Gegnerschaft. Das ist die Ausgangsposition unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich — übrigens auch Herr Genscher — in den letzten Wochen so häufig auf die Haltung der polnischen Kirche und des aus Polen kommenden Papstes berufen haben,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Jetzt plötzlich!)

    dann frage ich Sie: Warum haben Sie dann nicht wenigstens die Aufrufe der Kirchen zu Schweigemärschen und Demonstrationen unterstützt? Und Herr Genscher, ich frage Sie: Wie kommt der Generalsekretär der FDP dazu, all jene, die zur Solidarität aufgerufen haben, als „kalte Krieger" zu beschimpfen?

    (Schwarz [CDU/CSU]: Ja; das hat er gesagt! — Dr. Marx [CDU/CSU]: Heruntergekommen!)




    Dr. Kohl
    Es ist weit gekommen mit den liberalen Prinzipien in der deutschen Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wo waren denn in diesen Wochen und Tagen Ihre Reaktionen, als der polnische Erzbischof Klempp die sittenwidrige Pression gegen die polnische Arbeiterschaft offen anprangerte? In der deutschen Presse wurde diese Predigt als „entlarvend" für das polnische Militärregime beurteilt. Auch der Papst hat eine klare Sprache gesprochen.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben ja bei anderer Gelegenheit den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz angesprochen. Das war vor über einem Jahr. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie auch die heutige Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz in Ihren Text aufgenommen hätten. Kardinal Höffner sagt ganz klar:
    Wer jetzt noch von einem rein innerpolnischen Vorgang spricht, der opfert den Freiheitswillen eines ganzen Volkes einer vermeintlichen Entspannungspolitik. Zudem spricht dieses Geschehen in Polen der Schlußakte der KSZE-Konferenz in Helsinki Hohn. Wer frei sprechen kann,
    — so Kardinal Höffner —
    darf sich der Verantwortung nicht entziehen, auch nicht durch Schweigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das brutale Vorgehen von Polizei und Streitkräften gegen Gewerkschaftler und kritische Intellektuelle in Polen verbietet „jede beschönigende Interpretation des Militärregimes als Notbremse, als kleineres Übel angesichts eines möglichen sowjetischen Einmarsches. Die bisher weithin geübte Zurückhaltung gegenüber der polnischen Militärdiktatur ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Wer meint, daß das Regime Jaruzelskis toleriert werden sollte, weil dadurch Schlimmes verhütet werden könnte, der täuscht sich über die Eigendynamik diktatorischer Herrschaftsformen." Das ist kein Zitat von mir, Herr Bundeskanzler; das ist ein Zitat

    (Zuruf von der SPD)

    — jetzt hören Sie gut zu — von Mitgliedern Ihrer eigenen Partei, von der „Gruppe demokratischer Sozialisten in der Bundesrepublik". Unter dieser Erklärung stehen Namen wie Peter von Oertzen, Ossip Flechtheim und Iring Fetscher, um nur einige wenige zu nennen. Daß Intellektuelle aus der deutschen Sozialdemokratie so reden müssen, zeigt doch den Bankrott Ihrer Politik innerhalb der Sozialdemokratischen Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die angeblich drohende Anarchie und die Gefahr, daß Polen von der Landkarte verschwindet, wenn die polnische Armee das Kriegsrecht nicht verhängt hätte, sind doch nicht die Ergebnisse der demokratischen Reformbewegung. Wer das sagt, verbreitet doch Moskauer Theorien. Diese Mißwirtschaft ist ausschließlich die Folge einer kommunistischen Ein-Parteien-Diktatur, reaktionärer planwirtschaftlicher Methoden und der fortdauernden militäri-
    schen Drohung und Einmischung der Sowjetunion.
    Es ist doch eine verhängnisvolle Illusion, zu glauben, daß eine solche fundamentale Strukturkrise des kommunistischen Systems genau durch die Methoden wieder behoben werden könnte, die den polnischen Staat in diese Existenzkrise geführt haben. Die Sowjetunion mag mit Hilfe von Panzern, mit Hilfe von polnischen Militärs und mit ihren sonstigen Einmischungen von außen eine sogenannte Normalisierung in Polen erreichen. Aber die sowjetischen Führer begehen damit den geschichtlichen Irrtum, zu glauben, damit die politische, wirtschaftliche und geistig-ideologische Krise beheben zu können, die nicht nur Polen, sondern auch längst die Sowjetunion und ihre Bündnispartner in der DDR und in der CSSR — dort ist es besonders erkennbar — erfaßt hat.
    Die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion sind mit Panzern und Bajonetten auf die Dauer nicht zu garantieren. Die sowjetische Führung muß endlich auch begreifen, daß Friede und Sicherheit in Europa nur auf dem Wege der Reformen, auch demokratischer Reformen, innerhalb der Länder des Warschauer Paktes dauerhaft gesichert werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Friede in Europa bleibt gefährdet, solange die Sowjetunion in ihrer militärischen Üerrüstung das einzige Mittel sieht, mit dessen Hilfe sie die Reformbewegungen innerhalb der kommunistischen Paktstaaten unterdrücken kann, und solange ihre Bereitschaft fortbesteht, diese Überrüstung zur angeblichen Aufrechterhaltung ihrer Sicherheit nach außen auch gegen die freie Welt einzusetzen.
    Wir alle müssen der Sowjetunion immer wieder deutlich machen, daß aus unserer Sicht der andere Weg der richtige ist. Dazu gibt es Möglichkeiten.
    Erstens. Es bleibt bei unserer Bereitschaft zu einer dem Frieden dienenden Entspannung in Zusammenarbeit auch mit den Ländern in Mittel- und Osteuropa, mit den kommunistischen Staaten. Es bleibt bei unserer Bereitschaft zu einer kontrollierten und ausgewogenen Rüstungskontrolle und Abrüstung. Es bleibt unser Interesse, daß die Genfer Verhandlungen vorankommen.
    Zweitens. Wir müssen gegen alle Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Menschenrechte durch die Sowjetunion und ihre kommunistischen Bruderparteien die öffentliche Meinung in der freien Welt mobilisieren. Alle Bürgerrechtler bestätigen uns immer wieder, daß dies auch für die Sowjetunion von Bedeutsamkeit ist. In seinen Erinnerungen schreibt der frühere General der Roten Armee Grigorenko: „Die sowjetische Führung reagiert sehr empfindlich auf die internationale öffentliche Meinung. Schon eine einfache Publikation in der Auslandspresse zeitigt ihre Früchte." — Wenn wir schweigen, nehmen wir diese Chance zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung in der Welt nicht wahr.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Drittens. Wenn die Sowjetunion in ihrer Aggressionspolitik fortfährt, Menschenrechte verletzt oder — wie jetzt in Polen — versucht, den Reformprozeß zu ersticken, dann muß sie wissen, daß sie dafür international einen hohen politischen, einen wirtschaftlichen und einen moralischen Preis zu zahlen hat.
    Aber wie sieht denn die Realität im westlichen Bündnis nach dem Militärcoup in Warschau aus? Der freie Westen weiß auf die Strukturkrise in den kommunistischen Staaten keine — und schon gar keine gemeinsame — Antwort. Das Bündnis treibt einer Entwicklung zu, die sowohl international als auch national destabilisierend wirkt. Es fehlt dem Bündnis vor allem — und das ist ja der Ausgangspunkt der heutigen Debatte — an einer übereinstimmenden Analyse der sowjetischen Politik. Aber diese Analyse ist die Voraussetzung für gemeinsames Handeln.
    Seit eineinhalb Jahren mußte der Westen damit rechnen, daß sich die Krise in Polen zuspitzte und eine sowjetische Intervention möglich war. Auch heute kann niemand diese Intervention ausschließen. Dennoch vermittelt die westliche Welt heute ein Bild der Zerstrittenheit und der Hilflosigkeit. Immer weniger stehen die Ereignisse in Afghanistan und in Polen, die Verfolgung von Bürgerrechtlern in allen Staaten des Warschauer Paktes im Mittelpunkt öffentlicher Diskussion, sondern immer mehr das kleinliche Gezeter unter den Bündnispartnern.
    Die Vertrauenskrise so wichtiger Bündnispartner wie der USA und Frankreichs gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, wie sie gegenwärtig zum Ausdruck kommt, gefährdet die deutschen Interessen existenziell. Wir drohen nicht nur in eine internationale Isolierung zu geraten, sondern wir verspielen auch Vertrauenskapital — was in nationalen Krisen, wie etwa einer Berlin-Krise, bedrohlich werden kann.
    Herr Bundeskanzler, was würden wir eigentlich denken, wenn bei einer äußeren Existenzbedrohung unseres eigenen Landes die internationale Umwelt nur kühl von „Nichteinmischung", von einem „internen Problem der Deutschen", von „behutsamer Zurückhaltung" sprechen würde? Wir wären zu Recht empört, wir würden uns im Stich gelassen fühlen. Doppelte Moral: Das ist wohl die zutreffendste Bezeichnung für eine solche Haltung.

    (Beifall bei der .CDU/CSU)

    Die Entwicklung in Polen verdeutlicht aber ebenso, daß es auch um einen zunehmenden Dissens zwischen den USA und Europa und vor allem zwischen Washington und Bonn geht. Wie groß die Entfremdung mit unserem wichtigsten Bündnispartner geworden ist, zeigt doch die jüngste Auseinandersetzung über mögliche gemeinsame Sanktionen gegenüber Polen und der Sowjetunion.
    Am gleichen Tag, an dem die NATO-Außenminister ihre gemeinsame Bereitschaft zu Sanktionen beschließen, wenn auch nur entsprechend der nationalen Möglichkeiten, der jeweiligen Lage und Rechtsvorschriften, lehnt der SPD-Vorsitzende Willy Brandt diese Sanktionen schlicht ab. Herr Kol-
    lege Genscher, ich frage Sie als Vorsitzenden der FDP: Was sagen Sie eigentlich, wenn Sie in Brüssel eine solche Verhandlung abschließen und Ihr Partner in Bonn zur gleichen Stunde genau das Gegenteil sagt? Herr Kollege Brandt, ich sage das mit aller Härte: Uns wundert es nicht, daß Herr Jaruzelski sich ausgerechnet an Sie mit einem Schreiben gewandt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Welche Glaubwürdigkeit soll eigentlich der heutige Entschließungsantrag von SPD und FDP noch besitzen, wenn darin ausdrücklich auf Erklärungen des amerikanischen Präsidenten und der NATO Bezug genommen wird, auf Erklärungen also, die doch Sie, Herr Kollege Brandt, und führende Mitglieder Ihrer Partei fortdauernd öffentlich kritisieren? Wie können Sie eigentlich dieser Entschließung von heute zustimmen, wenn Sie draußen andauernd das Gegenteil sagen?
    Wir brauchen doch die Amerikaner wahrlich nicht darüber zu belehren, daß Sanktionen die Sowjetunion nicht in die Knie zwingen. Herr Bundeskanzler, aber darum geht es doch auch gar nicht. Die Androhung von Sanktionen soll die Sowjetunion warnen, in ihrer Politik der Aggression und der Unterdrückung von Menschenrechten fortzufahren. Sie soll der sowjetischen Führung deutlich machen, daß die freie Welt gewillt ist, auch zu handeln, d. h. von Moskau einen Preis einzufordern. Wenn Moskau die polnische Reformbewegung erstickt, kann für die freie Welt nicht der Satz gelten: Business as usual. Wenn das die Philosophie unserer Demokratie ist, ist diese Republik am Ende.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für uns ist Entspannung auch nicht in der Form teilbar, daß Wirtschaftsbeziehungen, Milliardenkredite und technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit losgelöst von der politischen Entwicklung betrieben werden können. Das muß die Sowjetunion und das müssen die Warschauer Paktstaaten wissen und auch konkret erfahren.
    Wenn es in den nächsten Monaten nicht gelingt, die Instrumente der Abstimmung und Zusammenarbeit im Bündnis neu zu überprüfen, wenn es nicht gelingt, eine gemeinsame Konzeption der Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses zu entwickeln, wenn es nicht gelingt, zu einer gemeinsamen Beurteilung sowjetischer Politik zu kommen — politisch, wirtschaftlich und militärisch —, und wenn es nicht gelingt, dieses gemeinsame Handlungskonzept auch nach außen sichtbar zu machen —, dann wird das Atlantische Bündnis in eine existentielle Krise geraten, dann wird die Entfremdung zwischen den USA und Europa und vor allem der Bundesrepublik zunehmen —, und zwar in einem Maße, daß es lebensgefährlich für die Sicherheitsinteressen unseres Landes wird.
    Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, das ist nicht nur unsere Auffassung und nicht nur die Auffassung des amerikanischen Präsidenten und seiner Administration. Das ist — wie wir wohl wissen, etwa im Kongreß und im Senat die Auffassung der beiden großen amerikanischen Parteien



    Dr. Kohl
    und damit weiter Teile der amerikanischen Bevölkerung.
    Lassen wir einmal die Einzelheiten beiseite, die eine klare Sprache sprechen, so bleibt, wenn ich Ihre Politik über die Jahre hindurch analysiere, Herr Bundeskanzler, ein Fazit, das mehr als jedes andere Detail beunruhigt. Es bleibt nämlich die Feststellung, daß Sie, selbst wenn Sie es wollen, zu keiner wirklichen Übereinstimmung mit Präsident Reagan und seiner Administration kommen können. Das politische Konzept, das Ihrem Denken zugrunde liegt, und das Denken unserer amerikanischen Freunde sind offensichtlich grundverschieden; sie sind zu verschieden, um Harmonie zuzulassen. Ihre Außenpolitik und die des amerikanischen Präsidenten sind aus sehr prinzipiellen Gründen nicht in Einklang zu bringen. Ich will Ihnen die Gründe nennen.
    Erstens. Sie sind im Kanzleramt Nachfolger von Willy Brandt und haben dessen ideologisch-missionarische Außenpolitik vorgefunden. Einer der tragenden Begriffe in Ihrer ersten Regierungserklärung lautete „Kontinuität". In diesem Fall hatten Sie allerdings weit mehr Konsolidierung im Auge. Wir wissen ja, daß Sie den Visionen — wie Sie sagten — Ihres Vorgängers nicht bis in alle Milchstraßen folgen wollten. Aber die Kontinuität war schließlich stärker als Ihre Vorsätze. Das liegt vor allem daran, daß in der Kette Ihrer Begabungen vor allem eines fehlt — auch das haben wir heute gemerkt —, nämlich schöpferisches Denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD — Frau Matthäus-Maier [FDP]: Gut, daß wir das haben!)

    Herr Bundeskanzler, in den acht Jahren, in denen Sie regieren, haben Sie jedenfalls die deutsche Außenpolitik um kein kreatives Moment bereichert. Ich werde es sagen, obwohl es Herr Brandt vielleicht zu gerne hört: Sie haben das, was Herr Brandt geschaffen hat, auf verwaltbare Größenordnungen reduziert. Herausgekommen ist dabei eine Art Brandt im DIN-A 4-Format.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was Herr Brandt gemacht hat, war von einer Idee inspiriert, die wir für lebensgefährlich halten und die niemals unsere Zustimmung findet. Aber es war eine politische Konfession. Es war eine bedenkliche Außenpolitik, und an ihren Folgen werden wir noch lange laborieren. Die Idee dieser Politik war nicht gut; aber nun ist auch die Realisierung dieser Politik nur noch durchschnittlich geworden.
    Herr Bundeskanzler, ist es Ihnen noch nicht selber aufgefallen, daß Sie, wenn Sie Brandts Emphase wegstreichen, für Ihre Außenpolitik keine perspektivische Begründung haben? Das ist genau der Vorwurf Ihrer eigenen Parteifreunde an Ihre Politik.

    (Vorsitz: Vizepräsident Windelen)

    Ihre peinlichen Reden an der Seite Erich Honekkers von der „guten Nachbarschaft",

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Nachbarschaft!)

    zur gleichen Zeit, als der SED-Chef dabei war, die Polen zu zwingen, sich selbst zu vergewaltigen; die Bemerkung vom Frieden, den Honecker angeblich in gleicher Weise wolle wie Sie —

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Diese Verwischung!)

    fragen Sie doch einmal in Warschau nach, in welcher Weise Honecker den Frieden will —; Ihr Dank für eine Gastfreundschaft, die eigens für Sie die Vorführung inszenierte, wie deutsche Uniformträger in einem totalitären Regime eine Stadt besetzen: Das alles, Herr Bundeskanzler, rührt doch nur daher, daß Sie sich zur Überhöhung Ihrer Politik einer Sprache bedienen müssen, deren Weltbild in Wahrheit Ihnen innerlich doch zutiefst fremd ist.
    Sie stoßen jetzt auf einen Präsidenten in den Vereinigten Staaten, der von seiner Mission erfüllt ist; der von seinen Ideen erfüllt ist — und der in diesem Sinne seine Außenpolitik entwickelt.
    Und es gibt noch einen zweiten triftigen Grund, warum Ihre Politik mit Washington nicht mehr harmonisiert werden kann. Er hängt zusammen mit einem Teil des Erbes, das Sie übernommen haben. Wenn mich nicht alles täuscht, ist gerade Ihre Aggressivität, auch heute wieder, ein Hinweis darauf, daß Sie ratlos geworden sind, daß es Ihnen nicht mehr gelingen will, mit Washington auf eine Linie zu kommen. Ihr außenpolitisches Kategorien-System ist eben ein völlig anderes als das der jetzigen amerikanischen Regierung. Für Ihr Denken — und Sie brauchen nur einmal Ihre Tätigkeit in den Programmkommissionen Ihrer Partei zu überdenken — ist Außenpolitik eine Art internationale Form von Gesellschafts- und Sozialpolitik. Mehr als vor zehn oder vor zwanzig Jahren ist aber die Außenpolitik heute wieder eine Politik der Völker und Staaten geworden. Die Vaterländer, die manche in unserer Generation schon für Zeit und Ewigkeit für überlebt hielten, sind wieder Faktoren der Weltpolitik geworden. Damit ist eine andere Form der Außenpolitik gefordert. Präsident Reagan versucht seine Antwort. Er kommt damit zu einem Konzept, das dem Ihren, Herr Bundeskanzler, nicht nur überlegen ist, sondern das ihm vor allem konträr gegenübersteht. Während Reagan von klarer Verantwortlichkeit der die Staaten lenkenden Politiker ausgeht, sehen Sie die Komplexität fataler gesellschaftlicher Abläufe. Die Art, wie Sie Außenpolitik angehen, mag, für sich gesehen, verständlich und ehrenwert sein; vom Ziel her gesehen, muß sie falsch sein — und von den Mitteln her verhängnisvoll. Vor allem aber führt Ihre Außenpolitik in einer veränderten Welt zur internationalen Isolierung.
    Herr Bundeskanzler, Sie werden dann wieder von Kommuniqués sprechen. Sie sprachen ja auch von dem gestrigen Besuch, bei dem eigentlich das Schweigen in der französischen Öffentlichkeit viel interessanter war als das, was Sie hier zu sagen hatten. Eine Weile werden Sie die Tünche von Kommuniqué-Formeln über die Meinungsverschiedenheiten legen können, die sich zwischen Ihnen und Ihrer Politik und der Allianz auftun; aber die Orientierung des Landes nimmt dabei Schaden.



    Dr. Kohl
    Heinrich Böll sprach auf seiner Pressekonferenz vom „moralischen Selbstmord" eines Europa, das sich allzu gerne als Quelle menschlicher Zivilisation, als Hort von Moral und demokratischer Tugenden und als Bollwerk des Friedens und der Entspannung preist. In der Tat: Unsere politische Solidarisierung mit der Not unserer östlichen Nachbarn, vor allem mit Polen, ist ein sichtbarer Gradmesser für den geistig-moralischen Zustand unseres Volkes und für die Glaubwürdigkeit der politisch Handelnden. Warum aber schweigen so viele angesichts der brutalen Unterdrückung der Sehnsucht des polnischen Volkes nach mehr Rechten, nach mehr Freiheit?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wo bleibt die geistige, wo bleibt die politische Unruhe gegen den Geist der Unfreiheit, der Unterdrükkung und des Unfriedens?

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Die Verfettung geht schon weit!)

    Was uns fehlt, ist doch nicht die Erkenntnis über die Ereignisse in Polen — die Wirklichkeit in Polen ist längst nicht mehr interpretierbar, weil sie so eindeutig geworden ist —; was not tut, sind jetzt Mut und Besonnenheit: Mut, um feigem Opportunismus zu widerstehen, und Besonnenheit, um Kraft zum Handeln zu gewinnen — aus europäischer Solidarität für unsere polnischen Nachbarn.

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/ CSU)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Professor Ehmke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß wenigstens unser gemeinsamer Respekt vor dem Leiden des polnischen Volkes Herrn Kohl davon abhalten würde, sich mit der Scharfmacherei gemein zu machen, die der Bundeskanzler zu Recht beanstandet hat. Leider hat Herr Kohl das doch getan.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kohl, daß Sie den von Helmut Schmidt zitierten Satz des bayerischen Ministerpräsidenten mit einer Karikatur vergleichen, heißt ja noch nicht, ihn zurückzunehmen. Sie haben stattdessen noch eine Polemik gegen den Bundeskanzler angefügt, die ebenso persönlich wie peinlich war. Herr Kohl, es spricht für mich Bände, daß Sie in bezug auf den 20. Juli dabei auf eine Verleumdung angespielt haben, die Sie selbst gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten zurückgewiesen haben. Herr Kohl, ich kann Ihnen Ihre Komplexe gegenüber dem Bundeskanzler nicht nehmen, aber ich will Ihnen in der Polemik ganz sicher nicht folgen.

    (Beifall bei der SPD)

    Mein Eindruck ist, Herr Kohl, daß die große Mehrheit unseres Volkes diese taktische Behandlung von Lebensfragen der Nation herzlich satt hat.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Taktisch?)

    Ich glaube, ein Gebrauch der polnischen Tragödie für Zwecke innenpolitischer Auseinandersetzung

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wie bei Herrn Wischnewski!)

    trifft draußen um so mehr auf Unverständnis, als wir ja — da stimme ich Ihnen ganz zu — eine erstaunliche Welle der Sympathie mit dem polnischen Volk in unserem Land haben. Was da über die katholische Kirche, die evangelische Kirche, die Gewerkschaften und andere Organisationen durch Hunderttausende und Millionen von Familien und einzelne geschieht — Herr Kohl, da stimme ich Ihnen zu —, diese Nachbarschaftshilfe ist eine Friedensbewegung eigener Art und eigener Größe.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nun kann man vielleicht den Begriff „Nachbarschaftshilfe" beanstanden, weil die Bundesrepublik heute ja territorial nicht Nachbar Polens ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Es gibt auch geistige Nachbarschaft!)

    Aber geistig sind wir vielleicht mehr als je in unserer Geschichte Nachbarn. Andere Völker haben längere historische positive Bindungen mit dem polnischen Volk, die Franzosen etwa aus der Zeit des polnischen Freiheitskampfes, die Vereinigten Staaten von Amerika als auch polnisches Einwanderungsland. Aber, Herr Kohl, es ist doch nicht gut, wenn Sie antideutsche Stimmen von draußen unterstützen

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Die sind doch nicht antideutsch, sondern gegen Ihre Politik gerichtet!)

    — Herr Lenz, Sie lesen leider nicht; lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden! —,

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Man darf Ihnen doch wohl noch widersprechen!)

    die der Meinung sind, daß unsere anti-polnische Tradition aus der zum Teil furchtbaren Geschichte zwischen den beiden Völkern für uns noch maßgebend sei. Denn jedenfalls in diesem Teil Deutschlands ist das nicht der Fall. Dazu haben, Herr Kollege Lenz, die Entspannungspolitik und der Polenvertrag Willy Brandts von 1970 wesentlich beigetragen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Fragen Sie mal die Polen, was die dazu sagen!)

    Herr Kollege Kohl, lassen Sie mich eines in aller Ruhe sagen: Daß Sie als Vorsitzender einer Partei, die gegen die Entspannungspolitik gekämpft hat,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Gegen welche Art der Entspannungspolitik?)

    jetzt anti-deutsche Argumente gegen die eigene Bundesregierung anführen, das halte ich für das Gegenteil von Patriotismus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Das ist unerträglich — die Gleichsetzung dieses Volkes mit dieser Regierung! Das ist geradezu totalitäres Denken!)




    Dr. Ehmke
    Ich möchte namens der Bundestagsfraktion der SPD der Bundesregierung — voran dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister — unseren respektvollen Dank dafür sagen, daß sie auch angesichts der Zuspitzung der polnischen Krise an dem Grundgedanken unserer Politik unbeirrt festgehalten und unseren Standpunkt mit Augenmaß und Umsicht vertreten hat:

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist doch lächerlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    im Bündnis mit der Offenheit eines verantwortungsbewußten Partners und nach draußen mit der Bestimmtheit, aber auch mit der Ruhe eines im Ringen um den Frieden nicht mehr ganz unerfahrenen Mitglieds der Völkergemeinschaft. In der neuen und schweren Krise der Entspannungspolitik hat sich das sozialliberale Bündnis, hat sich sozialliberale Gemeinsamkeit einmal mehr bewährt.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Kolleginnen und Kollegen, niemand kann es wundernehmen, daß in einer solchen Situation erneut um den besten Weg, mit der Krise fertigzuwerden, gestritten wird: in unserer Innenpolitik und im Bündnis. Diese Diskussion ist notwendig. Unnötig, Herr Kollege Kohl, j a schädlich dagegen ist es, eine Scheindiskussion über das zu führen, was nicht im Streit ist.
    Dieses Hohe Haus hat vor den Weihnachtsferien, am 18. Dezember, einen Tag nach dem Europäischen Parlament, eine gemeinsame Auffassung zu den Vorgängen in Polen beschlossen und hier zum Ausdruck gebracht. Der Kollege Barzel hat das als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses für uns alle hier verlesen. Wir haben das Militärregime in Polen und das mit der KSZE-Schlußakte unvereinbare Vorgehen gegen die polnische Reformbewegung scharf verurteilt und dem polnischen Volk unsere Solidarität bekundet. Wir haben die Wiederherstellung der erreichten Freiheiten, die Freilassung aller Inhaftierten und die Wiederaufnahme des Dialogs mit Kirche und Gewerkschaften gefordert. Wir haben das, meine Kolleginnen und Kollegen, aus zwei Überzeugungen getan: zum einen aus der Überzeugung, daß man Menschenrechtsverletzungen anprangern muß, wo immer sie geschehen,

    (Beifall bei der SPD)

    zum anderen aus der Überzeugung — da spreche ich jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten, die in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung steht —, daß unsere menschliche und politische Sympathie doch nur denen gehören kann, die in Polen und in Osteuropa um Rechte kämpfen, um die die europäische Arbeiterbewegung seit 120 Jahren kämpft — gegen Unterdrückung, in welch geschichtlicher Form sie sich auch gezeigt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Kohl, es würde sich für Sie lohnen, einmal darüber nachzudenken, daß dies für uns so selbstverständlich ist, daß wir der Meinung sind, wir würden diese Selbstverständlichkeit durch unangemessene Lautstärke eher in Zweifel ziehen als stärken.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Wie erklären Sie sich denn, daß Ihre französischen und italienischen Freunde es für notwendig halten, diese Auffassung nachdrücklich zum Ausdruck zu bringen?)

    Allerdings muß auch das Selbstverständliche in dieser Welt immer wieder gesagt werden. Darum bekräftigen wir in unserem Entschließungsantrag von SPD und FDP noch einmal unser Eintreten für die polnischen Reformkräfte.
    Manche ausländischen Kritiker haben uns vorgeworfen — Herr Kohl hat gar nicht gemerkt, daß auch dies an die deutsche Adresse im allgemeinen ging —, wir hätten die Verantwortung der Sowjetunion nicht genügend angeprangert. In der Tat, wir haben die Verantwortung der Sowjetunion in der gemeinsamen Resolution des Bundestages vom 18. Dezember in Ziffer 5 nur indirekt angesprochen. Aber ich bin der Meinung: deutlich genug, jedenfalls nicht weniger deutlich als das Europäische Parlament vor uns. Was soll denn der Streit? An der sowjetischen Mitverantwortung für das, was in Polen geschieht, kann doch kein vernünftiger Mensch zweifeln.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Ist der Regierungssprecher kein vernünftiger Mensch?)

    Ohne die Sowjetunion gäbe es diese Polenkrise überhaupt nicht.
    Aber, Herr Marx, jetzt kommen wir zu dem Punkt, der Ihnen schwerer fällt: zur Differenzierung. Gerade dieser Punkt zeigt, wie notwendig die Differenzierung ist. Auf die Frage, ob General Jaruzelski im Auftrag der Sowjets oder aus eigenem Antrieb, um einer sowjetischen 'Intervention zuvorzukommen, gehandelt hat, können wir doch heute überhaupt keine Antwort geben, weder Sie noch wir. Einmal, weil die Frage viel zu simpel gestellt ist. Jeder, der politische Erfahrung hat, weiß, daß die Motivations-zusammenhänge bei denen, die in solchen Situationen handeln müssen, nicht gerade so sind, daß sie sich in simple Fragen fassen lassen. Zweitens, Herr Kollege Marx: weder Sie noch wir haben heute die Möglichkeit, uns zu vergewissern, wie die Motivationslage war.

    (Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    — Ich komme j a dazu. — Ich möchte vor vorschnellen Urteilen warnen, Herr Kollege Marx, weil sie die Gefahr vergrößern, daß wir durch Voreiligkeit eventuell vorhandene Chancen verschütten, und zwar auf dem Rücken des polnischen Volkes. Das wollen Sie nicht, und das wollen wir nicht.
    Wichtig ist doch für uns nur zweierlei: Wir wollen, daß der Kriegszustand in Polen aufgehoben wird, und zwar schnell. Auf der anderen Seite ist zweitens wichtig, Herr Kollege Marx, daß wir die Verhängung des Kriegszustandes durch das polnische Militär nicht mit einer militärischen Intervention der Sowjetunion gleichsetzen. Aus zwei Gründen: Einmal ist das für die Polen selbst ein erheblicher Unterschied, auch für die, die unter dem Kriegszustand leiden. Und zweitens wären wir doch töricht, meine



    Dr. Ehmke
    Kollegen von der CDU/CSU, wenn wir durch eine solche Gleichsetzung selber die Barrieren abbauen würden, die der Westen in vielen Monaten gegen eine direkte sowjetische Intervention aufgebaut hat.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Das hat niemand von uns getan! Was wollen Sie denn?)

    — Herr Kollege Marx, wenn Sie mit dem allem einverstanden sind, dann müssen Sie Ihrem Oppositionsführer sagen, er soll zu diesem Thema hier eine andere Rede halten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Ich bin nicht einverstanden! Sie unterstellen Dinge, die nicht stimmen!)

    Da die Lage in Polen sich entgegen der Zusage der polnischen Militärs weiter verschlechterte, hat der amerikanische Präsident — leider ohne vorherige Konsultation mit den Verbündeten — in einer Rede vom 23. Dezember zunächst amerikanische Sanktionen gegen Polen und dann in einer Erklärung vom 29. Dezember amerikanische Sanktionen gegen die Sowjetunion bekanntgegeben. Zugleich hat der Bundeskanzler in Briefen an den polnischen und an den sowjetischen Staatschef unsere Auffassung über die Vorgänge in Polen noch einmal bekräftigt. Die EG-Außenminister haben dann auf ihrer Sitzung vom 4. Januar die amerikanischen Maßnahmen zur Kenntnis genommen und die Aufnahme von Konsultationen angekündigt. Diese ersten Konsultationen haben — nach dem Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem Bundeskanzler am 5. Januar — in dieser Woche in Brüssel im Rahmen der NATO-Außenminister stattgefunden.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Ich denke, es gibt auch noch Botschafter?)

    Das Ergebnis ist uns allen bekannt. Unser Entschließungsantrag unterstützt die getroffenen Entscheidungen.
    In diesem Prozeß hat es unter den Verbündeten keine Meinungsverschiedenheiten über die Kritik an den polnischen Vorgängen und keine Meinungsverschiedenheiten über die Ziele des Westens und seine Forderung an die polnische und die sowjetische Regierung gegeben. Dagegen hat es wie bei früheren Gelegenheiten Meinungsverschiedenheiten über die besten Wege und Mittel gegeben, diese Ziele zu erreichen und die Forderung des Westens durchzusetzen. Eine solche Diskussion, Herr Kollege Kohl, sollte doch auch für Sie eine Selbstverständlichkeit sein. Im westlichen Bündnis gibt es keine Satelliten, und das soll auch so bleiben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere Partner in der Allianz wissen, daß wir unsere Analysen und unsere Standpunkte klar und entschieden vertreten. Sie können sicher sein, daß wir eine gemeinsam erarbeitete Politik ebenso klar und entschieden vertreten werden.
    Der konservative britische Außenminister Lord Carrington hat — fast bin ich versucht zu sagen: wieder einmal — recht gehabt, als er sagte, es wäre absurd, wenn der Westen sich auseinanderdividieren
    ließe anläßlich eines Vorganges, der einmal mehr zeigt, daß der Sowjetkommunismus in Osteuropa keine Zukunft hat —

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Da hat er sicher recht!)

    — darum stimme ich ihm ja zu, Herr Marx —, oder wie wir in Ziffer 6 unseres Entschließungsantrages sagen:
    Die Entwicklung in Polen zeigt erneut die Starrheit und Unbeweglichkeit des kommunistischen Systems, notwendige und zur Erfüllung der legitimen Erwartungen seiner Völker unverzichtbare Veränderungen zur Entfaltung zu bringen.
    Lassen Sie mich damit, weil das der Hintergrund der Diskussion, auch mancher Kampagne drinnen und draußen ist, noch einmal auf die Gründe zurückkommen, die unsere Entspannungspolitik tragen und unsere Politik auch in dieser Krise bestimmen. Die Polenkrise ist Teil eines Prozesses, der die europäische Situation, so wie sie sich aus den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges, aus der Bildung der Blöcke und der Erfindung der Atomwaffen entwikkelt hat, verändert.
    Es ist in diesen Tagen viel über Jalta und seine Bedeutung für die Teilung Europas gesprochen worden. Ich bin der Meinung, wir Deutschen sollten nicht vergessen, daß vor Jalta Hitler war.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Wir haben das nicht in die Debatte geworfen!)

    Das Unglück unseres Landes und das von ihm ausgehende Unglück Polens und ganz Europas hat mit Hitler angefangen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Stalin!)

    Wichtiger als Jalta in seiner einzelnen Bedeutung war das Ergebnis, mit dem der Hitler-Krieg geendet hat. Die Sowjetunion hat ihre militärische Macht bis nach Mitteleuropa ausdehnen können. Sie hat in diesem militärischen Machtbereich ihr hörige sowjetkommunistische Regime eingerichtet.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Gegen die Abmachungen in Jalta!)

    — Ja, aber als Ergebnis der Machtverschiebungen des Zweiten Weltkrieges.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Und des Zurückweichens des Westens!)

    Der Arbeiteraufstand in Ost-Berlin, der ungarische Aufstand, der Prager Frühling und immer wieder Protest- und Reformbewegungen in Polen haben gezeigt und zeigen, wie stark die Kräfte in Osteuropa sind, die diesen Zustand nicht hinnehmen wollen. Seitdem ist in West- und Osteuropa viel darüber nachgedacht und geredet worden, ob und wie diese Situation zu ändern ist. Auf diese Fragen ist eine Reihe von Antworten gegeben worden. Zwei von ihnen halte ich für grundsätzlich falsch. Nämlich erstens die Antwort, daß diese sich als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges darstellende Situation mit Gewalt zu ändern sei, und zweitens die Antwort, daß sie



    Dr. Ehmke
    überhaupt nicht zu ändern sei. Beide Antworten sind falsch.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Da können wir Ihnen weitgehend zustimmen!)

    Die These, daß die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges mit Gewalt zu ändern seien, hat kein politisch Verantwortlicher im Westen je vertreten, auch dann nicht — zu Ihrer Ehre sei es gesagt —, als die Amerikaner noch über das Monopol an Atomwaffen verfügten.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Richtig! Im Gegenteil, sie haben den offenen Himmel angeboten!)

    Jeder wußte, jeder weiß: die Sowjetunion hat in dem in ihr Land hineingetragenen Hitler-Krieg 20 Millionen Menschen verloren; ihre durch diese Erfahrung bestimmten Sicherheitsinteressen werden sie an ihrem osteuropäischen Glacis festhalten lassen.
    Veteranen des Kalten Krieges haben mich in den letzten Wochen wegen dieser Feststellung vehement angegriffen. Aber, Kollegen, bohrt man ein bißchen nach, dann sagen selbst diese Menschen, daß sie natürlich nicht der Meinung sind, daß man einen Krieg führen dürfte, um die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges in Europa zu ändern. Sie wären ja auch wahnwitzig, wenn sie das sagen oder denken würden. Übrigens denken auch die Reformkräfte in Osteuropa nicht an eine europäische Wiedervereinigung in einem nuklearen Massengrab.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Warum diskutieren Sie dann die Frage? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich will Ihnen das sagen. Ich komme gerade dazu.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Herr Ehmke, warum machen Sie diesen Exkurs?)

    Was aber passiert ist, und daran waren Sie maßgeblich beteiligt und erinnern sich vielleicht auch noch daran, das war die Politik des Kalten Krieges. Sie war eine Politik des Als-ob, eine Politik des Drucks bis an den Rand des Krieges, für die die Amerikaner das schöne Wort „brinkmanship" erfunden haben.
    Kollege Bangemann hat neulich die Vermutung geäußert, daß Teile der CSU zum Kalten Krieg zurückkehren wollen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das war auch ein ziemlicher Unsinn!)

    — Da ich heute die CSU-Zitate vom Bundeskanzler gehört habe, kann ich nicht ausschließen, Herr Kollege Marx, daß sich manches simple Gemüt in die Zeit zurücksehnt, wo man in diesem Land mit simplem Antikommunismus noch Wahlen gewinnen konnte.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Das ist eine dumme Formel!)

    Aber ich will Ihnen gerne sagen, daß ich der Überzeugung bin, daß die große Mehrheit der Unionsparteien wie wir und die große Mehrheit unseres Volkes diese Meinung nicht teilt. So schön war die Zeit des
    Kalten Krieges ja auch nicht — mit Eisernem Vorhang, mit Berlin-Blockade usf.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie die Ursachen des Kalten Krieges genannt! Sehr gut!)

    Machtpolitisch war übrigens diese Politik — als ob man mit militärischem Druck etwas ändern könnte — ein reines Fiasko. Es war die Zeit des „roll back" und der „brinkmanship", in der die Sowjetunion erst zur Atommacht, dann zur Weltmacht und schließlich zur gleichberechtigten Weltmacht geworden ist.

    (Beifall bei der SPD)