Rede von
Helmut
Esters
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Gerster hat soeben einige Dinge aus den vorgelegten Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zitiert und hier beklagt, daß daraus nicht die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen würden. Herr Kollege Gerster, bei der Beratung des Einzelplans 14 in der vergangenen Woche haben die Berichterstatter der Koalitionsfraktionen die Dinge mit aufgegriffen, die z. B. im Sanitätsbereich — Sie haben soeben davon gesprochen — eine Rolle gespielt haben. Nur, als es darum ging, hier in concreto auch zu Kürzungsmaßnahmen zu kommen, waren Sie es, die sich nicht an das hielten, was der Bundesrechnungshof uns empfohlen hatte.
Wenn man sich hier beklagt, dann gilt, daß man ehrlich und bereit sein muß, Herr Kollege Gerster, dort Konsequenzen zu ziehen, wo im Detail darüber entschieden wird und Maßnahmen eingeleitet werden, um erkennbare, aufgezeigte Mißstände in Zukunft zu verhindern. Hinsichtlich einiger Bereiche, von denen Sie sagen, daß der Verwaltungsbereich aufgebläht worden sei, werden wir uns in der nächsten Woche noch darüber zu unterhalten haben.
So erfolglos, wie Sie meinen, ist das j a gar nicht, was auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs in einigen Punkten geschehen ist. Ich will Sie daran erinnern, daß der Bundesrechnungshof es war, der uns in Bemerkungen früherer Jahre auf die Tatbestände der 59er Regelung im Detail hinwies. Sie wissen, daß wir der Bundesregierung damals empfohlen haben, hier Verschärfungen vorzunehmen. Dies steht ebenso wie das, was mit der 390-DM-
Grenze zu tun hat, im Haushaltsstrukturgesetz. Wenn wir dies aber in den Ausschüssen gemeinsam der Bundesregierung empfehlen, dann wäre es von Ihnen auch fair und anständig, wenn Sie nachher mit uns dazu stünden.
Die Bemerkungen, die uns in diesem Falle vorliegen — die Liste ließe sich erheblich erweitern —, sind sicherlich umfangreicher ausgefallen — der Kollege Gerster hat darauf hingewiesen —, als dies in den vorhergehenden Jahren der Fall war.
Wir müssen dabei sehen, daß insbesondere in den großen Bereichen der Verteidigung, der Bundesbahn und der Bundespost die Beanstandungen zum Teil erhebliche finanzielle Dimensionen erreicht haben. In einer schwierigen Haushaltslage — da stimmen wir völlig überein, Herr Kollege Gerster —, die von der Bevölkerung insgesamt Opfer verlangt, muß erwartet werden, daß auch bei der Durchführung des Bundeshaushaltsplanes äußerste Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist.
Haushaltsausschuß und Rechnungsprüfungsausschuß werden in allen Fällen, wie bisher, mit größter Sorgfalt gemeinsam mit den Ressorts und dem Bundesrechnungshof die einzelnen Punkte prüfen. Erst danach ist der Zeitpunkt gekommen, um Verantwortlichkeiten anzusprechen und Folgerungen zu ziehen. Jetzt wäre es voreilig und ungerecht, Schuldurteile seitens des Parlaments einzelnen zuzuordnen, ohne daß die Betroffenen Gelegenheit hatten, ihre Sicht der Dinge darzulegen.
— Was?
— Richtig, dies ist ein Verfahren zwischen der geprüften Instanz und dem Prüfer.
Bei uns im Rechnungsprüfungsausschuß kommen beide Beteiligten, nämlich Prüfer und Geprüfte, zusammen. Der Kollege Friedmann kann dafür Sorge tragen, daß Sie dann eingeladen werden. Dann lernten Sie dieses Verfahren im Detail kennen.
Voreilig und ungerecht wäre es aber auch, aus dem Umfang der Bemerkungen den pauschalen Schluß zu ziehen, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes sei nachlässiger geworden und stelle Regierung und Verwaltung ein schlechtes Zeugnis aus. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat ausdrücklich bei der Vorstellung der Bemerkungen betont, daß wegen der unbedingten Notwendigkeit zum Sparen die Prüfungsergebnisse diesmal dem Parlament in besonders umfassender Weise dargestellt worden seien und daß in diesem Jahr eine Reihe langfristig angelegter Prüfungsverfahren habe abgeschlossen werden können. Außerdem habe der Bundesrechnungshof erstmals die Verwendung von Mitteln für EG-Maßnahmen aufgegriffen und damit ein neues Feld betreten.
In einer Zeit knapper Haushaltsmittel ist es natürlich, daß der parlamentarischen Finanzkontrolle erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden muß und geschenkt wird. Die Kritik läßt sich dann auf die Formel zurückführen: zu spät und zu dürftig.
Vor einiger Zeit hat unser Kollege Zumpfort die Rechnungsprüfung mit einem Ritter ohne Schwert verglichen und mehr Zeitnähe und einen besseren Informationsfluß gefordert. Drei Hauptmängel wurden in seinen Grundsatzdarlegungen genannt.
4146 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4. Dezember 1981
Esters
Zum ersten sei der Zeitabstand zwischen dem Haushaltsvollzug und der Haushaltskontrolle wegen unzureichender personeller Ausstattung des Bundesrechnungshofs zu groß. Es wird vorgeschlagen, die Vorprüfungsstellen innerhalb der einzelnen Behörden zu Außenstellen des Bundesrechnungshofes zu machen, generell mehr Prüfungsstellen einzurichten und außerdem die Sachkenntnis privater Wirtschaftsprüfer zu nutzen. Wir haben Erfahrungen bei der Beratung des Einzelplans 11 im Zusammenhang mit dem Haushalt 1981 gesammelt.
Zum zweiten könne die Zusammenarbeit von Bundestag und Rechnungshof verbessert werden, wenn der Bundestag den Präsidenten des Rechnungshofes wähle und ihm bei der Aussprache über den Prüfungsbericht ein Rederecht einräume. Schließlich gerate der Rechnungsprüfungsausschuß ständig in zeitliche Enge, weil seine Mitglieder dem Haushaltsausschuß angehörten und mit der Haushaltsberatung vollauf beschäftigt seien.
Diese Hauptpunkte der Kritik sind in den vergangenen Jahren mehrfach im Plenum besprochen und diskutiert worden, aber auch in einer ausführlichen Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Zur Frage des Rederechts des Präsidenten des Bundesrechnungshofes habe ich schon mehrmals meine Meinung gesagt, daß es nämlich zunächst einmal sinnvoll wäre, wenn der Präsident die Bemerkungen zur Haushaltsrechnung der Öffentlichkeit und der Presse in Bonn vorstellen würde.
Über mangelndes publizistisches Interesse konnte sich der Bundesrechnungshof in den vergangenen Jahren sicherlich nicht beklagen. Abgesehen davon zeigen aber die Presseberichte in diesem Jahr, daß die Unterrichtung der Öffentlichkeit funktioniert und daß damit der heilsame Druck der öffentlichen Meinung zu sparsamer Verwaltungs- und Wirtschaftsführung hergestellt ist. Ich weiß nicht, Herr Kollege Zumpfort, ob eine Rede im Plenum diesen Effekt verbessern würde, abgesehen davon, daß dieser Platz den gewählten Volksvertretern vorbehalten bleiben sollte.
Was die personelle Ausstattung des Bundesrechnungshofes angeht, so will ich an den Beschluß des Rechnungsprüfungsausschusses erinnern, den wir am 9. September gefaßt haben und den wir in der nächsten Woche in Zusammenhang mit den Personaltiteln im Haushaltsausschuß zur Realisierung vorschlagen werden. Wir haben damals gesagt, daß bei den Berichterstattergesprächen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß eine Verbesserung der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes auch in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bewirkt wird. Hierbei kommt es vor allem darauf an, daß eine zeitnahe Prüfung der finanziell bedeutenden Angelegenheiten und eine darauf fußende Beratung für das
Parlament besonders gefördert und berücksichtigt werden. Hierfür erscheint es dem Ausschuß erforderlich, daß der Bundesrechnungshof in Bonn eine Organisationseinheit 'schafft, die mit qualifizierten Kräften besetzt wird.
Diesen Beschluß hat der Haushaltsausschuß im Grundsatz am 8. Oktober bestätigt, so daß wir in der nächsten Woche dazu kommen werden, daß der Bundesrechnungshof im Bonner Bereich zusätzlich 20 neue Stellen bekommt. Dies ist angesichts der im Haushaltsgesetz vorgesehenen Personaleinsparungen in der Bundesverwaltung ein außergewöhnlicher Schritt. Er zeigt, welches Gewicht das Parlament der Beratungstätigkeit des Rechnungshofes beimißt.
Der Beschluß liegt in der Konsequenz der Haushaltsrechtsreform von 1969, deren Anliegen es war, dem Bundesrechnungshof durch eine unmittelbare Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag und durch die neue gesetzliche Aufgabe der Beratungstätigkeit näher an das Parlament heranzuführen. Es ist der Wunsch dieses Parlaments, daß sich die Prüfungsgruppen des Bundesrechnungshofes in Bonn der besonders schwierigen und komplexen Probleme auf den Gebieten der Personalwirtschaft, des Organisationswesens und der Betriebswirtschaft annehmen, insbesondere auch bei den großen Beschaffungsvorhaben, die den Bundeshaushalt unverhältnismäßig mehr berühren als z. B. die Frage, ob in einer Behörde ein Dienstzimmer zu aufwendig ausgestattet ist. Für diese Aufgaben werden besonders qualifizierte Kräfte benötigt, die flexibel eingesetzt werden müssen. Nur solche Kräfte sind dann auch gegebenenfalls in der Lage, private Prüfungsgesellschaften mit besonderen Prüfungsaufträgen zu betrauen und ihre Arbeit zu leiten. Die Einrichtung von Prüfungsgruppen in Bonn bedeutet also gleichzeitig ein Stück Strukturwandel im Bundesrechnungshof und eine notwendige Anpassung an die immer kompliziertere und in ihren Arbeitsvorgängen technisierte Verwaltung. Es liegt auf der Hand, daß damit die Effizienz der parlamentarischen Finanzkontrolle zunimmt.
Den Kritikern ist zuzugeben, daß der Rechnungsprüfungsausschuß bei Vorlage der Bemerkungen 1979 die Bemerkungen zum Haushalt 1978 noch nicht beraten hat. Die in Inanspruchnahme der Abgeordneten im Wahljahr 1980 und die Zeit, die die Konstituierung eines neuen Bundestages braucht, haben hier natürlich ebenso eine Rolle gespielt wie die gleichzeitige Mitgliedschaft im Haushaltsausschuß, der durch seine schwierigen Beratungen gegenwärtig volle Konzentration aller Mitglieder verlangt.
Ob es allerdings sinnvoll wäre, diese Doppelmitgliedschaft im Haushaltsausschuß und im Rechnungsprüfungsausschuß aufzugeben, damit der Rechnungsprüfungsausschuß schneller beraten kann, möchte ich bezweifeln. Der Grund für die Doppelmitgliedschaft ist, daß sich die Erfahrungen aus der Rechnungsprüfung und aus dem Haushaltsausschuß, also die Erfahrungen aus der nachträglichen Haushaltsentlastung und aus der zukünftigen Haus-
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haltsfeststellung wechselseitig durchdringen und befruchten. Die Informationen aus den Bemerkungen des Rechnungshofes fließen auch außerhalb des formellen Entlastungsverfahrens durch die Beratung der Berichterstatter oder durch die Anwesenheit von Beamten des Bundesrechnungshofes in die Haushaltsberatungen ein.
Aber nicht nur die Belastung der Abgeordneten ist der Grund dafür, daß der Rechnungsprüfungsausschuß sich entschieden hat, die Bemerkungen zu den Jahren 1978 und 1979 zusammen zu behandeln. Ich habe ausgeführt, daß es dem Parlament bei der Rechnungsprüfung nicht so sehr auf zufällige Vorkommnisse von Fehlverhalten ankommt, sondern auf strukturelle Systemmängel, auf regelmäßig wiederkehrende Tatbestände, um dann daraus die politischen und verwaltungsmäßigen Konsequenzen zu ziehen.
Der Bundesrechnungshof hat dem nach Kräften entsprochen, indem sich z. B. bei den Bemerkungen 1979 ein ganz erheblicher Teil unabhängig vom Zahlenbild der jeweiligen Haushaltsrechnung auf die Prüfung von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder Programmen bezieht, die langfristig angelegt sind. Vor diesem Hintergrund haben wir es als sinnvoll angesehen, die Bemerkungen zweier Haushaltsjahre zusammen zu beraten.
Die Zeit ist j a längst vorbei, daß die Rechnungsprüfung lediglich die Beseitigung einer jährlichen Budgetleiche ist, wie das karikierend behauptet wird. Die parlamentarische Finanzkontrolle nimmt in einer schwierigen Haushaltslage an Bedeutung und öffentlicher Aufmerksamkeit zu. Der Deutsche Bundestag und der Haushaltsausschuß werden dem in der nächsten Woche in entscheidenden Punkten Rechnung tragen.
Für meine Fraktion bedanke ich mich beim Präsidenten des Bundesrechnungshofes und seinen Mitarbeitern für die hervorragenden Hilfestellungen, die er uns im Laufe des jetzigen Haushaltsverfahrens hat zuteil werden lassen, und dafür, daß er die zur Kritik berechtigten Punkte in die Bemerkungen für das Jahr 1979 voll aufgenommen hat.