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ID0906806200

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    Plenarprotokoll 9/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. November 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3955 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Biehle, Dallmeyer, Francke (Hamburg), Frau Geier, Handlos, Frau Krone-Appuhn, Löher, Dr. Marx, Dr.-Ing. Oldenstädt, Petersen, Weiskirch (Olpe), Wimmer (Neuss), Dr. Wörner, Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU Zum inneren Zustand der Bundeswehr und zur Lage der Soldaten in den Streitkräften — Drucksachen 9/675, 9/873 — Biehle CDU/CSU 3955 B Neumann (Stelle) SPD 3960 D Möllemann FDP 3963 B Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 3967 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 3972 D Möhring SPD 3975 C Francke (Hamburg) CDU/CSU 3978 A Jung (Kandel) FDP 3980 D Dr. Klejdzinski SPD 3982 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Verlängerung des Welttextilabkommens — Drucksache 9/1044 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Welttextilabkommen — Drucksache 9/1072 — Rapp (Göppingen) SPD 3984 D Dr. Schwörer CDU/CSU 3987 B Dr. Haussmann FDP 3989 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3991 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. August 1981 zur Änderung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage — Drucksache 9/899 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/1066 — 3994A Nächste Sitzung 3994 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3995*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3995*C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1981 3955 68. Sitzung Bonn, den 27. November 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 27. 11. Bahner 27. 11. Becker (Nienberge) 27. 11. Bredehorn 27. 11. Brunner 27. 11. Dr. Bugl 27. 11. Dörflinger 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Eickmeyer* 27. 11. Eimer (Fürth) 27. 11. Engelsberger 27. 11. Engholm 27. 11. Eymer (Lübeck) 27. 11. Dr. Faltlhauser 27. 11. Frau Fuchs 27. 11. Glombig 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haase (Fürth) 27. 11. Handlos 27. 11. Hauck 27. 11. Höffkes 27. 11. Horstmeier 27. 11. Jansen 27. 11. Kiep 27. 11. Kolb 27. 11. Dr. Kreile 27. 11. Lampersbach 27. 11. Dr. Mertes (Gerolstein) 27. 11. Dr. Meyer zu Bentrup 27. 11. Dr. Mitzscherling 27. 11. Müller (Bayreuth) 27. 11. Neuhaus 27. 11. Neumann (Bramsche) 27. 11. Frau Dr. Neumeister 27. 11. Frau Noth 27. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 27. 11. Rainer 27. 11. Reschke 27. 11. Frau Roitzsch 27. 11. Schmidt (Hamburg) 27. 11. Schmidt (Würgendorf) 27. 11. Schreiner 27. 11. Schröder (Wilhelminenhof) 27. 11. Dr. Schwarz-Schilling 27. 11. Dr. Solms 27. 11. Graf Stauffenberg 27. 11. Frau Steinhauer 27. 11. Stockleben 27. 11. Vogt (Düren) 27. 11. Dr. Warnke 27. 11. Weiskirch (Olpe) 27. 11. Frau Dr. Wex 27. 11. Wissmann 27. 11. Wolfgramm (Göttingen) 27. 11. Baron von Wrangel 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Bericht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zur Förderung der Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 9/962) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung a) Empfehlung zur internationalen Vereinheitlichung der Statistiken über die öffentliche Finanzierung kultureller Tätigkeiten b) Empfehlung zum Schutz und zur Erhaltung bewegter Bilder c) Empfehlung über die Stellung des Künstlers (Drucksache 9/963) zuständig: Innenausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes - TVG - (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksache 9/993) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Empfehlung Nr. 162 der Internationalen Arbeitsorganisation betreffend ältere Arbeitnehmer (Drucksache 9/1059) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. September bis 8. Oktober 1981 in Straßburg (Drucksache 9/929) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für die Jahre 1979 bis 1982 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 (Achter Subventionsbericht) (Drucksache 9/986) zuständig: Haushaltsausschuß (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - (Drucksache 9/1060) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 4. März 1982 vorzulegen Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 25. November 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für außergewöhnliche Interventionen der Gemeinschaft zugunsten der in Griechenland vom Erdbeben betroffenen Gebiete (Drucksache 9/782 Nr. 57) Vorschlag für eine Verordnung Haushaltsordnung zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (EGKS-EWG-Euratom) (Drucksache 9/782 Nr. 59)
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    Rede von Heinz Rapp


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beschäftigten der Textil-und Bekleidungsindustrie setzen in diese Debatte hohe Erwartungen. Über 20 000 von ihnen haben am vergangenen Wochenende hier in Bonn für die Verlängerung und Verbesserung des Welttextilabkommens demonstriert. Mit der Entschließung, über die wir heute sprechen, tritt die SPD-Bundestagsfraktion den Forderungen der Gewerkschaft Textil-Bekleidung wie auch den Forderungen der Textil- und Bekleidungsindustrie bei; am Fortgang der dieser Tage in Genf wiederaufgenommenen Verhandlungen nehmen wir engagiert Anteil.
    Mit unserer Entschließung geben wir auch unsere Betroffenheit darüber zum Ausdruck, daß von 1968 bis heute allein in der Bundesrepublik Deutschland über 400 000 Beschäftigte der Textil- und Bekleidungsindustrie ihren Arbeitsplatz verloren haben — ohne Frage zum großen Teil, wenn auch nicht ausschließlich als Folge von Niedrigpreiseinfuhren, wobei zu sagen ist, daß Niedrigpreiseinfuhren nicht nur direkt Arbeitsplätze kosten, sondern auch indirekt,



    Rapp (Göppingen)

    und zwar insoweit, als sie den Rationalisierungsdruck verstärken.
    Wir Politiker müssen aufpassen, daß wir uns bei unserer notwendigerweise abstrakten Befassung mit solchen Entwicklungen — wir betrachten diese Entwicklungen etwa unter dem Gesichtspunkt der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung oder des Strukturwandels — den Blick nicht vor der Tatsache verstellen lassen, daß von über 400 000 menschlichen Schicksalen die Rede ist. In unserem Entschließungsantrag weisen wir darauf hin, daß der ständige Verlust an Textilarbeitsplätzen vor allem Frauen getroffen hat und daß er ohnehin strukturschwache Regionen weiter schwächte. „Strukturwandel" ist eine beschönigende und verschleiernde Formel für etwas ganz anderes, nämlich für den meist definitiven Sturz in Arbeitslosigkeit. Zumal in einer Zeit der Wachstumsschwäche, wie wir sie weltweit haben, strukturiert sich da nichts mehr um von der einen Beschäftigung in die andere hinein. Vielmehr bedeuten weitere Verluste an Arbeitsplätzen in der Textil-und Bekleidungsindustrie jetzt knallhart steigende Dauerarbeitslosigkeit.
    Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie beschäftigt genauso viele Arbeitnehmer wie die chemische Industrie — das möchte ich hier einmal aussprechen —, und sie beschäftigt doppelt so viele Arbeitnehmer wie die Stahlindustrie.
    Die Textilwirtschaft ruft nicht nach Staatshilfen, wie sie jetzt im europäischen Subventionswettlauf auch der deutschen Stahlindustrie gewährt werden müssen. Aber, wie gesagt, doppelt so viele Arbeitsplätze wie in der Stahlindustrie stünden auf dem Spiel, wenn es nicht zu einem verbesserten handelspolitischen Flankenschutz käme.
    Selbst wenn es nur um den Erhalt von Realkapital ginge, wäre zu sagen, daß nach Jahrzehnten des Strukturwandels und der Rationalisierung der Textilarbeitsplatz heute einer der teuersten und kapitalintensivsten in unserem ganzen Produktionsgefüge ist.
    Meine Damen und Herren, das im Jahre 1974 abgeschlossene und bis Ende dieses Jahres geltende, zwischenzeitlich einmal verlängerte Welttextilabkommen vermag unter den seitdem veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen seinen Zweck nicht mehr hinreichend zu erfüllen, zugleich den Entwicklungsländern einen angemessenen und steigenden Anteil am Welttextilhandel zu sichern und die Industrieländer vor einer unkontrollierten und marktzerrüttenden Überschwemmung mit Textilwaren aus diesen Ländern zu schützen.
    Ein solches Einerseits-Andererseits ist unter allen Bedingungen schwierig. Die Probleme spitzen sich zwangsläufig zu, wenn der Markt stagniert und so zum Nullsummenspiel wird, in dem einer nur gewinnen kann, was ein anderer verliert.
    Der Textilverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland stagniert bei 50 Milliarden DM im Jahr. Vor zehn Jahren stammten 22 % dieser Waren aus dem Ausland; jetzt sind es über 50 %. Von 1971 bis heute ist der Einfuhrüberschuß der Bundesrepublik Deutschland im Textilbereich von 1,8 auf über 10 Milliarden DM im Jahr gestiegen, d. h. um über 400 %. Für das, was dazwischen liegt, stehen die erwähnten Arbeitsplatzverluste. Die davon Betroffenen können sich auf die Definition des Begriffs „Marktzerrüttung" im Welttextilabkommen stützen, wenn sie jetzt kategorisch und, wie gesagt, demonstrativ nicht nur die Verlängerung, sondern substantielle Verbesserungen des Welttextilabkommens fordern, sozusagen seine Anpassung an die veränderten und erschwerten weltwirtschaftlichen Bedingungen. Und sie erwehren sich dabei, meine Damen und Herren, zu Recht des immer wieder, vorzugsweise aus akademischen Gefilden, aber auch aus Interessentenkreisen erhobenen Vorwurfs, ihre Probleme protektionistisch zu Lasten Schwächerer lösen zu wollen.
    Sollte es Leute geben, für die die aufgezeigte Entwicklung der Textileinfuhren in die Bundesrepublik Deutschland da noch nicht beweiskräftig genug ist, so ist ihnen vielleicht mit der folgenden Vergleichsreihe zu helfen: Japan führt pro Kopf und Jahr Textilien im Werte von 38 Dollar ein, die Vereinigten Staaten im Wert von 39 Dollar, Frankreich im Wert von 114 Dollar und die Bundesrepublik Deutschland im Wert von sage und schreibe 225 Dollar.
    Das Welttextilabkommen bildet den Rahmen für einen Interessenausgleich, den man aus Gründen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, nicht ausschließlich dem Marktgeschehen überlassen kann, weil das reine Marktgeschehen eben einen fairen Interessenausgleich nicht zustande brächte. In diesen Interessenausgleich ist ohne Frage auch das Interesse der Verbraucher an einem breiten und preisgünstigen Angebot an Textilwaren einzubeziehen.
    Was aber soll man sagen, wenn die Spannen des Handels geradezu gleichschrittig mit der Zunahme von Niedrigpreiseinfuhren gestiegen sind und steigen? Ich denke nicht daran, dem Handel das Recht einer flexiblen Gestaltung der Spannen abzusprechen. Wenn aber, wie die Gewerkschaft Textil-Bekleidung ausfindig gemacht hat, ein paar Herrenstrümpfe aus Südkorea mit dem Importpreis von 68 Pfennigen in der Bundesrepublik Deutschland im Laden 2,10 DM kostet — Spanne: 209 % —, wenn die Spanne bei einem Trainingsanzug aus Taiwan 174 % beträgt, bei einem Damenpullover aus Hongkong 155 %, dann kann der deutsche Verbraucher von der kontinuierlichen Ausweitung der Niedrigpreiseinfuhren nicht allzuviel gehabt haben. Darüber hinaus kann man sich ja vorstellen, wie sich die Importpreise entwickelten, wenn erst die deutsche und die europäische Textil- und Bekleidungsindustrie von einer ungebremsten Flut von Billigeinfuhren vollends hinweggespült wäre.
    Meine Fraktion hat oft und oft ihre hohe Sensibilität für die Belange und die Interessen der Entwicklungsländer unter Beweis gestellt, die es im Rahmen des Welttextilabkommens hochrangig ebenfalls zu berücksichtigen und auszugleichen gilt. Kann es aber sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit genannt werden, wenn die Ausnutzung billiger Arbeitskraft unter oft menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen kaum etwas zur Ausbildung einer ge-



    Rapp (Göppingen)

    deihlichen Sozialstruktur in diesen Ländern beiträgt, weil z. B. die Erträge aus diesen Produktionen aus den Ländern selbst herausgezogen werden und weil sich dort infolge Fehlens unabhängiger Gewerkschaften aufnahmefähige Binnenmärkte gar nicht erst entwickeln können, so daß die Niedrigpreisware im Übermaß in die Industrieländer drängt und dabei womöglich gar noch subventioniert wird? Die wiederum daraus resultierende Zerstörung von Arbeitsplätzen in den Industriestaaten kann — je länger, je mehr — deren Fähigkeit zur finanziellen Zusammenarbeit beeinträchtigen.
    Was im Welttextilabkommen „geordnete und ausgeglichene Entwicklung des Handels", an anderer Stelle „Handel auf gesunder Grundlage" genannt wird, ist der Ausschluß von catch as catch can, ist die Vermeidung von ruinösem Wettbewerb. Ein Wettbewerb, in dem es auf Grund kraß unterschiedlicher Ausgangssituationen zu Marktzerrüttungen kommt, ein verzerrter Wettbewerb also, kann schwerlich ein produktiver genannt werden. Wer da rigide mit der Alternative „freier Welthandel versus Protektionismus" hantierte, der polemisierte. Ein ungeordneter Welttextilmarkt endete nach ganz kurzer Zeit im Chaos urabgestimmter nationaler Protektionismen, also im Handelskrieg.
    Die großen Ziele des Welttextilabkommens — eben nicht Abkoppelung, sondern Integration in machbaren Schritten — sind verpflichtend geblieben. Besonders unter den Bedingungen der verschlechterten weltwirtschaftlichen Gesamtsituation aber bedarf das Welttextilabkommen jetzt der Einarbeitung von Zwischenzielen, wie sie im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen gefordert werden.
    Der Text unserer Entschließung, meine Damen und Herren, stellt noch auf den Zustand vor dem Zustandekommen des einheitlichen Verhandlungsmandats der EG-Kommission ab. Er ist früher konzipiert worden. Mittlerweile gibt es das einheitliche Mandat. Ich will hier auf die Auseinandersetzungen, die zum Mandat geführt haben, gar nicht zu sprechen kommen. Vielmehr möchte ich in der gebotenen Kürze noch einige Anmerkungen zu den in unserer Entschließung aufgestellten Forderungen machen.
    Da gibt es zur Bemessung der Kontingentszuwächse zunächst neu die Kriterien der Berücksichtigung der voraussichtlichen Verbrauchsentwicklung und der Differenzierung nach lieferstarken industrialisierten Entwicklungsländern, sogenannten Schwellenländern, einerseits und den schwächer entwickelten Lieferländern andererseits. Bezüglich der Schwellenländer, aber auch der in das Welttextilabkommen einbezogenen Staatshandelsländer wird an anderer Stelle gesagt, daß auch für sie der Außenhandel keine Einbahnstraße bleiben dürfe. Es gilt die Forderung, daß auch diese Staaten ihre Textilmärkte in zumutbaren Schritten öffnen müssen. In das Kommissionsmandat ist zusätzlich als Verhandlungsziel ein Surge-Mechanismus eingegangen, durch den verhindert werden soll, daß es im Bereich der sensiblen Waren bei unausgenutzten
    Quoten zu plötzlichen Einfuhrschüben kommen kann.
    Hohen Rang, meine Damen und Herren, hat für uns die Forderung, das im Welttextilabkommen angesprochene Ziel des sozialen Fortschritts der Entwicklungsländer durch Normen zu konkretisieren, wie sie z. B. im Katalog der sozialen Mindestbedingungen der Internationalen Arbeitsorganisation genannt sind. Damit sind so elementare und für uns so selbstverständliche Normen gemeint wie das Verbot von Kinderarbeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz und das Recht auf den kollektiven Arbeitsvertrag. Eigens hervorgehoben haben wir das Recht auf Errichtung und auf freie Betätigung unabhängiger Gewerkschaften.
    Zwei Forderungen richten sich an unsere Partner in der Europäischen Gemeinschaft: erstens die nach strikter Anwendung einer fairen Lastenverteilungsformel und zweitens unsere Absage an einen Subventionenwettlauf im Textilsektor, vor dem zu warnen leider einige unserer EG-Partner Anlaß geben.
    Ein besonderes schwieriges Thema ist die passive Lohnveredelung. Die Aussage, die wir in unserer Entschließung dazu treffen, macht deutlich, daß es nicht angeht, den Unternehmen der Textilwirtschaft handelspolitischen Flankenschutz zu geben, ohne daß dies zum Erhalt von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland führt, weil im Übermaß Produktionen nach draußen gegeben werden. Vor allem in diesem Punkt unterscheiden sich die Forderungen der Gewerkschaft von denen des Industrieverbands. Wir halten es hier mit der Gewerkschaft.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Entschließungsantrag, den die Opposition nachgereicht hat, finden sich diese beiden letztgenannten Positionen — Lohnveredelung und Konkretisierung der Sozialklausel — nicht. Da alle anderen Forderungspositionen unseres Antrags enthalten sind — mit einer einzigen winzigen Ausnahme; da handelt es sich vielleicht um einen Flüchtigkeitsfehler beim Abschreiben —, muß ich annehmen, daß sich die Opposition durch die Vorlage eines eigenen Antrags just von den beiden genannten Positionen distanzieren wollte. Die beiden mickrigen polemischen Spitzen gegen die Bundesregierung, die noch drinstecken, können es ja wohl nicht gewesen sein.
    Die Arbeitnehmer der Textil- und Bekleidungsindustrie werden begierig sein, nachher vom Sprecher der CDU/CSU zu erfahren, wie er das Fehlen dieser beiden hochsensiblen und schwierigen Positionen — Sozialklausel und passive Lohnveredelung — erklärt.

    (Beifall bei der SPD)

    Gönnen Sie mir bitte abschließend noch wenige Sätze der Zusammenfassung. Das Welttextilabkommen bietet Flankenschutz im Strukturprozeß und ist als solcher weiterhin und in verbesserter Form erforderlich. Nicht minder wichtig, nein, noch wichtiger ist alles, was den Welthandel aus dem Tief einer Nullsummenveranstaltung herausholt. Wachstum



    Rapp (Göppingen)

    macht einen Interessenausgleich nach vorn möglich, der durch das Welttextilabkommen in mehr defensiver Weise erreicht werden muß. Aber das wäre jedenfalls in wesentlichen Bezügen ein anderes Thema.
    Wir stimmen der Überweisung unserer Entschließung in die Ausschüsse zu und hoffen, daß es gelingt, in den Ausschüssen eine gemeinsame Entschließung des ganzen Bundestages zuwege zu bringen.
    Gestatten Sie mir ein allerletztes Wort. Ich sagte zu Beginn, daß die Beschäftigten der Textil- und Bekleidungsindustrie an dieser Debatte Anteil nehmen. Ich denke, ich schulde ihnen ein Wort der Begründung dafür, daß die Debatte in so kleinem Kreis stattfindet. Das hängt mit dem Terminkalender des Herrn Bundeswirtschaftsministers zusammen. Es ist allgemein begrüßt worden, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister heute zum Welttextilabkommen spricht. Er kann es, wie gesagt, nur zu diesem Zeitpunkt. Ich denke, daß die Beschäftigten der Textil-und Bekleidungsindustrie dafür Verständnis aufbringen. Nochmals versichere ich, daß die ganze SPD-Bundestagsfraktion — deren meiste Mitglieder heute zu diesem Zeitpunkt bereits in ihre Wahlkreise abreisen mußten — an der Sorge der Beschäftigten der Textil- und Bekleidungsindustrie Anteil nimmt.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schwörer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU begrüßt es, Herr Kollege Rapp, daß die Koalitionsfraktionen mit ihrem heutigen Antrag nunmehr die bald einjährigen Bemühungen unserer Fraktion um eine Verlängerung und Verbesserung des Welttextilabkommens unterstützen. Ich verweise dazu auf unsere Kleine Anfrage vom 19. Februar 1981 und auf die Presseerklärung unseres wirtschaftspolitischen Sprechers, Herrn Dr. Waigels, vom 19. März 1981, ebenso auf den Briefwechsel mit dem Bundeswirtschaftsministerium bereits im Jahr 1980. Also nicht wir haben abgeschrieben, sondern Sie sind da hinterher, Herr Kollege Rapp.
    Wir haben uns angesichts des Schlußtermins des Abkommens und angesichts gewisser Bemühungen interessierter Kreise deshalb frühzeitig für eine Verlängerung ausgesprochen, weil ohne sie größte Arbeitsplatzverluste unumgänglich wären.
    Dies hat auch die Gewerkschaft Textil/Bekleidung dazu gebracht, sehr früh unsere Aktivitäten zu unterstützen. In Versammlungen und Diskussionen, besonders aber in der großen Demonstration in Bonn sind von seiten der Gewerkschaft harte Vorwürfe gegen die von Ihnen getragene Bundesregierung gefallen, daß diese sich nicht genügend für die Erhaltung der Textilarbeitsplätze einsetze. In den letzten Jahren — so die Gewerkschaft; Sie haben die Zahl wiederholt — seien 350 000 Arbeitsplätze in dieser Industrie vornehmlich wegen der Zufuhren aus Niedrigpreisländern verlorengegangen.
    Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen suchen wir händeringend nach neuen Arbeitsplätzen; leider mit sehr mäßigem Erfolg. Um wieviel mehr müßten wir dann gemeinsam danach trachten, bestehende Arbeitsplätze in gesunden, leistungsfähigen Betrieben zu erhalten! Es geht hier ja nicht um die Abschottung eines Wirtschaftszweiges, der nicht auch das Seinige getan hat und es weiter tun will. Es geht in keiner Weise um eine Schutzmauer für jemanden, der sich dem internationalen Wettbewerb nicht stellen wollte. Es geht auch nicht darum, veraltete Strukturen zu erhalten, veraltete Arbeitsplätze in Europa zu Lasten aufstrebender Entwicklungsländer zu zementieren.
    Die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie ist technologisch an der Spitze; sie hat dafür viele Millionen investiert. Bei der heutigen Hochzinsphase spürt sie diese Investitionen leider in sehr negativer Weise. Sie hat eine hervorragende Mitarbeiterschaft, gut ausgebildet, die eine moderne Produktpalette, modische Muster und geschmacklich sehr gute Leistungen hervorbringt. Unsere Industrie ist in der Lieferung pünktlich und, weil es sich meist um mittelständische Firmen handelt, beweglich wie kaum eine zweite deutsche Industriegruppe. Sie ist sogar zu starkem Export in der Lage. 25% ihrer Produkte gehen ins Ausland, allerdings ganz überwiegend in Nicht-WTA-Länder.
    Trotzdem ist der Import wesentlich größer. Die Bundesrepublik ist der größte Textilimporteur der Welt. Im vergangenen Jahr haben wir für 9,5 Milliarden DM mehr ein- als ausgeführt. Die Bundesrepublik ist auch dasjenige Land, das mit Abstand die meisten Textilien aus Entwicklungsländern einführt. Die Bundesrepublik kann also nicht dafür gescholten werden, daß sie hier versucht, der Textil- u. Bekleidungsindustrie einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Es ist doch so, daß ein großer Teil der Auslandskonkurrenz durch Wettbewerbsverzerrungen, insbesondere durch Subventionen, bevorzugt wird. Der Zugang zu Auslandsmärkten ist durch Handelshemmnisse erschwert. Deshalb ist auch — trotz aller Bemühungen in den 70er Jahren — jeder vierte Betrieb geschlossen worden und jeder dritte Arbeitsplatz verlorengegangen.
    Zur Zeit ist die Lage besonders schwierig. Von Januar bis April war der Produktionsrückgang 12,4 %, von Januar bis März der Rückgang der Beschäftigtenzahl 5,1 %. Ich bitte auch, zu beachten, daß sich hier wieder einmal zeigt, daß gerade mittelständische Unternehmen beim Abbau von Mitarbeitern sehr behutsam, sehr zögernd sind.
    Wir haben jetzt noch ca. 550 000 Textilarbeitsplätze. Diesen wollen, ja müssen wir eine Chance der Erhaltung lassen, indem wir für vernünftige Einfuhrpolitik sorgen. Kann jemand dieses Bestreben als verwerflichen Protektionismus angreifen, wenn es nur darum geht, zu verhindern, daß die Importe zu einer solchen Überschwemmung werden, daß eine eigene Textilproduktion nicht mehr möglich ist und alle Arbeitsplätze bei uns verlorengehen? Im übrigen — Herr Kollege Rapp, Sie haben es bereits gesagt — liegen diese Arbeitsplätze vielfach auch in Entwicklungsgebieten, und zwar in den strukturell



    Dr. Schwörer
    schwachen Gebieten der Bundesrepublik. Die Textilfirmen bieten Arbeitsplätze vor allem auch für Bauern, die aus der Landwirtschaft ausscheiden müssen, Nebenerwerbsarbeitsplätze, besonders Frauenarbeitsplätze und auch Teilzeit- und Heimarbeitsplätze an. Diese Arbeitsplätze können von keiner anderen Industrie ersetzt werden.
    Angesichts dessen, was zur Zeit für die Großbetriebe der Stahlindustrie geschieht, kann ich nur sagen: Es wäre eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn der mittelständischen Industrie dieser Mindestschutz versagt würde, der weit weniger wirksam ist als die Maßnahmen im Stahlsektor.
    Den Gegnern des WTA möchte ich auch noch sagen: Würde es dieses Abkommen nicht geben, dann hätten die Länder der Gemeinschaft die Möglichkeit, die Einfuhren nach Art. 19 des GATT zu beschränken, und die meisten würden es tun. Dieses Verfahren wäre für die Niedrigpreisländer wahrscheinlich wesentlich schmerzlicher als die Folgen aus diesem Abkommen, und der Welthandel würde durch ständige Einzelaktionen empfindlicher gestört werden. Mit vernünftig geregelten Liefermengen und Konditionen ist beiden Seiten am besten gedient.
    Im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen über eine Verlängerung und Verbesserung des Abkommens fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, folgende Forderungen bei den Verhandlungen in Genf zugrunde zu legen und nach Möglichkeit durchzusetzen.
    Erstens: Eine angemessene Verlängerung. Wir fragen uns: Warum geht man eigentlich nicht auf den Vorschlag des Europäischen Parlaments ein, diese neue Regelung um zehn Jahre zu verlängern? Damit würden Investitionsentscheidungen erleichtert, und zwar auf beiden Seiten.
    Zweitens. In den kommenden Jahren wird nur noch mit einer minimalen Steigerung des Textilverbrauchs in der Bundesrepublik gerechnet werden können. Die bisher schon zu hohen Zuwachsraten der Niedrigpreisimporte — in den letzten Jahren war bei uns mengenmäßig ein Plus von 7 % zu verzeichnen — müssen entscheidend reduziert werden, und zwar bei manchen Waren auf Null. Es geht hier vor allem um die Zuwächse, nicht um den Bestand, um das, was bisher geliefert worden ist.
    Drittens. Die Liste der hochsensiblen Produkte muß sorgfältig überprüft werden. Hier soll den Experten der Wirtschaft die Möglichkeit gegeben werden, ihre Argumente erfolgreich anzubringen. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, aber wenn die Importquote bei manchen Artikeln bis zu 50 oder 60 % beträgt, z. B. bei Strümpfen oder Nachtwäsche, dann muß hier eine entsprechende Änderung in dem Katalog der hochsensiblen Produkte zustande kommen.
    Viertens. Über 70 % der vom WTA erfaßten Einfuhren kommen aus den sogenannten Schwellenländern. Deren Industrie ist technisch hochentwikkelt, Lohn- und Nebenkosten sind dazu so niedrig, daß unsere heimische Textilindustrie im Ernstfall gegen diese Länder keine Chance hätte. Dazu kommen hohe Subventionen dieser Länder, um Devisen ins Land zu holen. Außerdem schirmen sich diese Länder gegen Europa ab, so daß die Gegenseitigkeit der Handelsbeziehungen oft nicht gegeben ist. Die Schwellenländer — Hongkong, Taiwan, Südkorea und Brasilien — liefern allein 62 % der Niedrigpreiseinfuhren in die Bundesrepublik. Die Handelsbilanz der Bundesrepublik mit diesen vier Ländern ist mit 4,2 Milliarden DM im Defizit. Das zeigt die Fragwürdigkeit der Vorstellung, durch äußerst generöse Importpolitik zu Lasten unserer heimischen Textilarbeitsplätze den Export anderer Branchen stärken zu können.
    Nun gibt es zweifellos arme Entwicklungsländer, die zur Deckung ihres Lebensunterhalts und für die Bezahlung ihrer wichtigsten Einfuhren auf Textilexporte angewiesen sind. Sie müssen die Chance haben, eine steigende Menge ihrer Produkte in die Industriestaaten zu liefern. Diese Regelung müßte möglich sein, so daß diese Entwicklungsländer zu Lasten der Mengen der Schwellenländer einen größeren Anteil bekommen.
    Fünftens. Die Umgehungseinfuhren, besonders über die DDR, haben teilweise einen großen Umfang angenommen, wie verschiedene Strafverfahren in der Bundesrepublik gezeigt haben. Deshalb sind diese Umgehungseinfuhren mit Nachdruck zu bekämpfen, und die eingeführten Mengen müssen den jeweiligen Lieferländern voll auf ihre Importkontingente angerechnet werden.
    Sechstens. Eine Änderung der Importlastenteilung innerhalb der EG zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland muß vermieden werden. Um dies sicherzustellen, muß die Bundesregierung in Zukunft von den regionalen Schutzklauseln ebenso Gebrauch machen wie andere EG-Mitgliedstaaten, die Grenzen für die Produkte aus den Niedrigpreisländern schließen. Sonst wird die Bundesrepublik Deutschland zum Abladeplatz für Waren, die in anderen EG-Ländern unerwünscht sind. Dies sage ich, obwohl ich im Grundsatz für eine möglichst restriktive Anwendung der Schutzklauseln bin.
    Nun, Herr Kollege Rapp, zur passiven Lohnveredelung. Auch dazu haben wir etwas zu sagen, aber wir haben dieses Thema erst vor kurzem im Wirtschaftsausschuß behandelt. Deshalb ist es in unserer Entschließung nicht mehr enthalten. Dort ist ja einstimmig beschlossen worden, daß der passive Lohnveredelungsverkehr aufrechterhalten bleiben muß, daß die Regelung so elastisch wie möglich gehalten werden muß. Vor allem bei den Schwellenländern sollte ein Teil der Kontingente in passive Lohnveredelung umgewandelt werden können, und — darauf lege ich besonderen Wert — diese Möglichkeit der Mischkalkulation sollte vor allem den Produktionsbetrieben vorbehalten bleiben und nicht von Handelsfirmen ausgenutzt werden können. Sie wissen sicher, was ich damit meine.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bemühungen um einen Interessenausgleich im Welttextilhandel müssen durch die Wiederherstellung eines fairen innergemeinschaftlichen Wettbewerbs ergänzt werden. Wir haben deshalb in unserem Antrag folgendes gefordert:



    Dr. Schwörer
    Erstens. Die vertragswidrigen Subventionspraktiken sind durch Verabschiedung eines EG-Subventionskodexes für den Textil- und Bekleidungssektor abzubauen. Hier, Herr Bundeswirtschaftsminister, haben Sie die Möglichkeit, sofort noch einen Wunsch zu berücksichtigen, nämlich Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu erheben, wenn Sie solche verbotenen Beihilfen erkennen. Das ist zur Zeit bei dem belgischen Texilbeihilfeplan, bei dem Claes-Plan, der Fall. Da sollten Sie aktiv werden.
    Zweitens. Eine restriktivere Handhabung von Art. 115 des EWG-Vertrags ist notwendig. Das bedeutet, daß die Bundesregierung ihren Einfluß dahin gehend geltend machen sollte, daß die EG wirklich ein Binnenmarkt bleibt, ein Markt ohne Begrenzung und ohne ständige Unterbrechung durch die Anwendung des Art. 115. Diese ständige Abschirmung der Grenzen durch einzelne Mitgliedsländer — bei Frankreich war das im letzten Jahr fast zweihundertmal der Fall — zerstört den gemeinsamen Markt.
    Drittens. Der Abbau technischer Handelshemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit Textil- und Bekleidungsprodukten — z. B. die Ursprungskennzeichnung — ist ebenfalls notwendig. Aber auch darüber haben wir in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses gesprochen. Der dort gefaßte Beschluß erfolgte einstimmig. Wir sind gegen solche Kennzeichnungspflichten, vor allem dann, wenn sie dazu dienen, eine gewisse Strömung im Land zu unterstützen, nur Ware zu kaufen, die aus dem eigenen Land kommt. Solche und andere Hemmungen des freien Warenverkehrs widersprechen dem Geist der EG und wirken zerstörend.
    Wir sind uns alle darüber im klaren, daß ein Scheitern der Verhandlungen über das Welttextilabkommen zu einem Chaos auf den Weltmärkten, einem ausufernden Protektionismus und einem rückläufigen Welttextilhandel führen würde. Dies alles würde den Entwicklungsländern keine Vorteile bringen, sondern, wie es Herr Kollege Rapp und auch der Vorsitzende der Textilgewerkschaft gesagt haben, nur einem Teil des internationalen Handels.
    Deshalb lassen Sie mich zum Schluß noch die Grundsätze zusammenfassen:
    Erstens. Unsere Arbeitsplätze in der Textilindustrie müssen erhalten werden. Es hilft den Entwicklungsländern nicht, wenn bei uns nochmals zigtausend Arbeitsplätze verlorengehen. Die Folge wäre nur ein Schrumpfen unserer finanziellen Möglichkeiten, den Entwicklungsländern zu helfen.
    Zweitens. Auf weite Sicht muß der Verbraucher für Textilprodukte mehr zahlen, wenn wir keine eigene Textilindustrie mehr haben; dann geraten wir in eine Abhängigkeit. Ich erinnere nur an die Argumente, die hier zur Zeit bezüglich des Stahls angeführt werden.
    Drittens. Es kann keine Rede davon sein, daß wir hier künstlich etwas erhalten wollen, was nicht erhaltenswert ist. Diese Industrie hat in beeindruckender Weise gezeigt, was man bei der Umstrukturierung aus eigenen Kräften erbringen kann. Sie ist vielleicht überhaupt das Musterbeispiel für eine gelungene Umstrukturierung. Sie ist absolut konkurrenzfähig, wenn entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sind.
    Viertens. Wir wollen keine totale Abschottung. Das Welttextilabkommen ist nichts anderes als der Versuch, Zuwächse von Liefermengen aus Niedrigpreisländern zu begrenzen, weil sie sonst zu einer Überschwemmung führen würden, die die ganzen heimischen Textilarbeitsplätze vernichten würde.
    Im fünften mittelfristigen Programm der EG wird als Schwerpunkt neben der Inflationsbekämpfung eine aktive Beschäftigungspolitik gefordert. Dies darf bei fast 9 Millionen Arbeitslosen in der EG wahrlich nicht eine schöne Deklamation bleiben, wenn es um die Erhaltung von Arbeitsplätzen geht. Das Welttextilabkommen ist ein Stück solcher Beschäftigungspolitik, aber auch ein Stück Struktur- und Mittelstandspolitik. Deshalb muß es verlängert und verbessert werden. — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)