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ID0905002900

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    Plenarprotokoll 9/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2809 A Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltprobleme der Nordsee Sondergutachten Juni 1980 des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen — Drucksache 9/692 — Duve SPD 2809 B Dr. von Geldern CDU/CSU 2812 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2816 D Baum, Bundesminister BMI 2819 A Jansen SPD 2822 C Bredehorn FDP 2824 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . . 2827 A Volmer CDU/CSU 2828 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2830 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2831 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1978" — Drucksachen 8/4101, 9/726 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1979" — Drucksache 9/644 — Dr. Laufs CDU/CSU 2833 A Schäfer (Offenburg) SPD 2835 A Dr. Hirsch FDP 2837 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes — Drucksache 9/785 — 2838 D Nächste Sitzung 2839 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2840*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2840* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 2809 50. Sitzung Bonn, den 11. September 1981 Beginn: 9.01 Uhr
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    2840* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11.9. Dr. van Aerssen 11.9. Becker (Nienberge) 11.9. Dr. Bugl 11.9. Burger 11.9. Cronenberg 11.9. Eigen 11.9. Dr. Enders* 11.9. Dr. Faltlhauser 11.9. Dr. Fellner 11.9. Fischer (Hamburg) 11.9. Gattermann 11.9. Dr. Götz 11.9. Dr. Haack 11.9. Hauck 11.9. Hauser (Krefeld) 11.9. Hölscher 11.9. Frau Hoffmann (Soltau) 11.9. Dr. Hubrig 11.9. Kolb 11.9. Dr. Kreile 11.9. Dr. Lammert 11.9. Dr.-Ing. Laermann 11.9. Dr. Lenz (Bergstraße) 11.9. Mahne 11.9. Dr. Müller * 11.9. Müller (Bayreuth) 11.9. Neumann (Bramsche) 11.9. Rainer 11.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Reuschenbach 11.9. Dr. Riemer 11.9. Dr. Rose 11.9. Frau Roitzsch 11.9. Dr. Schachtschabel 11.9. Schartz (Trier) 11.9. Frau Schlei 11.9. Schmöle 11.9. Schröder (Hannover) 11.9. Schröder (Wilhelminenhof) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Schwörer 11.9. Frau Simonis 11.9. Dr. Solms 11.9. Dr. Warnke 11.9. Wartenberg (Berlin) 11.9. Baron von Wrangel 11.9. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung im Benehmen mit dem Ältestenrat die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Neunundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — — Drucksache 9/789 — Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 11. Dezember 1981 vorzulegen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt in drei Abschnitten einige Ausführungen machen. Zum einen eine kurze Darstellung dessen, was der Bericht leistet, zum zweiten ein kurzes Eingehen auf einige der Schlußfolgerungen, die wir aus diesem Bericht ableiten, und zum dritten werde ich den Versuch unternehmen, politisch zu bewerten, was der Bericht leisten kann und was nicht.
    Der Bericht wird seit 1974 alljährlich im Deutschen Bundestag diskutiert. Die Bundesregierung folgt mit der Vorlage des jährlichen Berichts einer Aufforderung des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1973.
    Es ist Aufgabe, durch die jährliche Überprüfung, durch das Vorlegen entsprechender Überprüfungsergebnisse deutlich zu machen, was sich an zivilisatorischer Strahlenbelastung, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Bereichen, in der Bundesrepublik ergibt. Auch dieser Bericht — dafür möchten wir der Bundesregierung danken — kommt diesen Anforderungen in hohem Maße nach, wird ihnen gerecht.
    Dieser Bericht ist darüber hinaus auch ein ausgezeichnetes Instrument zur Identifizierung von Schwachstellen. Seit 1974, seit der Vorlage des ersten Berichtes, sind eine ganze Menge von Verbesserungen vorgenommen worden. Beispielsweise hat sich — das ist unumstritten, Herr Kollege Laufs — die Messung aller Emissionsquellen in der Umgebung von kerntechnischen Anlagen im internationalen Vergleich in organisatorischer und technischer Hinsicht in der Bundesrepublik weitaus am besten entwickelt.
    Es muß bei der jährlichen Berichterstattung bleiben. Es müssen — damit komme ich zum zweiten Abschnitt — einige Ergänzungen gemacht, Forderungen erfüllt werden, die sich aus dieser Berichterstattung ergeben. Ich will auf einige wenige eingehen; denn die anderen sind in der ausgedruckten Beschlußvorlage nachzulesen.
    Wie bereits bei der Vorlage des letzten Berichtes unterstützen wir auch dieses Mal nachdrücklich die Absicht der Bundesregierung, ein Krebserkrankungsregister vorzulegen. Wir wissen, daß die Erstellung eines solchen Registers in 20, 30 Jahren zunehmend mehr Erkenntnisse bringen wird. Es ist notwendig, um statistisch verläßliches Material für epidemiologische Untersuchungen zu besitzen, um dann die Ursachen der Krebserkrankungen stärker als bisher erkennen und Krebsvorsorge wirksamer als bisher durchführen zu können. Wir erwarten noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende erfolgreiche Initiative der Bundesregierung auf diesem Gebiet.
    Der Ausbau des Fernüberwachungssystems ist angesprochen worden. Auch das ist eine Forderung des Parlaments, auch das ist ein Ergebnis der Beratung eines Berichtes über Umweltradioaktivität.
    Als dritte Forderung aus dem Bündel der Einzelmaßnahmen will ich nennen, daß es notwendig ist, künftig — ab 1982, wie wir es von der Bundesregierung verlangen — auch die Strahlenbelastung aus Nachbarländern zu erfassen. Es ist für die Bürger beispielsweise am Oberrhein wichtig, zu wissen, wie sich die Strahlenbelastung aus dem Kernkraftwerk Fessenheim für sie auswirkt. Das gilt für alle grenznahen Bereiche, wo kerntechnische Einrichtungen in Nachbarstaateri sind. Hier sind Maßnahmen notwendig. Sie können nur in gemeinsamer Zusammenarbeit in Angriff genommen werden.
    Ich komme zu der vierten und letzten Empfehlung des Bündels. Wir müssen in der Tat — Herr Kollege Laufs, da pflichte ich Ihnen bei — das Problem der strahlenden Baustoffe untersuchen. Auch hier bleiben wir von der Koalition bei unserer Linie: Nichts dramatisieren, aber auch nichts verharmlosen! Es ist in der Tat zu klären, wieso die mittlere genetische Belastung im Freien geringer ist als in geschlossenen Räumen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung dieses Problem angeht.
    Ich komme zu meiner dritten Bemerkung: Was kann der Bericht leisten und was nicht? Dabei will ich auch auf Ihre Frage eingehen, Herr Kollege Laufs, wieso sich eigentlich trotz dieses Berichts — Sie haben recht: die Strahlenbelastung im Normalbetrieb kerntechnischer Anlagen ist nach allem, was wir heute wissen, nicht gesundheitsschädigend — nicht eine breite Akzeptanz, eine große Zustimmung, eine strahlende Befürwortung der kerntechnologischen Einrichtungen in unserem Land breitmacht. Man könnte es sich einfach machen und sagen: Die Gegner kerntechnischer Anlagen haben es deswegen so leicht, weil sie manchmal Befürworter vorfinden, die so argumentieren, wie Sie hier vorhin argumentiert haben. Ich muß es begründen, wenn ich diese These aufstelle.
    Was kann der Bericht leisten? Ich sage es noch einmal: umfassende, sorgfältige Bilanz der Strahlenbelastung aus zivilisatorischen Quellen. Zweitens ist er ein ausgezeichnetes Instrument zur Identifizierung von Schwachstellen im technischen, im organisatorischen und im kontrollmäßigen Bereich, auch was den Bereich der menschlichen Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit angeht.
    Was kann er nicht leisten? Der Bericht kann nicht dazu herangezogen werden, wie Sie es leider getan haben, Herr Kollege Laufs, die — ich sage: bislang gottlob so erfreulichen — Ergebnisse als einzigen, ausschließlichen Beleg für die These der angeblichen Problemlosigkeit der kerntechnischen Nutzung anzuführen. Wer so argumentiert, wie Sie argumentiert haben, argumentiert unredlich.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das muß ich zurückweisen, Herr Kollege!)




    Schäfer (Offenburg)

    Ich will das begründen, und zwar ohne Polemik.

    (Röhner [CDU/CSU]: Sie sprechen von „unredlich" und meinen, das sei ohne Polemik!)

    Wenn Sie sagen, 20jährige Erfahrungen müßten ausreichen, um die Bedenken gegen Kernenergie in unserem Land zum Stillstand zu bringen,

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege!)

    dann muß man sagen — und ich versuche zu erwidern —: Das sagt nur etwas über den Normalbetrieb aus. Dieser Bericht kann nicht beispielsweise zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, wie die Probleme der Entsorgung, die — darin stimmen wir im Deutschen Bundestag überein — gerade in diesen Tagen dringlicher werden, gelöst werden können.
    Dieser Bericht sagt nichts über die möglicherweise langfristige Wirkung auch kleiner, schwach radioaktiver Abgaben aus. In den Jahren 1977 bis 1979 sind mehr als 225 wissenschaftliche Untersuchungen exakt zu dieser Fragestellung der möglichen langfristigen Wirkung auch in der Kumulation kleiner radioaktiver Abgaben erschienen. Quintessenz, in etwa 95% der Untersuchungen: Nach allem, was wir heute wissen, dürfte das ungefährlich sein. Aber wir müssen noch mehr wissen, um verläßlich urteilen zu können.
    Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen, wo dieser Bericht nicht als Argumentationshilfe verwandt werden darf, wenn er seine Wirkung nicht verlieren soll. Die Wirkung ist, wie dargestellt, positiv und muß fortgeführt werden. Der Bericht sagt nichts über die hypothetischen Störfälle aus.

    (Röhner [CDU/CSU]: Doch!)

    Der Bericht sagt — entschuldigen Sie bitte! — nichts über das Risiko kerntechnischer Anlagen aus. Risiko definiert sich nach der Risikophilosophie aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensauswirkung. Die hohe kerntechnische Auslegung nach der jetzigen Genehmigungsphilosophie — Herr Kollege, ich sage Ihnen das gern, weil man nicht überall Bescheid wissen kann — geht davon aus, daß bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit — das sind statistische Annahmen, die teilweise auch durch probabilistische Methoden errechnet werden — gegen große Schadensauswirkungen keine Vorsorge mehr als notwendig erachtet wird. Das heißt, der Bericht sagt gar nichts darüber aus, was bei kerntechnischen Anlagen, wenn der hypothetische Störfall eintritt, an radioökologischer Folgewirkung geschieht. Ich empfehle Ihnen allen, das Sachverständigengutachten „Energie und Umwelt" gerade unter diesem Gesichtspunkt zu lesen. Nicht grundlos kommt das Sachverständigengutachten „Energie und Umwelt" zu dem Ergebnis: Weil bei einem möglichen Störfall bei Leichtwasserreaktoren die Schadensauswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, die sehr dicht besiedelt ist, so immens groß sind, empfiehlt der Rat langfristig eine Reaktorstrategie mit kleine-
    ren Hochtemperatur-Reaktoren u. a. wegen der höheren Sicherheit.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das hat doch nichts mit der kleinen Dosis zu tun!)

    — Verzeihung! Sie haben mit der kleinen Dosis, Herr Laufs, ein Teilproblem angeschnitten und führen dieses Teilproblem als Beleg an, daß die Gegner der Kernenergie, die skeptisch und kritisch Eingestellten, das doch mal zur Kenntnis nehmen, im Grunde sei ja alles gelöst.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege!)

    Das halte ich für nicht zureichend.
    Ich will zum Schluß noch etwas zur Diskussion sagen, und zwar zu dem, was Sie zu den kritischen Studien gesagt haben, die die Bundesregierung hier nach dem Grundsatz der Parallelität vergeben hat. Wir halten es für richtig, daß die Bundesregierung Parallelgutachten vergibt, daß sie auch an Wissenschaftler mit unterschiedlicher Grundeinstellung zur Nutzung der Kernenergie Untersuchungsaufträge vergibt. Wie könnte es denn eigentlich anders sein, Herr Kollege Laufs, in einer demokratischen Gesellschaft? Muß man nicht eine breite Zustimmung zu dem, was man für richtig hält, erreichen? Ist es nicht gerade eine Hilfe, wenn auch kernenergieskeptisch eingestellte Wissenschaftler zu dem Ergebnis kommen: In diesem Punkt ist Unbedenklichkeit zu gewährleisten?
    Ich habe das Bündel von Anfragen, die Sie in der Sommerpause gegen das Öko-Institut, gegen den Bundesverband für Bürgerinitiativen in diesem Zusammenhang gestellt haben, verfolgt. Ich bin erschrocken — nicht, weil Sie hier angreifen, sondern über Ihr Demokratieverständnis.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Bei Ihnen liegt eine theoretische Fehleinschätzung vor!)

    Ich wäre dankbar, Herr Kollege Laufs, wenn Sie noch einmal diesen Gesichtspunkt — Nutzung neuer technologischer Einrichtungen und öffentliche demokratische Zustimmung — im einzelnen bei sich selbst durchdenken würden. Eine Technologie, die nicht eine breite Zustimmung findet — es müssen keine 100 % und keine 90 % sein — können und dürfen wir den Bürgern nicht überstülpen. Wir versagen als demokratisches Parlament, als Gesellschaft insgesamt, wenn das, was wir hier vielleicht für richtig halten, ein Großteil der Bürger nicht nachvollziehen kann. Mir tut es leid, Herr Kollege Laufs, Ihnen noch einmal sagen zu müssen, daß Sie mit ihrer Rede vorhin Ihrem eigenen Anliegen einen Riesenbärendienst — einen Riesenbärendienst! —

    (Röhner [CDU/CSU]: Das ist Ihre Meinung!)

    — einen Riesenbärendienst! — erwiesen haben.
    Also: Weder dramatisieren noch verharmlosen! — Ich bedanke mich für die Geduld.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man wird sagen können, daß die Nation die Debatte über diesen Bericht nicht gerade fiebernd erwartet.
    Darum möchte ich mit dem Gedanken beginnen, den Herr Kollege Schäfer in seiner, wir ich finde, sehr treffenden Replik auf Ihre Ausführungen, Herr Kollege Laufs, behandelt hat: Was könnte denn dieser Bericht bewirken, in welcher Weise könnte er ein Teil sein für die notwendige Akzeptanz moderner Technologie bis hin zu Kernkraftwerken? Er ist j a nicht beschränkt auf das Problem der Kernkraftwerke. Was könnte er erreichen, wenn man überhaupt diese Voraussetzung bejaht, die wir ebenso bewerten, wie Herr Schäfer das vorgetragen hat: daß man moderne technische Entwicklungen den Menschen nicht gegen ihren Willen überstülpen darf? Ich füge hinzu: im Ergebnis auch nicht kann, wie j a gerade die Diskussionen in dem Bereich, mit dem Sie sich hier nahezu ausschließlich beschäftigt haben, nämlich Diskussionen im Bereich der Kernenergie, in der politischen Wirklichkeit gezeigt haben.
    Ich glaube, daß dieser Bericht ein Beitrag zur Erreichung von mehr Akzeptanz sein könnte, wenn er dem Leser die Überzeugung vermittelt, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung auch der Verwaltung mit den erkennbaren Problemen der modernen Technologie erfolgt. Wir wissen, daß eine solche ernsthafte Auseinandersetzung erfolgt, aber ich beklage, daß der Bericht und die Art des Berichtes — hier unterscheide ich mich etwas von der Bewertung unseres Kollegen Schäfer —, daß die Formulierungen des Berichtes den Zugang zu dieser Erkenntnis nicht gerade erleichtern. Ich sage, es beginnt mit der Sprache.

    (Wehner [SPD]: Das ist sehr höflich und richtig gesagt vor diesem Rumpflein des frei gewählten deutschen Parlaments!)

    — Vielen Dank, Herr Kollege, ich stimme Ihnen zu.
    Es beginnt mit der Sprache des Berichtes, einer technokratischen Verwaltungssprache, die der Übersetzung in das Deutsche fähig, aber auch bedürftig ist.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich kann das nachher an einzelnen Beispielen zeigen, das verwirrende Spiel mit unterschiedlichen Meßeinheiten, die die Vergleichbarkeit und das Verständnis der aufgezeichneten Daten für jeden erschweren, der nicht beruflich auf diesem Gebiet tätig ist.
    Diese Berichte werden, wenn auch teilweise in veränderter Form, in nahezu zehnjähriger Folge seit Anfang der 70er Jahre veröffentlicht. Es hat mich überrascht, daß ganze Teile davon, ganze Textpassagen von Jahr zu Jahr wortwörtlich übernommen werden. Man kennt das in der Verwaltung, man kann das den beteiligten Herren auch nicht übelnehmen, es ist der Griff zum Simile, und dann wird rot angehakt, was man übernimmt, sicherlich, wie ich annehme, in der besten Überzeugung, daß sich dort nichts verändert hat. Der kritische Leser und es gibt viele kritische Leser solcher Berichte — sagt sich, daß hier routinemäßig verfahren wird.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Es gibt Leute, die schreiben von anderen ab, und es gibt Leute, die schreiben von sich selbst ab!)

    — Wobei man sich fragen kann, wer damit den größeren Erfolg hat oder womit man besser bedient ist, Herr Kollege.
    Ich frage mich, ob ein Bericht nicht auch glaubwürdiger wird, wenn man die Grenzen der Aussagen, die Grenzen der möglichen Erkenntnisse deutlicher macht. Das bezieht sich nun z. B. auf die Methoden der Strahlenschutzmeßtechnik, die umstritten sind. Wir wissen, daß noch immer Expertengremien von Bund und Ländern in unterschiedlicher Besetzung tagen, um der Vielfalt der Typen und Verfahren in der Meßtechnik Einhalt zu gebieten und verschiedene Systeme miteinander zu harmonisieren. Es fällt mir auf, daß seit Jahren auch in dem umfangreichen Tabellenteil Werte immer wieder übernommen werden. Die künstliche Strahlenexposition, wie es so schön heißt, wird seit zehn Jahren unverändert mit zirka 60 mrem pro Jahr angegeben, obwohl jeder von uns weiß, daß im Bereich der medizinischen Diagnostik, der Erkenntnisse über Radioaktivität bestimmter in der Bautechnik verwendeter Stoffe, auch durch die Entwicklung der Kernenergie natürlich Veränderungen der künstlichen Strahlenexposition auftreten. Hier wiederholt sich aber der Wert von 60 mrem. In einem früheren Bericht hat es einmal geheißen, 60 mrem seien 1 % der dann mit 110 mrem angegebenen natürlichen Radioaktivität — eine erstaunliche Rechenleistung, die später nicht mehr auftaucht.
    Nun zu dem Bereich der Kernkraftwerke. Wenn das alles so schön ist, Herr Kollege Laufs, frage ich mich natürlich, wie Sie darauf reagieren werden, wenn man die Frage aufwirft — wir gehen ja mit dem Gedanken um, wie Ihnen bekannt ist —, ob man nicht die Haftungsbeschränkung der Betreiber von Kernkraftwerken aufheben sollte.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das ist eine ganz andere Frage Herr Kollege!)

    Das wäre doch dann eigentlich die notwendige Konsequenz.
    Ich bin auch der Meinung, das die Angaben in dem Bericht über die Strahlenbelastung durch einzelne Kernkraftwerke deswegen wenig aussagefähig sind, weil in den Tabellen nur die Jahresdurchschnittswerte angegeben werden, und zwar unabhängig von den Betriebszuständen der einzelnen Kernkraftwerke. Damit kann man wenig anfangen. Mich hat, was die Störfälle angeht, überrascht, daß in dem Teil „Strahlenunfälle und besondere Vorkommnisse" schlicht auf die Berichte der Gesellschaft für Reaktorsicherheit verwiesen wird, die auch nicht gerade leserfreundlich sind, sondern ein intensives Verweisungssystem darstellen. Ich frage mich, ob die Bundesregierung diesen Bericht übernimmt. Wenn man sich da durcharbeitet, stellt man fest: Es gab also im letzten Jahr 218 Störfälle, davon — das ist interessant — 11 % in Not- und Notkühlsystemen; das



    Dr. Hirsch
    sind immerhin 24 Fälle, wobei in 17 Fällen eine Abgabe von Radioaktivität an Wasser und Luft erfolgt ist. Darüber müßte man, glaube ich, etwas Näheres in diesem dem Bundestag vorgelegten Bericht finden.
    Es ist mir auch aufgefallen, daß einzelne Störfälle, nämlich 17 der 218 Störfälle, mit dem Hinweis angegeben worden sind, sie seien nicht 1979, sondern 1978 eingetreten, aber erst 1979 gemeldet worden. Man muß sich also fragen, wie schnell solche Meldungen erfolgen.
    Wir haben verschiedentlich gebeten, die langfristigen Folgen der Abgabe auch kleiner radioaktiver Mengen zu verdeutlichen. Wir finden in diesem Zusammenhang in dem Bericht eine Reihe nicht überzeugender Berechnungen. Da wird, um ein Beispiel zu nehmen, gesagt, es werde eine allgemeine Berechnungsgrundlage des BMI verwendet. Dann heißt es wörtlich:
    Die Anwendung dieser Berechnungsgrundlage gewährleistet, daß die damit berechneten Strahlenexpositionswerte bis zum Zehnfachen über den tatsächlichen Werten liegen.
    Dabei muß man sich fragen: Was soll ich mit einer solchen Angabe anfangen? Sie kann exakt sein, und sie kann zehnmal zu hoch sein; es kann eine Zehnerpotenz darin versteckt sein. Man kann damit also wenig anfangen.
    Es gibt eine andere Tabelle betreffend die „maximale Ganzkörperdosis eines Erwachsenen an der ungünstigsten Einwirkungsstelle", was immer das sein mag, „summiert über sämtliche relevanten Expositionspfade". Ich will mich mit diesem Teil des Berichts aus Zeitgründen nicht näher beschäftigen. Ein Beispiel für eine wenig exakte Angabe ist auch die sehr grobschlächtige Einteilung „Belastung bis 3 km Umkreis", „Belastung bis 20 km Umkreis"; damit kann man in der Tat wenig anfangen.
    Der Innenausschuß hat empfohlen, innerhalb von drei Jahren zur Einrichtung von Emissionskatastern zu kommen. Wir würden gern mehr darüber hören, wieweit die Einrichtung dieser Emissionskataster gediehen ist. Ebenso würde es uns sehr interessieren, wieweit die Länder die Bemühungen des Bundesministers des Innern — die wir begrüßen — unterstützen, dem abzuhelfen, daß bei den Fernüberwachungssystemen unterschiedliche Datenverarbeitungssysteme mit einer nachträglichen Definition der Schnittstellen angewendet werden, die die Übertragung der Daten für eine zentrale Zusammenfassung außerordentlich erschwert. Man müßte sich auch fragen, warum die flächendeckenden Meßnetze, die der Zivilschutz hat, nicht sensibilisiert werden, um sie für die Kerntechnik nutzbar zu machen, um eine deutlichere und überzeugendere Aussage über die unterschiedlichen Belastungen gerade im Umkreis von Kernkraftwerken erreichen zu können.
    Zum Krebsregister hat der Kollege Schäfer bereits etwas gesagt; wir teilen das. Eines der vielen Probleme ist der problematische Zusammenhang mit dem Datenschutz. Ich hoffe, daß wir in absehbarer Zeit auch darüber etwas mehr hören werden.
    Ich möchte noch eine Schlußbemerkung machen. Nach fast zehn Jahren der Veröffentlichung solcher Berichte sollte man die Gelegenheit nutzen, um in der Art der Auseinandersetzung mit der Materie und in der Sprache einen neuen Ansatz zu finden. Wenige Monate nach Erscheinen dieser Berichte wird immer ein Jahresbericht zur Umweltradiaktivität und Strahlenbelastung veröffentlicht, der, ich sage es einmal so, bedienungsfreundlicher ist; man kann ihn leichter lesen, man hat sogar eine Chance, ihn zu verstehen. Er ist auch in der äußeren Aufmachung eindrucksvoller — der Tabellenteil und der graphische Teil. Man muß die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll ist, beide Berichte miteinander zu vereinen und auf diese Weise das zu erreichen, was wir doch gemeinsam erzielen wollen, nämlich durch mehr Eindeutigkeit, auch mehr Eindeutigkeit im Zugeben der Begrenztheit der Aussagemöglichkeit, des Erkenntnisstandes, durch ein deutliches Abrücken von Verharmlosungen, wie wir sie in Veröffentlichungen der einschlägigen Industrie, insbesondere bei der Kernenergie, immer wieder sehen, auf der anderen Seite natürlich — hier hat der Kollege Laufs recht — auch durch Freiheit von Übertreibungen, die ich in den Berichten nicht finde, und durch mehr Deutlichkeit und Verstehbarkeit eine Überzeugung davon zu vermitteln, daß wir uns nicht formell, schematisch, sondern ernsthaft mit diesen Problemen auseinandersetzen, um auf diese Weise mehr Akzeptanz moderner Technik, soweit sie notwendig ist, zu erzielen. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)