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ID0905002700

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    Plenarprotokoll 9/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2809 A Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltprobleme der Nordsee Sondergutachten Juni 1980 des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen — Drucksache 9/692 — Duve SPD 2809 B Dr. von Geldern CDU/CSU 2812 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2816 D Baum, Bundesminister BMI 2819 A Jansen SPD 2822 C Bredehorn FDP 2824 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . . 2827 A Volmer CDU/CSU 2828 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2830 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2831 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1978" — Drucksachen 8/4101, 9/726 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1979" — Drucksache 9/644 — Dr. Laufs CDU/CSU 2833 A Schäfer (Offenburg) SPD 2835 A Dr. Hirsch FDP 2837 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes — Drucksache 9/785 — 2838 D Nächste Sitzung 2839 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2840*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2840* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 2809 50. Sitzung Bonn, den 11. September 1981 Beginn: 9.01 Uhr
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    2840* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11.9. Dr. van Aerssen 11.9. Becker (Nienberge) 11.9. Dr. Bugl 11.9. Burger 11.9. Cronenberg 11.9. Eigen 11.9. Dr. Enders* 11.9. Dr. Faltlhauser 11.9. Dr. Fellner 11.9. Fischer (Hamburg) 11.9. Gattermann 11.9. Dr. Götz 11.9. Dr. Haack 11.9. Hauck 11.9. Hauser (Krefeld) 11.9. Hölscher 11.9. Frau Hoffmann (Soltau) 11.9. Dr. Hubrig 11.9. Kolb 11.9. Dr. Kreile 11.9. Dr. Lammert 11.9. Dr.-Ing. Laermann 11.9. Dr. Lenz (Bergstraße) 11.9. Mahne 11.9. Dr. Müller * 11.9. Müller (Bayreuth) 11.9. Neumann (Bramsche) 11.9. Rainer 11.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Reuschenbach 11.9. Dr. Riemer 11.9. Dr. Rose 11.9. Frau Roitzsch 11.9. Dr. Schachtschabel 11.9. Schartz (Trier) 11.9. Frau Schlei 11.9. Schmöle 11.9. Schröder (Hannover) 11.9. Schröder (Wilhelminenhof) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Schwörer 11.9. Frau Simonis 11.9. Dr. Solms 11.9. Dr. Warnke 11.9. Wartenberg (Berlin) 11.9. Baron von Wrangel 11.9. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung im Benehmen mit dem Ältestenrat die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Neunundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — — Drucksache 9/789 — Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 11. Dezember 1981 vorzulegen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Paul Laufs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gerade zwanzig Jahre her, seit in der Bundesrepublik Deutschland zum erstenmal Strom aus einem Kernkraftwerk in ein öffentliches Netz eingespeist wurde. Die Abgabe radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen und ihre Wirkungen auf den Menschen finden seit den sechziger Jahren eine besorgte öffentliche Aufmerksamkeit. Sie stehen auch ganz im Mittelpunkt der Berichte der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über Umweltradioaktivität und Strahlenschutz.
    Wer insbesondere die großen, neben den Kurzfassungen erscheinenden Jahresberichte studiert, muß sich jedoch fragen: Warum will es in unserem Land nicht gelingen, der Bevölkerung die so simple Tatsache zu vermitteln, daß die von unseren Kernkraftwerken in zwanzig Jahren freigesetzte Radioaktivität absolut unbedeutend, vernachlässigbar, schlicht und einfach: ungefährlich ist? Woher kommt es, daß die Strahlenbelastung aus der Kerntechnik immer noch völlig emotional und nicht nach ihrer tatsächlichen Größe beurteilt wird? Weshalb werden bei den Atomkraft-Diskussionen draußen diese sorgfältigen und überzeugenden Berichte nicht verbreitet und zitiert?
    In ihnen findet man so anschauliches Material wie dieses: Wer einer extremen Lebensführung folgt und jährlich 39 kg Fische verzehrt, die alle im Kühlwasserauslauf deutscher Kernkraftwerke mit all seinen radioaktiven Abwässern leben und gefangen werden, setzt sich einer erhöhten Strahlenbelastung aus, die um den Faktor 1000 kleiner ist als die bei einem Umzug von Bremen ins Saarland oder in den Bayerischen Wald. Die terrestrische Strahlenbelastung ist dort bekanntlich etwas höher als im Bundesdurchschnitt, gegenüber den Welthöchstwerten in Indien oder Brasilien aber immer noch sehr gering.
    Aus geschichtlicher Erfahrung wissen wir, daß selbst die hohen Schwankungsbreiten der Radioaktivität aus der Erde für den Menschen ohne jede erkennbare Wirkung sind. Wissenschaftler aller Länder haben sich viele Jahrzehnte lang bemüht, konnten aber keinen statistisch wahrnehmbaren Zusammenhang zwischen den größten Unterschieden der natürlichen Strahlenexposition und der Häufigkeit krebsartiger Krankheiten wie z. B. Leukämie feststellen.
    Wir entnehmen dem umfangreichen Zahlenwerk des Jahresberichts über Umweltradioaktivität, daß bei der Überwachung der bodennahen Luft in der Umgebung von kerntechnischen Anlagen Einzelnuklide bis hin zu Bruchteilen von Femtocurie pro Kubikmeter im Jahres- bzw. Monatsdurchschnitt ermittelt wurden. Die physikalische Größe Femtocurie legt sich dabei beunruhigend auf das Gemüt des Laien. Was verbirgt sich dahinter? Man hat ja seine Schwierigkeiten, kleinere Teile als Mikroeinheiten, also Millionstel Einheiten, zu erkennen. Der Ingenieur weiß vielleicht noch mit Nano- und Pico-Einheiten umzugehen. Aber „Femto" bedeutet nur den Faktor 10 —15 oder ein Billiardstel einer Einheit.
    Bezogen auf die Umgebungsüberwachung heißt das, daß man pro Kubikmeter Umgebungsluft tagelang auf einen Atomzerfall eines bestimmten vom Kraftwerk abgegebenen Nuklids warten muß. Zum Vergleich: In einem Liter Trinkmilch ereignen sich naturgegeben etwa 50 Kernumwandlungen je Sekunde, in einem Kilo Speisekartoffeln über 100 atomare Zerfälle je Sekunde. Im menschlichen Körper kommt es ganz natürlich zu Tausenden von Atomzerfällen in jeder Sekunde, und gleichzeitig wird er von vielen hundert ionisierenden Teilchen aus dem Weltraum und aus der Erde getroffen, ohne daß seine Gesundheit dabei leidet. Schäden beginnen erst bei sehr viel stärkerer Exposition, bei hundert- bis tausendfach höheren Dosen in Erscheinung zu treten.
    Meine Damen und Herren, ich möchte mit diesen Zahlen die Reichweite und Genauigkeit der in unserem Land betriebenen Umgebungsüberwachung verdeutlichen, die es erlaubt, geringste Spuren von Radioaktivität durch Messung und Ausbreitungsrechnung zu ermitteln.
    Da eine äußere oder innere Bestrahlung des menschlichen Körpers aus künstlichen radioaktiven Quellen bei gleicher Äquivalentdosis, d. h. bei Berücksichtigung von Strahlenart und -energie, Dosisleistung und -verteilung, praktisch die gleiche biologische Wirkung wie die natürliche radioaktive Bestrahlung hat, kommt die Bundesregierung zu folgendem Ergebnis. Die mittlere Strahlenexposition für sämtliche relevanten Expositionspfade, konservativ berechnet für den ungünstigsten Aufpunkt, beträgt in der Umgebung deutscher Kernkraftwerke durch die Abgabe radioaktiver Stoffe mit der Abluft etwa ein Zehntausendstel der durchschnittlichen natürlichen Strahlenexposition durch kosmische und terrestrische Strahlung sowie durch inkorporierte natürlich radioaktive Stoffe. Da die Schwankungsbreite der natürlichen Radioaktivität, die auf den Menschen wirkt, je nach Höhenlage und geologischer Beschaffenheit des Ortes sowie je nach Lebensgewohnheit verhältnismäßig groß ist, geht diese theoretisch mögliche zusätzliche Belastung darin völlig unter.
    Diese Fakten sind seit langem bekannt; sie werden von den vorliegenden neuen Berichten der Bundesregierung wieder einmal eindrucksvoll bestätigt und bekräftigt.
    Was sollen nun die Leute davon halten, wenn sich auf Betreiben der Koalition die wiedereingesetzte Kernenergie-Enquetekommission die zusätzliche Aufgabe stellt, das Risiko der radioaktiven Strahlung aus kerntechnischen Anlagen zu untersuchen? Ausgerechnet aus zivilen kerntechnischen Anlagen! Die Öffentlichkeit kann dann doch nur den Schluß ziehen: Hier sind besonders ernste, langfristig wirksame Gefahren.
    Gewiß, es gibt eine Fülle von Pseudoradiologen, die ihre Unwahrheiten und Fälschungen in breite Bevölkerungsschichten hineintragen. Es ist auch zu vermuten, daß viele Menschen versucht sind, ihre unbestimmten Zukunftsängste auf bekannte Gefahren unserer technischen Zivilisation zu projizieren. Das Atom, die Radioaktivität und das ganze Umfeld



    Dr. Lauf
    der Kerntechnik spielen dabei eine Schlüsselrolle. Aber dieses Parlament darf solchen Formen der Angstbewältigung nicht Vorschub leisten. Sie führen noch mehr in die Irre. Wir dürfen Inkompetenz nicht aufwerten. Was eindeutig als falsch und unwissenschaftlich erkannt ist, sollte nicht über demokratische Meinungsbildungsprozesse wieder gleichen Rang und Beachtung zugemessen erhalten. Das kann nur der wollen, der ein Kernenergiegegner ist.
    In diesem Zusammenhang muß festgestellt werden: Es ist eine ganz üble Geschichte, daß die Bundesregierung auch solche ökologischen Institute mit Zuwendungen in Millionenhöhe bedenkt, die mit ihren unseriösen Praktiken nichts als Angst und Unruhe in der Öffentlichkeit schüren.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Zugegeben — ich weiß das natürlich auch —, die Folgenabschätzung von langfristig wirkenden radioaktiven Strahlenbelastungen in kleinen zusätzlichen Dosen ist bis heute nicht möglich, weil akute Schäden nicht entstehen und das Hilfsmittel der Statistik auch langfristig über strahleninduzierte Krebs- und Erbkrankheiten keinen Aufschluß gibt.
    Aber das ist nicht der Punkt, da die Art der Strahlenquellen, ob Röntgenapparat, Höhenstrahlung, Uran in der Erde, Kalium in der Nahrung oder Kernkraftwerke, bei gleicher Äquivalentdosis für die biologische Wirkung unerheblich ist, bleibt die entscheidende Frage: Warum verengt sich der Blick so ausschließlich auf die extrem geringe Strahlung aus den kerntechnischen Anlagen? Ich möchte dies am Beispiel der erörterten Berichte der Bundesregierung noch deutlicher machen. Der für 1978 vorliegende vollständige Jahresbericht enthält Tausende von Meß- und Rechenergebnissen im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Ihre Bewertung ist eindeutig und beruhigend.
    Der umfangreiche Bericht handelt aber nur mit wenigen Zeilen ein Phänomen ab, das im Vergleich mit der Strahlenexposition in der Umgebung von Kernkraftwerken die tausendfache Beachtung verdiente. Es ist die Strahlenbelastung in wärmedichten Wohnungen. Praktisch alle handelsüblichen Baustoffe wie Beton, Chemiegips, Rotschlamm-Ziegel, Schlackensteine, Granit usw. enthalten je nach Herkunft in unterschiedlichem Maße die radioaktiven Elemente Uran und Thorium. Bei deren natürlichem Zerfall bilden sich in den Baumaterialien gasförmige radioaktive Isotope des Edelgases Radon. Dieses radioaktive Radon diffundiert aus dem Innern der Wände, Böden und Decken nach außen in die Raumluft und wird mit dieser eingeatmet. Je weniger gelüftet wird, desto länger bleibt die warme Raumluft im Haus. Deshalb wird in den Energiesparfibeln der Bundesregierung das Abdichten der Fensterritzen und Türschwellen empfohlen. In wärmedichten Häusern hat man die Luftwechselrate gegenüber den üblichen Werten bis auf ein Fünftel vermindert. In diesem Fall steigt aber auch die Radonkonzentration auf etwa das Fünffache an und damit die Ganzkörperdosis aus der erhöhten Lungenbelastung auf etwa 180 mrem/pro Jahr. Die jährliche natürliche Strahlenbelastung beträgt dann 250 mrem/ pro Jahr mehr als das Doppelte des heutigen Mittelwertes von 110 mrem/pro Jahr. Auch diese Strahlendosis ist biologisch unbedenklich.
    Aber ich wage die Behauptung: Würde die Kerntechnik für weite Kreise der Bevölkerung eine solche Strahlenbelastung verursachen, die Bundesregierung würde alle Anlagen unverzüglich stillegen. Oder anders herum: Wenn man der Radioaktivität in Baumaterialien und ihrer biologischen Wirkung mit der gleichen Skepsis und Besorgnis gegenüberträte wie die Atomgegner der Strahlung aus deutschen Reaktoren, dann müßte man Millionen Häuser in unserem Land abreißen und den Bauschutt als schwachradioaktiven Müll unter allen Vorsichtsmaßregeln in Salzbergwerken beseitigen. Dann müßte sich auch das Interesse an den langfristigen Wirkungen äußerst schwacher ionisierender Strahlen auf diesen Sachverhalt und nicht auf die Bruchteile von Millirem durch die Kernenergie richten.
    Diese radioökologischen Fakten sind der Bundesregierung und den mit diesen Fragen befaßten SPD/ FDP-Kollegen bekannt. Trotzdem problematisieren sie extrem einseitig die Strahlung im Umfeld der Kerntechnik. Sie spenden damit Wasser auf die Mühlen der Antiatomkraft-Ideologen, die aus sehr unterschiedlichen Motiven die Angstkomplexe der Bevölkerung bewirtschaften.
    Meine Damen und Herren, damit in diesem Zusammenhang kein Mißverständnis aufkommt: Die CDU/CSU unterstützt jede sinnvolle Maßnahme zur Erhaltung und Überwachung des hohen deutschen Sicherheitsstandards in der Kerntechnik. Wir wollen, daß die deutschen Kernkraftwerke auch in Zukunft zu den saubersten und sichersten im internationalen Vergleich gehören. Die Berichte der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über radioaktive Ableitungen aus Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen haben diesen hohen Standard in der Vergangenheit deutlich gemacht.
    Wir begrüßen, daß der Länderausschuß für Atomkernenergie eine Rahmenempfehlung für ein bundesweites einheitliches Fernüberwachungssystem verabschiedet hat. Wir unterstützen seine baldige Verwirklichung als technisch zwar nicht erforderliche, aber, wie wir hoffen, weitere vertrauensbildende Sicherheitsmaßnahme.
    Die CDU/CSU würde des weiteren begrüßen, wenn die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien mehr dazu beitrügen, in öffentlichen Diskussionen bewußt zu machen, daß es keinen Bereich des Umweltschutzes gibt, der so lange und so gründlich erforscht und mit so vielen Sicherheits- und Vorsorgemaßnahmen versehen ist wie der des Strahlenschutzes. Über die biologischen Wirkungen der Radioaktivität besitzen wir weitaus mehr Kenntnisse als über die der meisten Schadstoffe, mit denen wir die Umwelt belasten.
    Was wir — auch auf Grund dieser lobenswerten jährlichen Berichte der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag — wissen, sollte ausreichen, um wieder Ruhe und Sachlichkeit im Bereich der Umweltradioaktivität und des Strahlenschutzes ein-



    Dr. Laufs
    ziehen zu lassen. — Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer (Offenburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt in drei Abschnitten einige Ausführungen machen. Zum einen eine kurze Darstellung dessen, was der Bericht leistet, zum zweiten ein kurzes Eingehen auf einige der Schlußfolgerungen, die wir aus diesem Bericht ableiten, und zum dritten werde ich den Versuch unternehmen, politisch zu bewerten, was der Bericht leisten kann und was nicht.
    Der Bericht wird seit 1974 alljährlich im Deutschen Bundestag diskutiert. Die Bundesregierung folgt mit der Vorlage des jährlichen Berichts einer Aufforderung des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1973.
    Es ist Aufgabe, durch die jährliche Überprüfung, durch das Vorlegen entsprechender Überprüfungsergebnisse deutlich zu machen, was sich an zivilisatorischer Strahlenbelastung, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Bereichen, in der Bundesrepublik ergibt. Auch dieser Bericht — dafür möchten wir der Bundesregierung danken — kommt diesen Anforderungen in hohem Maße nach, wird ihnen gerecht.
    Dieser Bericht ist darüber hinaus auch ein ausgezeichnetes Instrument zur Identifizierung von Schwachstellen. Seit 1974, seit der Vorlage des ersten Berichtes, sind eine ganze Menge von Verbesserungen vorgenommen worden. Beispielsweise hat sich — das ist unumstritten, Herr Kollege Laufs — die Messung aller Emissionsquellen in der Umgebung von kerntechnischen Anlagen im internationalen Vergleich in organisatorischer und technischer Hinsicht in der Bundesrepublik weitaus am besten entwickelt.
    Es muß bei der jährlichen Berichterstattung bleiben. Es müssen — damit komme ich zum zweiten Abschnitt — einige Ergänzungen gemacht, Forderungen erfüllt werden, die sich aus dieser Berichterstattung ergeben. Ich will auf einige wenige eingehen; denn die anderen sind in der ausgedruckten Beschlußvorlage nachzulesen.
    Wie bereits bei der Vorlage des letzten Berichtes unterstützen wir auch dieses Mal nachdrücklich die Absicht der Bundesregierung, ein Krebserkrankungsregister vorzulegen. Wir wissen, daß die Erstellung eines solchen Registers in 20, 30 Jahren zunehmend mehr Erkenntnisse bringen wird. Es ist notwendig, um statistisch verläßliches Material für epidemiologische Untersuchungen zu besitzen, um dann die Ursachen der Krebserkrankungen stärker als bisher erkennen und Krebsvorsorge wirksamer als bisher durchführen zu können. Wir erwarten noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende erfolgreiche Initiative der Bundesregierung auf diesem Gebiet.
    Der Ausbau des Fernüberwachungssystems ist angesprochen worden. Auch das ist eine Forderung des Parlaments, auch das ist ein Ergebnis der Beratung eines Berichtes über Umweltradioaktivität.
    Als dritte Forderung aus dem Bündel der Einzelmaßnahmen will ich nennen, daß es notwendig ist, künftig — ab 1982, wie wir es von der Bundesregierung verlangen — auch die Strahlenbelastung aus Nachbarländern zu erfassen. Es ist für die Bürger beispielsweise am Oberrhein wichtig, zu wissen, wie sich die Strahlenbelastung aus dem Kernkraftwerk Fessenheim für sie auswirkt. Das gilt für alle grenznahen Bereiche, wo kerntechnische Einrichtungen in Nachbarstaateri sind. Hier sind Maßnahmen notwendig. Sie können nur in gemeinsamer Zusammenarbeit in Angriff genommen werden.
    Ich komme zu der vierten und letzten Empfehlung des Bündels. Wir müssen in der Tat — Herr Kollege Laufs, da pflichte ich Ihnen bei — das Problem der strahlenden Baustoffe untersuchen. Auch hier bleiben wir von der Koalition bei unserer Linie: Nichts dramatisieren, aber auch nichts verharmlosen! Es ist in der Tat zu klären, wieso die mittlere genetische Belastung im Freien geringer ist als in geschlossenen Räumen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung dieses Problem angeht.
    Ich komme zu meiner dritten Bemerkung: Was kann der Bericht leisten und was nicht? Dabei will ich auch auf Ihre Frage eingehen, Herr Kollege Laufs, wieso sich eigentlich trotz dieses Berichts — Sie haben recht: die Strahlenbelastung im Normalbetrieb kerntechnischer Anlagen ist nach allem, was wir heute wissen, nicht gesundheitsschädigend — nicht eine breite Akzeptanz, eine große Zustimmung, eine strahlende Befürwortung der kerntechnologischen Einrichtungen in unserem Land breitmacht. Man könnte es sich einfach machen und sagen: Die Gegner kerntechnischer Anlagen haben es deswegen so leicht, weil sie manchmal Befürworter vorfinden, die so argumentieren, wie Sie hier vorhin argumentiert haben. Ich muß es begründen, wenn ich diese These aufstelle.
    Was kann der Bericht leisten? Ich sage es noch einmal: umfassende, sorgfältige Bilanz der Strahlenbelastung aus zivilisatorischen Quellen. Zweitens ist er ein ausgezeichnetes Instrument zur Identifizierung von Schwachstellen im technischen, im organisatorischen und im kontrollmäßigen Bereich, auch was den Bereich der menschlichen Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit angeht.
    Was kann er nicht leisten? Der Bericht kann nicht dazu herangezogen werden, wie Sie es leider getan haben, Herr Kollege Laufs, die — ich sage: bislang gottlob so erfreulichen — Ergebnisse als einzigen, ausschließlichen Beleg für die These der angeblichen Problemlosigkeit der kerntechnischen Nutzung anzuführen. Wer so argumentiert, wie Sie argumentiert haben, argumentiert unredlich.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das muß ich zurückweisen, Herr Kollege!)




    Schäfer (Offenburg)

    Ich will das begründen, und zwar ohne Polemik.

    (Röhner [CDU/CSU]: Sie sprechen von „unredlich" und meinen, das sei ohne Polemik!)

    Wenn Sie sagen, 20jährige Erfahrungen müßten ausreichen, um die Bedenken gegen Kernenergie in unserem Land zum Stillstand zu bringen,

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege!)

    dann muß man sagen — und ich versuche zu erwidern —: Das sagt nur etwas über den Normalbetrieb aus. Dieser Bericht kann nicht beispielsweise zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, wie die Probleme der Entsorgung, die — darin stimmen wir im Deutschen Bundestag überein — gerade in diesen Tagen dringlicher werden, gelöst werden können.
    Dieser Bericht sagt nichts über die möglicherweise langfristige Wirkung auch kleiner, schwach radioaktiver Abgaben aus. In den Jahren 1977 bis 1979 sind mehr als 225 wissenschaftliche Untersuchungen exakt zu dieser Fragestellung der möglichen langfristigen Wirkung auch in der Kumulation kleiner radioaktiver Abgaben erschienen. Quintessenz, in etwa 95% der Untersuchungen: Nach allem, was wir heute wissen, dürfte das ungefährlich sein. Aber wir müssen noch mehr wissen, um verläßlich urteilen zu können.
    Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen, wo dieser Bericht nicht als Argumentationshilfe verwandt werden darf, wenn er seine Wirkung nicht verlieren soll. Die Wirkung ist, wie dargestellt, positiv und muß fortgeführt werden. Der Bericht sagt nichts über die hypothetischen Störfälle aus.

    (Röhner [CDU/CSU]: Doch!)

    Der Bericht sagt — entschuldigen Sie bitte! — nichts über das Risiko kerntechnischer Anlagen aus. Risiko definiert sich nach der Risikophilosophie aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensauswirkung. Die hohe kerntechnische Auslegung nach der jetzigen Genehmigungsphilosophie — Herr Kollege, ich sage Ihnen das gern, weil man nicht überall Bescheid wissen kann — geht davon aus, daß bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit — das sind statistische Annahmen, die teilweise auch durch probabilistische Methoden errechnet werden — gegen große Schadensauswirkungen keine Vorsorge mehr als notwendig erachtet wird. Das heißt, der Bericht sagt gar nichts darüber aus, was bei kerntechnischen Anlagen, wenn der hypothetische Störfall eintritt, an radioökologischer Folgewirkung geschieht. Ich empfehle Ihnen allen, das Sachverständigengutachten „Energie und Umwelt" gerade unter diesem Gesichtspunkt zu lesen. Nicht grundlos kommt das Sachverständigengutachten „Energie und Umwelt" zu dem Ergebnis: Weil bei einem möglichen Störfall bei Leichtwasserreaktoren die Schadensauswirkungen in der Bundesrepublik Deutschland, die sehr dicht besiedelt ist, so immens groß sind, empfiehlt der Rat langfristig eine Reaktorstrategie mit kleine-
    ren Hochtemperatur-Reaktoren u. a. wegen der höheren Sicherheit.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das hat doch nichts mit der kleinen Dosis zu tun!)

    — Verzeihung! Sie haben mit der kleinen Dosis, Herr Laufs, ein Teilproblem angeschnitten und führen dieses Teilproblem als Beleg an, daß die Gegner der Kernenergie, die skeptisch und kritisch Eingestellten, das doch mal zur Kenntnis nehmen, im Grunde sei ja alles gelöst.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt, Herr Kollege!)

    Das halte ich für nicht zureichend.
    Ich will zum Schluß noch etwas zur Diskussion sagen, und zwar zu dem, was Sie zu den kritischen Studien gesagt haben, die die Bundesregierung hier nach dem Grundsatz der Parallelität vergeben hat. Wir halten es für richtig, daß die Bundesregierung Parallelgutachten vergibt, daß sie auch an Wissenschaftler mit unterschiedlicher Grundeinstellung zur Nutzung der Kernenergie Untersuchungsaufträge vergibt. Wie könnte es denn eigentlich anders sein, Herr Kollege Laufs, in einer demokratischen Gesellschaft? Muß man nicht eine breite Zustimmung zu dem, was man für richtig hält, erreichen? Ist es nicht gerade eine Hilfe, wenn auch kernenergieskeptisch eingestellte Wissenschaftler zu dem Ergebnis kommen: In diesem Punkt ist Unbedenklichkeit zu gewährleisten?
    Ich habe das Bündel von Anfragen, die Sie in der Sommerpause gegen das Öko-Institut, gegen den Bundesverband für Bürgerinitiativen in diesem Zusammenhang gestellt haben, verfolgt. Ich bin erschrocken — nicht, weil Sie hier angreifen, sondern über Ihr Demokratieverständnis.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Bei Ihnen liegt eine theoretische Fehleinschätzung vor!)

    Ich wäre dankbar, Herr Kollege Laufs, wenn Sie noch einmal diesen Gesichtspunkt — Nutzung neuer technologischer Einrichtungen und öffentliche demokratische Zustimmung — im einzelnen bei sich selbst durchdenken würden. Eine Technologie, die nicht eine breite Zustimmung findet — es müssen keine 100 % und keine 90 % sein — können und dürfen wir den Bürgern nicht überstülpen. Wir versagen als demokratisches Parlament, als Gesellschaft insgesamt, wenn das, was wir hier vielleicht für richtig halten, ein Großteil der Bürger nicht nachvollziehen kann. Mir tut es leid, Herr Kollege Laufs, Ihnen noch einmal sagen zu müssen, daß Sie mit ihrer Rede vorhin Ihrem eigenen Anliegen einen Riesenbärendienst — einen Riesenbärendienst! —

    (Röhner [CDU/CSU]: Das ist Ihre Meinung!)

    — einen Riesenbärendienst! — erwiesen haben.
    Also: Weder dramatisieren noch verharmlosen! — Ich bedanke mich für die Geduld.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)