Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit einigem Interesse habe ich mich darauf eingerichtet, hier vom Sprecher der Opposition zu hören, an welcher Stelle eigentlich in dieser Haushaltsberatung seine Kritik am Justizministerium ansetzt. Sollten es die finanziellen Mittel sein, die bei uns wirklich sehr sparsam vorhanden sind und sehr sparsam eingesetzt werden? Sollte es das Sachprogramm sein? Herr Gerster, Sie haben es geschafft, beide Erwartungen zu enttäuschen. Sie sind oberflächlich über beides hinweggegangen, ohne genau zu sagen, worum es Ihnen eigentlich geht.
Wenn Sie rückblickend sagen, die Rechtspolitik dieser Koalition sei von einer Flut von Gesetzen und Reformen gekennzeichnet, so verweise ich auf die rechtspolitische Erklärung, die ich hier am 19. März 1981 abgegeben habe und in der ich Ihnen eingehend darlegen konnte, was alles nach den Versäumnissen in Ihrer Regierungszeit 1969 und in den folgenden Jahren notwendig war, wie der Reformstau abgebaut werden mußte, den Regierungen Ihrer Parteien hatten entstehen lassen.
Daß das wirklich notwendig war, das zeigt sich dann daran, daß ein Großteil, ja der wichtigste Teil, dieser von Ihnen jetzt beklagten und als überflüssig abgelehnten Reformen mit Ihrer Zustimmung zustande gekommen ist. Da frage ich Sie: Weshalb haben Sie dem überhaupt zugestimmt, wenn Sie sich heute davon distanzieren?
Wir kennen das z. B. von der Reform des Ehe- und Familienrechts, wo Sprecher Ihrer Parteien nicht müde werden, öffentlich auf Distanz zu gehen und Kritik aller möglichen Art zu äußern. Dabei ist das ein Vorhaben, das mit Ihrer Zustimmung zustande gekommen ist.
Ich halte das für sehr inkonsequent, was Sie da machen.
Ich habe Ihnen weiter darlegen können, daß es in dieser Wahlperiode nicht darum gehen wird, neue Reformvorhaben von diesem Rang anzufassen, sondern daß es jetzt vor allem darum geht, den Bestand zu bewahren
und behutsam weiterzuentwickeln, zu konsolidieren, abzurunden, zu überarbeiten, zu ergänzen und natürlich auch einige wenige neue Vorhaben, die wichtig sind, in Angriff zu nehmen. Ich habe weder in der Debatte im März noch heute von Ihnen gehört,
was Sie davon für überflüssig halten und was Sie ablehnen.
Wenn Sie jetzt hergehen und sagen, für Reformvorhaben und für Untersuchungen werde zuviel Geld ausgegeben, so sage ich einmal, daß es sich um einen Betrag von knapp über 1 Million DM für das Ministerium handelt, den Sie im Haushaltsausschuß noch gekürzt haben. Zum anderen: Was die Frage angeht, wofür das ausgegeben wird, so hat Herr Engelhard Ihnen schon gesagt, daß Rechtswirkungen von Gesetzen, die schon erlassen sind, geprüft werden und auch die Voraussetzungen für wichtige neue Vorhaben geprüft werden; ich nenne die Aufbereitung der Justizstatistik, das Projekt vor- und außergerichtliche Konfliktlösungen, die Erfolgskontrolle der Strafprozeßreform und anderes mehr. Da frage ich Sie wirklich, was sollen wir mit dem Rezept, zu diesen wichtigen und schwierigen Fragen auf die Straße zu gehen und den Bürger zu fragen, was er davon hält? Das ist doch ein sehr banaler Vorschlag, von dem Sie selbst wissen, daß er nicht geht und daß Sie ihn auch nicht praktizieren würden, wenn Sie an dieser Stelle ständen.
Den Kontakt mit dem Bürger haben wir durchaus. Wo ihn der Schuh drückt, das wissen wir recht gut. Aber dem abzuhelfen, erfordert mehr, als nur sein Ohr am Mund des Volkes zu haben.
Nur das zu tun, was populär ist — wenn Sie etwa gerade das Beispiel des Asyslrechts nehmen; den Arbeiter drücke, so sagten Sie, die Dauer des Asylrechts —, ist ein nicht qualifizierter und im Ergebnis möglicherweise verhängnisvoller Vorschlag.
Wir können dort, wo es um die Bewahrung und Ausgestaltung von Grundrechten geht und wo wir sorgfältig abwägen müssen, was wir etwa an Rechtsschutz vermindern, doch nicht nach einer Augenblicks- und Tagesstimmung handeln. Diesen Vorschlag wollen Sie doch wohl nicht wirklich machen?