Rede von
Dr.
Hanna
Neumeister
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute verschiedentlich angesprochen worden, daß die Finanzmittel, die dem Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit neben dem Kindergeld zur Verfügung stehen, zu knapp bemessen sind. Nun wissen wir, daß das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bereits seit Anfang der 70er Jahre nicht gerade zu den angesehensten und erfolgreichsten in der derzeitigen SPD/FDP-Regierung gehört.
Es ist auch kein Geheimnis, daß die Finanzminister hier nicht gerade sehr freigiebig waren.
Die internen personellen Schwierigkeiten, von denen mein Kollege Rose schon gesprochen hat, sind sicherlich ein Grund dafür. Daß es aber Gesundheitspolitik schon seit langem nicht mehr gibt, wie Herr Mudra vom DGB selber gesagt hat, unterstützt von seiner Kollegin von der ÖTV — auch Herr Brückner, SPD-Senator, hat gesagt, daß die Gesundheitspolitik dieser Regierung ihren Namen nicht verdiene —, das muß doch auch noch andere Gründe haben.
Hier zeigt sich offenbar die Organisationsschwäche dieser Bundesregierung, für die der Bundeskanzler Verantwortung trägt. Er hat den Stellenwert der Gesundheitspolitik gründlich verkannt.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt nur über die Gesundheitspolitik sprechen; über Jugend und Familie ist bisher schon sehr viel gesagt worden. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ist nun einmal kein starkes Gesundheitsministerium, das in der Lage wäre, eigene Standpunkte zu präzisieren und die notwendige Emanzipation der Gesundheitspolitik innerhalb der Gesamtpolitik durchzusetzen. Wenn man die Gesundheitspolitik als eigenständigen Teil der Gesellschaftspolitik anerkennt, in der die wichtigen Grundlagen der Eigenverantwortung und der Solidarität gelegt werden, Tugenden, die wir in unserer Demokratie unabdingbar nötig haben, erkannt hat, dann kann man einfach nicht zulassen, daß das verantwortliche Ministerium seine Zuständigkeiten auf wichtigen Gebieten mit anderen Ressorts, deren Aufgabe nicht die Gesundheitspolitik ist, teilen muß.
So zeichnet für den gesundheitspolitisch bedeutsamen Bereich der Umwelthygiene, d. h. den Schutz des Menschen vor den ihm aus seiner Umwelt drohenden Gefahren, das Innenministerium verantwortlich. Für die medizinische Versorgung ist der Arbeitsminister zuständig, der die Gesundheitspolitik durch ökonomische Zwänge, durch Sparmaßnahmen, wenn sie auch im Grundsatz sicherlich notwendig sind, geradezu erdrückt. Auf dem Gebiet der Gesundheitsforschung hat weitgehend der Forschungsminister die Kompetenz übernommen und zugleich bürokratisiert. Im Bereich des Lebensmittelwesens und des Veterinärrechts spricht das Ernährungsministerium ein gewichtiges Wort mit. Die Arzneimittelsicherheit ressortiert noch im Gesundheitsministerium, wird aber in immer stärkerem Maße durch Kostenüberlegungen des Arbeitsministers — z. B. durch den Arzneimittelhöchstbetrag — tangiert, während die Arzneimittelpreise wiederum im Wirtschaftsministerium beheimatet sind. Schließlich ist auch noch der Finanzminister daran beteiligt, wenn er nämlich immer wieder die Frage nach einer Herabsetzung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel mit falschen Argumenten aus dem EG-Bereich abschmettert.
Aber der Verbraucherschutz, meine Damen und Herren, wird von vielen sich zuständig fühlenden Initiatoren und eigentlich von sämtlichen Ministerien berieselt. Daraus resultieren dann tiefe Verunsicherung und ein offensichtliches Mißtrauen der Bevölkerung, die sich angesichts der vielen auf sie zukommenden Fragen und Anregungen fragen muß: Was darf man denn eigentlich noch essen, trinken, einatmen? Wo darf man noch baden? Wo darf man überhaupt noch Blumen pflücken?
Notwendige Verantwortung gerade in diesem Bereich und Mitverantwortung des Bürgers weichen auf diese Weise letztendlich tiefer Resignation.