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ID0904201200

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    Plenarprotokoll 9/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2440 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/481 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2363 B Grobecker SPD 2367 D Dr. Zumpfort FDP 2370 A Höpfinger CDU/CSU 2371 B Egert SPD 2374 A Cronenberg FDP 2377 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2380 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/485 — Dr. Rose CDU/CSU 2384 A Dr. Soell SPD 2390 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2392 C Burger CDU/CSU 2394 C Jaunich SPD 2397 A Eimer (Fürth) FDP 2399 D Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 2402 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2403 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/491 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2406 D Dr. Dübber SPD 2408 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2409 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 2412 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/476 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/496 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2415A Kühbacher SPD 2417 D Dr. Hirsch FDP 2421 A Dr. Hackel CDU/CSU 2423 C Dr. Nöbel SPD 2425 D Baum, Bundesminister BMI 2427 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/492 — Frau Benedix-Engler CDU/CSU 2433 A Westphal SPD 2435 A Frau von Braun-Stützer FDP 2437 A Engholm, Bundesminister BMBW 2439 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/477 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2441 A Schmidt (München) SPD 2443 B Engelhard FDP 2445 C Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . 2447 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/486 — 2448 D Haushaltsgesetz 1981 — Drucksachen 9/498, 9/514 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 2449 A Walther SPD 2449 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Wartezeitgesetz) — Drucksache 9/409 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/517 — Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 2450 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG — Drucksache 9/428 — 2451 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Baustatistikgesetzes — Drucksache 9/436 — 2451 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1982) — Drucksache 9/451 — 2451 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Walther, Löffler, Grobecker, Gärtner und Genossen und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — — Drucksache 9/529 — 2451 B Beratung der Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/422 — 2451 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), insbesondere die touristische Beistandsleistung betreffend — Drucksachen 9/158 Nr. 17, 9/335 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betr. die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) hinsichtlich der Kreditversicherung — Drucksachen 9/108 Nr. 57, 9/501 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren — Drucksachen 7/5082, 9/108 Nr. 54, 9/439 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 III Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 234/68 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels — Drucksachen 9/252 Nr. 27, 9/431 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Abkommens der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Form eines Briefwechsels über ihre Fischereibeziehungen Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Fischereiabkommens zwischen der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — Drucksachen 9/108 Nr. 19, 9/158 Nr. 13, 9/509 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Einführung eines Marktbeobachtungssystems im Binnenverkehr Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Marktbeobachtungssystem im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsgüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/108 Nr. 33, 9/432 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Maßnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 zwecks Ergänzung der Beihilferegelung im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr durch die Aufnahme von Bestimmungen über den kombinierten Verkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 21, 9/433 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Einführung eines Informations- und Beratungsverfahrens betreffend die Beziehungen und Abkommen mit Drittländern im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 18, 9/434 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung einer Beihilfe des Europäischen Sozialfonds zur Sicherung des Einkommens der Arbeitnehmer im Schiffbau — Drucksachen 9/260, 9/512 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2452 D Nächste Sitzung 2453 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2454* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 2363 42. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 6. Dr. Apel 4. 6. Dr. Geßner ** 4. 6. Kittelmann ** 4, 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Lenzer * 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5. 6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Pieroth 4. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Witek 4. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, ich möchte gerne meine Ausführungen im Zusammenhang machen.

    (Franke [CDU/CSU]: Dann darf ich Ihnen das Flugblatt zeigen! Das ist von der SPD!)

    — Das können Sie mir hinterher geben, Herr Kollege Franke.
    Wie kann man, ohne den Begriff der Solidarität aufzugeben, verlangen, daß jetzt, wo es in der Wirtschaft schwieriger wird, in erster Linie die sozial Schwachen Verschlechterungen hinzunehmen haben? Wie ist es zu vertreten, daß Solidarität jetzt heißen soll, daß nicht mehr die Stärkeren für die Schwächeren eintreten sollen, sondern die Schwächeren für die Stärkeren?
    Sozialpolitiker sind keine Phantasten. Wir wissen, daß Sozialpolitik in einen ökonomischen Rahmen eingebettet ist. Allerdings verstehen wir Sozialpolitik auch nicht als ein Abfallprodukt der Wirtschafts- und Finanzpolitik,

    (Zustimmung bei der SPD)

    für das in guten Zeiten viel, in schlechten Zeiten eben wenig oder gar nichts übrigbleibt. Das Verhältnis der Sozialpolitik zu ihren ökonomischen Rahmenbedingungen ist komplizierter. Die Ökonomie liefert uns nicht nur — je nach Kassenlage — die Finanzierung, sondern auch die Probleme, mit denen sich die Sozialpolitik auseinandersetzen muß. Deshalb müssen wir aus sozialpolitischer und vor allem aus sozialdemokratischer Sicht verlangen, daß die Probleme nach Möglichkeit auch dort gelöst werden, wo sie entstehen, d. h. im ökonomischen Bereich.
    Im Zusammenhang mit dem Einzelplan 11 heißt das: Wir können nicht zulassen, daß uns eine rein buchhalterisch konzipierte Rotstiftpolitik noch tiefer in die Wirtschaftskrise hineinführt und zusätzlich soziale und finanzielle Probleme erzeugt, im Vergleich mit denen die heutigen harmlos erscheinen.
    Wir haben bereits vor einem halben Jahr darauf hingewiesen, daß nach unserer Meinung ein unabweisbarer beschäftigungspolitischer Handlungsbedarf besteht. Die Bundesregierung hat mit dem 6,3Milliarden-Kreditprogramm, das über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird, einen richtigen Schritt getan. Diesem Schritt müssen weitere und energischere Maßnahmen zur Wiedergewinnung und Sicherung der Vollbeschäftigung folgen.

    (Zustimmung bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Woher nehmen Sie das Geld?)

    Die Sozialpolitiker sind auch nicht so uneinsichtig, daß sie die schwierige Haushaltssituation des Bundes verkennen würden. Zwar sind wir der Meinung, daß es durchaus in die Landschaft paßt, daß der Bund in diesem Jahr durch Übernahme des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit die Konjunktur in erheblichem Umfange stützt; aber wir verschließen uns auch nicht der Einsicht, daß allein mit Hilfe des traditionellen Instruments der Staatsverschuldung die vorwiegend strukturell bedingten Wirtschaftsprobleme nicht zu lösen sind. Daß das deficit spending seine haushaltspolitischen Grenzen hat, daß es nur für eine begrenzte Zeit und nicht auf Dauer anwendbar ist und daß es in der speziellen außenwirtschaftlichen Konstellation, in der wir uns befinden, zahlreiche Hemmnisse — wie z. B. die Zahlungsbilanzprobleme und das astronomisch hohe internationale Zinsniveau — gibt,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie kriegen doch das Geld gar nicht mehr zusammen!)

    dies alles ändert nichts daran, daß gehandelt werden muß, daß sich der Staat nicht aus der Verantwortung zurückziehen darf, daß wir uns nicht in der Illusion wiegen dürfen, der Markt werden schon alles regeln.
    Eine Sparpolitik à la Brüning ist keine Lösung; sie würde nur eine weitere dramatische Verschlechterung der Lage mit sich bringen. Wir sollten einen 50 Jahre alten Irrtum nicht wiederholen.
    Einsparungen, soweit sie notwendig werden, müssen auch die sozial Stärkeren in die Pflicht nehmen; sie dürfen die bestehenden strukturellen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nicht einseitig zu Lasten der sozial Schwachen weiter verschärfen. Die Folgelasten der weltwirtschaftlichen Krise müssen solidarisch verteilt werden.
    Ich räume ein, daß es im System der sozialen Sicherung, das sich über Jahrzehnte hinweg mehr oder minder ohne planvolle Gesamtkonzeption historisch entwickelt hat — hier ist an Kaiser Wilhelm erinnert worden —, ganz zweifellos an vielen Stellen Mißbrauch und nicht mehr gerechtfertigte Vergünstigungen gibt. Es wäre aber eine törichte Verzeichnung des Bildes, wenn man Mißstände und Wildwuchs einzig und allein im sozialen Sicherungssystem ausmachen wollte. Diese Erscheinungen gibt es überall. Um das zu beweisen, genügen wenige Stichworte, die zugleich in eine viel größere finanzielle Dimension führen: Subventionen, Steuerhinterziehung, ungerechtfertigte steuerliche Privilegien oder — um auch dieses Stichwort zu nennen — die EG-Agrarpolitik.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schwarzarbeit!)

    Es gehört schon zu den Merkwürdigkeiten der Diskussion in der veröffentlichten Meinung, mit welch verzerrter Optik sich die Kritik allein auf den Bereich der Sozialleistungen konzentriert. Warum stößt sich denn unser Gerechtigkeitsgefühl zwar an einem Arbeitslosen, der nicht sofort den ersten besten Arbeitsplatz nimmt, der ihm schlechtere Arbeitsbedingungen, geringere Bezahlung und längere Fahrwege einbringt, aber nicht daran, daß es Unternehmern in dieser Gesellschaft möglich ist, Veräußerungsgewinne in Millionen- oder Milliardenhöhe völlig steuerfrei zu kassieren?

    (Beifall bei der SPD)

    Warum regt man sich über den Rentner auf, der nach Jahrzehnten arbeitsreichen und nicht gerade luxuriösen Lebens im Alter genausoviel Geld wie sein noch im Erwerbsleben stehender Kollege hat, statt sich z. B. über die Selbstbedienung der pharma-



    Egert
    zeutischen Industrie oder der Zahnärzte zu Lasten
    der gesetzlichen Krankenversicherung zu erregen?

    (Beifall bei der SPD)

    Warum empört man sich über den Saisonarbeiter, der in der Nebensaison Arbeitslosengeld bezieht, um später wieder zu seinem alten Arbeitgeber zurückzukehren, aber nicht wegen des Mißbrauchs des Kurzarbeitergeldes, der Lohnkostenzuschüsse und der Renten für 60jährige Arbeitslose durch die Unternehmer?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Warum sind die paar Mark unberechtigt bezogene Sozialhilfe Gegenstand der öffentlichen Diskussion und der Sensationspresse, und warum diskutiert niemand darüber, daß dem Fiskus riesenhafte Steuerausfälle entstehen, weil Selbständige einen Teil ihres privaten Konsums als Betriebsausgaben absetzen können?

    (Beifall bei der SPD)

    Da sieht man die Proportionen dieser Diskussion. Das heißt nicht, daß alles das, was ich auf der einen Seite genannt habe, nun so fort gehen soll. Entscheidend ist, daß wir gemeinsam zu den richtigen Proportionen kommen. Dazu wollen wir beitragen.
    Schließlich waren wir die ersten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die es kaputtgemacht haben!)

    die öffentlich darauf hingewiesen haben, daß unser soziales Sicherungssystem Ungerechtigkeiten, ungerechtfertigte Doppelvergünstigung und Privilegierung enthält

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie haben die meisten Arbeitslosen!)

    und das es dringend einer umfassenden, wenn auch schrittweisen Gesamtreform bedarf.
    Die haushaltspolitischen Notwendigkeiten werden die Diskussion dieses Themas beschleunigen und einen heilsamen Zwang, zur Lösung zu kommen, ausüben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das sind die Konsequenzen Ihrer verkorksten Politik!)

    Dabei kann ich mir nicht vorstellen, daß es meine Partei bei einem phantasielosen Herumwerkeln und einem primitiven Kahlschlag belassen wird. Soziale Leistungen müssen überprüft werden, nicht um den sozialen Ausgleich einzuschränken und den Sozialstaat abzubauen, sondern um ihn insgesamt zu verbessern und gerechter auszugestalten.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Die Verantwortlichen sitzen dort!)

    Wenn die innere soziale Gerechtigkeit ausgebaut werden soll, dann gehört dazu, die Überversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die krasse Ungleicheit der Altersversorgung zwischen den Beamten und den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, die unvertretbar großzügige Subventionierung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik durch den Bundeshaushalt kritisch unter die Lupe zu nehmen. Aber all dies kann nur ein Thema im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sein, die am Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität orientiert ist. Diese Themen werden uns in Kürze beschäftigen.
    Es bleibt zu hoffen, daß die mutigen Sparer keine Angst vor der eigenen Courage bekommen, wenn es um Beamte, Landwirte und Unternehmerinteressen geht. Man darf gespannt sein, wie sich die Mißbrauchsbekämpfer, die Wildwuchsjäger verhalten werden. Bisher durfte man Heinrich Heine zitieren: „Ich kenn' die Weise, ich kenn' den Text, ich kenn' auch die Verfasser. Ich weiß, sie trinken heimlich Sekt und predigen öffentlich Wasser." Noch besteht die Chance, diesem Eindruck entgegenzuwirken. — Ich bedanke mich auch für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Franke [CDU/CSU]: Und das alles nach elf Jahren SPD/FDP-Politik! — Zuruf von der CDU/ CSU: Eine scharmante Rede! Leider war alles falsch!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, Herr Präsident, zunächst einmal einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Kollegen Höpfinger machen. Sie wissen, Herr Kollege Höpfinger, daß ich Sie als einen ungewöhnlich Redlichen und jemanden, der sich sehr bemüht, der Wahrheit gerecht zu werden, schätze und kenne.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ungewöhnlich ist das bei uns gar nicht!)

    Aber, Herr Kollege Höpfinger, Sie haben hier wie auch viele Ihrer Vorredner versucht, den Eindruck zu erwecken, als wenn sich die sozialliberale Koalition aus der nun einmal zugegebenermaßen nicht erfreulichen, sondern schwierigen Situation herauszuargumentieren versucht, indem sie auf internationale Vergleiche hinweist. Sie stehen da nicht allein, sondern wir hören das immer wieder. Ich meine, gerade Sie, da Sie sich um Redlichkeit bemühen, sollten feststellen, daß wir die deutsche Wirtschaft und die sich aus der wirtschaftlichen Situation ergebenden Schwierigkeiten nicht losgelöst von internationalen Zusammenhängen und Märkten betrachten und sehen dürfen.
    Ein Land, das seinen Wohlstand im wesentlichen der Tatsache verdankt, daß es annähernd 27 % all dessen, was es erwirtschaftet, auf ausländischen Märkten abzusetzen hat, ein Land ohne Rohstoffe, wenn Sie so wollen, ein armes Land, in dem gut verdient wird, kann sich aus diesen internationalen Zusammenhängen und damit auch internationalen Vergleichen nicht einfach herauslösen. Die Redlichkeit gebietet es, daß auch diese Maßstäbe angelegt werden.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie haben sich zu früh und zu hoch verschuldet!)

    Das bedeutet nicht, daß wir, die sozialliberale Koalition, nicht auch einen Teil der Verantwortung für die
    Situation zu übernehmen hätten, und wir überneh-



    Cronenberg
    men sie auch. Das bedeutet auch nicht, daß wir nicht selbstkritisch eigene Positionen zu überprüfen haben. Aber, Herr Kollege Höpfinger, wenn Sie den Haushalt hauptsächlich, mindestens, was die Zeit anbelangt, ablehnen, weil Ihnen der Geist eines Kalenders nicht paßt, dann eröffnet das keine Möglichkeit, die Sache wirksam anzufassen. Bei aller möglicherweise gerechtfertigten Kritik an einem Kalender, den ich nicht kenne, sollten Sie das jedoch nicht zum Hauptanlaß nehmen, den Etat abzulehnen.

    (Beifall bei der FDP)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Feststellungen treffen. Wir erleben in dieser Haushaltsdebatte eine außerordentlich kontroverse Auseinandersetzung. Wenn man sich jedoch die Diskussionsbeiträge ganz genau anhört, kommt man recht betrachtet zu dem Ergebnis, daß zumindest im analytischen Teil sehr viel Gemeinsamkeit besteht. Ich kann beim besten Willen keine sehr großen Unterschiede zwischen der CDU/CSU, der SPD und meiner Fraktion feststellen, was die Analyse unserer Situation anbelangt.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das ist eindeutig!)

    — Das ist eindeutig. — Der eine beklagt ein wenig mehr, der andere klagt ein wenig weniger, und alle zusammen sind sich völlig einig, daß die Ausgaben zu hoch seien und weitere Mehrschulden möglichst nicht gemacht werden sollten.

    (Dr. George [CDU/CSU]: Wer ist denn der Verursacher?)

    Das nimmt der eine oder andere auch zur Veranlassung, ein wenig mehr anzuklagen.
    Bei soviel Einsicht und bei so vielen, wie mir scheint, vernünftigen Appellen von allen Seiten des Hauses an alle Seiten sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Haushalt 1981 fast Mitte des Jahres verabschiedet wird und Änderungen in diesem Haushalt natürlich nicht das Ergebnis dieser Debatte sein können — denn wer etwas ändern will, muß Gesetze, muß, in diesem Zusammenhang, wohl auch Leistungsgesetze ändern —; können Kürzungen redlicherweise nur für den Etat 1982, sicher nicht für den Etat 1981 verlangt werden.
    Ich begrüße es außerordentlich, daß eigentlich von allen Rednern, egal, ob von denjenigen, die in dem allgemeinen Teil der Debatte, oder von denjenigen, die zur Wirtschaftspolitik gesprochen haben, der Zusammenhang zwischen der Misere des Bundeshaushaltes und den Schwierigkeiten in den Sozialversicherungshaushalten deutlich aufgezeigt worden ist. Unbestritten ist ja wohl, auch daß man die Finanzen des Bundeshaushaltes nicht insoliert betrachten kann, und unbestritten ist, daß die Abflüsse, die in die Sozialversicherungshaushalte gehen, den Bundeshaushalt ungewöhnlich belasten. Die roten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit — über 8 Milliarden DM —, die ja nun oft genug beklagt worden sind, sind j a Beweis für diesen Zuschußbedarf. Wir alle wissen, daß der Bund voll haftender Bürger für dieses Unternehmen ist. Die Defizithaftung für die Knappschaft im Jahre 1981 mit 9 Milliarden DM sind ebenso zu erwähnen wie die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung von 20 Milliarden DM und die 4 Milliarden DM, die die agrarsoziale Sicherung aus der Bundeskasse abruft.
    Diese Beispiele zeigen eben, wie stark der Haushalt allein durch den Bereich der sozialen Sicherheit belastet wird. Er wird mit Risiken belastet, die zum Teil kalkulierbar, zum Teil aber auch unkalkulierbar sind.
    Bei allem Respekt vor Ihren seherischen Fähigkeiten, Herr Kollege Friedmann: Das ist so nicht voraussehbar und kalkulierbar. Der Haushalt ist eben mit gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Risiken belastet.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Ehrenberg hat es doch gewußt!)

    Zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte zahlen die Bürger Steuern, und für die Sozialversicherungshaushalte zahlen sie Beiträge.
    In diesem Zusammenhang muß man wissen, daß die Sozialabgabenquote gestiegen ist, und zwar in einem Umfang, der für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ein ernstes Problem ist. Das muß man ansprechen. Ich muß den Kollegen Egert in diesem Zusammenhang auch noch einmal darauf aufmerksam machen, das bei allem Verständnis für den Ruf nach Solidarität derjenigen, die in Not geraten sind — das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich unterstreichen —, diese Solidarität nicht mit der Verschlechterung unserer Wettbewerbsfähigkeit erkauft werden darf; denn entscheidend ist, daß wir mehr Arbeitsplätze schaffen, Herr Kollege Egert. Deswegen ist es unendlich wichtig, dafür zu sorgen, daß mehr Arbeitslose Arbeit bekommen und damit weniger Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird. Das ist aber nur dadurch zu erreichen, daß unsere Wirtschaft in die Lage versetzt wird, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten zu erhalten bzw. zu verstärken und vorhandene Mißbräuche abzubauen.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    Meine Damen und Herren, es ist ganz deutlich zu machen, daß sich die Sozialabgabenquote von 1965 bis 1980 von ungefähr 10 % auf ca. 15 % erhöht hat. Es ist auch nicht zu leugnen, daß sich die Sozialleistungsquote unseres Bruttosozialprodukts von 1960 bis 1980 von 20 % auf 30 % entwickelt hat.
    Wenn man untersucht, wieso dies so ist, dann muß man dabei sehr wohl beachten, daß ein Teil darauf zurückzuführen ist, daß es zwischen den Volksparteien einen ungeheuren Wettlauf gegeben hat, kostentreibende Aktionen im Sinne sozialer Leistungen zu versprechen und auch durchzusetzen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Und darauf, daß die Wirtschaftspolitik schlecht war!)

    Wenn man hier von Verantwortungszuweisung spricht, darf insbesondere die Mitte des Hauses, Herr Kollege Blüm, nicht ausgenommen werden.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sind Sie eine Volkspartei?)




    Cronenberg
    — Aber selbstverständlich bemühen wir uns darum, Volkspartei zu sein. Das ist überhaupt nicht bestritten, Herr Kollege Friedmann.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Volksparteilein!)

    Ich habe auch nicht die Absicht, mich hier mit einigen Polemiken aus der Verantwortung zu mogeln.
    Ich möchte nur auf folgendes hinweisen: Entscheidend ist, daß hier nicht der Eindruck erweckt werden kann, die sozialliberale Koalition habe sozusagen alleinverantwortlich diesen nunmehr offensichtlich von allen beklagten Zustand herbeigeführt. Ich muß Sie vielmehr darauf hinweisen, daß es eben die Glanzleistungen gemeinsamer Aktionen insbesondere in der Zeit der Großen Koalition gewesen sind, die uns heute Kummer machen. Man muß darauf hinweisen, daß die uneingeschränkte Bruttorente das Ergebnis solcher gemeinsamer Aktionen war; eine uneingeschränkte Bruttorente, die ohne Rücksicht auf Bevölkerungsaufbau, ohne Rücksicht auf Wirtschaftswachstum, ohne Rücksicht auf die Steuerentwicklung und ohne Rücksicht auf die Sozialabgabenentwicklung zugesagt wurde. Die Bruttoanpasssungsfetischisten sitzen ja heute noch in der Mitte des Hauses und nicht bei den Koalitionsfraktionen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Was heißt hier „Fetischismus"?)

    Deswegen ist es im Grunde genommen unerträglich, wenn wir in diesem Zusammenhang allein in die Haftung genommen werden. Wir sind bereit, unser Stück Verantwortung zu tragen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Was heißt „Bruttoanpassungsfetischismus? — Franke [CDU/ CSU]: Ihr habt die Grundlagen zerstört!)

    — Wir müssen auf diesem Hintergrund, Herr Kollege Franke, die Feststellung treffen: Wenn hier von Sünden die Rede ist, dann haben wir diese Sünden alle gemeinsam verursacht. Wir sollten uns redlich bemühen, diese Sünden auch gemeinsam auszubügeln.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Die Sozialisierung der Sünden!)

    Die Summe der Soziallasten, die neben dem hohen Lohnniveau für die Probleme in bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft verantwortlich sind, ist Veranlassung für uns, die strukturellen Haushaltsprobleme — und zwar, wie gesagt, nicht nur im Bundeshaushalt, sondern auch in den Sozialversicherungshaushalten — zu lösen.