Rede:
ID0904201000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Egert,: 1
    4. gestatten: 1
    5. Sie: 1
    6. eine: 1
    7. Zwischenfrage?\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2440 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/481 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2363 B Grobecker SPD 2367 D Dr. Zumpfort FDP 2370 A Höpfinger CDU/CSU 2371 B Egert SPD 2374 A Cronenberg FDP 2377 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2380 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/485 — Dr. Rose CDU/CSU 2384 A Dr. Soell SPD 2390 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2392 C Burger CDU/CSU 2394 C Jaunich SPD 2397 A Eimer (Fürth) FDP 2399 D Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 2402 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2403 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/491 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2406 D Dr. Dübber SPD 2408 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2409 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 2412 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/476 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/496 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2415A Kühbacher SPD 2417 D Dr. Hirsch FDP 2421 A Dr. Hackel CDU/CSU 2423 C Dr. Nöbel SPD 2425 D Baum, Bundesminister BMI 2427 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/492 — Frau Benedix-Engler CDU/CSU 2433 A Westphal SPD 2435 A Frau von Braun-Stützer FDP 2437 A Engholm, Bundesminister BMBW 2439 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/477 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2441 A Schmidt (München) SPD 2443 B Engelhard FDP 2445 C Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . 2447 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/486 — 2448 D Haushaltsgesetz 1981 — Drucksachen 9/498, 9/514 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 2449 A Walther SPD 2449 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Wartezeitgesetz) — Drucksache 9/409 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/517 — Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 2450 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG — Drucksache 9/428 — 2451 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Baustatistikgesetzes — Drucksache 9/436 — 2451 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1982) — Drucksache 9/451 — 2451 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Walther, Löffler, Grobecker, Gärtner und Genossen und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — — Drucksache 9/529 — 2451 B Beratung der Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/422 — 2451 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), insbesondere die touristische Beistandsleistung betreffend — Drucksachen 9/158 Nr. 17, 9/335 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betr. die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) hinsichtlich der Kreditversicherung — Drucksachen 9/108 Nr. 57, 9/501 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren — Drucksachen 7/5082, 9/108 Nr. 54, 9/439 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 III Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 234/68 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels — Drucksachen 9/252 Nr. 27, 9/431 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Abkommens der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Form eines Briefwechsels über ihre Fischereibeziehungen Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Fischereiabkommens zwischen der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — Drucksachen 9/108 Nr. 19, 9/158 Nr. 13, 9/509 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Einführung eines Marktbeobachtungssystems im Binnenverkehr Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Marktbeobachtungssystem im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsgüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/108 Nr. 33, 9/432 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Maßnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 zwecks Ergänzung der Beihilferegelung im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr durch die Aufnahme von Bestimmungen über den kombinierten Verkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 21, 9/433 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Einführung eines Informations- und Beratungsverfahrens betreffend die Beziehungen und Abkommen mit Drittländern im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 18, 9/434 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung einer Beihilfe des Europäischen Sozialfonds zur Sicherung des Einkommens der Arbeitnehmer im Schiffbau — Drucksachen 9/260, 9/512 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2452 D Nächste Sitzung 2453 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2454* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 2363 42. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 6. Dr. Apel 4. 6. Dr. Geßner ** 4. 6. Kittelmann ** 4, 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Lenzer * 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5. 6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Pieroth 4. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Witek 4. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese freundliche Begrüßung von der Opposition, die nicht dadurch origineller wird, daß sie sich wiederholt, macht mich gleich munter. Ich möchte gern mit dem Kollegen Höpfinger über ein paar Bemerkungen , die er gemacht hat, streiten. Ich will seinen historischen Ausflug nicht in jeder Reminiszens nachvollziehen, obwohl es reizvoll wäre, darauf hinzuweisen, warum Sozialdemokraten am Ausgang des vorigen Jahrhunderts nicht im Reichstag ihren Beitrag leisten konnten. Sie saßen im Gefängnis, und waren von der politischen Mitwirkung abgeschnitten. Es wäre reizvoll, hier auch dies einmal in aller Breite bei der Aufrechnung von historischen Verdiensten zu diskutieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben in dieser Woche schon den insgesamt untauglichen Versuch erlebt, wirklich über den Etat 1981 zu reden, und auch dies heute ist mehr eine — würde ich mal sagen — Vorberatung für die anstehenden Etatberatungen 1982.
    Ein paar Bemerkungen zu dem also, was hier der Kollege Höpfinger so anklagend in Richtung der Koalitionsfraktionen und da an die Mauer der Regierung gesagt hat. Er hat gefragt, wie es zu dieser Mißbrauchsdiskussion kommen könne, was unter dem Gesichtspunkt Wildwuchs passieren werde.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Man kommt j a nicht mit!)

    Ich habe hier am Anfang dieser Woche Ihrem Eröffnungsredner, Herrn Riedl — das war die Premiere —, zugehört. Und ich würde sagen: Da fängt die Diskussion bei Ihnen doch wohl erst an. Da sind hier große Tiraden über Mitnehmereffekte gehalten worden. Da ist über die „sozialen Hängematte" geredet worden.

    (Franke [CDU/CSU]: Egert, bleib mal ruhig stehen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Trippel doch nicht so!)

    Da ist so ein Mann, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Bloß müßte man das dann in der eigenen Fraktion anfangen.
    Zwei oder drei Dinge können doch wohl nicht so ganz zusammenpassen — und das ist für mich interessant —: Die einen sagen — das hat hier unter anderem der Herr Kiep vertreten —: Nehmt den Staat raus.
    Der Herr Höpfinger sagt: Laßt die soziale Gerechtigkeit nicht ins Wanken geraten. — Dies beides ist schon schwer zu vereinbaren.
    Und wenn ich in Ihre Anträge zur dritten Lesung gucke, dann finde ich einen sehr konkreten Antrag zu den Fragen der Bundesanstalt für Arbeit. Da steht unter c) ein so merkwürdiges Gebilde wie:
    spätestens zusammen mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 1982 (ist) ein Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die vom Bundesrechnungshof angeregte Straffung der Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld durchgeführt wird.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das kann man doch wohl erwarten!)

    — Natürlich können Sie das.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam!)

    Aber was heißt denn das im Klartext aus Ihrer Sicht? Das hätte ich gerne in dieser Debatte gehört — wenn das zusammenpassen soll, was hier von unterschiedlichen Rednern gesagt worden ist.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Fragen Sie doch mal das Haus Ehrenberg! Sie sitzen doch dran!)

    Da ist die Opposition mit einer schlüssigen Antwort noch nicht da. Das werfe ich ihr nicht vor, weil wir tatsächlich in einer Situation sind, wo die unterschiedlichen Meinungen über die gegenwärtige Lage ausgetragen werden müssen.
    Ihre Sorge darüber, wie die Koalition mit dem Problem fertig werde, verstehe ich nicht so ganz. Ich nehme hier einmal ein Wort des Wirtschaftsministers auf, der gesagt hat, er sei ein Mann, der sage, wie er es sehe, aber er vertrage auch, daß andere sagen, wie sie es sehen. Auf diesem Hintergrund wird das eine sehr fruchtbare Diskussion.
    Ich leugne nicht, daß da eine ganze Menge zu diskutieren sein wird, auch angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der Koalition. Es ist doch kein nationales Unglück, wenn man im Hinblick auf die Lösung schwieriger weltwirtschaftlicher, finanzieller und sozialer Probleme erst einmal sagt, wie man das aus seiner Sicht sieht, und sich dann fähig zum Kompromiß zeigt. Dies ist doch überhaupt kein Unglück.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zu diesem Bundeshaushalt 1981 machen. Ich meine, wir haben hier ein Einverständnis darüber — obwohl das unterschiedlich zur Kenntnis genommen wird —, daß dieser Bundeshaushalt von den Auswirkungen der weltweiten krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung betroffen ist. Davon sind ausnahmslos alle Industrieländer erfaßt. Das Verschieben der Lösung der Probleme hilft nicht, aber zunächst einmal muß man es sich ins Bewußtsein bringen. Daß eben ausnahmslos alle Industrieländer davon erfaßt sind, sollte uns in der Diskussion der Probleme etwas weniger hysterisch machen. Es wäre



    Egert
    schon ein Gewinn, wenn wir uns über diesen Befund einvernehmlich verständigen könnten.

    (Franke [CDU/CSU]: Lieber Kollege Egert, bleib doch mal ruhig stehen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Wir können nicht folgen!)

    Dieser Tatbestand geht auch in die Gestaltung des Sozialhaushalts ein, und das ist eine Sache, die auch nicht weiter verwunderlich ist. Das findet sich dann in den Zahlen wieder, etwa im Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit. Das kann auch niemanden überraschen.
    Hier ist gesagt worden, der Arbeitsminister habe manipuliert. Nun bin ich kein Prophet und der Bundesarbeitsminister auch nicht. Die wirtschaftlichen Vorausschätzungen haben von Halbjahr zu Halbjahr nichts getaugt. Daß daraufhin Korrekturen notwendig sind, ist auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Mit Manipulation hat das wirklich nichts zu tun.
    Ernster ist für mich die Frage, wie wir gemeinsam dem Versuch widerstehen — ich halte ihn für einen unredlichen Versuch —, die Wirtschaftskrise in eine Krise des Sozialstaats umzudeuten. Nicht der Sozialstaat — und auch darin steckt eine feinsinnige Dialektik — hat die Wirtschaft strapaziert, sondern die Wirtschaft strapaziert auch den Sozialstaat.

    (Hauck [SPD]: Ganz erheblich!)

    Es ist nicht die Finanzierungslücke in den öffentlichen Haushalten, die die Rezession schafft, sondern die Rezession hat neue Finanzierungslücken geschaffen. Die sozialen Kosten, die diese Gesellschaft verursacht, sind gewachsen. Die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft als Voraussetzung, die finanziellen Mittel für den Ausgleich der Schäden bereitstellen zu können, ist gesunken.
    In den letzten Tagen ist hier viel von Krankheiten der Gesellschaft gesprochen worden. Man hat diese Krankheit — und ich nehme da noch den vornehmsten Begriff — mit dem Wort Sozialleistungsgesellschaft kennzeichnen wollen. Tatsächlich ist das aber doch wohl eine Krankheit, die auch mit dem zu tun hat, was man beschönigend Leistungsgesellschaft nennt. In dieser Leistungsgesellschaft werden offenbar allzu viele Leistungsfähige und Leistungswillige nicht gebraucht, weil die Selbstheilungskräfte des Marktes versagen, weil der Markt ohne aktive staatliche Politik die strukturellen Wandlungen der Weltwirtschaft nicht verkraftet. Nicht die Ansprüche der Menschen allein sind gewachsen, sondern das, was man gerne Markt nennt, wird seinen hohen Ansprüchen nicht immer gerecht. Seine begrenzte Leistungsfähigkeit, sinnbildlich verkörpert in den Arbeitslosen, führt dazu, daß Leistungsansprüche vor die Türen der Sozialpolitik gekehrt werden. Wir wehren uns dagegen, daß man die Opfer für die Schäden haftbar machen will, daß man der Sozialpolitik die ungelösten Probleme der Wirtschaftspolitik serviert und dann noch zusätzlich verlangt, daß sie die Schuld dafür übernimmt und die Folgelasten durch Kürzungen auf dem Buckel der Betroffenen beseitigt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Franke [CDU/CSU]: Jetzt gibt er es dem Lambsdorff!)

    Wir Sozialdemokraten wehren uns auch gegen den Versuch, den Sozialstaat gerade in dem Augenblick ins Gerede zu bringen, wo sich seine Notwendigkeit zwingender denn je erweist. Ist es nicht absurd, gerade in dem Augenblick von der Kürzung des Arbeitslosengeldes zu reden, wo die Arbeitslosenzahl von 1,2 Millionen

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ihr seid doch schon dabei, es zu tun!)

    deutlich dokumentiert, daß der Markt nicht über die Zauberkräfte verfügt, um uns Vollbeschäftigung und immerwährenden Wohlstand zu garantieren? Gibt es einen unpassenderen Augenblick für die Forderung, der Staat solle sich aus der Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung zurückziehen, als die heutige Situation, in der mehr als eine Million Menschen die Grenzen der Marktwirtschaft am eigenen Leibe verspüren?
    Herr Friedmann, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, daß Sie die Unvollkommenheit, die sich in dem Ergebnis ausdrückt, die Vollbeschäftigung sichern zu wollen, hier mit dem Verlesen des Flugblattes höhnen wollen. Ich habe für diese Geschmacklosigkeit kein Verständnis.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das war doch Ihr Flugblatt!)

    Wer jetzt den sozialstaatlichen Konsens aufkündigen will, der spielt tatsächlich mit dem Feuer, auch mit dem inneren sozialen Frieden. Gerade unter ökonomisch schwierigen Rahmenbedingungen muß sich der Sozialstaat, der eine verfassungsrechtliche Garantie hat, wehren.

    (Hauck [SPD]: Er hat nichts zu bieten, deshalb verliest er unser Flugblatt!)

    Es muß sich zeigen, daß in unserer Gesellschaft Rücksicht auf die Schwachen genommen wird und daß nicht das Ellbogenprinzip regiert.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Prinzip der Solidarität, das auch Christdemokraten und Freie Demokraten aus der geschichtlichen Tradition und der Programmatik der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie zu entlehnen versucht haben, hat seinen Ausdruck darin gefunden, daß wir in den letzten Jahrzehnten schrittweise die Lebens- und Einkommenbedingungen der sozial Schwachen im Verhältnis zu den Leistungsfähigeren und Privilegierten verbessert haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Egert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, ich möchte gerne meine Ausführungen im Zusammenhang machen.

    (Franke [CDU/CSU]: Dann darf ich Ihnen das Flugblatt zeigen! Das ist von der SPD!)

    — Das können Sie mir hinterher geben, Herr Kollege Franke.
    Wie kann man, ohne den Begriff der Solidarität aufzugeben, verlangen, daß jetzt, wo es in der Wirtschaft schwieriger wird, in erster Linie die sozial Schwachen Verschlechterungen hinzunehmen haben? Wie ist es zu vertreten, daß Solidarität jetzt heißen soll, daß nicht mehr die Stärkeren für die Schwächeren eintreten sollen, sondern die Schwächeren für die Stärkeren?
    Sozialpolitiker sind keine Phantasten. Wir wissen, daß Sozialpolitik in einen ökonomischen Rahmen eingebettet ist. Allerdings verstehen wir Sozialpolitik auch nicht als ein Abfallprodukt der Wirtschafts- und Finanzpolitik,

    (Zustimmung bei der SPD)

    für das in guten Zeiten viel, in schlechten Zeiten eben wenig oder gar nichts übrigbleibt. Das Verhältnis der Sozialpolitik zu ihren ökonomischen Rahmenbedingungen ist komplizierter. Die Ökonomie liefert uns nicht nur — je nach Kassenlage — die Finanzierung, sondern auch die Probleme, mit denen sich die Sozialpolitik auseinandersetzen muß. Deshalb müssen wir aus sozialpolitischer und vor allem aus sozialdemokratischer Sicht verlangen, daß die Probleme nach Möglichkeit auch dort gelöst werden, wo sie entstehen, d. h. im ökonomischen Bereich.
    Im Zusammenhang mit dem Einzelplan 11 heißt das: Wir können nicht zulassen, daß uns eine rein buchhalterisch konzipierte Rotstiftpolitik noch tiefer in die Wirtschaftskrise hineinführt und zusätzlich soziale und finanzielle Probleme erzeugt, im Vergleich mit denen die heutigen harmlos erscheinen.
    Wir haben bereits vor einem halben Jahr darauf hingewiesen, daß nach unserer Meinung ein unabweisbarer beschäftigungspolitischer Handlungsbedarf besteht. Die Bundesregierung hat mit dem 6,3Milliarden-Kreditprogramm, das über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird, einen richtigen Schritt getan. Diesem Schritt müssen weitere und energischere Maßnahmen zur Wiedergewinnung und Sicherung der Vollbeschäftigung folgen.

    (Zustimmung bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Woher nehmen Sie das Geld?)

    Die Sozialpolitiker sind auch nicht so uneinsichtig, daß sie die schwierige Haushaltssituation des Bundes verkennen würden. Zwar sind wir der Meinung, daß es durchaus in die Landschaft paßt, daß der Bund in diesem Jahr durch Übernahme des Defizits der Bundesanstalt für Arbeit die Konjunktur in erheblichem Umfange stützt; aber wir verschließen uns auch nicht der Einsicht, daß allein mit Hilfe des traditionellen Instruments der Staatsverschuldung die vorwiegend strukturell bedingten Wirtschaftsprobleme nicht zu lösen sind. Daß das deficit spending seine haushaltspolitischen Grenzen hat, daß es nur für eine begrenzte Zeit und nicht auf Dauer anwendbar ist und daß es in der speziellen außenwirtschaftlichen Konstellation, in der wir uns befinden, zahlreiche Hemmnisse — wie z. B. die Zahlungsbilanzprobleme und das astronomisch hohe internationale Zinsniveau — gibt,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie kriegen doch das Geld gar nicht mehr zusammen!)

    dies alles ändert nichts daran, daß gehandelt werden muß, daß sich der Staat nicht aus der Verantwortung zurückziehen darf, daß wir uns nicht in der Illusion wiegen dürfen, der Markt werden schon alles regeln.
    Eine Sparpolitik à la Brüning ist keine Lösung; sie würde nur eine weitere dramatische Verschlechterung der Lage mit sich bringen. Wir sollten einen 50 Jahre alten Irrtum nicht wiederholen.
    Einsparungen, soweit sie notwendig werden, müssen auch die sozial Stärkeren in die Pflicht nehmen; sie dürfen die bestehenden strukturellen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nicht einseitig zu Lasten der sozial Schwachen weiter verschärfen. Die Folgelasten der weltwirtschaftlichen Krise müssen solidarisch verteilt werden.
    Ich räume ein, daß es im System der sozialen Sicherung, das sich über Jahrzehnte hinweg mehr oder minder ohne planvolle Gesamtkonzeption historisch entwickelt hat — hier ist an Kaiser Wilhelm erinnert worden —, ganz zweifellos an vielen Stellen Mißbrauch und nicht mehr gerechtfertigte Vergünstigungen gibt. Es wäre aber eine törichte Verzeichnung des Bildes, wenn man Mißstände und Wildwuchs einzig und allein im sozialen Sicherungssystem ausmachen wollte. Diese Erscheinungen gibt es überall. Um das zu beweisen, genügen wenige Stichworte, die zugleich in eine viel größere finanzielle Dimension führen: Subventionen, Steuerhinterziehung, ungerechtfertigte steuerliche Privilegien oder — um auch dieses Stichwort zu nennen — die EG-Agrarpolitik.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schwarzarbeit!)

    Es gehört schon zu den Merkwürdigkeiten der Diskussion in der veröffentlichten Meinung, mit welch verzerrter Optik sich die Kritik allein auf den Bereich der Sozialleistungen konzentriert. Warum stößt sich denn unser Gerechtigkeitsgefühl zwar an einem Arbeitslosen, der nicht sofort den ersten besten Arbeitsplatz nimmt, der ihm schlechtere Arbeitsbedingungen, geringere Bezahlung und längere Fahrwege einbringt, aber nicht daran, daß es Unternehmern in dieser Gesellschaft möglich ist, Veräußerungsgewinne in Millionen- oder Milliardenhöhe völlig steuerfrei zu kassieren?

    (Beifall bei der SPD)

    Warum regt man sich über den Rentner auf, der nach Jahrzehnten arbeitsreichen und nicht gerade luxuriösen Lebens im Alter genausoviel Geld wie sein noch im Erwerbsleben stehender Kollege hat, statt sich z. B. über die Selbstbedienung der pharma-



    Egert
    zeutischen Industrie oder der Zahnärzte zu Lasten
    der gesetzlichen Krankenversicherung zu erregen?

    (Beifall bei der SPD)

    Warum empört man sich über den Saisonarbeiter, der in der Nebensaison Arbeitslosengeld bezieht, um später wieder zu seinem alten Arbeitgeber zurückzukehren, aber nicht wegen des Mißbrauchs des Kurzarbeitergeldes, der Lohnkostenzuschüsse und der Renten für 60jährige Arbeitslose durch die Unternehmer?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Warum sind die paar Mark unberechtigt bezogene Sozialhilfe Gegenstand der öffentlichen Diskussion und der Sensationspresse, und warum diskutiert niemand darüber, daß dem Fiskus riesenhafte Steuerausfälle entstehen, weil Selbständige einen Teil ihres privaten Konsums als Betriebsausgaben absetzen können?

    (Beifall bei der SPD)

    Da sieht man die Proportionen dieser Diskussion. Das heißt nicht, daß alles das, was ich auf der einen Seite genannt habe, nun so fort gehen soll. Entscheidend ist, daß wir gemeinsam zu den richtigen Proportionen kommen. Dazu wollen wir beitragen.
    Schließlich waren wir die ersten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die es kaputtgemacht haben!)

    die öffentlich darauf hingewiesen haben, daß unser soziales Sicherungssystem Ungerechtigkeiten, ungerechtfertigte Doppelvergünstigung und Privilegierung enthält

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie haben die meisten Arbeitslosen!)

    und das es dringend einer umfassenden, wenn auch schrittweisen Gesamtreform bedarf.
    Die haushaltspolitischen Notwendigkeiten werden die Diskussion dieses Themas beschleunigen und einen heilsamen Zwang, zur Lösung zu kommen, ausüben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das sind die Konsequenzen Ihrer verkorksten Politik!)

    Dabei kann ich mir nicht vorstellen, daß es meine Partei bei einem phantasielosen Herumwerkeln und einem primitiven Kahlschlag belassen wird. Soziale Leistungen müssen überprüft werden, nicht um den sozialen Ausgleich einzuschränken und den Sozialstaat abzubauen, sondern um ihn insgesamt zu verbessern und gerechter auszugestalten.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Die Verantwortlichen sitzen dort!)

    Wenn die innere soziale Gerechtigkeit ausgebaut werden soll, dann gehört dazu, die Überversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die krasse Ungleicheit der Altersversorgung zwischen den Beamten und den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, die unvertretbar großzügige Subventionierung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik durch den Bundeshaushalt kritisch unter die Lupe zu nehmen. Aber all dies kann nur ein Thema im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sein, die am Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität orientiert ist. Diese Themen werden uns in Kürze beschäftigen.
    Es bleibt zu hoffen, daß die mutigen Sparer keine Angst vor der eigenen Courage bekommen, wenn es um Beamte, Landwirte und Unternehmerinteressen geht. Man darf gespannt sein, wie sich die Mißbrauchsbekämpfer, die Wildwuchsjäger verhalten werden. Bisher durfte man Heinrich Heine zitieren: „Ich kenn' die Weise, ich kenn' den Text, ich kenn' auch die Verfasser. Ich weiß, sie trinken heimlich Sekt und predigen öffentlich Wasser." Noch besteht die Chance, diesem Eindruck entgegenzuwirken. — Ich bedanke mich auch für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Franke [CDU/CSU]: Und das alles nach elf Jahren SPD/FDP-Politik! — Zuruf von der CDU/ CSU: Eine scharmante Rede! Leider war alles falsch!)