Rede:
ID0904200800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Egert.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2440 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/481 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2363 B Grobecker SPD 2367 D Dr. Zumpfort FDP 2370 A Höpfinger CDU/CSU 2371 B Egert SPD 2374 A Cronenberg FDP 2377 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2380 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/485 — Dr. Rose CDU/CSU 2384 A Dr. Soell SPD 2390 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2392 C Burger CDU/CSU 2394 C Jaunich SPD 2397 A Eimer (Fürth) FDP 2399 D Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 2402 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2403 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/491 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2406 D Dr. Dübber SPD 2408 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2409 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 2412 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/476 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/496 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2415A Kühbacher SPD 2417 D Dr. Hirsch FDP 2421 A Dr. Hackel CDU/CSU 2423 C Dr. Nöbel SPD 2425 D Baum, Bundesminister BMI 2427 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/492 — Frau Benedix-Engler CDU/CSU 2433 A Westphal SPD 2435 A Frau von Braun-Stützer FDP 2437 A Engholm, Bundesminister BMBW 2439 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/477 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2441 A Schmidt (München) SPD 2443 B Engelhard FDP 2445 C Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . 2447 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/486 — 2448 D Haushaltsgesetz 1981 — Drucksachen 9/498, 9/514 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 2449 A Walther SPD 2449 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Wartezeitgesetz) — Drucksache 9/409 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/517 — Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 2450 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG — Drucksache 9/428 — 2451 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Baustatistikgesetzes — Drucksache 9/436 — 2451 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1982) — Drucksache 9/451 — 2451 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Walther, Löffler, Grobecker, Gärtner und Genossen und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — — Drucksache 9/529 — 2451 B Beratung der Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/422 — 2451 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), insbesondere die touristische Beistandsleistung betreffend — Drucksachen 9/158 Nr. 17, 9/335 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betr. die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) hinsichtlich der Kreditversicherung — Drucksachen 9/108 Nr. 57, 9/501 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren — Drucksachen 7/5082, 9/108 Nr. 54, 9/439 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 III Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 234/68 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels — Drucksachen 9/252 Nr. 27, 9/431 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Abkommens der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Form eines Briefwechsels über ihre Fischereibeziehungen Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Fischereiabkommens zwischen der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — Drucksachen 9/108 Nr. 19, 9/158 Nr. 13, 9/509 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Einführung eines Marktbeobachtungssystems im Binnenverkehr Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Marktbeobachtungssystem im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsgüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/108 Nr. 33, 9/432 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Maßnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 zwecks Ergänzung der Beihilferegelung im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr durch die Aufnahme von Bestimmungen über den kombinierten Verkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 21, 9/433 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Einführung eines Informations- und Beratungsverfahrens betreffend die Beziehungen und Abkommen mit Drittländern im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 18, 9/434 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung einer Beihilfe des Europäischen Sozialfonds zur Sicherung des Einkommens der Arbeitnehmer im Schiffbau — Drucksachen 9/260, 9/512 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2452 D Nächste Sitzung 2453 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2454* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 2363 42. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 6. Dr. Apel 4. 6. Dr. Geßner ** 4. 6. Kittelmann ** 4, 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Lenzer * 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5. 6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Pieroth 4. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Witek 4. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Stefan Höpfinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Debatte dieses Haushalts darf ich noch einige Gedanken und kritische Anmerkungen beitragen.
    In der Sozialpolitik klaffen bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, Anspruch und Wirklichkeit sehr weit auseinander. Die SPD hat, als sie 1969 antrat, den Eindruck erweckt, erst jetzt werde das soziale Zeitalter beginnen. Und was ist nun, 12 Jahre danach? Die Rücklagen der Sozialversicherungsträger sind verbraucht. Ebbe in allen Kassen. Die finanziellen Belastungen haben zugenommen. Die Grenze der Belastbarkeit bei Steuern und Sozialabgaben ist erreicht. Das Fundament unserer sozialen Sicherheit ist durch jahrelange Millionenarbeitslosigkeit erschüttert.
    Vor einem Jahr haben Sie in Essen verkündet, Vollbeschäftigung bleibe das Ziel Nummer eins. Zu unser aller Schaden sind wir heute von diesem Ziel weiter entfernt als noch vor einem Jahr.
    Und dann geben Sie den Hinweis: Seht ihr denn die Weltprobleme nicht? Doch, wir sehen sie. Wir sehen auch, daß es in den Industriestaaten insgesamt 25 Millionen Arbeitslose und innerhalb der Europäischen Gemeinschaft 7,5 Millionen Arbeitslose gibt. Wir sehen aber auch, daß es bei uns sieben Jahre lang eine Zahl von Arbeitslosen um die Millionengrenze gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was wir nicht zulassen dürfen, ist, daß Sie sich mit dem Hinweis auf die Weltsituation aus Ihrer Verantwortung stehlen. Sie sind für die Politik der Bundesrepublik Deutschland mit verantwortlich. Und deshalb sind Sie hier zu fassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dabei war die Ausgangslage für die SPD/FDPKoalition 1969 ausgesprochen günstig. Die CDU/ CSU hatte doch das soziale Netz, ein wirklich solides soziales Netz geschafffen: bruttolohnbezogene dynamische Rente, Mutterschutz, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung, Sozialhilfe, Arbeitsförderungsgesetz — ein Werk noch aus der großen Koalition —; die Kassen waren voll, Wirtschaft und Preise waren stabil. Man hat doch nicht grundlos von einem „Juliusturm" und einem „Sabelturm" gesprochen.
    Und wie sieht es denn heute aus? Das Erbe ist vertan: Die Reform-Euphorie ist abgeklungen. Größer geworden sind in der Bevölkerung die Zweifel an der Stabilität des sozialen Netzes.
    Und die Zweifel in der Bevölkerung müssen wachsen, da in den vergangenen Tagen und Wochen aus dem Regierungslager sehr widersprüchliche Stellungnahmen gekommen sind. Der Herr Finanzminister und der Herr Wirtschaftsminister sprechen von „Wildwuchs", der gekappt werden muß. Der Herr Bundesarbeitsminister verkündet am Bildschirm: Einschnitte in das soziale Netz wird es nicht geben.
    Sind diese Einschnitte nicht schon erfolgt? Die verkürzten Rentenanpassungen der letzten drei Jahre, die Einengung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, die Verteuerung des Arbeitsweges für Pendler, die auf das Kraftfahrzeug angewiesen sind. Glaubt man denn, die Bevölkerung merkt das nicht und spürt das nicht?
    Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, Sie müssen es doch am allerersten gemerkt haben. Der SPD-Ortsverband Grafenhausen, Kreis Waldshut, hat seine Beitragszahlungen an die Partei mit der Feststellung eingestellt: „Die Bundesregierung hat seit ihrer Wiederwahl 1980 überwiegend Maßnahmen beschlossen, die gerade sozial schwächere Bevölkerungskreise belasten." Was wird sich da in Ihren Reihen erst vollziehen, wenn diese Re-



    Höpfinger
    gierung im Spätherbst dieses Jahres die Karten offenlegen muß!
    Und der Regierungssprecher, Herr Rühl, sagte am 20. Mai, das Kabinett habe den Bestrebungen politischen Vorrang gegeben, die sozialen Ausgaben auf den eigentlichen Zweck zu beschneiden. Damit gesteht die Regierung doch ein, daß sie bisher öffentliche Gelder zwecklos ausgegeben hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Das allein wäre schon ein Grund, sie unverzüglich zu entlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Doch der Regierungssprecher bekommt den Zorn der Genossen zu spüren. Der Herr Kollege Lutz erklärt, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung sei nur noch zum Heulen: der Regierungssprecher Rühl verkünde „Gewäsch, bei dem einem normalen Bundesbürger der Kaffee hochkommen" müsse.
    Frage: Wer hat denn nun eigentlich recht: der SPD-Sozialpolitiker Egon Lutz oder der Regierungssprecher der SPD/FDP-Bundesregierung? Ich hoffe, daß der Herr Bundeskanzler seinen Regierungssprecher in Schutz genommen hat. Denn was soll der arme Mann verkünden, wenn die Politik dieser Regierung so und kein Jota besser ist?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU])

    Worum es geht, Herr Bundesminister? Es geht nicht an, daß Sie vorneweg marschieren und lauthals die Parole des unantastbaren sozialen Netzes verkünden und hinter Ihnen Ihre Kabinettskollegen schon an der Arbeit sind, jeden Tag neuen „Wildwuchs" entdecken und Pläne schmieden, wie die Maschen des sozialen Netzes aufgelöst oder enger gezogen werden können. Um die Wahrhaftigkeit geht es.
    Mitunter wird das Ansteigen des Sozialetats als besondere Leistung herausgestellt. Es stimmt, daß der Haushalt des Bundesministers für Arbeit kräftig gestiegen ist. Doch dies ist noch kein Beweis dafür, daß die soziale Ordnung besser, gerechter oder leistungsfähiger geworden wäre.
    Im Gegenteil: Die Ausgaben zur Finanzierung sozialer Schäden haben diesen Haushalt vom Dezember 1980 bis zum Juni 1981 anwachsen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mehr als ein Fünftel dieses Haushalts, nämlich 101/2 Milliarden DM, ist notwendig allein als Zuschuß an die Bundesanstalt und für die Arbeitslosenhilfe.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Jawohl! — Franke [CDU/CSU]: Und das reicht noch nicht!)

    Das ist die Tatsache. Es gibt also keine zusätzlichen oder besseren sozialen Leistungen. Die Tatsache, daß seit 1975 mehr als 50 Milliarden DM für Arbeitslosengeld und weitere 12 Milliarden DM für Arbeitslosenhilfe ausgegeben werden mußten, kennzeichnet nicht die Größe sozialer Taten, sondern die Folgewirkungen einer verfehlten Wirtschafts- und vor allem Energiepolitik.
    Auf Grund dieser Daten richtet sich die Kritik sehr häufig an die Bundesanstalt für Arbeit. — Wo Kritik angebracht werden muß, da ist sie auch vorzubringen. — Doch vor einem müssen wir uns hüten: Wir dürfen den Blick nicht verengen und die Kritik nicht nur an einen Adressaten richten. Die Wirtschaftsdaten sagen doch alles aus: reales Wachstum: minus 1,5 %; reale Investitionen: minus 4 %; Zahlungsbilanz: minus 30 Milliarden DM; Gewinne: 0,5%. Und nach den Tagesnachrichten des Wirtschaftsministeriums vom 2. Juni sieht die Situation nicht wesentlich günstiger aus. Ich frage mich daher, woher der Finanzminister den Mut genommen hat, eine Rede zu halten, die den Eindruck erweckt hat, als sei in unserem Lande alles in Ordnung, und dann noch Vergleiche anstellt, die gar nicht stimmen. — August Bebel soll einmal gesagt haben: „Wo es keine Gewinne gibt, rauchen keine Schlote." Für unsere Zeit heißt das: Wo nicht genügend investiert werden kann, gibt es keine Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dabei besteht die sozialste Tat einer Regierung darin, eine Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zu gestalten, die es jedem, der arbeiten kann und arbeiten will, ermöglicht, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Denn vom Erfolg eigener Arbeit seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können, macht den Menschen unabhängiger und freier.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es gehört zur traurigen Bilanz dieser Regierung, daß die Arbeitslosigkeit zum Dauerproblem geworden ist. Hier denke ich besonders an unsere junge Generation, vor allem an die Zunahme der Arbeitslosigkeit unter den Zwanzig- bis Fünfundzwanzigjährigen. Der Schritt der Jugendlichen ins Leben darf kein Schritt ins Leere werden. Und was die Behinderten angeht: Wenn das Jahr der Behinderten einen Sinn hat, dann den, daß wir angestoßen werden, die Probleme dieser Menschen zu sehen, gerade auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es hat sich eine verallgemeinernde Drückeberger- und Mißbrauchsdiskussion eingeschlichen. Es wird versucht, den Arbeitslosen auch noch die Schuld zuzuweisen. Gegen eine solche Verallgemeinerung wehren wir uns und tun dies für diejenigen, die sich selber nicht wehren können. Wer hätte angesichts des Umstandes, daß die Arbeitslosenquote im April 1981 in Passau 9,5 %, in Kempten aber nur 3,1 % beträgt, die Dreistigkeit, zu behaupten, daß die Bevölkerung in Passau weniger arbeitswillig ist als die in Kempten? In einigen Städten des Ruhrgebiets liegt die Arbeitslosenquote viermal so hoch wie in Arbeitsamtsbezirken in Baden-Württemberg. Will jemand ernsthaft behaupten, die Ursache dafür sei, daß die Arbeitnehmer im Ruhrgebiet arbeitsunwilliger sind als die Kollegen im Schwabenland? Allein diese Gegenüberstellungen zeigen, daß man dem Problem und dem betroffenen Personenkreis mit



    Höpfinger
    Verunglimpfungen und Negativurteilen nicht gerecht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dem Problem wird man mehr gerecht, wenn man bereit ist, die regionalen Schwierigkeiten zu sehen und entsprechend zu werten und zu berücksichtigen, sowie ferner dadurch, daß man die Situation der Personengruppen, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffen sind, sack- und personengerecht beurteilt und in eine aktive Arbeitsmarktpolitik einbezieht.
    In diesem Zusammenhang darf ich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ansprechen. Positiv ist hervorzuheben, daß auf Grund der Gesamtzahl der durchgeführten Maßnahmen etwa 20 % Dauerarbeitsplätze geschaffen worden sind. Daß es mißbräuchliche Inanspruchnahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gibt, sei nicht verschwiegen; dies muß zu einer schärferen Handhabung führen. In diesem Zusammenhang ist an den Bundesarbeitsminister die Frage zu richten: Wie steht es mit der Anwendung der Durchführungsanordnung?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wann haben Sie diese das letzte Mal angewandt? Wann haben Sie in dieser Sache nachgefragt? Übertriebene Kritik an den Kommunen zu üben, halte ich für fehl am Platze. Denn viele Städte und Gemeinden haben sich zu vorgezogenen, nicht unbedingt notwendigen Investitionen entschlossen, um den Arbeitsämtern entgegenzukommen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu ermöglichen.
    Die Fragen der Rentenversicherung sind bereits angesprochen worden. Ich möchte noch einmal sagen: Diese Verschiebung der 3,5 Milliarden DM war einfach ein Skandal und muß wirklich zur Besorgnis Anlaß geben.
    Herr Bundesminister, es war auch kein schöner Beitrag zum 100jährigen Bestehen der deutschen Sozialversicherung. Vor 100 Jahren, am 17. November 1881, hat Bismarck im Reichstag die kaiserliche Botschaft verkündet, mit der die Sozialgesetzgebung eingeleitet wurde. Aus diesem Anlaß hat das Bundesarbeitsministerium einen Erinnerungskalender herausgegeben, der in seiner Einseitigkeit und Parteilichkeit einen Hohn auf die Sozialgeschichte in Deutschland darstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man kann dem bayerischen Kultusminister Dr. Hans Maier nur Dank dafür sagen, daß er sein Ministerium angewiesen hat, diesen Kalender in Bayerns Schulzimmern nicht anbringen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dreßler [SPD]: Das ist unglaublich!)

    Wenn der Herr Kollege Sieler in einem Brief an das bayerische Kultusministerium schreibt, schließlich könne es nicht der Geschichte angelastet werden, daß sich gerade die Sozialdemokraten der Nöte der Arbeiter angenommen hätten, dann muß man hervorheben, daß in dieser Behauptung eine Geschichtsverdrehung liegt. Niemand bestreitet die Verdienste Ihrer Partei. Es wäre ebenfalls eine Unterlassung, z. B. das Erfurter Programm der Sozialisten zu verschweigen, das — wie das Rundschreiben „Rerum novarum" von Papst Leo XIII. über die Arbeiterfrage — vor 90 Jahren verkündet wurde.
    Wir wehren uns aber dagegen, daß in einer vom Steuerzahler finanzierten schriftlichen Darstellung aus dem Hause des Bundesarbeitsministeriums der Beitrag der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik sowie die Sozialarbeit der Zentrumsabgeordneten im Deutschen Reichstag und die soziale Aufbauarbeit unter Konrad Adenauer totgeschwiegen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das nennen die Toleranz!)

    Drei kurze Beispiele. Es waren die Abgeordneten der Zentrumspartei, die 1877 im Reichstag — damit war die Zentrumspartei die erste von allen Parteien — den Antrag auf Erlaß von Arbeiterschutzgesetzen eingebracht haben.
    Im Jahre 1890 hatte Kaiser Wilhelm II. zu einer Weltarbeiterschutzkonferenz nach Berlin eingeladen. Der Kaiser bat den Zentrumsabgeordneten Franz Hitze um maßgebliche Mitarbeit und fügte in seinem Schreiben an Franz Hitze hinzu: „Wenn Sie es nicht tun, ein anderer kann es nicht."

    (Zuruf von der SPD: Was hat das mit dem Haushalt zu tun?)

    Das sollten sich die Sozialdemokraten einmal ins Stammbuch schreiben.
    Ein drittes Beispiel. Ende 1977 fand eine Jubiläumsfeier zum 50jährigen Bestehen der Arbeitslosenversicherung und damit der Gründung des Vorgängers der heutigen Bundesanstalt für Arbeit statt. Damals erinnerte man sich wenigstens noch kurz an den Priester und Zentrumsabgeordneten Heinrich Brauns, in dessen Amtszeit als Reichsarbeitsminister von 1920 bis 1928 Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Sozialversicherung wesentlich weiterentwickelt und ausgebaut wurden.
    Im Jubiläumskalender 1981 aus dem Hause Ehrenbergs, der mit Steuermitteln finanziert ist, findet sich kein Wort darüber.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Das spricht Bände!)

    Wenn es sich nur um einen Jahreskalender handelte, brauchte man sich darüber nicht aufzuregen. Ein solcher Kalender vergeht mit Zeitablauf. Doch dieser Kalender spiegelt den Geist und die politische Ausrichtung Ihres Hauses wider.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Aufrichtigkeit gegenüber der Geschichte gehören zur Glaubwürdigkeit.
    Herr Bundesminister, Sie haben Gerechtigkeit gegenüber jedermann geschworen. Sorgen Sie dafür, daß man in Ihrem Hause der Geschichte der sozialen Entwicklung in unserem Lande Gerechtigkeit widerfahren läßt. Die geplante Festveranstaltung „100 Jahre Sozialversicherung" gibt Ihnen die Möglichkeit dazu.



    Höpfinger
    Wenn schon ein Kalender aus Ihrem Hause in seiner geistigen Ausrichtung abzulehnen ist, um wieviel mehr ist dann erst die geistige Ausrichtung dieser Politik und damit auch der Haushalt Ihres Ministeriums abzulehnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oje! — Der Exsenator! — Franke [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Minenhund!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese freundliche Begrüßung von der Opposition, die nicht dadurch origineller wird, daß sie sich wiederholt, macht mich gleich munter. Ich möchte gern mit dem Kollegen Höpfinger über ein paar Bemerkungen , die er gemacht hat, streiten. Ich will seinen historischen Ausflug nicht in jeder Reminiszens nachvollziehen, obwohl es reizvoll wäre, darauf hinzuweisen, warum Sozialdemokraten am Ausgang des vorigen Jahrhunderts nicht im Reichstag ihren Beitrag leisten konnten. Sie saßen im Gefängnis, und waren von der politischen Mitwirkung abgeschnitten. Es wäre reizvoll, hier auch dies einmal in aller Breite bei der Aufrechnung von historischen Verdiensten zu diskutieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben in dieser Woche schon den insgesamt untauglichen Versuch erlebt, wirklich über den Etat 1981 zu reden, und auch dies heute ist mehr eine — würde ich mal sagen — Vorberatung für die anstehenden Etatberatungen 1982.
    Ein paar Bemerkungen zu dem also, was hier der Kollege Höpfinger so anklagend in Richtung der Koalitionsfraktionen und da an die Mauer der Regierung gesagt hat. Er hat gefragt, wie es zu dieser Mißbrauchsdiskussion kommen könne, was unter dem Gesichtspunkt Wildwuchs passieren werde.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Man kommt j a nicht mit!)

    Ich habe hier am Anfang dieser Woche Ihrem Eröffnungsredner, Herrn Riedl — das war die Premiere —, zugehört. Und ich würde sagen: Da fängt die Diskussion bei Ihnen doch wohl erst an. Da sind hier große Tiraden über Mitnehmereffekte gehalten worden. Da ist über die „sozialen Hängematte" geredet worden.

    (Franke [CDU/CSU]: Egert, bleib mal ruhig stehen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Trippel doch nicht so!)

    Da ist so ein Mann, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Bloß müßte man das dann in der eigenen Fraktion anfangen.
    Zwei oder drei Dinge können doch wohl nicht so ganz zusammenpassen — und das ist für mich interessant —: Die einen sagen — das hat hier unter anderem der Herr Kiep vertreten —: Nehmt den Staat raus.
    Der Herr Höpfinger sagt: Laßt die soziale Gerechtigkeit nicht ins Wanken geraten. — Dies beides ist schon schwer zu vereinbaren.
    Und wenn ich in Ihre Anträge zur dritten Lesung gucke, dann finde ich einen sehr konkreten Antrag zu den Fragen der Bundesanstalt für Arbeit. Da steht unter c) ein so merkwürdiges Gebilde wie:
    spätestens zusammen mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 1982 (ist) ein Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die vom Bundesrechnungshof angeregte Straffung der Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld durchgeführt wird.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das kann man doch wohl erwarten!)

    — Natürlich können Sie das.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam!)

    Aber was heißt denn das im Klartext aus Ihrer Sicht? Das hätte ich gerne in dieser Debatte gehört — wenn das zusammenpassen soll, was hier von unterschiedlichen Rednern gesagt worden ist.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Fragen Sie doch mal das Haus Ehrenberg! Sie sitzen doch dran!)

    Da ist die Opposition mit einer schlüssigen Antwort noch nicht da. Das werfe ich ihr nicht vor, weil wir tatsächlich in einer Situation sind, wo die unterschiedlichen Meinungen über die gegenwärtige Lage ausgetragen werden müssen.
    Ihre Sorge darüber, wie die Koalition mit dem Problem fertig werde, verstehe ich nicht so ganz. Ich nehme hier einmal ein Wort des Wirtschaftsministers auf, der gesagt hat, er sei ein Mann, der sage, wie er es sehe, aber er vertrage auch, daß andere sagen, wie sie es sehen. Auf diesem Hintergrund wird das eine sehr fruchtbare Diskussion.
    Ich leugne nicht, daß da eine ganze Menge zu diskutieren sein wird, auch angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der Koalition. Es ist doch kein nationales Unglück, wenn man im Hinblick auf die Lösung schwieriger weltwirtschaftlicher, finanzieller und sozialer Probleme erst einmal sagt, wie man das aus seiner Sicht sieht, und sich dann fähig zum Kompromiß zeigt. Dies ist doch überhaupt kein Unglück.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zu diesem Bundeshaushalt 1981 machen. Ich meine, wir haben hier ein Einverständnis darüber — obwohl das unterschiedlich zur Kenntnis genommen wird —, daß dieser Bundeshaushalt von den Auswirkungen der weltweiten krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung betroffen ist. Davon sind ausnahmslos alle Industrieländer erfaßt. Das Verschieben der Lösung der Probleme hilft nicht, aber zunächst einmal muß man es sich ins Bewußtsein bringen. Daß eben ausnahmslos alle Industrieländer davon erfaßt sind, sollte uns in der Diskussion der Probleme etwas weniger hysterisch machen. Es wäre



    Egert
    schon ein Gewinn, wenn wir uns über diesen Befund einvernehmlich verständigen könnten.

    (Franke [CDU/CSU]: Lieber Kollege Egert, bleib doch mal ruhig stehen! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Langsam! Wir können nicht folgen!)

    Dieser Tatbestand geht auch in die Gestaltung des Sozialhaushalts ein, und das ist eine Sache, die auch nicht weiter verwunderlich ist. Das findet sich dann in den Zahlen wieder, etwa im Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit. Das kann auch niemanden überraschen.
    Hier ist gesagt worden, der Arbeitsminister habe manipuliert. Nun bin ich kein Prophet und der Bundesarbeitsminister auch nicht. Die wirtschaftlichen Vorausschätzungen haben von Halbjahr zu Halbjahr nichts getaugt. Daß daraufhin Korrekturen notwendig sind, ist auch kein ungewöhnlicher Vorgang. Mit Manipulation hat das wirklich nichts zu tun.
    Ernster ist für mich die Frage, wie wir gemeinsam dem Versuch widerstehen — ich halte ihn für einen unredlichen Versuch —, die Wirtschaftskrise in eine Krise des Sozialstaats umzudeuten. Nicht der Sozialstaat — und auch darin steckt eine feinsinnige Dialektik — hat die Wirtschaft strapaziert, sondern die Wirtschaft strapaziert auch den Sozialstaat.

    (Hauck [SPD]: Ganz erheblich!)

    Es ist nicht die Finanzierungslücke in den öffentlichen Haushalten, die die Rezession schafft, sondern die Rezession hat neue Finanzierungslücken geschaffen. Die sozialen Kosten, die diese Gesellschaft verursacht, sind gewachsen. Die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft als Voraussetzung, die finanziellen Mittel für den Ausgleich der Schäden bereitstellen zu können, ist gesunken.
    In den letzten Tagen ist hier viel von Krankheiten der Gesellschaft gesprochen worden. Man hat diese Krankheit — und ich nehme da noch den vornehmsten Begriff — mit dem Wort Sozialleistungsgesellschaft kennzeichnen wollen. Tatsächlich ist das aber doch wohl eine Krankheit, die auch mit dem zu tun hat, was man beschönigend Leistungsgesellschaft nennt. In dieser Leistungsgesellschaft werden offenbar allzu viele Leistungsfähige und Leistungswillige nicht gebraucht, weil die Selbstheilungskräfte des Marktes versagen, weil der Markt ohne aktive staatliche Politik die strukturellen Wandlungen der Weltwirtschaft nicht verkraftet. Nicht die Ansprüche der Menschen allein sind gewachsen, sondern das, was man gerne Markt nennt, wird seinen hohen Ansprüchen nicht immer gerecht. Seine begrenzte Leistungsfähigkeit, sinnbildlich verkörpert in den Arbeitslosen, führt dazu, daß Leistungsansprüche vor die Türen der Sozialpolitik gekehrt werden. Wir wehren uns dagegen, daß man die Opfer für die Schäden haftbar machen will, daß man der Sozialpolitik die ungelösten Probleme der Wirtschaftspolitik serviert und dann noch zusätzlich verlangt, daß sie die Schuld dafür übernimmt und die Folgelasten durch Kürzungen auf dem Buckel der Betroffenen beseitigt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Franke [CDU/CSU]: Jetzt gibt er es dem Lambsdorff!)

    Wir Sozialdemokraten wehren uns auch gegen den Versuch, den Sozialstaat gerade in dem Augenblick ins Gerede zu bringen, wo sich seine Notwendigkeit zwingender denn je erweist. Ist es nicht absurd, gerade in dem Augenblick von der Kürzung des Arbeitslosengeldes zu reden, wo die Arbeitslosenzahl von 1,2 Millionen

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Ihr seid doch schon dabei, es zu tun!)

    deutlich dokumentiert, daß der Markt nicht über die Zauberkräfte verfügt, um uns Vollbeschäftigung und immerwährenden Wohlstand zu garantieren? Gibt es einen unpassenderen Augenblick für die Forderung, der Staat solle sich aus der Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung zurückziehen, als die heutige Situation, in der mehr als eine Million Menschen die Grenzen der Marktwirtschaft am eigenen Leibe verspüren?
    Herr Friedmann, ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, daß Sie die Unvollkommenheit, die sich in dem Ergebnis ausdrückt, die Vollbeschäftigung sichern zu wollen, hier mit dem Verlesen des Flugblattes höhnen wollen. Ich habe für diese Geschmacklosigkeit kein Verständnis.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das war doch Ihr Flugblatt!)

    Wer jetzt den sozialstaatlichen Konsens aufkündigen will, der spielt tatsächlich mit dem Feuer, auch mit dem inneren sozialen Frieden. Gerade unter ökonomisch schwierigen Rahmenbedingungen muß sich der Sozialstaat, der eine verfassungsrechtliche Garantie hat, wehren.

    (Hauck [SPD]: Er hat nichts zu bieten, deshalb verliest er unser Flugblatt!)

    Es muß sich zeigen, daß in unserer Gesellschaft Rücksicht auf die Schwachen genommen wird und daß nicht das Ellbogenprinzip regiert.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Prinzip der Solidarität, das auch Christdemokraten und Freie Demokraten aus der geschichtlichen Tradition und der Programmatik der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie zu entlehnen versucht haben, hat seinen Ausdruck darin gefunden, daß wir in den letzten Jahrzehnten schrittweise die Lebens- und Einkommenbedingungen der sozial Schwachen im Verhältnis zu den Leistungsfähigeren und Privilegierten verbessert haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)