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ID0904200200

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    Plenarprotokoll 9/42 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 42. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2440 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/481 — Dr. Friedmann CDU/CSU 2363 B Grobecker SPD 2367 D Dr. Zumpfort FDP 2370 A Höpfinger CDU/CSU 2371 B Egert SPD 2374 A Cronenberg FDP 2377 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2380 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/485 — Dr. Rose CDU/CSU 2384 A Dr. Soell SPD 2390 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2392 C Burger CDU/CSU 2394 C Jaunich SPD 2397 A Eimer (Fürth) FDP 2399 D Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 2402 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2403 A Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/491 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2406 D Dr. Dübber SPD 2408 C Dr.-Ing. Laermann FDP 2409 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 2412 B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/476 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/496 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2415A Kühbacher SPD 2417 D Dr. Hirsch FDP 2421 A Dr. Hackel CDU/CSU 2423 C Dr. Nöbel SPD 2425 D Baum, Bundesminister BMI 2427 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/492 — Frau Benedix-Engler CDU/CSU 2433 A Westphal SPD 2435 A Frau von Braun-Stützer FDP 2437 A Engholm, Bundesminister BMBW 2439 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/477 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2441 A Schmidt (München) SPD 2443 B Engelhard FDP 2445 C Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . 2447 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/486 — 2448 D Haushaltsgesetz 1981 — Drucksachen 9/498, 9/514 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 2449 A Walther SPD 2449 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Wartezeitgesetz) — Drucksache 9/409 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/517 — Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 2450 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG — Drucksache 9/428 — 2451 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Baustatistikgesetzes — Drucksache 9/436 — 2451 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1982) — Drucksache 9/451 — 2451 B Erste Beratung des von den Abgeordneten Walther, Löffler, Grobecker, Gärtner und Genossen und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — — Drucksache 9/529 — 2451 B Beratung der Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/422 — 2451 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), insbesondere die touristische Beistandsleistung betreffend — Drucksachen 9/158 Nr. 17, 9/335 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der ersten Richtlinie 73/239/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betr. die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) hinsichtlich der Kreditversicherung — Drucksachen 9/108 Nr. 57, 9/501 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren — Drucksachen 7/5082, 9/108 Nr. 54, 9/439 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 III Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 234/68 über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels — Drucksachen 9/252 Nr. 27, 9/431 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Abkommens der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Form eines Briefwechsels über ihre Fischereibeziehungen Empfehlung für einen Beschluß des Rates über den Abschluß eines Fischereiabkommens zwischen der Regierung Kanadas und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — Drucksachen 9/108 Nr. 19, 9/158 Nr. 13, 9/509 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Einführung eines Marktbeobachtungssystems im Binnenverkehr Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Marktbeobachtungssystem im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsgüterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/108 Nr. 33, 9/432 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Maßnahmen zur Förderung des kombinierten Verkehrs Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1107/70 zwecks Ergänzung der Beihilferegelung im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr durch die Aufnahme von Bestimmungen über den kombinierten Verkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 21, 9/433 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Einführung eines Informations- und Beratungsverfahrens betreffend die Beziehungen und Abkommen mit Drittländern im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr — Drucksachen 9/127 Nr. 18, 9/434 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Einführung einer Beihilfe des Europäischen Sozialfonds zur Sicherung des Einkommens der Arbeitnehmer im Schiffbau — Drucksachen 9/260, 9/512 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 2452 D Nächste Sitzung 2453 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2454* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 42. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Juni 1981 2363 42. Sitzung Bonn, den 4. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 4. 6. Dr. Apel 4. 6. Dr. Geßner ** 4. 6. Kittelmann ** 4, 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Lenzer * 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5. 6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Pieroth 4. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Witek 4. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Bernhard Friedmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 11 umfaßt Arbeit und Soziales.

    (Grobecker [SPD]: Sehr gut!)

    — Ich lege Wert darauf, daß wir wissen, worüber wir reden, Herr Grobecker. Er hat ein Volumen von über 54 Milliarden DM.

    (Grobecker [SPD]: Auch richtig!)

    Das ist immerhin eine Größenordnung, wie sie auch der Haushalt des Landes Nordrein-Westfalen oder auch der Haushalt der Bundespost hat. Immerhin entfällt fast ein Viertel des gesamten Haushalts auf
    Arbeit und Soziales. Es ist dies der größte Einzelplan im ganzen Bundeshaushalt.
    Nun könnte man natürlich meinen, es wäre eine Qualifikation eigener Art, wenn man soviel Geld für Arbeit und Soziales ausgibt.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Wer dies meint, der sitzt einem Irrglauben auf.

    (Widerspruch bei der SPD — Franke [CDU/ CSU]: Der hat gestern nicht zugehört!)

    Man kann nämlich auch mit wenig Geld gute Politik machen. Das haben wir 20 Jahre lang getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und man kann mit viel Geld schlechte Politik machen. Das tun Sie.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dreßler [SPD]: Das mußte ja kommen!)

    Das Volumen dieses Haushalts ist also kein Hinweis auf die Qualität der Sozialpolitik.
    In diesem Bundeshaushalt sind 8 Milliarden DM als sogenannte Liquiditätshilfe, d. h. als Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg vorgesehen. Dazu kommen noch einmal 2,6 Milliarden DM für Arbeitslosenhilfe direkt im Haushalt von Herrn Ehrenberg. Das heißt, in Verbindung mit den Arbeitslosen sind in diesem Jahr rund 10,5 Milliarden DM an Steuergeldern aufzuwenden. Dies ist ein unheimlich großer Betrag. Ich möchte sagen, es ist schlimm, daß ein Betrag in einer solchen Größenordnung nötig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Egert [SPD]: Das ist wahr!)

    Ein Skandal aber ist es, wie hier das Parlament über Monate hinweg an der Nase herumgeführt wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In den 8 Milliarden DM für Nürnberg sind nämlich rund 4,5 Milliarden DM — genau sind es 4,3 Milliarden DM — enthalten, die erst während der Beratungsphase nachgeschoben worden sind. Erst im Laufe der Zeit kam die volle Höhe des Zuschußbedarfes heraus. Bis dies soweit war, erlebten wir geradezu einen Handlungsablauf wie in einem Kriminal-



    Dr. Friedmann
    roman. Ich möchte ihn einmal in den einzelnen Etappen darstellen.

    (Grobecker [SPD]: Nun geht es los!)

    — Nun geht es los, Herr Grobecker — mit Recht! Das Arbeitsförderungsgesetz sieht vor, daß der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit vom Vorstand aufgestellt, vom Verwaltungsrat beraten und vom Arbeitsminister genehmigt wird. Der Haushalt muß so rechtzeitig fertig sein, daß er am 1. September des Vorjahres dem Arbeitsminister vorliegt. Genau dies ist nicht geschehen.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Viele spürten in der damaligen Zeit, wie es mit den Arbeitslosen aussieht, aber es stand die Bundestagswahl vor der Tür,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Rein zufällig!)

    und Minister Ehrenberg konnte es nicht gebrauchen, daß man vor der Bundestagswahl so über die wahre Situation im Zusammenhang mit den Arbeitslosen und mit Nürnberg sprach.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies war ihm sichtlich unangenehm, und er hat die Debatte über diesen Punkt und damit auch die Beratung des Haushalts in Nürnberg verschoben. — Dieses war sein erster Streich.
    Der zweite folgt in der Tat zugleich. Er hat, als es dann so weit war, diesen Haushalt zu verabschieden, mit einem Zuschuß von 3,6 Milliarden DM operiert. Dazu hat er die Gremien in Nürnberg veranlaßt, den ursprünglichen Haushalt der Bundesanstalt von 28 Milliarden DM auf unter 26 Milliarden DM herunterzudrücken.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Herr Ehrenberg wird uns zwar nachher sagen, daß Nürnberg eine selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft sei, mit der er weiter nichts zu tun habe,

    (Walther [SPD]: So ist das! Da hat er recht!)

    tatsächlich bedarf aber der Haushalt der Bundesanstalt seiner Genehmigung. Diese Genehmigung ist nicht nur eine notarielle Beurkundung, sondern er handhabt die Genehmigungspraxis durchaus so, daß er ganz konkrete Auflagen macht. Auch jetzt, als die Bundesanstalt einen Nachtragshaushalt aufstellte, hat er der Bundesanstalt nicht alles gegeben, was sie meinte haben zu müssen. Er hat ganz konkret gesagt, wie es laufen müsse.
    Das heißt, seine Genehmigungszuständigkeit verwendet er dafür, den Haushalt in Nürnberg, verehrter Herr Kollege Walther, auch dementsprechend zu konstruieren.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Manipulieren!)

    Und so hat er den Haushalt — Herr Blüm, richtig —
    in Nürnberg auf unter 26 Milliarden DM herunter-
    manipuliert, damit er mit einem Zuschuß von 3,6 Milliarden DM auskäme. —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht immer noch nicht!)

    Dieses war sein zweiter Streich.
    Es geht aber dann weiter: Diese 3,6 Milliarden DM sind nicht gerade so aus der Luft gegriffen, sondern die stehen in direktem Zusammenhang mit einer anderen Zahl gleicher Größenordnung. Herr Ehrenberg hat nämlich den Bundeszuschuß an die Rentenversicherung in diesem Jahr um 3,5 Milliarden DM gekürzt. Die Beitragszahler müssen seit Anfang dieses Jahres mehr für die Rentenversicherung aufbringen. Die höheren Beiträge für die Rentenversicherung bewirken bei der Rentenversicherung eine höhere Einnahme aus Beiträgen in Höhe von 3,5 Milliarden DM. Genau in dieser Höhe hat er Zuschüsse für die Rentenversicherung gestrichen. Statt dessen hat er die 3,5 Milliarden DM nach Nürnberg gesteckt.
    Da er nicht mehr als diese 3,5 Milliarden DM hatte, durfte der Zuschußbedarf nicht höher sein als diese 3,5 Milliarden DM. Und so stellt sich uns das Ganze als ein in sich geschlossenes Werk dar. —

    (Franke [CDU/CSU]: Das ist der Ehrenbergsche Verschiebebahnhof!)

    Dies war sein dritter Streich.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Doch der vierte kommt sogleich!)

    — Doch der vierte kommt sogleich, richtig, Herr Blüm; denn das Ganze mußte ja stimmig sein, und der Zuschußbedarf in Nürnberg hängt doch mit der Zahl der Arbeitslosen zusammen. Ein Zuschuß nach Nürnberg in Höhe von 3,5 Milliarden DM ist nur mit einer Arbeitslosenzahl von 1 085 000 im Jahresdurchschnitt zu vereinbaren. Also durften es nicht mehr als 1 085 000 sein. Das war seine Überlegung. Entsprechend hat er auch die Vertreter der öffentlichen Hand bei der Bundesanstalt beeinflußt und Einsatz von ihnen verlangt.
    Jeder wußte zur damaligen Zeit, daß die Arbeitslosenzahl in diesem Jahr höher sein werde. Herr Ehrenberg wird uns nachher sagen: Die Institute und alle Steuerschätzer hätten zum damaligen Zeitpunkt auch nur mit 1 085 000 Arbeitslosen gearbeitet.

    (Grobecker [SPD]: Herr Friedmann, sind Sie auch zufrieden, wenn ich das nachher sage?)

    Tatsächlich aber hat das Institut der Deutschen Wirtschaft das von den Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft getragen wird, bereits um die Jahreswende von 1,2 Millionen Arbeitslosen gesprochen. Ich weiß schon, Herrn Ehrenberg ist diese Seite unserer Gesellschaft nicht ganz so vertrauenswürdig, aber der Abteilungsleiter beim Vorstand der IG Metall, Herr Friedrichs, hat schon im November letzten Jahres gesagt, daß wir in diesem Jahr mit 1,2,



    Dr. Friedmann
    wenn nicht gar mit 1,3 Millionen Arbeitslosen rechnen müssen.

    (Grobecker [SPD]: Das alles hatten wir wiederum vor zwei Tagen gehört!)

    Dies alles war also bekannt und auch mein Kollege Heinz Franke hat des öfteren darauf hingewiesen, daß die Annahme des Herrn Ehrenberg bezüglich der Zahl der Arbeitslosen zu optimistisch sei.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Auch hier im Plenum!)

    Hinterher hat er alles zugeben müssen, doch zunächst hat er das Ganze stimmend gemacht. Dies war nämlich sein vierter Streich.
    Doch es geht weiter: Herr Ehrenberg hat unterstellt, daß in diesem Jahr 57 % der Arbeitslosen von ihrem Anspruch auf Arbeitslosengeld Gebrauch machen würden. Die Erfahrungen aus zurückliegenden Rezessionen haben gezeigt, daß dieser Prozentsatz um so mehr steigt, je stärker eine Rezession ausfällt. Mit ziemlicher Sicherheit kann man sagen, daß die Empfängerquote von 57 % zu gering veranschlagt ist, d. h. hier stecken weitere Risiken im Haushalt der Bundesanstalt, selbst wenn die Zahl der Arbeitslosen nicht steigen sollte. Dies ist sein nächster Streich.
    Doch damit noch nicht genug. Das Geld fehlt j a jetzt in der Rentenversicherung. Es wird deshalb nicht dazu kommen, wie er ursprünglich gesagt hat, daß die Rentenversicherung bis 1984 über eine sogenannte Schwankungsreserve von dreieinhalb Monatszahlungen verfügen werde. Diese Schwankungsreserve wird auf etwa 1,7 Monatszahlungen fallen.
    Nun hat man aber in der Öffentlichkeit zugestanden, daß die Hinterbliebenenversorgung neu geregelt werden muß. Es liegt auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Richtung vor. In diesem Zusammenhang ist das Modell der Teilhaberente entwickelt worden, und zwar das sogenannte 70 %Modell. Damit hat auch Herr Ehrenberg und damit hat auch die Koalition Wahlkampf gemacht. Nachdem jetzt aber in der Rentenkasse Geld fehlen wird, weil der Zuschuß gekürzt worden ist, wird eine so großzügige Regelung der Hinterbliebenenversorgung nicht mehr möglich sein. Die Öffentlichkeit ist jetzt noch in dem Glauben, es gebe eine großzügige Teilhaberente. Das Geld dafür wird aber fehlen. Hier wird Herr Ehrenberg widerrufen müssen. Ich selbst bin der Meinung, daß hier viel finanzieller Gestaltungsspielraum im Arbeitsministerium fehlt. Von daher kann er seine Staatssekretärin, Frau Fuchs, gerne als Bürgermeisterin nach Hamburg ziehen lassen. Hier zeichnet sich also ab, wie ein Wahlversprechen nicht gehalten wird. Dies ist ein weiterer Streich des Herrn Ehrenberg.
    Früher waren wir stolz darauf, daß die Arbeitslosenversicherung erhebliche Rücklagen hatte, obwohl jahrelang Beitragssätze von nur 1,3 % kassiert wurden.

    (Franke [CDU/CSU]: Das ist aber leider schon zwölf Jahre her!)

    — Richtig, Herr Franke: 1969 betrug die Rücklage bei der Arbeitslosenversicherung noch rund 6 Milliarden DM. Der letzte Pfennig dieser Rücklage ist in diesen Tagen aufgelöst worden. Die Kasse in Nürnberg ist bis auf den letzten Pfennig ausgeplündert, weil die Rücklage aufgelöst wurde.

    (Walther [SPD]: Dieser Stingl kann mit dem Geld nicht umgehen!)

    Auch dies ist ein Streich von Herrn Ehrenberg.
    Aber es geht noch weiter. Herr Ehrenberg wird jetzt auf die Idee kommen müssen, höhere Beiträge für Nürnberg zu verlangen. Die Arbeitnehmer werden stärker zur Kasse gebeten. Sehr wahrscheinlich wird er Überlegungen zu verwirklichen versuchen, wonach der Kreis derer, die Beiträge zahlen, erweitert wird. Er wird also auf die Arbeitsmarktabgabe zugehen. Auch dies wird ein weiterer Streich von Herrn Ehrenberg werden.
    Meine Damen und Herren, dies alles zeigt, daß unter dem Einfluß des Arbeitsministers in Nürnberg ein Haushalt getürkt wurde

    (Walther [SPD]: Die armen Türken!)

    und daß der Zuschußbedarf, der sich daraus ergibt, dementsprechend unrichtig war mit der ganz konkreten Folge, daß im Haushaltsentwurf des Bundes von Anfang an ein falscher Ansatz stand.
    Wir haben dies rechtzeitig erkannt. Wir wollten, daß die Bundesregierung in aller Öffentlichkeit einen Ergänzungshaushalt vorlegt, damit darüber gesondert beraten wird. Dies war auch der eigentliche Grund, aus dem wir in der vorletzten Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde verlangten.
    Die Regierung hat es abgelehnt, einen Ergänzungshaushalt vorzulegen, und zwar aus einem meines Erachtens ganz durchsichtigen Grund: Wer gibt schon gern zu, daß er das Parlament, daß er die deutsche Öffentlichkeit nicht richtig informiert hat, daß er hier mit Zahlen manipuliert hat?

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Man muß sich den Umfang dieser Manipulation einmal drastisch vor Augen halten. Der Finanzminister kam nach einer Kabinettssitzung zu uns in den Haushaltsausschuß. An Hand von ein paar Zettelchen hat er dargelegt, es sei leider nicht möglich, mit 27 Milliarden neuen Schulden auszukommen; man brauche 6,5 Milliarden mehr neue Schulden in diesem Jahr.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht auch noch nicht!)

    Davon entfallen allein 5 Milliarden auf den Haushalt von Herrn Ehrenberg.
    Dies ist in meinen Augen eine Affäre, die den Umfang der Tornado-Affäre beim Verteidigungsminister erreicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Ehrenberg kann hier Herrn Apel brüderlich die Hände reichen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Apel II!)




    Dr. Friedmann
    — Ja, Apel II. Die Dimensionen, um die es hier geht, stehen hinter jenen des Projekts „Tornado" nicht zurück.
    Nun ist in diesen Tagen immer wieder — auch in dieser Debatte — davon gesprochen worden, man müsse zunächst einmal den Mißbrauch abstellen, der im ganzen Bereich der Arbeitslosenversicherung bestehe. Ich möchte es vorweg sagen: Mit dem Beseitigen von Mißbräuchen wird man dem Problem an sich nicht beikommen.

    (Zustimmung des Abg. Grobecker [SPD])

    Man wird da so manches beheben können; vor allem wird man — was mir am wichtigsten ist — die wirklichen Arbeitslosen von dem. Vorwurf befreien können, hier werde etwas mißbraucht.

    (Beifall bei der CDU/CSU, bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Walther [SPD]: Wie findet man die „wirklichen Arbeitslosen" denn heraus?)

    Wir wollen uns doch — ich nehme an, da stimmen wir überein — darüber im klaren sein: Echte Arbeitslosigkeit ist ein schweres Schicksal.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: So ist es!)

    Arbeitslos zu sein, das muß ertragen werden können, denn Arbeit ist eben mehr als nur Broterwerb, Arbeit ist auch Lebensgestaltung,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Arbeit ist Selbstverwirklichung, Arbeit ist Gestaltung dieser Gesellschaft und damit mehr als Geld-verdienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Den Arbeitslosen, die so betroffen sind, muß unser aller Anteilnahme und unser aller Hilfsbereitschaft gelten.
    Aber es hat sich herumgesprochen, daß dennoch Mißbräuche vorkommen. Herr Ehrenberg und sein verehrter Herr Staatssekretär haben dies anläßlich einer Anfrage, die ich im Parlament vor ein paar Wochen einbrachte, noch bestritten; inzwischen spricht auch Herr Ehrenberg selbst von Mißbräuchen.
    Der Bundesrechnungshof hat vor einiger Zeit — Ende vergangenen Jahres — ein Gutachten vorgelegt, in dem er all die Erfahrungen zusammenfaßt, die er bei der Bundesanstalt gemacht hat. Er kam zu dem Ergebnis, daß man — seiner Meinung nach ohne Gesetzesänderungen — im Jahr anderthalb Milliarden Mark einsparen könne, wenn man nur mißbräuchlichen Anwendungen entgegentrete. Ob dies immer geht, muß noch geprüft werden. Meine Fraktion wird nachher einen Entschließungsantrag einbringen, in dem wir die Regierung auffordern, die Anregungen des Rechnungshofes zu überprüfen und uns hier dann wieder zu berichten.
    Einige Fälle aber scheinen mir doch sehr eklatant zu sein. So weist z. B. der Rechnungshof darauf hin, daß in 16 % der Fälle Arbeitslose, die wieder ein völlig normales Arbeitsverhältnis aufgenommen haben, das Arbeitsamt nicht informieren und ihr Arbeitslosengeld weiter beziehen. Zugegeben, irgendwann später wird man das Geld wiederholen wollen, aber zunächst einmal ist es ein Liquiditätsverlust für den Bund, und nicht alles wird wiedergeholt.
    Doch damit nicht genug: Der Bundesbeauftragte für Datenschutz war der Meinung, die Prüfung solcher Vorgänge verstoße gegen den Datenschutz. Die Bundesanstalt hat seine Argumente übernommen, und nun läßt man es bei dem Mißstand.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Das ist ein starkes Stück!)

    — Ich finde, lieber Manfred Carstens, das ist tatsächlich ein starkes Stück. Der Arbeitsminister wäre gut beraten, wenn er hier für Klarheit sorgen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    In diesem Gutachten ist auch die Rede davon, daß die Bediensteten der Arbeitsverwaltung angehalten worden seien, recht großzügig Leistungen zu gewähren, ohne Unterlagen zu verlangen. Man hat ihnen auch versichert, es werde nicht nachgeprüft. Dies ist eine Mentalität, die beim Umgang mit öffentlichen Geldern nicht in Ordnung ist.
    Auch der Zumutbarkeitserlaß sollte einmal wieder überprüft werden. Ich bin der Meinung, es muß möglich sein, auch dann einmal einen Arbeitsplatz anzunehmen, wenn er nicht so nah und gut bezahlt ist wie der alte, auch wenn er vielleicht nicht ganz so den Berufungen des einzelnen entsprechend ausgestattet ist. Auch hier fehlt Führung von seiten des Arbeitsministers.
    Aber es wird auch notwendig sein, in die Leistungsgesetze einzugreifen. Wir überlassen es der Bundesregierung, wo sie ansetzen will. Ich möchte hier nur ein paar Fälle ansprechen. Ich denke z. B. an die sogenannten Kindergeldarbeitslosen. Herr Buschfort, darüber wird in Ihrem Haus nachgedacht, und wenn Sie ehrlich sind, werden wahrscheinlich auch Vorschläge dazu kommen. Damit sind jene Schüler und Studenten gemeint, die sich nach Abschluß ihrer Ausbildung arbeitslos melden, damit die Eltern das Kindergeld weiter bekommen. Ich denke auch an jene 59jährigen, die oft gegen ihren Willen vom Arbeitgeber zur Arbeitslosigkeit verurteilt werden, weil ein Jahr Arbeitslosigkeit Voraussetzung dafür ist, daß man hinterher vorgezogene Rente bekommt.

    (Buschfort [SPD]: Das haben Sie doch selber eingeführt!)

    Ich denke an all die Fälle, wo Arbeitslosigkeit nötig ist, um Ausfallzeiten in der Rentenversicherung zu bekommen oder um sonst irgendwo Anwartschaften zu erwerben. Sie hatten eine Kommission eingesetzt, bei der, wie üblich, nichts herauskam. Herr Ehrenberg kommt nicht darum herum, mit eigenen Vorschlägen zu kommen; das muß er schon selber tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    All dies sind nur Symptome eines Übels, dessen Wurzeln tiefer gehen. Das eigentliche Übel dieser Si-



    Dr. Friedmann
    tuation besteht darin, daß wir zu viele Arbeitslose haben.

    (Zuruf von der SPD: Ach! — Franke [CDU/ CSU]: Und wir haben zuwenig Arbeit!)

    — Richtig, danke für den Hinweis. Wer Arbeitslosen helfen will, der muß eine Wirtschaftspolitik betreiben, die zu mehr Arbeitsplätzen führt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist für mich sehr interessant, was man aus Kreisen der Bevölkerung da zugeschickt bekommt. Ich habe hier eine Wahlkampfanzeige der SPD aus dem Jahre 1972. Da stand z. B. folgendes:

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das waren noch Zeiten!)

    Jeder Deutsche soll wissen, was das bedeuten würde: eine halbe Million Arbeitslose,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das waren noch Zeiten!)

    nämlich Existenzangst, Radikalismus. Dazu darf es nie kommen. Sorgen Sie dafür, daß Sozialdemokraten weiterregieren!

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Sie haben eine halbe Million Arbeitslose als Schreckgespenst an die Wand gemalt, und wir hatten damals nicht einmal eine halbe Million Arbeitslose, weil Sie auf unserer Arbeit aufbauen konnten. Jetzt haben wir viel, viel mehr, und das soll jetzt plötzlich normal sein. Wir sind es gewohnt, daß der Herr Minister und der Herr Bundeskanzler aufs Ausland verweisen. Aber was hilft es den Frierenden, wenn man sagt: In Grönland ist es noch kälter?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier tut es not, Wirtschaftswachstum zu haben. Wir können Wirtschaftswachstum erzielen, wenn sich die Regierung, die Koalition nicht dort im Wege stehen, wo etwas zu machen ist. Wir können Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze schaffen, wenn wir bei der Kernenergie, bei der Wohnungswirtschaft und bei der Kommunikationstechnik vorankommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das sind drei Wachstumsgebiete, bei denen Sie in Gottes Namen von Ihren Bedenken herunterkommen und vorankommen müssen.
    Lassen Sie mich noch rasch auf ein drittes Gebiet hinweisen, da meine Redezeit bald um ist. Zum Kompetenzbereich von Herrn Ehrenberg gehört auch das Krankenversicherungswesen. Wir haben zwar das Kostendämpfungsgesetz; aber seit mindestens zwei Jahren galoppieren die Kosten im Gesundheitswesen davon, trotz Kostendämpfungsgesetz, trotz Konzertierter Aktion. Die Frage ist: warum? Ich möchte Ihnen das gerne sagen:

    (Zuruf des Abg. Urbaniak [SPD])

    nicht nur wegen der steigenden Kosten für den
    Zahnersatz oder für Heil- und Hilfsmittel, sondern
    vor allem wegen der stationären Behandlung im Krankenhauswesen.

    (Buschfort [SPD]: Das haben Sie doch im Bundesrat verhindert!)

    Seit 1965 sind die Kosten auf diesem Gebiet um 21 Milliarden DM gestiegen. Und Herr Buschfort, wenn Sie sagen, wir hätten das im Bundesrat verhindert: Mit der Novelle zum Krankenhausfinanzierungsgesetz haben Sie sich zwar Kompetenzen zugemutet, aber eine Lösung war darin ebensowenig wie in Ihrer neuen Novelle zu erkennen.
    Mit dem Krankenversicherungsbeitrag der Rentner produzieren Sie einen Zickzackkurs, der unsere Bürger nur verunsichert. Zuerst belasten Sie unsere Krankenkassen mit 32 Milliarden DM, indem Sie den Beitrag der Rentenversicherung zur Krankenversicherung von 17 auf 11,7 % senken. Seit dem 21. Rentenanpassungsgesetz diskutieren Sie die Frage, ob an die Rentner ab dem nächsten Jahr ein individualisierter Beitrag gezahlt werden soll. Jetzt, im Rentenanpassungsbericht 1982, sagen Sie mit Blick auf 1983: Nein, der Beitrag soll pauschaliert werden. Gleichzeitig kündigen Sie an, daß ab 1985 wieder eine neue Regelung kommt, und zwar direkte Krankenversicherungsbeiträge. So kompliziert wären die Sachen gar nicht, wenn Sie sie nicht so handhaben würden.
    Ich muß Ihnen sagen: Mit diesem Haushalt hat die Regierung ein Musterstück an unsolider Finanzpolitik aufgezeigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So darf das nicht weitergehen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat vorgestern darauf hingewiesen, daß das, was bei Herrn Ehrenberg passiert sei, mit einer seriösen Haushaltspolitik nichts mehr zu tun habe.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir schließen uns dieser Kritik an; sie ist auch die unsrige.

    (Zuruf von der SPD: Natürlich!)

    Wir sind der Meinung, daß hier nicht korrekt gearbeitet wurde, daß Parlament und Öffentlichkeit hintergangen wurden. Deshalb lehnen wir diesen Haushalt ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grobecker.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Claus Grobecker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie gestatten mir vorweg eine persönliche Bemerkung — Herr Friedmann, Sie werden mir sogar zustimmen —: Es ist wirklich schade, daß der Herr Wittgenstein nicht mehr Mitglied dieses Hauses ist. Der hatte Sachverstand, mit dem konnte man debattieren.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich habe Ihnen ja versprochen, daß ich diese Grußadresse anbringen würde. Ich bedaure es wirklich, daß der Herr Wittgenstein nicht mehr hier ist; denn mit ihm konnte man wirklich sachgerecht de-



    Grobecker
    battieren. Wenn man sich anhört, was Sie sagen, so kann man nur feststellen: Herr Friedmann, ein Friedmann werden Sie nie. Darauf können Sie sich verlassen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Aber Herr Grobekker bleibt Grobecker!)

    Wenn man einmal der Reihe nach durchgeht, was Herr Friedmann gesagt hat, so kommt man zu folgendem Ergebnis.

    (Franke [CDU/CSU]: Das ist sozialistische Rednerschulung: Erst den Vorredner niedermachen, dann zur Sache nichts sagen!)

    Da ist zunächst diese Arie gewesen, daß der Finanzminister und der Arbeitsminister den Haushalt nicht rechtzeitig und nicht in sachgerechter Weise vorgelegt hätten. Das alles haben wir jetzt schon zwei Tage lang gehört.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber genau so ist es!)

    Weil das so ist und weil Sie nicht darauf verzichten können, das immer wieder vorzutragen, weil Sie den Eindruck erwecken wollen, wir hätten geschummelt, muß man darauf auch immer wieder eingehen, egal wie oft. So häufig, wie das behauptet wird, so häufig muß das zurückgewiesen werden.
    Herr Friedmann, noch einmal: Für die Haushalte aller öffentlichen Hände, Gebietskörperschaften gilt, daß sie von demselben ökonomischen Datenkranz ausgehen müssen, von denselben Daten, den Daten aller Institute, und daß alle die im Gesetz beschriebenen Notwendigkeiten berücksichtigt werden müssen. Das hatten wir vor zwei Tagen schon einmal. Im Dezember, als uns der Etat vorgelegt worden ist, sind all diese Daten vom Finanzplanungsrat, aus all den Gutachten, aus all dem, was vorlag, zugrunde gelegt worden.
    Der zweite Punkt. In dem 39köpfigen Verwaltungsrat der Bundesanstalt, der diese Haushaltsaufstellung vornehmen muß, ist die Bundesregierung mit fünf Mandaten vertreten. Auch die übrige öffentliche Hand ist vertreten, die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber. Dieser Verwaltungsrat stellt den Haushalt auf. Er hatte im Dezember einen Haushalt aufgestellt, wie er sich beim Zuschußbedarf im Einzelplan 11 widerspiegelt. Das können Sie doch nicht leugnen.
    Klar ist, daß im Verlauf der letzten Monate, seit wir den Jahreswirtschaftsbericht Ende Januar vorgelegt bekommen haben, Daten korrigiert werden mußten.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie ihr das immer macht!)

    — Richtig, Jahr für Jahr.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ihr korrigiert euch nur!)

    Es gibt kein Haushaltsjahr, in dem nicht — ich muß mich wiederholen, weil sonst der Eindruck entsteht, als sei hier doch geschummelt worden — diese gesetzlichen Verpflichtungen korrigiert wurden. Jahr für Jahr ist das so: bei der Kriegsopferversorgung,
    beim Zuschußbedarf in Nürnberg, beim Mutterschaftsgeld. Diese gesetzlichen Ansätze müssen korrigiert werden, bevor man in die zweite und dritte Lesung geht.
    Nun noch einmal zum Arbeitsmarkt. Herr Friedmann, Sie haben hier, von uns mit Beifall bedacht, in aller Ruhe und vorsichtig dargestellt: Man darf nicht immer nur über Mißbräuche reden, weil dann ein falscher Eindruck entsteht. Da haben wir alle geklatscht. Anschließend haben Sie aber doch wieder damit angefangen und haben aufgezählt: aber diese, aber jene. Hören Sie auf mit dieser Mißbrauchshysterie! Laßt uns daran arbeiten, daß wir das Gesetz ändern, und beraten, auf welche Weise wir es verändern müssen, damit nicht tatsächlich der Eindruck entsteht, als seien die Arbeitslosen allesamt Faulenzer. Das geht nicht. Bitte halten Sie sich daran. Sie haben das hier ganz vernünftig gemacht, aber dann haben Sie doch wieder eine Aufzählung begonnen.
    Man kann natürlich auch zu anderen Ergebnissen kommen, z. B. was das Kurzarbeitergeld angeht.

    (Walther [SPD]: Eben!)

    Dann müssen wir darüber reden, wie die Unternehmer damit umgehen. Das geht so nicht.
    Sie haben auch die 59er Regelung angesprochen. Wir wollen auf dieses Instrument nicht verzichten. Nur: Wie soll das in Zukunft finanziert werden? Darüber müssen wir reden. Da, finde ich, darf sich der Unternehmensbereich nicht ausruhen. Da müssen die etwas mehr zulegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt eine ganze Reihe von Tatbeständen — ich sage nicht: von Mißbrauchstatbeständen —, die das Gesetz zuläßt und die wir neu regeln müssen.
    Sie wissen so gut wie ich, daß der Arbeitsminister bis jetzt der einzige war, der in seinem Haus angefangen hat, darüber nachzudenken und ein Gesetz vorzulegen. Die Haushälter haben — Sie waren daran beteiligt — ja schon ziemlich frühzeitig gewisse Vorschläge vorgelegt, die nach unserer Auffassung verwirklicht werden müssen. Der Arbeitsminister ist dabei.
    Ich finde schon, daß wir im Herbst darüber reden müssen. Dabei muß natürlich die Aufgabenstellung ganz generell — nicht nur beim AFG, sondern ganz generell in der sozialen Sicherung — überprüft werden. Wir müssen sehen, welche Leistungen, die vor 10 oder 20 Jahren hier beschlossen wurden und richtig waren, heute überflüssig, nicht mehr notwendig sind.
    Dennoch muß, ganz generell gesehen, die Diskussion in der Sozialpolitik — und da gibt es außer uns beiden noch sehr viel kompetente Leute — über die Arbeitslosigkeit und die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Finanzfragen neu aufgegriffen werden.
    Ich finde nicht, daß wir es so laufen lassen können, daß genau die Betriebe, die Unternehmen, die durch Rationalisierung am meisten — auf Neuhochdeutsch gesagt — „freigesetzt" haben, überhaupt nicht mehr an der Finanzierung der Bundesanstalt für Arbeit und der Aufgaben, die diese Bundesan-



    Grobecker
    stalt zu erfüllen hat, beteiligt sind. Ich finde schon, daß es notwendig wäre, auch in Richtung auf den Herbst und die großen Debatten, die wir dann werden führen müssen, darüber nachzudenken, ob wir das eigentlich so lassen können.

    (Zuruf des Abg. Cronenberg [FDP])

    Nun haben wir in diesem Haushalt nicht nur die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit, sondern wir haben ja auch noch ein paar andere Ansätze. Herr Friedmann hat sich der Kostendämpfung zugewandt. Ihr Herr Geißler, der Generalsekretär der CDU — so nennt sich das bei Ihnen —, hat im Januar 1976

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nur kein Neid!)

    — in der klassischen Arbeiterpartei heißt das inzwischen „Geschäftsführer"; ich bedaure auch, daß es bei uns nicht „Sekretär" heißt, das ist wahr —

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie nennen sich „Vice-President"!)

    eine Prognose zur Ausgabenentwicklung der Krankenversicherung vorgelegt. Ich will ihm nicht verbieten, so etwas zu tun, ich will ihn nur daran messen. Dabei kommt er bei seinen — wie er sich ausgedrückt hat — vorsichtigen Schätzungen für das Jahr 1980 zu einer Gesamtausgabe der Krankenkassen von 109 Milliarden DM. Wir sind sehr froh, daß wir das korrigieren können, denn Tatsache ist, daß nur 86 Milliarden DM ausgegeben worden sind

    (Franke [CDU/CSU]: Sagten Sie „nur"?)

    — ja, im Verhältnis zu dem, was Herr Geißler prognostiziert hat; ich finde das schon ganz gut — und daß die Krankenversicherungsbeiträge jetzt mehr als drei Jahre stabil geblieben sind; das hat es noch nicht gegeben.

    (Franke [CDU/CSU]: Wo leben Sie eigentlich?)

    Nun bedeutet das nicht etwa, daß nun nichts mehr gemacht werden kann, im Gegenteil. Ich finde es auch gut — wir begrüßen das ausdrücklich —, daß es eine Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes geben wird. Wir werden noch darüber reden.
    Ich gebe gern zu, daß wir den Forschungsansatz im Einzelplan 11, Herr Minister, etwas gerupft haben, aber er ist nicht so gerupft worden, daß Sie in diesem Bereich nicht wirklich auch noch weitermachen könnten, was die Untersuchungen angeht, insbesondere — ich ermuntere Sie dazu — über den Verbrauch und die Produktion von Arzneimitteln. Ich bin ziemlich sicher, daß wir irgendwann da ran müssen. Nach meiner Einschätzung ist es so: Wenn Sie die Hälfte der Medikamente ins Meer kippen würden, dann wäre das schlecht für die Fische, aber gut für die Menschen. Da müßten wir vielleicht doch rangehen, da ist allerhand einzusparen. Ich ermuntere Sie, in diesem Bereich voranzugehen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir haben — Herr Friedmann, es ist völlig klar, daß Sie das verschweigen — trotz der Haushaltsknappheit zum erstenmal in diesen Etat einen neuen Ansatz eingestellt. Das ist deshalb so sensationell, weil es das ja sonst nirgends gibt. Wir haben dem Arbeitsminister einen Ansatz gegeben, der ihn in die Lage versetzt, im Bereich der Krebsbekämpfung, der Krebsbehandlung mit Modellvorhaben voranzugehen, in diesem Bereich etwas zu entwikkeln. Es gibt sonst im ganzen Bundeshaushalt keinen neuen Ansatz, hier gibt es jedoch einen, nicht sehr üppig ausgestattet, aber er ist so ausgelegt, daß man etwas damit anfangen kann.
    Aber ich will auch, Herr Bundesminister, ein Wort zu Ihren Partnern sagen, die an diesem neuen Modellvorhaben Krebsbekämpfung mitwirken: Dies wird keine neue Gemeinschaftsfinanzierung.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dies ist ein Modellvorhaben, das über einige Jahre läuft und dann wieder aus dem Bundeshaushalt verschwinden muß. Nicht daß das da wieder losgeht mit einer Gemeinschaftsaufgabe, die nun zu einer Daueraufgabe wird! Das ist nicht so.
    Das gleiche will ich auch zu einem zweiten Punkt sagen. Wir haben den Ausländeransatz etwas erhöht, ihn etwas besser ausgestattet, weil wir der Auffassung waren, daß die Anstrengungen der Bundesanstalt für Arbeit, ausländische Jugendliche umzuschulen und auszubilden, im Sande verlaufen, wenn man nicht dafür sorgt, daß die ausländischen Jugendlichen vorher Deutsch lernen, bevor sie in die berufliche Schulung gehen. Wir haben diesen Ansatz deshalb bescheiden erhöht. Auch hier gilt, daß dies nicht zu einer generellen Aufgabe des Bundes werden darf, Herr Bundesarbeitsminister; die Länder müssen sich daran beteiligen. Wir werden nicht durchgehen lassen, daß in diesem Bereich eine neue Aufgabe des Bundes entsteht. Die Länder müssen sich beteiligen. Letztlich haben wir dafür gesorgt, daß diese Kurse für ausländische Jugendliche verstärkt durchgeführt werden können.
    Alles in allem, Herr Friedmann, kommt man zu dem Ergebnis: Trotz des von uns nicht so geliebten Volumens des Einzelplans 11 ist dieser Einzelplan — das können Sie als Berichterstatter mindestens so gut beurteilen wie ich —, jedenfalls was seinen verfügbaren Teil angeht, so ausgequetscht worden, so eng geschneidert worden, daß man nicht davon ausgehen kann, daß der Bundesarbeitsminister, was diesen Teil angeht, üppig leben kann, im Gegenteil.
    Wir werden ganz sicherlich diesen Sommer dazu benutzen, zu überlegen, was im Bereich der gesetzlichen Verpflichtungen getan werden kann. Es gibt dazu einen Katalog von Möglichkeiten. Ich will darauf verzichten, ihn hier aufzublättern. So viel ist jedoch sicher: Es sind nicht nur Arbeitnehmer, die das Arbeitsförderungsgesetz mißbräuchlich benutzen, es gibt auch auf der anderen Seite genug. Nur dürfen wir keine Mißbrauchshysterie anfangen. Sonst müßten wir beide, Herr Friedmann — womit ich sehr einverstanden wäre —, vielleicht einmal gemeinschaftlich eine Kampagne in Richtung auf Steuerhinterziehung anfangen. Das wäre vielleicht



    Grobecker
    für die veröffentlichte Meinung in Deutschland nicht schlecht.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Was diesen Etat angeht — er ist sehr eng geschneidert —, kann der Bundesarbeitsminister in dem verfügbaren Teil wenig Sprünge machen. Es ist gut, daß eben auch der Bundesarbeitsminister und — geben Sie das bitte auch der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg weiter — die Anstalt wissen müssen, daß das Geld knapp ist und daß sie keine Sprüngen machen dürfen. Wir haben auch dort mit globalen Minderausgaben gearbeitet. Dieses Instrument war in Nürnberg bisher nicht üblich. Ich denke, daß wir, wenn wir uns im Herbst hier wiedersehen, auch darüber urteilen können, ob das gut gelaufen ist oder nicht. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)