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ID0904109300

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    Plenarprotokoll 9/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt — Drucksache 9/474 — Dr. Zimmermann CDU/CSU 2235 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2243 C Wehner SPD 2244A Hoppe FDP 2248 C Dr. Wörner CDU/CSU 2250 B Dr. Ehmke SPD 2256 B Jung (Kandel) FDP 2263 C Dr. Zimmermann CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 2267 C Schmidt, Bundeskanzler 2268 A Dr. Kohl CDU/CSU 2276 A Wischnewski SPD 2283 C Genscher, Bundesminister AA 2286 C Dr. Blüm CDU/CSU 2292 B Mischnick FDP • 2297 D Dr. Apel. Bundesminister BMVg 2301C Wischnewski SPD (Erklärung nach § 30 GO) 2308 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 2309A Bahr SPD 2314C Metz CDU/CSU 2318 B Frau Dr. Wilms CDU/CSU (zur GO) . . . 2320D Löffler SPD 2320 D Namentliche Abstimmung . . . . 2321D, 2322 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/475 — Picard CDU/CSU 2323 D Würtz SPD 2325 C Gärtner FDP 2326 D Coppik SPD 2327 D, 2329 B Genscher, Bundesminister AA 2328 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 9/488 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 2329 D Esters SPD 2331 C Gärtner FDP 2332 A Offergeld, Bundesminister BMZ 2332 B Pieroth CDU/CSU 2332 D Frau Luuk SPD 2333 B Dr. Vohrer FDP 2334 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/490 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2334 D Nehm SPD 2336 B Dr. Wendig FDP 2337 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/484 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 2339 B Stöckl SPD 2343 A Dr. Zumpfort FDP 2345A Hoffmann (Saarbrücken) SPD 2349 C Würzbach CDU/CSU 2351 B Jungmann SPD 2354 A Duve SPD 2356 A Dr. Schöfberger SPD 2357 C Coppik SPD 2358 C Kleinert FDP 2359 C Hansen SPD 2360 A Mischnick FDP 2360 B Namentliche Abstimmung 2360 C Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/495 — 2362 C Nächste Sitzung 2362 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2362 B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 2235 41. Sitzung Bonn, den 3. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 4. 6. Dr. Barzel 3. 6. Dr. Geßner * 4. 6. Kittelmann * 4. 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5.6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. *) für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege, wenn Sie es sagen, wird es ganz sicher richtig sein. Ich kann mich daran nicht erinnern, aber es wird ganz sicher richtig sein. Ich habe niemals die Absicht, Ihnen die Unwahrheit zu unterstellen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ich werde das noch klären!)

    — Sie sprechen ja nachher. Vielleicht können Sie diesen Punkt dann behandeln.
    Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen sagen, daß alle diese Fragen der Rüstungskontrolle und der Abrüstung viel zu ernst sind, als daß wir darüber in eine vordergründige Polemik eintreten sollten. Mir liegt daran, darauf hinzuweisen, daß Rüstungskontrolle und Abrüstung natürlich auch verlangen, daß die eigenen Verteidigungsanstrengungen glaubwürdig sind. Hier liegt die Philosophie des Doppelbeschlusses: die Ernsthaftigkeit des Willens zur Nachrüstung und die Ernsthaftigkeit des Willens zu Verhandlungen.
    Meine Damen und Herren, zur Rüstungskontrolle gehört auch, daß alle daran Beteiligten bereit sind, die übernommenen Verpflichtungen überprüfen zu lassen. Hier möchte ich mich an die Adresse der Sowjetunion wenden und die sowjetische Führung ausdrücklich darauf hinweisen, daß jeder Fortschritt in der Rüstungskontrolle und Abrüstung uns nur dann über einen Verbalismus hinausführt, wenn die übernommenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachprüfbar und kontrollierbar sind. Das, meine Damen und Herren, ist die Philosophie unseres Vorschlages für die Vereinbarung vertrauensbildender Maßnahmen in ganz Europa. Das müssen wir sehr ernsthaft durchhalten, denn Mißtrauen ist der Feind jeder rüstungskontrollpolitischen Vereinbarung, Vertrauensbildung ist die Voraussetzung dafür.
    Wir müssen hier nicht noch einmal die Zahlen der Raketen gegeneinander aufrechnen, aber der Bundeskanzler hat in einer seiner letzten Reden im Deutschen Bundestag darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik Deutschland die Herstellung des Gleichgewichts für eine unverzichtbare Voraussetzung unserer Sicherheit hält. Ich füge hinzu — er hat das auch getan —: Dazu gehört auch, daß wir uns



    Bundesminister Genscher
    bemühen, dieses Gleichgewicht auf einem möglichst niedrigen Niveau der Rüstungen zu erreichen.
    Meine Damen und Herren, angesichts mancher Kritik an der amerikanischen Haltung möchte ich hier daran erinnern, daß bei den SALT-Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion die Vereinigten Staaten, die sich damals im Besitz einer großen Überlegenheit bei den interkontinentalen strategischen Waffen wußten, bereit waren, der anderen Weltmacht, der Sowjetunion, die Parität, d. h. die gleiche Höhe der interkontinentalen Rüstung zuzugestehen. Dazu hat die Regierung Carter außerdem gesagt: Ja, wir gestehen euch diese Parität zu, aber wir schlagen euch vor, daß ihr gar nicht so weit aufrüstet, wie wir gerüstet haben, sondern daß wir teilweise abrüsten und diese Parität auf einem niedrigen Niveau schaffen. — Dieses Angebot ist nicht von den Amerikanern abgelehnt worden — die haben es ja gemacht —, sondern die Sowjetunion hat damals dieses Angebot abgelehnt.
    Ich möchte das hier erwähnen, um deutlich zu machen, warum ich der festen Überzeugung bin, daß der Wille der neuen amerikanischen Regierung zu ernsthaften Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung ein ernsthafter Wille ist. Alles, was wir auf diesem Gebiet tun, ist ein Beitrag zur Stabilität in Europa, ist ein Beitrag zum Dialog zwischen West und Ost.
    Das hat Bedeutung auch für eine große internationale Frage, die hier heute überhaupt noch nicht behandelt worden ist, der aber eigentlich unsere gemeinsame Sorge gelten muß, nämlich für die Frage: Wie geht es in der Volksrepublik Polen weiter?
    Wir, die Bundesrepublik Deutschland, haben — zusammen mit allen unseren Partnern — durch eine Politik der strikten Nichteinmischung dafür gesorgt, daß bei den Vorgängen in der Volksrepublik Polen die Grundsätze der Schlußakte von Helsinki strikt gewahrt werden. Wir erwarten das auch von allen anderen Unterzeichnerstaaten.
    Wir als Bundesrepublik Deutschland haben in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis ganz wesentlich dazu beigetragen, daß wirtschaftliche und finanzielle Hilfe an die Volksrepublik Polen geleistet wird, soweit die dortige Führung das wünscht und für notwendig hält.
    Meine Damen und Herren, wir müssen uns immer der Tatsache bewußt sein, daß jeder Schritt zum Dialog mit der anderen Seite, daß jede Verhandlung — wie sie etwa jetzt in Madrid stattfindet — über eine europäische Abrüstungskonferenz, daß die Aufnahme der Verhandlungen über die Mittelstreckenwaffen, daß all dies Beiträge zu Rahmenbedingungen im Ost-West-Verhältnis sind, die die Aussichten dafür verbessern, daß der Prozeß der Erneuerung in der Volksrepublik Polen ohne Eingriffe von außen vollzogen werden kann.

    (Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Kiep [CDU/CSU])

    Das muß ein zentrales Interesse deutscher und europäischer Politik sein.
    Meine Damen und Herren, wenn hier eine Generalaussprache geführt wird, muß sich der Deutsche Bundestag j a wohl auch mit den Auswirkungen der gegenwärtigen internationalen Lage auf das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR befassen. Wir wissen doch alle, daß den Ausführungen, die wir hier machen, überall in der Welt eine große Aufmerksamkeit geschenkt wird, ganz besonders aber bei unseren Mitbürgern in der DDR. Ich denke, daß es notwendig ist, hier deutlich zu machen, daß wir, die Bundesrepublik Deutschland, entschlossen sind, in unserem Bemühen um den Dialog zwischen West und Ost auch die Politik fortzuführen, die wir auf der Basis des Grundlagenvertrages mit der DDR eingeleitet haben.
    Im April hat der Bundeskanzler im Deutschen Bundestag eine Reihe von Feststellungen zum deutsch-deutschen Verhältnis getroffen. Er hat darauf hingewiesen, daß natürlich das Ost-West-Verhältnis eine große Auswirkung auf das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR hat. Er hat aber auch darauf hingewiesen, daß das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR durchaus Auswirkungen haben kann auf das Ost-West-Verhältnis, also auf die Wechselwirkung zwischen beiden. Er hat unsere Einbindung in den Westen dargelegt, und er hat gerade für uns, für die Bundesrepublik Deutschland und für die DDR, Beiträge zur Friedenssicherung als eine Aufgabe konkreter Politik bezeichnet.
    Wer die Rede des Staatsratsvorsitzenden Honecker wenige Tage später sehr genau analysiert, wird darin eine Reihe von Ansätzen finden, die zeigen, daß man sich auch dort der Wechselwirkung zwischen dem deutsch-deutschen Verhältnis und der internationalen Lage, der Einflußnahme des einen auf das andere, bewußt ist, daß man sich dort auch bewußt ist, daß es sehr wohl möglich ist, daß die Bundesrepublik Deutschland und die DDR Beiträge zu einer Verbesserung der internationalen Lage leisten. Deshalb muß auch in dieser Generaldebatte im Gesamtzusammenhang der Ost-West-Beziehungen deutlich gemacht werden, daß wir, die Bundesregierung, daran interessiert sind, auch unter den heutigen schwierigen internationalen Bedingungen Fortschritte im Verhältnis zur DDR zu machen, und daß es unsere zentrale Aufgabe sein muß, alles das, was erreicht wurde, jetzt auf jeden Fall zu bewahren, nichts aufs Spiel zu setzen, alle Optionen offenzuhalten, um weitere Fortschritte zu ermöglichen. Das ist auch ein Teil unserer nationalen und unserer europäischen Verantwortung.
    Meine Damen und Herren, der Haushalt ist das Schicksalsbuch der Nation. Das ist ganz gewiß richtig. Und wer sich den ganzen Ernst der haushaltspolitischen Beratungen und Probleme vor Augen führt, wird das sicher nicht bestreiten wollen. Aber ich finde, die Haushaltsdebatte sollte auch eine Debatte sein über die Schicksalsfragen der Nation. Deshalb ist es notwendig, daß die politischen Kräfte, die in diesem Deutschen Bundestag vertreten sind, nicht nur sagen, was sie bei dem jeweils anderen für falsch halten, sondern auch, welches die Ziele sind, die sie für sich oder mit anderen verwirklichen wollen. Und hier ist ganz unbestreitbar: Wir wollen auf der Grundlage des westlichen Bündnisses, eingebet-



    Bundesminister Genscher
    tet in die Europäische Gemeinschaft, unserer europäischen und nationalen Verantwortung gerecht werden, auch im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR. Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden, als Deutsche einen Beitrag zu leisten zur Stabilisierung des Ost-West-Verhältnisses als einer Voraussetzung des Weltfriedens. Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit sich nicht aus der bitteren Not in der Dritten Welt, aus dem Unterschied der Lebensverhältnisse bei uns und in diesen Ländern eine Gefahr ergeben kann für den Frieden nicht nur in diesen Regionen, sondern für den Frieden auch bei uns.

    (Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)

    Das alles werden wir nur erreichen können, wenn wir unsere freiheitliche Ordnung als die Möglichkeit und die Chance verstehen, alle Grundfragen, die die Menschen bei uns bewegen, verantwortungsvoll zu erörtern und zu diskutieren. Deshalb müssen wir uns, wenn wir die Glaubwürdigkeit unseres Parlaments bewahren wollen, auch der Diskussion von Fragen stellen, die wir für uns schon entschieden hatten, die aber andere für sich noch nicht entschieden haben, die wir aber für unsere Politik gewinnen wollen. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Blüm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesprochen hat Herr Bundeskanzler Schmidt, gesprochen hat Herr Bundesminister Genscher; gesprochen haben die Rücktrittskandidaten der Regierung.

    (Zurufe von der SPD)

    Wenn die beiden führenden Männer der Koalition den Koalitionswagen nur mit Rücktrittsdrohungen auf Kurs halten können, dann scheint der Wagen nicht in bester Verfassung zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist der Versuch, mit der Bremse zu lenken, und das ist ein untauglicher Versuch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, Herr Bundesaußenminister, Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungswürdigkeit gehören zusammen. Deshalb existieren Innen- und Außenpolitik nicht in getrennten Welten. Soziale Gerechtigkeit ist ein Beitrag, der unsere Verteidigungswürdigkeit erhöht.
    Ich finde es, mit Verlaub gesagt, Herr Wischnewski, schon ein starkes Stück, unter den Begründungen, warum diese Koalition weiter regieren müsse, anzugeben, die internationale Lage habe sich verschlechtert. Die Koalition ist doch angetreten, den Frieden sicherer zu machen. Wenn die internationale Lage nach zehn Jahren schlechter ist, dann ist das eher ein Grund zurückzutreten. Ihre Politik ist durch die Wirklichkeit dementiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was uns die Regierung bisher an Zerfall und Zerrüttung vorgeführt hat, war, so fürchte ich, nur das Vorspiel. Der Nachrüstungsstreit des Herrn Bundeskanzlers mit Teilen seiner Partei war eher der Streit mit der angeheirateten, mit der entfernten Verwandtschaft. In der Sozialpolitik beginnt der Krach jedoch im engsten Familienkreis, und die liberale Nachbarschaft beteiligt sich mit Anfeuerungsrufen über den Gartenzaun. Herr Ehrenberg ist der Apel der Sozialpolitik, und die Arbeitslosenversicherung ist der Tornado der 80er Jahre dieser Regierung. Innerhalb von fünf Monaten mußte der Zuschuß an die Bundesanstalt um 4,6 Milliarden DM erhöht werden, und alle Fachleute wußten, daß die erste Zahl nicht stimmte. Die Bundesregierung hat noch nicht einmal die Ausrede, daß sie von den falschen Zahlen nichts gewußt hat; denn der größere Teil dieser Zahlen wurde von ihr selbst geliefert. Die Bundesregierung tappt von Desaster zu Desaster, und ihre Karawane, die Karawane des Bundeskanzlers, schleppt nicht Gold und Perlen, sie schleppt Schulden mit sich.
    Ich frage mich, unter welche Überschrift die Regierung Schmidt/Genscher gebracht werden kann, welche Spuren sie in der Geschichte unseres Landes hinterlassen wird. Ich will ja nicht bestreiten, daß die Tagesarbeit wichtig ist. Zeichen werden jedoch in der Politik nur durch eine Idee gesetzt, die die Einzelheiten zusammenhält, die die Funktion eines Hauptnenners erfüllt. Mit dem Namen Adenauer verbindet sich die Idee der Einbeziehung der Bundesrepublik in den freien Westen. Ludwig Erhard ist das Symbol von Wiederaufbau und Wohlstand. Kurt Georg Kiesinger setzte den Schlußstein im Gebäude des Nachkriegsdeutschlands. In der historischen Perspektive war seine Regierung auch die Voraussetzung des in der Demokratie unerläßlichen Wechsels. Mit dem Namen Willy Brandts verbindet sich Reformaufbruch — geradezu synonym — und der Mythos, zu neuen Ufern zu gelangen. Das alles ist keine Bewertung, sondern das ist nur der Versuch, das Protokoll des öffentlichen Bewußtseins nachzuzeichnen.
    Was waren und sind aber der Hauptnenner, das Zeichen, das die Regierung Schmidt setzt? Ich denke über diese Frage schon längere Zeit nach. Ich muß sagen: Mir ist nichts eingefallen. Helmut Schmidt ist der Prototyp des Verwalters. An seinen Verwaltungsfähigkeiten will ich gar keinen Zweifel lassen. Aber in Umbruchzeiten braucht die Republik mehr als einen Nachlaßverwalter. Wer den Staat nur verwaltet, bringt ihn auf die schiefe Ebene. Die Regierung Schmidt/Genscher ist die Regierung des Abstieges.
    Man braucht sich ja nur die sogenannte sozialliberale 10-Jahres-Bilanz anzusehen.

    (Zuruf von der SPD — Rauschender Beifall bei der CDU/CSU!)

    — Für Ihre Bilanz gibt es nun wirklich keinen Beifall. — Die Arbeitslosigkeit ist sechsmal so hoch wie 1970. Sie sagen, Herr Wischnewski, in England sei die Arbeitslosigkeit noch höher. Das wird den Arbeitslosen in Wanne-Eickel nicht trösten. Das ist ungefähr so, wie wenn das Haus brennt und man dem



    Dr. Blüm
    Hausbesitzer sagt, im Nachbarland sei Überschwemmung. Hier hat sich die Arbeitslosigkeit in zehn Jahren versechsfacht. Wie kommen Sie eigentlich dazu, sich zur Regierung des sozialen Friedens zu erklären?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Rücklagen der Rentenversicherung sind seit 1972 auf ein Viertel zusammengeschrumpft. Dabei haben die Rentner Opfer bringen müssen. Die Rente ist gekürzt worden; für einen Durchschnittsrentner macht das in 13 Jahren 21 000 DM aus. Was ist da sozialer Fortschritt, soziale Errungenschaft?
    Die Steuerabgaben der Arbeitnehmer haben sich um 40 Prozent erhöht. Was ist daran Fortschritt, Aufstieg?
    Auch mit der Wirtschaft ging es bergab. Die Zahl der Pleiten war 1980 doppelt so hoch wie 1970, und der Schuldenstand hat olympische Rekordzahlen erreicht. Die Neuverschuldung stieg seit 1970 um das Vierundzwanzigfache.
    Die Politik dieser Regierung — das wird bei den Schulden besonders deutlich — ist gegenüber der Zukunft rücksichtslos. Schulden machen heißt auf Kosten der Kinder und Kindeskinder leben. Ein guter Familienvater sorgt, spart für die Nachkommen. Dieser Vater Staat lebt auf Kosten der Nachkommen. Die Gegenwärtigen sorgen nicht für die Zukünftigen, sondern die Zukunft muß die Gegenwart finanzieren. Das ist die Sozialpolitik rückwärts, die sich in der Schuldenpolitik ausdrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    1984 werden die Zinsverpflichtungen des Bundes 23,3 Milliarden DM ausmachen, der geplante Nettokredit 20,1 Milliarden DM. Die Zinsen werden dann höher sein als die neuen Kredite. Mit anderen Worten: Die Kuh gibt weniger Milch, als sie Futter frißt. In diesem Fall schlachtet der Bauer die Kuh. Ich würde sagen: Wir begnügen uns mit einem Regierungswechsel.
    Was würde denn eigentlich einem Mann passieren, der bei seiner Bank nach einem neuen Kredit nachfragt und auf die Frage, wofür er den Kredit verwenden wolle, dem Bankdirektor antwortet, er brauche den neuen Kredit, um die Zinsen seiner alten Schulden zu bezahlen? Der würde zum Teufel gejagt. Er hätte seine Kreditwürdigkeit, seine Glaubwürdigkeit völlig verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Aufgaben der Zukunftssicherung sind am schlechtesten weggekommen. Zwischen 1970 und 1980 stiegen die Staatsausgaben um 173 %, die Investitionen allerdings nur um 97 %. Meine Damen und Herren, die Investitionen sind die Sicherung der Zukunft. Konsumverzicht heute, damit Investitionen möglich werden, heißt Konsumverzicht zugunsten des Konsums morgen. Wer heute auf Investitionen verzichtet, muß morgen auf Konsum verzichten. Das ist das Latein dieser Regierung: Heute, heute, nur nicht morgen! Oder: Nach uns die Sintflut! Das ist das Motto dieser Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben mit der Steigerung des Sozialprodukts nicht Schritt gehalten. Immer der Vergleich mit dem Ausland: Wir liegen, was die Forschungsausgaben anlangt, an letzter Stelle der vergleichbaren Industriestaaten.
    Zur Sozialpolitik: Die Familie, jener sozialpolitische Eckpfeiler, der die Zukunft trägt, ist im Sozialbudget zurückgefallen, obwohl gerade die Familienpolitik jener sozialpolitische Teil ist, der es uns ermöglicht, daß übermorgen überhaupt noch Sozialpolitik stattfinden kann. Die Kinder von heute sind die Beitragszahler von morgen. Wer eine familienfeindliche Politik betreibt, der lastet den Kindern, die jetzt geboren werden, Soziallasten auf, unter denen sie zusammenbrechen werden. Das ist eine Politik unsolidarisch gegenüber der Zukunft.
    Deshalb, meine Damen und Herren, die Zusammenfassung: Die Regierung befindet sich im Zukunftsstreik. Investitionen und Innovationen werden blockiert, und die Familie wird unterminiert. Das steht im Gegensatz zum ganzen Fortschrittspathos und Zukunftspathos sozialdemokratischer Parteitage. Sie wollten das Jahr 2000 planerisch bewältigen und haben es nicht geschafft, über das Jahr 1981 hinwegzukommen. Den Fortschritt zu verteilen, das ist relativ leicht; den Rückschritt zu verteilen, das ist schwer. Dazu bedarf es mehr als nur des Rechenstifts. Dazu braucht man ein Konzept. Aber soweit ich sehe, hat die Bundesregierung nur zwei Instrumente: Füllhorn und Klingelbeutel. Jetzt ist die Zeit des Klingelbeutels gekommen, und es wird einkassiert. Die Ausgabenpolitik war einfallslos, und die Einsammelpolitik ist konzeptionslos.
    Wer nur mit dem Radargerät des politischen Opportunismus Politik macht, den Weg des geringsten Widerstandes sucht, der wird uns nicht über die Zeiten hinwegführen, in denen Opfer und Sparen politische Notwendigkeit sind.
    Den Rückschritt zu verteilen ist deshalb schwerer, weil im Rückgang die Ungerechtigkeiten härter auffallen als im Fortschritt. Beim Fortschritt kommt nur der zu kurz, dem nicht so viel zugeteilt wird, wie ihm zusteht. Beim Rückschritt wird ihm abgenommen, da fallen die Ungerechtigkeiten härter auf. Deshalb ist eine Politik ohne Konzeption eine Politik gegen die soziale Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Bundesregierung arbeitet ja in der Spardiskussion mit dem Verfahren: Jeden Tag ein neuer Protest-Test. Getestet wird die Stärke der Reaktion auf ein Gerücht. Die neue Form der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist der amtliche Versuchsballon mit eingebautem Dementi. Geschröpft wird am Ende derjenige, der am schwächsten protestieren konnte, der sich am wenigsten gewehrt hat. Das sind im Zweifelsfall die Gruppen ohne Lobby, die Schwächsten also.
    Wir haben ein Recht darauf, hier in dieser Haushaltsdebatte von der Regierung zu erfahren, wie es weitergehen soll, woher das Geld kommen soll, um der Schuldenflut einen Damm entgegenzusetzen.



    Dr. Blüm
    Bleibt im öffentlichen Dienst alles, wie es war? Stolpern wir sehenden Auges in einen Schuldenabgrund in der Arbeitslosenversicherung? Werden die Kassen der Rentenversicherung weiter durch Manipulationen geplündert? Wie hoch wird die direkte Beteiligung der Rentner an der Krankenversicherung sein? Die Regierung antwortet auf diese so wichtigen Fragen nicht.
    Herr Bundeskanzler, wir werden jene Politik nicht mitmachen, in der Sie mit Beruhigungstherapie die Bürger einzuschläfern versuchen, um sie anschließend im Herbst zu überfallen.
    Wir wollen, daß die Spardiskussion jetzt offen geführt wird. Wir setzen auf die Einsicht der Bürger. Doch diese Spardiskussion kann nicht so geführt werden: Sie beschließen die Erhöhungen, und die Opposition ist für die Einsparungen zuständig. Erst kommt die Stunde der Wahrheit, und dann beginnt die Diskussion über die Lösungen, erst die Wahrheit, dann die Arbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das geht nach dem alten Motto: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Das finde ich gerade für eine Regierung wichtig, die im Wahlkampf auf so einem hohen Roß geritten ist. Die muß erst einmal wieder auf den Boden heruntergeholt werden. Ihr Eingeständnis des Finanzdesasters ist die Vorbedingung unserer Mitarbeit beim Sparen. Auf dieser Reihenfolge müssen wir aus Gründen der staatsbürgerlichen Erziehung bestehen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung ist j a auch Spezialist der Schuldabwälzung und Verniedlichung. Schuld sind immer die anderen: das Ausland, die Bundesbank, die Bundesanstalt für Arbeit, die Unternehmer, und jetzt suchen Sie noch die Opposition, damit Sie sich hinter dieser Wand der Vorwände verstecken können. Der Höhepunkt — wirklich der Höhepunkt — der Verdrehung, Verschleierungen, Verniedlichung ist jenes Wort des Bundesfinanzministers, in dem er sich selbst als „Vollbeschäftigungsminister" bezeichnet hat; und das bei 1 Million Arbeitslosen. Ich bin sicher, die Bürger wollen jetzt keine Beschönigung, keine Vertröstung, keine Ablenkung, sondern die harte Sprache der Tatsachen. Ich bin auch sicher, daß sie bereit zu Opfern sind. Die Bereitschaft ist auch in der Arbeitnehmerschaft vorhanden, denn sie wissen: Das meiste Geld, das nicht gespart wird, wird ihnen mit Hilfe der Lohnsteuer aus der Tasche geholt.
    Wir müssen auch über die Subventionen diskutieren. Wie ein Ölfleck breiten sich die Subventionen aus. Im Ersten Subventionsbericht 1967 waren es 138 Steuervergünstigungen in Höhe von 9,7 Milliarden DM, im Siebten Subventionsbericht aus dem Jahre 1980 sind es 182 Steuervergünstigungen mit einem Gesamtvolumen von 62,3 Milliarden DM. Insgesamt machen Finanzhilfen und Steuermindereinnahmen 87,9 Milliarden DM aus. Meine Damen und Herren, das sind 24 % des gesamten Steueraufkommens, 17 % der gesamten Ausgaben der öffentlichen Haushalte.

    (Zuruf von der SPD: Wer fordert die denn immer alle?)

    Ich stelle fest, meine Damen und Herren: Die Nachfrage nach staatlicher Unterstützung wächst. Sie wächst mit der Menge der Unterstützungen. Denn wenn schließlich viele unterstützt werden, dann empfinden die Wenigen, die noch nicht unterstützt werden, ihre Unterstützungslosigkeit als Diskriminierung. Wenn alle, warum ich nicht? Das ist der Ruf, der zunehmend populäre Plausibilität erhält. Das moderne Antidiskriminierungsgesetz müßte lauten: Jeder Mensch, ohne Rücksicht auf seine Rasse, Religion und Geschlecht, hat Anspruch auf Subventionen. — Wenn alle Subventionen erhalten, ist allerdings der generelle Umverteilungseffekt so groß, als würde niemand Subventionen erhalten. So wenig Privilegien Privilegien sind, wenn sie allen zukommen, so wenig sind Hilfen Hilfen, wenn sie allen zukommen. Die Faustregel also lautet: Subventionen für alle ist so gut wie Subventionen für niemanden. Nur: Subventionen für alle sind eben teurer, weil wir den Umverteilungsapparat mitfinanzieren müssen. Wer wirksam helfen will, muß den Empfängerkreis kleiner halten. Je größer der Kreis der Empfänger sozialer Hilfen ist, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, daß die Beschenkten ihre Geschenke selber zahlen.
    Deshalb, meine Damen und Herren, halte ich auch die Rechnung für völlig verfehlt, die heute nachmittag hier wieder aufgemacht wurde. Die Erhöhung der Sozialausgaben ist nicht identisch mit dem Ausbau des Sozialstaates,

    (Zuruf von der SPD: Sie kritisieren doch die ganze Zeit Ihre eigene Partei!)

    denn sonst wäre das Anwachsen der Arbeitslosigkeit Ausbau des Sozialstaates. Bei höherer Arbeitslosigkeit müssen nämlich höhere Beträge an Arbeitslose gezahlt werden. Wenn die Sozialpolitik so ausgeufert ist, dann ist das auch der Erfolg einer miserablen Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Inflation und Arbeitslosigkeit haben die Sozialausgaben nach oben getrieben. Das werden Sie doch nicht als Ausbau des Sozialstaates betrachten. Die Sozialpolitik ist doch der Lazarettwagen, der hinter der Inflation herfährt und die Fußkranken aufliest. Das ist doch nicht die Sozialpolitik, die wir wollen.
    Prognosen, Bürokratie und Betreuung, das ist das sozialliberale Dreigestirn der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. In dieser prognostisch gefütterten Betreuungsbürokratie entsteht ein neues Gehäuse der Hörigkeit. Die Prognose produziert die Erwartungen, welche die Bürokratie anschließend als Bedürfnisse definiert, um sie dann in Form staatlicher Betreuung zu befriedigen. Das ist das sozialpolitische Perpetuum mobile.
    Dabei gibt es so gut wie keine Prognose, die stimmt. Schmidt ist der Kimble, der immer auf der Flucht ist vor seinen eigenen Voraussagen. Immer wenn eine Voraussage nicht eintrifft, muß er wieder entwischen. Es gibt j a auch so gut wie keinen Quadratzentimeter, den wir nicht statistisch durch Gutachten oder Prognosen vermessen haben. Ich bin sicher, die Überschätzung von Statistik und Prognose



    Dr. Blüm
    simuliert Sachnotwendigkeiten, wo Freiheit im Spiel sein müßte.
    Parkinson hat sein Gesetz über die Ausdehnung der Bürokratie an Hand des englischen Kolonialministeriums exemplifiziert. Je kleiner das Empire war, um so mehr wuchs das Kolonialministerium. Vom englischen Marineministerium wußte Parkinson zu berichten: Je geringer die Zahl der Kriegsschiffe wurde, um so mehr Beamte arbeiteten im Marineministerium. Aber warum denn in die Ferne schweifen? Parkinson hätte Prachtexemplare dieses Gesetzes bei der Bundesregierung gefunden. 1960 gab es 1,3 Millionen bäuerliche Betriebe in der Bundesrepublik. Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten waren damals, 1960, 2 500 Bedienstete. Im Jahre 1980 war die Zahl der bäuerlichen Betriebe auf 797 000 geschrumpft. Aber die Zahl der Bediensteten im Ernährungsministerium und in den nachfolgenden Behörden war auf 4 416 emporgeschnellt. Mit anderen Worten, die Zahl der Bauern wurde halbiert, die Zahl der Beamten wurde verdoppelt. Das ist Parkinson à la Schmidt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wie sieht es denn in den Ländern aus? So einfach ist das?)

    — Das kann ich Ihnen ganz einfach sagen. Die Musik der Bürokratie wird in Bonn bestellt. Gespielt wird in den Ministerien nach der bürokratischen Melodie, die hier vorgegeben wird. Die Gesetze, die die Länder mit Bürokratie überschwemmen, verdanken ihren Ursprung doch diesem Bundestag.

    (Zurufe von der SPD: Da bestimmen Sie doch überall mit! — Sie sind doch in den EG-Agrarmarkt eingetreten! — Weitere Zurufe von der SPD und der FDP)