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ID0904103300

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    Plenarprotokoll 9/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksachen 9/50, 9/265 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt — Drucksache 9/474 — Dr. Zimmermann CDU/CSU 2235 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 2243 C Wehner SPD 2244A Hoppe FDP 2248 C Dr. Wörner CDU/CSU 2250 B Dr. Ehmke SPD 2256 B Jung (Kandel) FDP 2263 C Dr. Zimmermann CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 2267 C Schmidt, Bundeskanzler 2268 A Dr. Kohl CDU/CSU 2276 A Wischnewski SPD 2283 C Genscher, Bundesminister AA 2286 C Dr. Blüm CDU/CSU 2292 B Mischnick FDP • 2297 D Dr. Apel. Bundesminister BMVg 2301C Wischnewski SPD (Erklärung nach § 30 GO) 2308 C Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 2309A Bahr SPD 2314C Metz CDU/CSU 2318 B Frau Dr. Wilms CDU/CSU (zur GO) . . . 2320D Löffler SPD 2320 D Namentliche Abstimmung . . . . 2321D, 2322 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/475 — Picard CDU/CSU 2323 D Würtz SPD 2325 C Gärtner FDP 2326 D Coppik SPD 2327 D, 2329 B Genscher, Bundesminister AA 2328 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 9/488 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 2329 D Esters SPD 2331 C Gärtner FDP 2332 A Offergeld, Bundesminister BMZ 2332 B Pieroth CDU/CSU 2332 D Frau Luuk SPD 2333 B Dr. Vohrer FDP 2334 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/490 — Gerster (Mainz) CDU/CSU 2334 D Nehm SPD 2336 B Dr. Wendig FDP 2337 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/484 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 2339 B Stöckl SPD 2343 A Dr. Zumpfort FDP 2345A Hoffmann (Saarbrücken) SPD 2349 C Würzbach CDU/CSU 2351 B Jungmann SPD 2354 A Duve SPD 2356 A Dr. Schöfberger SPD 2357 C Coppik SPD 2358 C Kleinert FDP 2359 C Hansen SPD 2360 A Mischnick FDP 2360 B Namentliche Abstimmung 2360 C Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/495 — 2362 C Nächste Sitzung 2362 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 2362 B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1981 2235 41. Sitzung Bonn, den 3. Juni 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 4. 6. Dr. Barzel 3. 6. Dr. Geßner * 4. 6. Kittelmann * 4. 6. Dr. Köhler (Duisburg) 5. 6. Korber 5. 6. Frau Dr. Lepsius 5.6. Milz 5. 6. Dr. Müller * 4. 6. Frau Noth 5. 6. Reddemann * 4. 6. Frau Roitzsch 5. 6. Frau Schlei 5. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schwarz-Schilling 5. 6. Dr. Stercken 5. 6. Dr. von Weizsäcker 5. 6. Dr. Wittmann (München) * 4. 6. *) für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Daraus darf nicht — das ist mein vierter Punkt, und ich stimme in diesem Punkt mit Herrn von Hassel überein —, der Schluß gezogen werden, die Flugstunden der Piloten herabzusetzen. Herr von Hassel hat völlig recht, wenn er sagt: Jede geflogene Flugstunde erhöht die Erfahrung und ist Gewähr dafür, daß die Unfallrate gedrückt werden kann.
    Nun gehen Sie unter das, was unsere jungen Flugzeugführer noch sicher macht. Sie tragen nicht nur für deren Leben, sondern auch für das Leben der Bevölkerung eine hohe Verantwortung. Handeln Sie entsprechend, Herr Bundeskanzler!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Das interessiert den gar nicht! Er hört gar nicht zu!)

    Der Herr Bundesverteidigungsminister erzählt uns in der letzten Woche, er habe vollkommene Klarheit über den Verteidigungsetat geschaffen. Heute müssen wir den Berichten der Presse wieder entnehmen, daß die gestrichenen 200 Roland-Systeme zu Schadensersatzforderungen von seiten der Franzosen in Höhe von über 250 Millionen DM führen könnten und daß — jetzt kommt das Wichtige — bis heute von Ihrem Hause nicht geklärt werden konnte, ob und in welcher Höhe diese Mehrforderungen auf uns zukommen.
    Herr Gansel, wie ich der Presse entnehmen konnte, haben Sie diesen Streit mit Ihrem Verteidigungsminister in Ihrer Fraktion ausgetragen. Er mußte Ihnen wohl zugeben, daß da das Parlament überhaupt noch nicht einmal eingeschaltet war. Da kann ich nur sagen: Wenn Sie so wenig Klarheit über die Verhältnisse in Ihrem eigenen Haus haben, Herr Apel, dann wäre es besser, Sie gingen nicht nach Hamburg, um dort einen Kandidaten zu suchen, sondern Sie kümmerten sich um Ihr eigenes Ministerium.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte das nicht wiederholen, was ich hier an Einschränkungen in der Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte schon einmal aufgezählt habe; aber wenn das hier bestritten werden sollte, kann ich das gern noch einmal wiederholen. Ich sage nur eines.
    Das Schlimmste sind gar nicht die Auswirkungen im materiellen Bereich, das Schlimmste sind die Auswirkungen auf Ausbildungsstand und Motivation unserer Soldaten. Wenn Fahrzeug- und Panzerkilometer gekürzt werden, Übungen und Manöver beim Heer zusammengestrichen werden müssen, dann werden genau jene Probleme verschärft, die ohnehin schon am meisten kritisiert werden, nämlich Gammelei und Frust. Dies ist dann gerade bei den jungen Wehrpflichtigen der Fall. Diese jungen Wehrpflichtigen stellen sich ihrer Pflicht. Nur wollen sie gefordert sein, und nichts schadet der Bundeswehr in den Augen der jungen Wehrpflichtigen mehr als sinnloses Absitzen von Zeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Genau dazu verurteilen Sie diese jungen Leute. Wenn sie nicht üben können, wenn sie nicht ins Gelände können, wächst zu Recht der Eindruck, daß sie hier sinnlos Zeit verplempern. Auch die Qualität der Ausbildung leidet darunter. Das wissen Sie, Herr Bundeskanzler, und das weiß der Bundesverteidigungsminister.
    Aber dann ruft uns der Bundeskanzler vor kurzem in einer Sitzung des Parlaments mit Stentorstimme zu — ich zitiere:
    Aber wichtiger als Geld ausgeben ist, daß man Männer hat, die Soldat sein wollen und die ihre Pflicht ernst nehmen.
    Und in Amerika haben Sie nach einem Bericht offensichtlich vor einem amerikanischen Kreis ähnliches gesagt, wenn ich dem Zitat glauben darf — ich mache diese Einschränkung, Herr Bundeskanzler, aber es deckt sich ja mit dem, was Sie uns hier im Parlament gesagt haben —:
    Das erste, was man braucht, sind Leute. Das zweite ist, daß man sie motiviert, das dritte, daß sie gut ausgebildet werden, und viertens braucht man dann noch ein paar deutsche Mark, um ihnen Stiefel zu kaufen.
    Ich kann nur sagen: Sie haben natürlich in dem Punkt recht. Dafür haben wir Ihnen Beifall gespendet. Es kommt auf den Menschen, es kommt auf die Qualität des Soldaten an. Aber wie so häufig in Ihrer Politik: Sie sagen das Richtige, und Sie tun das Gegenteil, das Falsche. Machen Sie endlich mit dem Ernst, was Sie sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Natürlich — und das sage ich in Richtung auf den Kollegen Hoppe — muß auch die Bundeswehr sparen. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Warum sollte die Bundeswehr davon ausgenommen werden? Im übrigen tut sie das längst. Und natürlich können wir nicht jeden Wunsch der Militärs und der



    Dr. Wörner
    Techniker erfüllen. Das weiß jeder. Das gilt für alle Fraktionen.
    Natürlich weiß auch jeder im Deutschen Bundestag, daß wir nicht ohne Rücksicht auf andere Staatsausgaben die Verteidigungsausgaben ins Uferlose steigen lassen können. Aber darum geht es j a schon längst nicht mehr. Es geht darum, daß wir noch nicht einmal das Minimum dessen leisten können, was die Bundeswehr zur Erfüllung ihres Auftrages braucht. Und was die Bundeswehr braucht, das entscheiden nicht wir, das hängt nicht von unserem Belieben ab, sondern das hängt von der Bedrohung ab, und die ist nach Ihren eigenen Aussagen gewachsen. Deswegen müssen Sie etwas tun, um das Gleichgewicht der Kräfte wieder herzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mich hat es erschreckt, als ich vom Inspekteur der Luftwaffe hören mußte — wie alle anderen Mitglieder des Untersuchungsausschusses —, daß der Verteidigungsminister in der Rüstungsklausur überhaupt nicht mehr daran gedacht hat, zu fragen, welche Folgen die Streichungen für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte haben könnten.

    (Neumann [Stelle] [SPD]: Das hat er so nicht gesagt!)

    Wie weit ist es mit einem Verteidigungsminister gekommen, den das nicht mehr interessiert. Ich weiß, was ich sage.
    Niemand kann behaupten, daß sich die Bundesrepublik Deutschland das nicht leisten könne, was zur Gewährleistung ihrer Sicherheit erforderlich ist, was zur Sicherung unserer Freiheit erforderlich ist. Das Problem ist, daß Sie, Ihre Regierung, der Freiheitssicherung bei den Staatsausgaben einen immer geringeren Rang zugewiesen haben. Die entscheidende Frage, die Sie immer wieder umgehen, lautet, wie viel uns die Sicherung des Friedens und der Freiheit wert ist.
    In den Jahren Ihrer Regierung, Herr Bundeskanzler, ist der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttosozialprodukt und am Haushalt von Jahr zu Jahr gefallen. Gemessen am Haushalt — unseren Gesamtausgaben —, gemessen am Bruttosozialprodukt haben wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie so wenig für unsere äußere Sicherheit aufgewandt wie 1981. 1969 betrug der Anteil noch 23,9 %. Niemand kann sagen, daß damals Lebensstandard und Sozialstaatlichkeit in Gefahr waren. Heute ist der Anteil der Ausgaben für die Verteidigung auf 16,5 % gesunken, und das bei gewachsener Bedrohung. Dieser Anteil ist deshalb gesunken — das sage ich Ihnen, wissend, was ich damit sage —, weil Sie nicht mehr den Mut aufbringen, unserem Volk zu sagen, daß die Freiheit und der Friede eben ihren Preis haben und daß es nicht ohne Opfer geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier liegt der Kern Ihres Dilemmas. Sie haben einerseits die erforderlichen Waffensysteme beschlossen, und andererseits haben Sie den Anteil der Staatsausgaben für Verteidigung absinken lassen.
    Das ist genauso, als wenn ein Manager eines Industrieunternehmens eine komplett neue Fabrikeinrichtung bestellt und dafür einen bestimmten Teil seiner Einkünfte ansetzt. Während die Maschinen zulaufen, setzt er den Anteil der Einkünfte, den er dafür aufwenden will, fortlaufend herab und wundert sich am Ende, daß er die Maschinen nicht mehr bezahlen kann. Ich kann nur sagen: Jeder Manager einer Industriefirma, der so wirtschaften würde, würde gefeuert. Die Schlußfolgerungen können Sie selber ziehen, Herr Bundeskanzler.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tut er aber nicht!)

    Um Ihnen deutlich zu machen, welche Veränderungen wir erlebt haben, erinnere ich an den früheren Verteidigungsminister Leber, der wenigstens ab und zu den Mut hatte, unserem Volk dies ins Gedächtnis zu rufen. Ich zitiere ihn: „Es ist besser, heute mit Geld zu zahlen als morgen mit Blut." Das waren noch Zeiten, als ein Verteidigungsminister dem Volk noch da und dort gesagt hat, um was es geht.
    Jetzt will ich mich der letzten Frage zuwenden, die ganz sicher wieder kommen wird: Wie haltet ihr von der CDU/CSU es denn? Zunächst einmal, Herr Bundeskanzler und Herr Verteidigungsminister: Sie haben die Planung auch im Bereich der Bundeswehr zu verantworten. Ich war vier Jahre lang Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Es kam keine Vorlage auf den Tisch, bei der wir nicht gefragt haben: Ist das finanzierbar? Es kam keine Vorlage auf den Tisch, bei der Sie — Herr Möllemann und andere hier sind Zeuge — nicht geantwortet haben: Jawohl, es ist in der mittelfristigen Finanzplanung abgesichert.
    Nun kommen Sie nicht her, nachdem Sie falsche Prioritäten gesetzt haben, und verlangen Sie Streichungsvorschläge von der Opposition. So haben wir nicht gewettet. Die Verteilung der Rollen zwischen Regierung und Opposition kann nicht darin bestehen, daß die einen die falschen Prioritäten setzen, Begehrlichkeiten wecken, Versprechungen machen, für die populären Wohltaten zuständig sind, und die Opposition hat dann gefälligst Streichungsvorschläge zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will gar nicht alles bringen, was an Zitaten vor mir liegt. Herbert Wehner hat 1966, damals in der Opposition, dem damaligen Regierungschef entgegengeschleudert: „Was ist denn das? Für wen halten Sie uns denn? Wir sind doch anständige Leute! Wir waschen doch nicht anderer Leute Wäsche! Sie müssen den politischen Konkurs, den Sie erlitten haben, und seine Begleiterscheinungen selbst verantworten!". So hat Herbert Wehner damals geantwortet.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU])

    Helmut Schmidt sagte 1965 als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion: „Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus einer Zwickmühle



    Dr. Wörner
    herauszuholen, in die sie sich selber hineinmanövriert hat."

    (Beifall bei der CDU/CSU) So haben Sie damals gesagt.

    Wir gehen gar nicht soweit. Wie oft habe ich hier an diesem Platz dem Verteidigungsminister Apel und seinem Vorgänger namens der CDU/CSU Unterstützung und Zustimmung für das in Aussicht gestellt, was sie an nötigen und auch unpopulären Maßnahmen tun. Sie haben das hohnlachend zurückgewiesen. Ich könnte wirklich seitenlang zitieren, wie Sie sich über uns mokiert haben. Wir von der CDU/CSU haben uns doch nicht gescheut, unpopuläre Dinge draußen zu vertreten. Wir sind für die Verteidigung hingestanden, und dafür haben Sie uns im Wahlkampf als „kalte Krieger" beschimpft; da haben Sie so getan, als ob wir für den Krieg und Sie für den Frieden seien!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist nicht Schadenfreude, was uns hier bewegt; dafür sind die Dinge viel zu ernst. Wir sagen Ihnen auch diesmal wieder — im Unterschied zu Ihrer Haltung damals —: Wir sind bereit, uns für die Sicherung der Freiheit mit Ihnen in die Verantwortung zu stellen. Aber eines können wir Ihnen nicht abnehmen: die Verantwortung Ihrerseits, die Vorschläge zu machen, auf die das deutsche Volk um des Friedens willen Anspruch hat. Sie müssen dem Volk die Wahrheit sagen. Sie müssen für die Folgen dessen geradestehen, was Sie angerichtet haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehmke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine Haushaltsdebatte in einer finanz- und haushaltspolitisch ungewöhnlich schwierigen Situation. Und das ist nur ein Vorgeschmack auf die Schwierigkeiten, die wir für 1982 haben werden.

    (Zustimmung von der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ich bin gestern hier im Parlament sehr nachdenklich geworden — zumal Sie mir zurufen, Sie teilten meine Lageeinschätzung —, als der Kollege Löffler in dieser Debatte gesagt hat, daß er j a eigentlich in der ganzen Debatte gestern kein Argument gehört habe, das er nicht schon vielmals gehört habe. Er hat auch gleich selbstkritisch hinzugefügt, auch er sage nur das, was schon vielmals von uns gesagt worden sei, weil sich ja ein gewisses Ritual Ihrer Vorwürfe und unserer Antworten eingespielt hat. Meisterhaft hat das j a heute wieder Herr Wörner getan. Nicht ein Klischee hat bei ihm gefehlt. Er hat das hier soeben noch einmal meisterhaft vorgeführt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wieso nennen Sie das „Klischee"?)

    — Ich nenne das ein Klischee, weil alle Argumente, die er bringt, gestanzt sind. Man kann sie fast numerieren, wie der Kollege Löffler gesagt hat. Auf die Probleme ist er kaum eingegangen. Sehen Sie, er beklagt z. B. das Anspruchsdenken. Einer der größten Förderer des Anspruchsdenkens im militärischen Bereich ist aber Herr Wörner selbst. Ich komme gleich noch darauf zurück.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Das ist nicht Anspruch, sondern das, was notwendig ist! Sie dürfen die Begriffe nicht verwechseln!)

    Davon, daß es eine Ölkrise gegeben hat, Herr Kollege Marx, davon daß wir eine Weltwirtschaftskrise haben, davon daß alle Länder — selbst Amerika, das sehr viel reicher ist als wir — in solchen Schwierigkeiten sind, ist bei Ihnen nicht die Rede.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch gestanzt!)

    — Leider sind die Ölkrise und die Weltwirtschaftskrise nicht gestanzt, sonst würden wir z. B. nicht so viele Millionen Arbeitslose in Europa haben. Die sind nicht gestanzt, die sind leider bitteres Ergebnis dieser weltwirtschaftlichen Entwicklung.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Und Ihrer Politik!)

    Ich werde Ihnen sagen, woher das kommt. Es kommt daher — das muß ich auch dem Kollegen Kohl, der heute morgen fehlt, sagen —, daß die CDU es vermeidet — aus taktischen Gründen, und taktische Gründe sind legitim —, wirklich Alternativen darzubieten. Herr Wörner hat das soeben noch einmal ausdrücklich abgelehnt. Mir ist auch klar, warum. Erstens haben Sie keine Alternativen. Zweitens: Wenn Sie diskutieren würden über Alternativen, etwa auch über alternative Streichungen, dann würden Sie natürlich in Ihrer Partei in eine Lage kommen, der gegenüber sich die SPD mit allen ihren Diskussionen fast wie ein Mädchenpensionat ausnehmen würde, Sie müßten sich nämlich dann einmal für eine konkrete Politik entscheiden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Das hätten Sie gern!)

    Es ehrt allerdings die CDU, daß es immerhin einen Streit zwischen Herrn Geißler und Herrn Kohl darüber gibt, ob diese CDU-Politik des Sichverschweigens richtig ist. Ich sage Ihnen: Herr Geißler hat recht, aber ich hoffe, daß Herr Kohl sich durchsetzt. Das macht uns das Leben dann nämlich weiter einfacher.

    (Zuruf des Abg. Kiep [CDU/CSU])

    — Wie schwierig die Opposition, Herr Kiep, die Lage einschätzt, habe ich schon an der ungewöhnlichen Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten festgestellt, daß Herr Kohl selbstverständlich und unbestritten der Kanzlerkandidat der CDU sei. Man muß sich vorstellen, wie Strauß die Lage einschätzt, wenn dieses Wort aus seinem Munde kommt.

    (Kiep [CDU/CSU]: Sind das Ihre Sorgen?)

    Herr Kollege Wörner hat gesagt: Die Verantwortung liegt bei uns. Das ist richtig. Sie bleibt auch bei uns. Aber ich sage Ihnen, daß die Debatten

    (Zuruf des Abg. Dr. Jenninger [CDU/ CSU])




    Dr. Ehmke
    — wir haben doch da keine Sorgen, Herr Jenninger — so steril sind — im Grunde war das gestern auf weite Strecken ein furchtbarer Tag, muß ich einmal als Parlamentarier sagen —, dann liegt das daran, daß Sie die Oppositionsaufgabe in der Sache nicht erfüllen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Daß wir draußen eine zweite außerparlamentarische Opposition in Form der Friedensbewegung bekommen, hat damit auch etwas zu tun. Wir sind gewissermaßen in einer Situation, in der SPD und FDP auch noch die Opposition selber machen müssen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir übertreiben das manchmal, aber jedenfalls ist das auch ein Ergebnis dieser Situation. Darum gehe ich davon aus — auch nach der Rede des Kollegen Wörner, Herr Hoppe —, daß wir tatsächlich auch für die größere Aufgabe, die vor uns steht, nicht nur nicht ein Allparteiengremium bilden werden, sondern daß wir Koalitionspartner das unter uns werden auszumachen haben, mit den verschiedenen Akzenten, die Sie und Herr Grobecker gestern deutlich gemacht haben, die uns aber nicht hindern werden, gemeinsam zu einer Lösung zu kommen.
    Herr Kollege Wörner, ich will in diesem Zusammenhang auf Fragen der Bundeswehr eingehen. Ich meine, das liegt auch im Interesse der Bundeswehr. Man sieht an Ihrer Rede, daß Sie eigentlich gar nicht in Rechnung stellen, daß Sie dort einmal Verantwortung tragen könnten. Man muß doch sehen, daß es einfach Schwierigkeiten gibt, die sich Ihnen wie uns stellen. Es wäre segensreich, dem Kollegen Verteidigungsminister Apel bei der Bewältigung dieser Probleme zu helfen, statt in vordergründiger Polemik zu verharren.
    Im Rüstungsbereich gibt es z. B. ein Problem, das noch gar nicht in der öffentlichen Diskussion ist. Ich war noch in der Regierung, als der Tornado beschlossen wurde. Es gab damals eine wesentliche Diskussion — übrigens beim Airbus auch —: kann eigentlich Europa die Kraft aufbringen, bei der Struktur der Luftfahrtindustrie, die wir haben, eine eigene militärische und zivile Luftfahrtindustrie, die mit den Amerikanern konkurrenzfähig ist, auf die Beine zu bringen? Denn was wir jetzt hier an diesem Flugzeug sehen, das ist ja kein Wunder: das erstemal ein italienisch-englisch-deutsches Management, das erstemal eine Technologie, die wir noch nie gemacht hatten — in Deutschland nach Jahren des Nichtflugzeugbaues —; daß da die Preise davonlaufen, das ist keine Ausnahme. Das ist fast bei jedem Projekt so,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    selbst in Industrien, die mehr eingeübt und unter nationaler Führung sind. — Ja, Sie winken jetzt ab. Aber die Einwände, die damals gemacht worden sind, ob man dann noch das Geld für Nachfolgeflugzeuge haben wird oder doch wieder in Amerika kaufen muß, die Frage ist ja bis heute noch nicht beantwortet. Darüber sollten wir doch einmal diskutieren.
    Ich weiß, daß ich auf einem anderen Gebiet — dem der Europaraketen — von Ihnen als Forschungsminister sehr kritisiert worden bin, als ich das abgebrochen habe, da man die in Amerika von der Stange kaufen kann und in Japan inzwischen auch, während das bei uns im wesentlichen ein Instrument der Ozeanforschung geworden war, weil die jahrelang immer wieder in die See fielen. Da muß man sich sehr genau überlegen, was Europa dann auf dem Rüstungssektor wirklich alleine machen kann. Diese Frage sollten Sie diskutieren, statt nur gegen Apel zu polemisieren.
    Die zweite Frage ist — da hat der Kollege Wörner recht —: wir haben natürlich auch mit einigem Erstaunen gesehen, das wird ja noch zu prüfen sein, daß angeblich ein Staatssekretär einen Vertrag über die „Roland" geschlossen hat. Auch dort müssen wir fragen: reicht das Haushaltsrecht, das wir haben, aus? Müssen im Haushaltsrecht Änderungen gemacht werden? Herr Kiep, ich stimme Ihnen zu: das Parlament — da werden Sie ja sicherlich auf unserer Seite sein — kann natürlich nicht hinnehmen, daß das Haushaltsrecht verletzt wird, ohne daß das Folgen hat. Da sind wir uns einig. Das wird jetzt zu klären sein.
    Wir haben dann eine dritte Frage, die bisher mehr von den Soldaten als von den Politikern diskutiert wird, nämlich ob wir nicht bereits eine technisch überzüchtete Waffengeneration haben und ob wir nicht für die Einsatzbereitschaft von Material und Soldaten, für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr von der hochtechnisierten Rüstung weggehen müssen, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch wegen der Einsatzfragen. Ich nenne nur diese drei Fragen im Bereich der Rüstung. Nicht ein Wort von Herrn Wörner zu diesen Fragen, die die Bundeswehr noch auf Dekaden beschäftigen wird und die anderen europäischen Armeen auch.

    (Beifall bei der SPD)

    Das finde ich schade für unsere Diskussion. An den eigentlichen Problemen, vor denen dieses Haus steht, Herr Kollege Wörner, gehen Sie vorbei.
    Nun hat Herr Kollege Wörner mit Recht gesagt — das hat aber auch die Bundesregierung gesagt, und das hat die SPD in ihrer Erklärung gesagt —: auch bei knapper Haushaltslage muß die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr erhalten werden. Herr Wörner, da bin ich Ihrer Meinung. Ich teile auch Ihre Sorgen in bezug auf Ausbildung. Wenn Zeiten der Ausbildung, z. B. des Fliegens und des Fahrens ausfallen, führt das zu Problemen. Das sehe ich genauso wie Sie.
    Nur — da muß ich wieder Herrn Hoppe recht geben —: es geht natürlich nicht so, daß wir im Bundeswehrbereich so tun, als ob die Haushalts- und Finanzlage ohne Auswirkung auf diesen Bereich bleiben kann. Auch dort muß man sich ans Abspecken gewöhnen. Ein Haushalt von 42 Milliarden DM muß auch Luft darin haben, um zu improvisieren. Da werden eben auch die Soldaten, die Beamten des Verteidigungsministeriums sich auf manche größere Schwierigkeit einstellen müssen, wie in anderen Bereichen auch.



    Dr. Ehmke
    Herr Kollege Wörner, sehen Sie einmal die britische Regierung, die gestern in eine noch schwierige Lage gekommen ist, weil die Voraussagen aller vier Institute für sie schlicht verheerend sind. Es gibt dort jetzt über 2,5 Millionen Arbeitslose, und man sagt einen weiteren und schnelleren Anstieg voraus. Frau Thatcher hat eine Art Aufstand im eigenen Kabinett. Was macht sie? Sie nimmt, als konservative Regierung drastische Streichungen im Verteidigungsbereich vor gegen den Widerstand des Marineministers, gegen den der Marine.
    Herr Wörner, ich hoffe nicht, Sie dahin verstehen zu müssen, daß Ihre Empfehlung für unseren Haushalt 1982 lautet, daß man das Anspruchsdenken auf der Hardthöhe noch fördern soll, und daß Sie meinen, wir machen es etwa wie der amerikanische Präsident: Tiefe Einschnitte im Sozialbereich, und beim Verteidigungshaushalt draufsatteln. Wenn Sie das meinen, dann kommen Sie bitte her und sagen Sie das. Wir meinen das nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Theo Sommer, den Sie als Sachverständigen sicher nicht weniger schätzen als ich, hat auf der letzten Sitzung der Trilateralen Kommission in Washington — ich nehme an, Sie waren dabei, Kollege Kiep — etwas sehr Interessantes dazu gesagt. Er hat gesagt: Man muß gerade in der europäischen Lage, in der Grenzlage zu Osteuropa und zum Sowjetbereich sehr genau abschätzen, was für die Stabilität dieses Landes und was für die Stabilität in Europa das richtige Gleichgewicht zwischen sozialen Ausgaben und Verteidigungsausgaben ist. Verlust gesellschaftlicher Stabilität und gesellschaftlichen Konsenses könne durch noch so hohe Verteidigungsausgaben nicht ausgeglichen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Wörner, Sie sagen immer: Da muß man Mut haben; da muß man Mut haben. Sicher, man muß in der Politik auch Mut haben. Aber bei Ihnen hätte uns zunächst einmal, bevor Sie Mut haben, interessiert, was Ihre Analyse ist und was Ihre Stellungnahme in der Sache ist. Sie haben sich heute wie immer in Anklagen erschöpft. Wir haben nicht einen einzigen konkreten Vorschlag von Ihnen gehört.
    Und jetzt, Herr Kollege Wörner — wenn Sie einen Augenblick zuhören könnten —, komme ich zu einem Punkt, der mir besonders am Herzen liegt. Daß Offiziere und Beamte des Verteidigungsministeriums, daß die Chefs der Teilstreitkräfte in einer solche Haushaltssituation versuchen, einen möglichst großen Teil des Kuchens für ihren Bereich zu bekommen, ist das Normale in allen Steitkräften der Welt. Das ist sogar keine Spezialität der westlichen Demokratien. Das ist im Ost-Block nicht anders.
    Aber, Herr Kollege Wörner: Die Soldaten müssen sich gegenüber ihrer politischen Führung äußern. Einreißen zu lassen, daß Soldaten sich — inzwischen teilweise schon auf unterer Ebene — über die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr und über die politischen Folgen öffentlich äußern, heißt, die Armee der politischen Führung entgleiten zu lassen und die Disziplin der Armee aufzugeben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)