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    Plenarprotokoll 9/38 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 1967A, 2049 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 1967 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde 1967 B Begrüßung einer Delegation des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1967 B Begrüßung einer gemeinsamen Delegation von Mitgliedern des italienischen Senats und des italienischen Abgeordnetenhauses 1997 C Begrüßung des Staatspräsidenten von Ghana und seiner Begleitung 2029 C Wiederwahl des Abg. Dr. Czaja und des Herrn Walter Haack zu Mitgliedern des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank 2076 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Baustopp, Stationierungsstopp und Abbau der SS-20 — Drucksache 9/291 — Schmidt, Bundeskanzler 1967 D, 2000 D Dr. Kohl CDU/CSU 1972B, 2001 B Brandt SPD 1978 D Möllemann FDP 1983 D Graf Huyn CDU/CSU 1988A Dr. Ehmke SPD 1991 D Dallmeyer CDU/CSU 1997 D Hansen SPD 2001 C Dr. Corterier SPD 2003 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . . 2004 C Erklärungen nach § 31 GO Waltemathe SPD 2005 A Conradi SPD 2006 A Voigt (Frankfurt) SPD 2006 C Thüsing SPD 2007 B Kühbacher SPD 2007 C Namentliche Abstimmung 2008 B, C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts — Drucksache 9/27 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/507 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) — Drucksachen 9/443, 9/500 (neu) — Marschall SPD 2010C Hartmann CDU/CSU 2012 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2015 B Gnädinger SPD 2016 D Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 2017 D Engelhard FDP 2020 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2021 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem am 29. August 1975 in Genf unterzeichneten Genfer Protokoll zum Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle — Drucksache 9/234 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/426 — 2023 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Ausbau der Kernenergie — Drucksache 9/440 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Entsorgung — Drucksache 9/441 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Fortgeschrittene Reaktorlinien — Drucksache 9/442 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" — Drucksache 9/504 — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 2024 B Schäfer (Offenburg) SPD 2029 A Dr.-Ing. Laermann FDP 2035A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2038 B Reuschenbach SPD 2040 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2043 D Kraus CDU/CSU 2045 B Stockleben SPD 2048 B Zywietz FDP 2049 D Dr. Bugl CDU/CSU 2051 C Dr. Steger SPD 2053 C Namentliche Abstimmung 2054 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat" — Drucksachen 9/310, 9/411 — 2056 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz) — Drucksache 9/26 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/508 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/429 — Lutz SPD 2056 D Bahner CDU/CSU 2058 D Cronenberg FDP 2060 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . .2061D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 III Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 — Drucksache 9/458 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenanpassungsbericht 1981) sowie des Gutachtens des Sozialbeirats zu den Anpassungen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 1982 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1995 — Drucksache 9/290 — Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2063 B Franke CDU/CSU 2065 C Glombig SPD 2070 C Schmidt (Kempten) FDP 2073 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 6. März 1980 — Drucksache 9/427 — 2075 C Beratung der Sammelübersicht 11 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/399 — 2075 C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 02 Titelgruppe 07 (Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz) — Drucksachen 9/219, 9/413 — 2075 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission an den Rat über das Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen INLB Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG zur Bildung eines Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen über die Einkommenslage und die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse landwirtschaftlicher Betriebe in der EWG Erklärung der Kommission, die wahrscheinlich in die Niederschrift über die Ratstagung aufgenommen wird, auf der der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG erlassen wird — Drucksachen 9/108 Nr. 22, 9/372 — . . .2076A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Einbau, die Position, die Funktionsweise und die Kennzeichnung der Betätigungs-, Kontroll- und Anzeigeeinrichtungen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern — Drucksachen 9/158 Nr. 11, 9/369 — . . . 2076A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschläge für Verordnungen (EWG) des Rates — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, der Verordnung (EWG) Nr. 3330/74 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker und der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2742/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2744/75 über die Regelung für die Einfuhr und Ausfuhr von Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnissen — Drucksachen 9/127 Nr. 15, 9/403 — . . . 2076 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" — Drucksache 9/510 — 2076 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" — Drucksache 9/511 — 2076 C Nächste Sitzung 2077 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2078* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2078* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 1967 38. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 1807 B: In der vorletzten Zeile ist statt „Waffenvernichtungswaffen" zu lesen: „Massenvernichtungs-Waffen". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 5. Dr. Bardens * 26. 5. Büchner (Speyer) * 27. 5. Frau Dr. Däubler-Gmelin 27. 5. Ertl 26. 5. Frau Dr. Hamm-Brücher 26. 5. Dr. Hubrig 26. 5. Kiep 26. 5. Kleinert 26. 5. Korber 27. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 27. 5. Dr. Müller * 27. 5. Frau Noth 27. 5. Frau Pack * 27. 5. Frau Roitzsch 27. 5. Sauer (Salzgitter) ** 27. 5. Frau Schlei 27. 5. Schulte (Unna) * 27. 5. Dr. von Weizsäcker 27. 5. Dr. Zimmermann 26. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat mit Schreiben vom 20. Mai 1981 mitgeteilt, daß der Anlagen zum Stenographischen Bericht Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 20. Mai 1981 das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz (20. StrÄndG) bestätigt hat. Sein Schreiben ist als Drucksache 9/456 verteilt. Die in Drucksache 9/405 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften wird als Drucksache 9/459 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 12. Mai 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/631/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (Schädlingsbekämpfung) - Drucksache 9/158 Nr. 22 - Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur dritten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel - Drucksache 9/184 Nr. 18 -
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Nein, das möchte ich nicht. Der Vorsitzende der CDU hat seine Ausführungen auch ohne Zwischenfragen machen können. Ich habe eine begrenzte Redezeit und möchte die nutzen. —

    (Zustimmung bei der SPD)

    ... und klar zu sagen, meine Damen und Herren von der Opposition, ob man die Regierung bei schwierigen bündnispolitischen und sicherheitspolitischen Entscheidungen stützen will oder nicht. Darum geht es heute. Nicht drumherum reden!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Eppler! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Zur Entscheidung steht heute nicht der Doppelbeschluß — der ist längst gefaßt; die Frage ist, was aus ihm wird —,

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Eppler!)

    sondern zur Entscheidung steht, was man damit macht. Davon handelt die Entschließung, die Ihnen die Fraktionen der SPD und FDP unterbreitet haben. Wir unterstützen die Gemeinsame Erklärung von Washington. Die Opposition muß sich fragen lassen, ob sie guten Gewissens dagegen sein kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir unterstützen das, worin sich Bundeskanzler Schmidt und Präsident Mitterrand einig waren. Die Opposition wird sich hoffentlich nicht dagegenstellen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir unterstützen das, was Außenminister Genscher und Verteidigungsminister Apel zu den heute hier anstehenden Fragen in Rom und Brüssel ausgehandelt und mit beschlossen haben — es sind natürlich auch noch andere Fragen behandelt worden.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Dann hätten Sie unserem Antrag zustimmen können!)

    Die Opposition hat schon ein paar Wochen Zeit zur Prüfung gehabt und sollte hier keine Scheingefechte führen, da es doch in Wirklichkeit darum geht, ob man die Bemühungen der Regierung mitträgt oder nicht. Das soll man deutlich sagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dies gilt auch und gerade für den vielzitierten Doppelbeschluß. In der Gemeinsamen Erklärung Reagan/Schmidt haben beide Elemente gleiches Gewicht, so auch in der Entschließung, die Ihnen die Koalitionsfraktionen unterbreitet haben, so im Beschluß des Parteivorstandes der SPD von Ende März dieses Jahres, wo es heißt:

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Aalen!)

    Die Aufstellung von Mittelstreckenwaffen als Antwort auf die sowjetische SS-20-Rüstung wird von dem Ergebnis dieser Verhandlungen abhängig sein.
    Dann heißt es — Herr Kollege Kohl, da Sie dies gerne zusätzlich wissen wollten: das ist die wörtliche Wiedergabe dessen, was unser Parteitag im Dezember 1979 in Berlin beschlossen hat —:
    Es ist zu prüfen, ob bei fortschreitendem Verhandlungsprozeß überprüfbare Vereinbarungen — gleich Moratorien —— so steht es darin —
    über einen Produktions- und Stationierungsstopp neuer nuklearer Waffensysteme die Erfolgsaussichten von Verhandlungen zwischen NATO und Warschauer Pakt erleichtert würden.
    Das ist doch eine klare Aussage, auf den Verhandlungsprozeß bezogen, der vor uns liegt. Wir Sozialdemokraten waren und bleiben für Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Es hat mich gefreut, daß der Kollege Genscher am Sonntag in einem Interview den Grundgedanken so klar zum Ausdruck gebracht hat, als er — etwas salopp formuliert, aber auch für einen Außenminister zulässig — in der Du-Anrede an die andere Seite sagte: Stoppt eure Vorrüstung; beseitigt eure Vorrüstung; dann brauchen wir nicht nachzurüsten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wunderbar!)

    Das heißt, der Bundesaußenminister sagt — und wir sagen das auch —: Vom Prinzip her ist sogar die Nulloption noch offen. Das hängt doch nicht von uns ab; das hängt doch von einer ganzen Menge anderer Leute ab.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir deutschen Sozialdemokraten sind für jeden möglichen brauchbaren Schlüssel, der nicht nur zu Verhandlungen, sondern der zu Vereinbarungen führt.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Das ist doch glatte Illusion! Die Quittung kriegen Sie doch bei Ihrem Parteitag! Sagen Sie Ihren Leuten doch einmal ungeschönt die Wahrheit!)

    Im Dezember werden allerdings schon zwei Jahre seit dem Brüsseler Beschluß vergangen sein. Das macht die Dinge nicht leichter. Um so wichtiger ist das, was in der Gemeinsamen Erklärung von Washington zur Frage der Verhandlungen und Vorverhandlungen ausgesagt wird. Ich bitte das nochmals nachzulesen. Da sind Sie wieder bei einem Punkt, zu dem ich zu meinem Erschrecken gestern gelesen habe, daß der, der für die CDU/CSU sprach, sagte: Wir können nicht dafür sein, die Politik der aktiven Friedenssicherung zu bekräftigen, für die diese Re-



    Brandt
    gierung sich in ihrem Regierungsprogramm ausgesprochen hat. — Das kann man zur Not noch verstehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Gerede!)

    Aber, Herr Kollege Jenninger, in einer anderen Passage heißt es, daß der Westen den Bedarf an Mittelstreckenwaffen der NATO im Lichte konkreter Verhandlungsergebnisse prüfen wird. Dies bezeichnen Sie als Verbesserung und wissen nicht, daß die Koalitionsfraktionen hier das übernommen haben, was im Bündnis dazu verbindlich festgestellt worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir sind hier auf der Linie dessen, was das Bündnis für richtig hält. Also heißt es ganz logisch an dieser Stelle im vorletzten Absatz unserer Entschließung „Er" — der Bundestag, den wir dazu einladen — „unterstreicht in diesem Zusammenhang die Feststellung des Doppelbeschlusses" — wir unterstreichen nicht einen Parteitagsbeschluß, wir unterstreichen die Feststellung des Doppelbeschlusses —, „daß der Westen den Bedarf an Mittelstreckenwaffen der NATO im Licht konkreter Verhandlungsergebnisse prüfen wird". — Das ist doch im Idealfall so, daß der Bedarf auch ein Nullbedarf sein kann. Ich hoffe, daß man möglichst daran kommt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich füge hinzu: Doch sollte die Nulloption nicht zu erreichen sein, dann wäre jede Vereinbarung besser als keine Vereinbarung.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Über das, was ich jetzt sage, streiten wir in der SPD nicht, sondern darüber sind wir in der SPD einig. Aber natürlich trifft es zu, daß wir es uns nicht leicht machen, wo es um todernste Fragen geht. Dabei bin ich mir wohl bewußt, wie leicht es ist, „Gleichgewicht" oder „annäherndes Gleichgewicht" zu sagen, und wie schwer es ist, diesen Begriff dann in einem Prozeß des dauernden Wandels konkret zu erfassen. Man braucht nicht eigentlich ein Experte zu sein, um ein Gefühl davon zu bekommen, wie schwierig es ist, regionale Gleichgewichte — es geht j a da nicht nur um das unsere — im Zusammenhang mit einer globalen Balance der Kräfteverhältnisse so zu interpretieren, daß daraus vernünftige Schlüsse gezogen werden können. Ganz zu schweigen von dem nicht nur bedrückenden, sondern — ich sage — niederdrückenden Gefühl, daß die Waffentechnik noch einmal neue qualitative Sprünge macht, während gleichzeitig strategische Absprachen ins Rutschen kommen, auf die sich Kennedy und Chruschtschow vor 20 Jahren mit Ach und Krach verständigt hatten.
    Das ist doch keine Parteisache. Was sich hieraus an Fragen und Sorgen ergibt, das müßte uns doch alle nicht nur beschäftigen, sondern aufwühlen. Es wäre jedenfalls, meine verehrten Kollegen von der CDU und von der CSU, doch ganz und gar unnatürlich, wenn die deutsche Sozialdemokratie eilfertig oder gar leichtfertig über das hinwegginge, was viele in unserem Volk mit Sorge erfüllt und manche der Jungen so umtreibt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es ernst!)

    daß die Regierenden sich mit ihrem friedenspolitischen Engagement nur schwer verständlich machen können. Kann man denn wirklich die Gefahr übersehen, das wichtige Teile einer neuen Generation das Gefühl haben, wir hätten für ihre Ängste kein Verständnis? Gehört der Dialog mit den zweifelnd oder verzweifelnd Fragenden nicht auch zu dem, was Sicherheitspolitik in einem demokratischen Staat ausmacht?
    Natürlich geht es hier um Fragen, auf die es innerhalb der SPD nicht von vornherein nur eine einzige Antwort gibt.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Das gibt es nirgendwo!)

    Aber wer dies zum Anlaß für Schadenfreude nimmt, der zeigt, daß er wenig von der Antwort einer Partei verstanden hat, die den Begriff „Volkspartei" im Sinne des Godesberger Programms ganz ernst nimmt.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

    Im übrigen — ich hörte einen leichten Zwischenruf „Aalen" — wird unsere Diskussion häufig j a auch noch verzerrt wiedergegeben. Selbst hier im Bundestag — ich konnte nicht da sein — hat Herr Kollege Kohl über meine Rede in Aalen nicht auf Grund dessen berichtet, was ich wirklich gesagt habe, sondern auf Grund dessen, was ihm als das berichtet worden ist, was ich gesagt hätte.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das stand doch in der Zeitung!)

    Es sind ja auch nicht nur junge Sozialdemokraten — nicht nur junge und nicht nur Sozialdemokraten —, die bohrende Fragen stellen. Nehmen wir z. B. den erfahrenen amerikanischen Diplomaten und Historiker George Kennan. Dem fließt es doch nicht so leicht aus der Feder, wenn er sagt, beide Seiten häuften Kernwaffen an wie Leute in Trance, wie Lemminge, die sich ins Meer stürzten. Er hat sich das doch überlegt, wenn er sagt: Bei einer Million Hiroshima-Waffen müßten auch 20 % auf beiden Seiten ausreichen, um das Gleichgewicht des Schrekkens zu haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist doch nicht das Thema!)

    Er wird ja keinen Erfolg mit dem Hinweis haben,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er heizt genau die Diskussion an, die Sie wollen!)

    man sollte erst einmal auf beiden Seiten um 50 % heruntergehen;

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wer ist denn dagegen?)




    Brandt
    aber derjenige, der dies aufwirft, ist doch kein Narr.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wer ist denn dagegen? Doch nur die Sowjetunion!)

    Oder nehmen wir Carl Friedrich von Weizsäcker. Er zweifelt — Sie werden das nachgelesen haben, Herr Kollege Kohl — an dem Beschluß, den er einen unseligen nennt, und zwar nicht deshalb, weil er der Regierung etwas vorwirft, sondern deshalb, weil er die Zusammenhänge aufzeigt. Sein Votum — wie das des Grafen Baudissin und anderer — für seegestützte Raketen behält ein Gewicht, auch wenn das jetzt nicht gehen sollte.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

    Carl Friedrich von Weizsäcker macht sich Sorgen wegen der nächsten Jahre, wenn er schreibt, zum erstenmal trete er öffentlich — öffentlich! — für — ich zitiere — die große Abrüstung als Verhandlungsgegenstand ein.
    Man mag nun im einzelnen zu anderen Ergebnissen kommen, doch niemand darf das verdächtigen, was aus Sorge oder aus mitmenschlicher oder nationaler Verantwortung vorgebracht und eingebracht wird.
    Ich habe mir vorgenommen, hier und anderswo noch einmal und immer wieder darzulegen, weshalb wir uns nicht seitwärts in die Büsche schlagen können, weshalb man nicht sicher ist, wenn man die Augen schließt und glaubt, man könne sich selbst genug sein, und darzulegen, daß Unterschriftenkampagnen keine Politik ersetzen können.
    Im übrigen bin ich gegen eine isolierte Betrachtung des Mittelstreckenwaffenvorgangs. Dieses Thema gehört natürlich zu dem der Interkontinentalraketen. Deshalb ist es richtig, in der Gemeinsamen Erklärung vom SALT-Prozeß zu sprechen, in den dies wieder hineinkommt.

    (Zustimmung des Abg. Reuschenbach [SPD])

    Das gehört natürlich auch zu den Madrider Verhandlungen — auch mit dem Blick auf eine europäische Abrüstungskonferenz — und zu den Wiener Verhandlungen, so fruchtlos sie bisher auch geblieben sind; es gehört auch zu den regionalen Krisen, heute vor allem im Nahen Osten; es gehört zur zunehmenden Militarisierung der Dritten Welt und zur Rolle der Blockfreien, die, wie ich mit Befriedigung sehe, dort, wo die deutsche Außenpolitik sich äußert und andere dazu bewegt, mit ihr zusammen etwas zu tun, eine immer größere Rolle spielen. Dazu gehört auch das Nord-Süd-Verhältnis als zusätzliche Dimension von Friedenspolitik. Der Präsident François Mitterrand hat für sein Land am Donnerstag im Elysée gesagt: Die Rolle Frankreichs wird es sein, mit Nachdruck deutlich zu machen, daß es eine echte Weltgemeinschaft nicht geben kann, solange zwei Drittel des Planeten im Austausch für ihre Menschen und Güter nur Hunger und Verachtung erhalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Da muß man doch ernsthaft etwas miteinander bereden können, wie es auch schon angeklungen ist.
    Meine Damen und Herren, warum in diesem Zusammenhang nicht auch stärker von Europa sprechen, von dem, was europäische Regierungen — natürlich bei uns im Westen, aber auch darüber hinaus, in West und Ost — bei aller Bündnisloyalität tun oder zu tun sich bemühen könnten, auch die der beiden deutschen Staaten? Beide Supermächte haben ihr Risiko berechenbar gemacht, sie haben unter Erhaltung der Bündnisse bündnisüberwölbende Vereinbarungen getroffen. Nun müßte es unter Erhaltung der Bündnisse um bündnisüberwölbende Vereinbarungen für Europa gehen, damit auch für Europa das Risiko berechenbar wird.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Das ist das eigentliche Ziel der Verhandlungen, meine verehrten Kollegen, die zu erreichen die SPD dem Doppelbeschluß zugestimmt hat. Ohne Doppelbeschluß, wie die Welt aussieht — wir können sie uns nicht neu zurechtmachen —, gibt es wohl keine Verhandlungen, ohne Verhandlungen keinen Stopp der sowjetische Mittelstreckenrüstung und dann danach keinen Stopp der amerikanischen mit folgender Stationierung. Es bleibt unser erklärtes Ziel, die Option zu erreichen, die Europa auf beiden Seiten freihält von dem Teufelszeug.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    So unwahrscheinlich das von vielen gehalten wird, sowenig das einige wollen, — es muß erprobt werden, wieviel der Sowjetunion daran liegt, amerikanische landgestützte Waffen in Europa zu verhindern, die ihr Territorium erreichen können.
    Herr Kollege Kohl, für mich besteht kein Grund, nicht weiter von Entspannung zu reden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Übrigens tut es auch das Bündnis. Ihre kritische Bemerkung dazu hat, wenn ich so sagen darf, die Aktenlage nicht hinreichend berücksichtigt. Wie sieht das aus? Das Bündnis hat bei der Sitzung in Rom einmütig in Punkt 8 festgehalten:
    Sie werden den Dialog mit der Sowjetunion aufrechterhalten und gemeinsam für echte Entspannung und die Entwicklung des Ost-WestVerhältnisses arbeiten, ...

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Echte Entspannung!)

    — Waren wir je für unechte?

    (Zuruf von der SPD: Meint er!)

    Herr Kohl hat weder von echter noch von unechter gesprochen, er hat gesagt — —

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich habe vom Kommuniqué von Washington gesprochen!)

    — Augenblick! Zuhören und, wenn ich das so sagen darf, das nächste Mal noch ein bißchen besser lesen!

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)




    Brandt
    Jetzt kommt zu dem Text aus Rom, den ich eben genannt habe, der Text aus Brüssel dazu. Da heißt es in Ziffer 2:
    Diese Stabilität erfordert es, daß alle Staaten mit Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein handeln, und zwar im Interesse der Förderung echter Entspannung und der Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses .. .
    Und dann heißt es in der Gemeinsamen Erklärung von Washington:
    Der Bundeskanzler und der Präsident begrüßten und bekräftigten die Ergebnisse der jüngsten NATO-Konferenzen auf Ministerebene in Rom und Brüssel als erneuten Beweis ...

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Also ich muß schon sagen, man darf eine solche Polemik nicht anbringen, wenn man die Texte nicht hinreichend kennt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, Entspannungspolitik — vergessen wir dies nicht — mit allen Unzulänglichkeiten war dort, wo sie stattgefunden hat, nicht ohne Erfolg: Regionale Spannungen wurden abgebaut — denken wir an Berlin —; Ansätze für regionale Rüstungsbegrenzung — Wien —, so schwierig das ist; Ansätze für vertrauenbildende Maßnahmen — Helsinki, jetzt Madrid. Falsch ist es, wenn immer wieder behauptet wird, die Sowjetunion sei der Gewinner der Entspannungspolitik. Entschärfung der Konfliktpunkte liegt objektiv im Interesse beider Seiten.
    Ich muß und werde sehr zurückhaltend sein beim Thema Polen. Ich halte es für höchst fragwürdig, vor dem Hintergrund des polnischen Geschehens von allem, was östlich von uns liegt, als von einem großen östlichen GULag zu sprechen. Das ist tief ungerecht gegenüber den Polen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Aber zum anderen: Entspannung diente doch, ohne daß wir uns eingemischt haben, auch ein bißchen den Bürgern Osteuropas. Das, Herr Kollege Kohl, ist der Grund, warum uns Besucher aus der DDR und Gesprächspartner aus der Volksrepublik Polen sagen, wir möchten, so schwierig das alles geworden sei, nicht aufgeben. Wir wollen auch nicht aufgeben!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir wollen immer wieder neu ansetzen. Also sprechen wir, und wenn es noch so schwierig geworden ist, weiter vom Abbau von Spannungen und von sachlicher Zusammenarbeit.
    Dabei gilt es, deutlich zu sagen, daß es eine Perspektive für Entspannung nicht gibt, wenn sie in den nächsten vor uns liegenden Jahren, in den 80er Jahren, nicht ihre Ergänzung auf den Gebieten von Rüstungsbegrenzung und Abrüstung findet. Es ist eine Illusion, zu glauben, Europa und die Deutschen würden anders überleben.
    Die entscheidende Frage, meine Damen und Herren, ist weiterhin: Wie kommen wir über Vorgespräche, die Haig und Dobrynin führen, hinaus, oder wie kommen die Amerikaner und die Russen zu seriösen, zügigen Verhandlungen, die für beide Seiten doch noch etwas bewirken können, was nicht auf dem Weg in das große Unheil liegt, sondern auf der Linie, die trotz allem Stabilisierung des Friedens bedeuten kann?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dann auch dies noch: Ausgangspunkt und Grundlage der sozialliberalen Koalition vom Herbst 1969 war es, dem unverrückbaren Bündnis und der unerschütterlichen Freundschaft mit dem Westen etwas hinzuzufügen, nämlich den Ausgleich und — soweit dies möglich ist — sogar die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn, um den jetzt in dieser Zeit möglichen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    So sind wir angetreten. Wir konnten uns auf das Konzept der gegenseitigen Abhängigkeit von Verteidigung und Entspannung stützen, das im HarmelBericht des Bündnisses aus dem Jahre 1967 herausgearbeitet wurde. Das war wohlgemerkt, Herr Kollege Kohl, zur Zeit der Großen Koalition. Wir waren darüber zunächst auch nicht unterschiedlicher Meinung, wenn auch hinterher Teilaspekte aus diesem Bereich mit zur Beendigung jener Form von Zusammenarbeit geführt haben.
    Heute stellt sich vieles neu, doch unverändert geblieben ist für meine politischen Freunde und für mich die Pflicht, unverzagt an einer Politik der aktiven Friedenssicherung zu arbeiten. Davon handelt die Entschließung, die wir anzunehmen bitten. — Herr Präsident, ich beantrage namentliche Abstimmung zur Entschließung der Koalitionsfraktionen.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt die Ergebnisse der Reise des Bundeskanzlers wie auch die Ergebnisse der NATO-Tagungen von Rom und Brüssel, die die inhaltlichen Aussagen der Gespräche des Kanzlers in Washington vorgeprägt haben. Die Ergebnisse dieser Begegnungen der Bundesminister Apel und Genscher sowie des Bundeskanzlers unterstreichen unsere Überzeugung, daß Stetigkeit und Berechenbarkeit der Außenpolitik unverzichtbar sind für den Zusammenhalt des westlichen Bündnisses und für den Frieden in einer zunehmend unsteten und unsicheren Welt. Wir unterstützen von daher auch die Entschließung, die zu den aktuellen Fragen der Sicherheitspolitik, insbesondere zum NATO-Doppelbeschluß, eingebracht worden ist und unmißverständlich die Position der Bundesregierung, der NATO und wenn wir ehrlich sind, aller Fraktionen dieses Hauses bekräftigt.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)




    Möllemann
    Wir würden es von daher auch bedauern, wenn die Union den vorgelegten Antrag nicht unterstützen könnte, der doch die wesentlichen Inhalte der beiden Unionsanträge voll aufgenommen hat.
    Mir scheint ohnehin, daß diese Debatte um unsere Sicherheitspolitik zuviel von der Taktik und zuwenig von den Grundsätzen bestimmt wird:

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Taktik, die das Verhältnis innerhalb der Parteien kennzeichnet, Taktik des Verhältnisses zwischen den Parteien. Ich denke, wir sollten uns nicht den Luxus erlauben, hier eine sterile Diskussion zu führen, die an den Diskussionen draußen in der Bevölkerung — die ist nun einmal auch in diesen Fragen sehr kontrovers — völlig vorbeigeht. Dann würde der Bundestag seine Aufgabe verfehlen.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Ich denke darüber hinaus, Herr Kollege Dr. Kohl, es ist nicht recht einsichtig, wenn Sie versuchen, jedermann, der kritische Fragen aufwirft, gleich in eine bestimmte Ecke zu drängen. Fragen Sie doch einmal Ihren Kollegen Wissmann, der sich jetzt um die Probleme der Jugend kümmern will, fragen Sie Herrn Geißler, die beide zuletzt erklärt haben, die Union müsse deutlich machen, daß es auch in Ihren Reihen zu diesen Fragen eine kontroverse Debatte gibt! Es hilft uns wirklich nicht weiter, wenn wir diese Diskussion mit Verteufelungen führen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es hat auch keinen Sinn, die Kritiker zu diskreditieren, als kämen sie alle aus einer ganz bestimmten politischen Ecke. Statt dessen müssen wir informieren, argumentieren und überzeugen. Das haben wir eine ganze Zeitlang gerade in Fragen der Sicherheitspolitik versäumt. Natürlich müssen wir auch darüber informieren, wer sich da manchmal an manche Kampagnen anhängt oder diese gestaltet. Ein inhaltliches Ziel ist nicht allein schon deswegen schlecht, weil es auch von Leuten verfochten wird, die einem nicht gefallen.
    Ich denke, man muß, gerade weil viele der Kritiker der von allen Parteien im Grundsatz gemeinsam verfochtenen Position unterstellen, wir betrieben mit dieser Politik keine Friedenspolitik, definieren, was das Ziel unserer Außenpolitik ist: Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Sie dient in allen ihren Schritten erkennbar dem Ziel, den Frieden in Europa und in der Welt zu sichern und zu wahren. Es ist die mit vielen Opfern bezahlte historische Erfahrung unseres Volkes, daß wir mit allen unseren Kräften für ein friedliches Zusammenleben der Völker arbeiten müssen. Dazu gehört der Wille, Spannungen abzubauen und nicht zu verschärfen, einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu sichern, die Zusammenarbeit in vielfältiger Form zu fördern und überall in der Welt für die Verwirklichung der Freiheitsrechte und für soziale Gerechtigkeit einzutreten.
    Friedenspolitik ist eine übergreifende Strategie, die alle Bestandteile unserer Außenpolitik einschließt: die Partnerschaft im westlichen Verteidigungsbündnis und die enge Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, die Bereitschaft, im Rahmen der Kriegsverhinderungsstrategie des westlichen Bündnisses zur Wahrung des Gleichgewichts unseren Verteidigungsbeitrag zu leisten, das Eintreten für die Vereinigung Europas zu einer politischen Union, auf der Grundlage der Gleichberechtigung die Hilfe und Zusammenarbeit mit den Ländern der Dritten Welt bei der Lösung ihrer Entwicklungsprobleme, den Dialog zwischen Ost und West mit dem Ziel, die Entspannungspolitik fortzusetzen und Spannungen und Spannungsursachen durch Verhandlungen abzubauen bzw. ihr Entstehen zu verhindern. Diese Politik wird auch dann nicht widerlegt, wenn sie Rückschläge erleidet. Schließlich gehört dazu das Bestreben, durch Rüstungsbegrenzung und Rüstungsverminderung zu einem Gleichgewicht der Rüstungen auf möglichst niedrigem Niveau zu kommen.

    (Vorsitz : Vizepräsident Frau Renger)

    Natürlich gehören zu einer nüchternen Bestandsaufnahme und zur Darlegung der Grundsätze nicht nur die Definition der eigenen Absicht, sondern genauso die Frage und die ehrliche Antwort darauf, wer diesen Absichten eigentlich entgegenstehen könnte, oder, kürzer formuliert, eine nüchterne Bedrohungsanalyse. Hier führt nun einmal — ich denke, auch das ist gemeinsame Erkenntnis — kein Weg an der Tatsache vorbei, daß der einzige Bedrohungsfaktor für dieses Konzept der westlichen Welt der Warschauer Pakt ist. Ideologisch, strategisch und militärisch hat er seine Ziele klar definiert. Es sind Zieldefinitionen, die im übrigen dem Geist der für den politischen Bereich definierten und praktizierten Entspannung in vielen Punkten widersprechen.
    Leider — das kommt hinzu — hat er darüber hinaus sein militärisches Potential in der letzten Zeit auch deutlich gesteigert. Ich zitiere deswegen aus dem in unserer Entschließung aufgeführten Kommuniqué, dem Sie eigentlich nur zustimmen könnten. In Abs. 3 des Kommuniqués der Verteidigungsminister heißt es:
    Die Verteidigungsminister waren übereinstimmend der Auffassung, daß die sowjetische militärische Stärke in den letzten zehn Jahren im gesamten Spektrum der militärischen Einsatzmöglichkeiten unablässig ausgebaut worden ist, und zwar auf strategischem Gebiet, bei den taktischen Nuklearwaffen und auf konventionellem Gebiet. Dies steht im Widerspruch zu zahlreichen sowjetischen Erklärungen, in denen Frieden und Abrüstung befürwortet werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Entspannung!)

    Diese beunruhigende Zunahme der militärischen Stärke ermöglicht es der Sowjetunion, in vielen Teilen der Welt Druck auszuüben, insbesondere durch die zunehmende globale Mobilität ihrer Streitkräfte und die Entwicklung einer starken Seestreitmacht. All dies lief parallel zu ständigen Verbesserungen bei den Streitkräf-



    Möllemann
    ten, denen sich das Bündnis in Europa und im Atlantik gegenübersieht.
    Soweit das Zitat aus dem Kommuniqué der Verteidigungsminister. Ich denke, es beschreibt eindeutig und klar die Situation.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Nun gibt es natürlich leider immer wieder — ich glaube, weniger im Parlament, aber doch in der Öffentlichkeit — Bürger, die Zweifel haben, ob solche Kommuniqués der Verteidigungsminister hinreichend objektiv seien im Blick auf das, was der Warschauer Pakt tut oder will. Deswegen, so meine ich, ist es immer sinnvoll, Repräsentanten der anderen Seite selber zu Wort kommen zu lassen. Ich will das hier aus einer Flut von Quellen, die jedem von uns zur Verfügung stehen, nur mit zwei Zitaten tun.
    Zum einen möchte ich den Verteidigungsminister der DDR zitieren, der im Jahre 1975, was also noch gar nicht so lange her ist, erklärte:
    Nicht ein gewisses Minimum an militärischem Defensivpotential unserer Koalition, auch kein sogenanntes Gleichgewicht des Schreckens haben einen Zustand in den internationalen Beziehungen herbeigeführt, den die Menschheit erleichtert als Wende vom Kalten Krieg zur Entspannung empfindet. Die im zähen Kräfteringen der Nachkriegsjahre hart erkämpfte militärische Überlegenheit der Sowjetunion und ihrer Verbündeten über die imperialistischen Hauptmächte war es, die den Frieden sicherer, die antiimperialistischen Kräfte selbstbewußter gemacht und den weltrevolutionären Prozeß vorangebracht hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Oder aus einer strategischen Schrift eines sowjetischen Militärtheoretikers, des Generalleutnants Sawjalow aus dem Jahre 1973:
    Es gibt gerechte und ungerechte Kriege. Die ersten, die gerechten, sind die Fortsetzung der revolutionären Politik mit anderen Mitteln. Der sozialistische Staat kann seinem Wesen nach nur gerechte Kriege führen. Ein gerechter Krieg, ein Krieg gegen die Imperialisten, wird unter den derzeit gegebenen Umständen sofort ein globaler, interkontinentaler Krieg sein müssen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    und dieser globale Krieg wird immer auch ein nuklearer Krieg sein,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    der keinen Unterschied zwischen Front und Hinterland kennt.
    Ich denke, meine Damen und Herren, liebe Kollegen, auch diese Seite gehört zu einer realistischen Betrachtung; denn wenn man sie nicht so nüchtern betrachtet, ist es niemandem, schon gar nicht den jungen zweifelnden Bürgern deutlich zu machen, warum wir denn diese großen Anstrengungen unternehmen müssen.
    Ich sage in der Auseinandersetzung, die auch in meiner Partei läuft — ich glaube, sie läuft in allen Parteien —, gerade den Freunden von seiten der Jungdemokraten immer wieder: Es hat keinen Zweck, die Kritiker in ihren Vorurteilen und Unkenntnissen zu bestärken, sondern wir müssen über die Fakten aufklären, damit sie die Schlußfolgerungen, die wir ziehen, mit uns teilen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Dann darf man sie nicht so im Nebel halten wie Ihr Vorgänger!)

    — Ich habe Sie gar nicht verstanden. Ich fand, daß die Rede des Parteivorsitzenden der SPD absolut nicht undeutlich war, sondern daß er seine Position sehr präzise markiert hat.
    Schutz vor der genannten Bedrohung auf der einen Seite, aber genauso die Möglichkeit zu Rüstungskontrolle, Abrüstung und internationaler Kooperation auf der anderen Seite haben wir — auch das ist in diesem Parlament an sich Konsensus — nur auf der Grundlage eines funktionierenden westlichen Bündnisses, der NATO. Bei allen Fehlern und Schwächen einzelner Staaten und Regierungen, uns eingeschlossen, innerhalb der NATO darf es doch aber, liebe Kollegen, keinen Zweifel daran geben, daß der Westen ausschließlich defensiv ausgerichtet ist, daß er demokratisch und auf die Menschenrechte festgelegt ist.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist eine gedankenlose, wenn nicht gar böswillige Gleichsetzung der UdSSR und der USA, wenn man ihnen unterstellt, sie seien quasi auf das gleiche Ziel gerichtete Großmächte, die nicht auf unterschiedliche Werte fixiert seien.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    In diesem Punkt der Einschätzung, Herr Kollege Brandt, unterscheide ich mich von dem, was Sie gesagt haben. Ich glaube nicht, daß Rüstungs-, Aufrüstungs- oder Nachrüstungsprozesse sich selbst steuernde Prozesse sind. Ich glaube, daß sie durch politische Intentionen und Absichten gesteuert werden. Diese Intentionen und Absichten sind auf unserer Seite rein defensiv. Das kann man leider von der anderen Seite bei allen ihren politischen Aussagen und Praktiken nicht behaupten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Was ist nun im Blick auf die hier geführte Diskussion insbesondere über den Doppelbeschluß ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Blöcken? Da ist auf der einen Seite der Westen als eine offene Gesellschaft mit den Möglichkeiten der Veränderung auch dieser Politik z. B. durch Kritik und Wahlen. Es gibt Einflußmöglichkeiten, wenn auch bescheidene, der Friedens- und Konfliktforschung, Einflußmöglichkeiten durch Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Argumentation. Ein offener Disput schließlich ist im Bündnis möglich. Er wird praktiziert. Es ist doch kein Geheimnis, daß besonders das Engagement des Bundesaußen-



    Möllemann
    ministers in Rom in fairer Partnerschaft darauf Einfluß genommen hat, daß die Rüstungskontrollverhandlungen noch in diesem Jahr konkret angefangen werden. Darauf sind wir als Liberale natürlich sehr stolz.

    (Beifall bei der FDP)

    Auf der anderen Seite steht ein System, das gekennzeichnet ist von einem weitgehend geschlossenen Parteiapparat, von der Festlegung der Ziele und Werte von oben nach unten, wo es keine Veranstaltungen, keine Versammlungen, keine Demonstrationen und keine Möglichkeit des einzelnen Bürgers, wo auch immer, gibt, seinen Protest gegen Afghanistan oder die SS-20 irgendwo einzubringen. Überdies entscheidet die Sowjetunion im Warschauer Pakt in den zentralen Fragen weitgehend allein.
    Diesen Unterschied müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, wenn wir die Möglichkeit der Beeinflussung unseres Gegenübers mit Methoden erörtern, die bei uns gewollt, machbar und erfolgreich sein können,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    aber auf Grund des systematischen Unterschieds auf der anderen Seite keine Wirkung zeitigen können.
    Und nun einige Bemerkungen zum Doppelbeschluß selbst, nicht etwa zu seinem Inhalt. Über den Inhalt ist hinreichend oft diskutiert worden, obwohl ich das Gefühl habe, daß wir alle uns noch nicht genug Mühe gemacht haben, argumentativ seine Berechtigung, seine wesentlichen Zielsetzungen und unsere Hoffnungen, die sich damit verknüpfen, darzustellen. Es gibt in dieser Hinsicht noch sehr viel an Arbeit zu leisten.
    Es müssen hier drei Feststellungen getroffen werden, und zwar wiederum gemeinsam.
    Erstens. Es war das durch die sowjetische Vorrüstung im Mittelstreckenbereich entstandene Ungleichgewicht, das dazu geführt hat, daß der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zunächst die Sowjetunion und dann auch die übrigen Mitglieder der Regierung den Warschauer Pakt aufgefordert haben, diese Vorrüstung, die den Frieden und das Gleichgewicht gefährdet, einzustellen. Darauf ist nicht reagiert worden. Erst als ein Zustand erreicht wurde, der sicherheitspolitisch auch bei gewissen Toleranzbreiten nicht mehr hinnehmbar erschien, mußte das Bündnis eine Entscheidung treffen. Man muß also auch hier — und das muß man vielen Bürgern draußen immer wieder sagen — darauf hinweisen, daß der Auslöser die Besorgnis der Europäer gewesen ist und nicht eine wilde Rüstungswut unserer amerikanischen Freunde, die zunächst überzeugt und gewonnen werden mußten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Zweitens. Etwas wirklich Neues im Procedere, im Umgang der beiden Großmächte, der Blöcke miteinander war ein Vorschlag, der auf dem sicherheitspolitischen Kongreß der Liberalen in Münster entwikkelt wurde — ein bißchen muß man ja auch mal auf etwas, was man mitentwickelt hat, stolz sein dürfen —, nämlich nicht dadurch zu reagieren, daß man sagt, diesem Übergewicht setzen wir auf unserer Seite genauso eine Waffenansammlung entgegen, sondern indem man sagt, es soll eine doppelte Verfahrensweise praktiziert werden: Wir bieten den Sowjets an, auf die Aufstellung aller 572 Systeme zu verzichten, wenn sie ihrerseits bereit sind, auf dem Verhandlungsweg einen Nullzustand herbeizuführen. Gleich, ob das realistisch oder unrealistisch erscheint — es ist unser offen und ehrlich gemeintes Angebot. Hier kann also niemand sagen, es gehe uns um die Rüstung um der Rüstung willen. Es geht uns um das Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau. Wir sind bereit, auf die Aufstellung dieser Systeme zu verzichten. Wir hoffen, daß dieses doppelte Verfahren die Chance bietet, diesem Ziel näherzukommen.
    Auch hier, Herr Kollege Brandt, bin ich in einem Punkt anderer Auffassung als Sie. Sie erklärten, daß Ihnen, wenn -es denn schon nicht möglich sei, zur Null-Lösung zu kommen — ich wünschte mir wie Sie, daß wir dazu kommen —, jede Vereinbarung immer noch lieber sei als keine.

    (Brandt [SPD]: Eine ist besser als keine!)

    — Ja, gut, dann habe ich das falsch verstanden. Denn es wäre, glaube ich — wenn das unabhängig von ihrem Inhalt gemeint gewesen wäre —, eine gefährliche Entwicklung, zu sagen: Um überhaupt zu Vereinbarungen zu kommen, akzeptiert man jede.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wir meinen: Maßstab muß immer das sein, was ja auch im Doppelbeschluß niedergelegt worden ist, nämlich auf dem Verhandlungswege — wenn auch schrittweise — zu einem ungefähren Kräftegleichstand zu kommen.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Daran müssen sich die Ergebnisse messen lassen.
    Ein weiterer Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der in der öffentlichen Diskussion — ich habe das Gefühl: zunehmend — eine wichtige Rolle spielt — nicht bei denen, die grundsätzlich gegen die Nachrüstung sind, sondern bei denen, die das konkrete Konzept in Zweifel ziehen —, ist der Vorschlag, daß man dann, wenn die Verhandlungen denn schon nicht zu einem Ergebnis führten, die neuen Nuklearsysteme nicht zu Lande, sondern seegestützt aufstellen solle. Ich glaube, daß man diesen Vorschlag nicht einfach vom Tisch wischen kann; für ihn sprechen ernstzunehmende Gründe.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich meine allerdings, daß die gewichtigeren Argumente bei der NATO-Beschlußfassung dagegensprachen und letztlich überzeugender waren. Aber es ist ja überhaupt nicht schlimm, einzuräumen, daß es bei der seegestützten Aufstellung auch, wie gesagt, positive Gesichtspunkte gibt. Mich nun überzeugen hinsichtlich der landgestützten Aufstellung in mehreren europäischen NATO-Staaten weniger die militärtechnischen Argumente — sie scheinen nach beiden Richtungen hin, also pro und contra, verwendbar zu sein —, sondern mich überzeugen besonders die politischen Argumente, die ausschlaggebend waren und sind.



    Möllemann
    Da ist die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten mit der Aufstellung ihrer Systeme in Europa unterstreichen, daß sie gewillt sind, ihre Verantwortung für eine glaubhafte Abschreckung gegenüber den europäischen Bündnispartnern zu übernehmen und die Abschreckung für Europa mit der interkontinentalstrategischen Abschreckungsstreitmacht der Vereinigten Staaten glaubhaft zu koppeln. Andererseits — das ist nicht davon zu trennen — bekunden die Europäer im Wege des „risk sharing", des Teilens auch der Risiken, sichtbar ihre Solidarität mit den Vereinigten Staaten durch die Bereitschaft, die für erforderlich gehaltenen Raketensysteme in Europa stationieren zu lassen und damit das nukleare Risiko im Bündnis gemeinsam zu tragen.
    Ein weiterer Punkt, der von den Zweifelnden, den Kritikern, immer wieder vorgebracht wird, ist der Hinweis, man solle doch nicht so schnell über den Vorschlag eines Moratoriums hinweggehen; eigentlich sei ein Moratorium doch immerhin schon etwas, das könne man doch wenigstens akzeptieren.
    Bei einer ernsthaften Betrachtung der unterschiedlichen Zielsetzungen und der Ausgangslage kann einem das Angebot Leonid Breschnews, ein solches Moratorium vorzunehmen, d. h. die Zahl der Mittelstreckenwaffen, so wie sie jetzt gegeben ist, in Ost und West einzufrieren, nicht sehr seriös erscheinen. Zunächst: Wie können wir etwas einfrieren, was wir selbst noch nicht haben? Die Sowjetunion dagegen hat aber schon 220 SS-20-Abschußvorrichtungen stationiert und sich damit ein erdrückendes Übergewicht verschafft. Von daher wäre diese Situation mit der Annahme des Breschnew-Vorschlags vielleicht auf unabsehbare Zeit zementiert. Bei nüchterner Einschätzung der Situation der Willensbildung und der Entscheidungsfindung im Westen, die ja nicht einfach ist, wäre es, glaube ich, sehr schwer, das Moratorium, wenn es notwendig wäre, in einer als dafür geeignet erscheinenden Situation wieder aufzugeben, weil Rüstungskontrollverhandlungen nicht zu Ergebnissen geführt haben.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Ein letzter Hinweis, meine Damen und Herren, der immer wieder gegeben wird, ist der, daß man sagt, man solle doch einen einseitigen Verzicht praktizieren; auch das könne ja ein Einstieg sein und sozusagen vertrauensbildend wirken. Auch dies kann den, der sich ohnehin schon in einer unterlegenen Position befindet, kaum sonderlich beeindrucken, insbesondere dann nicht, wenn man sieht, daß dieser einseitige Verzicht, insbesondere im Mittelstreckenbereich, faktisch seit 1977 praktiziert wird und weiterhin bis mindestens 1984 praktiziert werden soll.
    Nach alledem wird deutlich sein, daß wir die Entschließung, die dem Haus vorliegt, unterstützen. Wir bitten die Opposition, noch einmal zu prüfen, ob sie angesichts der Auseinandersetzungen, die es in der Öffentlichkeit gibt, angesichts des Disputs, den es im übrigen auch bei manchem unserer NATO-Partner gibt — daran sind Ihre christ-demokratischen Schwesterparteien j a nicht ganz unbeteiligt, und ich hoffe, daß sich das nach den heutigen Wahlen in Holland heute nicht verschärft —, die parteitaktische Vorstellung, die ich subjektiv auch ganz gut nachvollziehen kann, zugunsten einer gemeinsamen Position zurückstellen kann, die doch von der Sache her eigentlich gegeben ist.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Wir können doch nicht dem letzten Satz zustimmen, Herr Möllemann!)

    Ich bitte Sie, das noch einmal zu prüfen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Dann muß man über die Entschließung auch reden!)

    Sie werden verstehen, daß wir die Haltung des Bundesaußenministers und des Bundeskanzlers im Zusammenhang mit den konkreten Problemen des Doppelbeschlusses und seiner Umsetzung nachdrücklich unterstützen. Niemand mehr als der deutsche Bundesaußenminister hat sich in den letzten Monaten dafür eingesetzt, daß beide Teile dieses Beschlusses realisiert werden können. Insbesondere durch seine Kontakte mit Ost und West hat er dazu beigetragen, daß der Dialog zwischen den beiden Großmächten über dieses Thema in diesem Jahr in konkrete Verhandlungen einmünden wird.
    An dieser Stelle möchte ich einmal eines deutlich sagen. Ich halte es für den Ausdruck nicht nur einer gewissen Einäugigkeit, sondern im Grunde einer absolut unkollegialen Haltung, wenn Kollegen in diesem Haus dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister deswegen, weil sie eine faire Partnerschaft mit der NATO, mit den USA praktizieren, vorwerfen, sie seien quasi Vasallen der Vereinigten Staaten von Amerika.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das darf kein Umgangston zwischen den Parteien sein. Wer so mit seinem eigenen Bundeskanzler umgeht, darf sich nicht wundern, wenn dieser so reagiert, wie er reagiert hat. Wer so auch mit dem Koalitionspartner umgeht, darf sich nicht wundern, wenn dieser nicht bereit ist, das hinzunehmen.

    (Beifall bei der FDP)

    Abschließend habe ich eine Bitte. In einer Vielzahl von Veranstaltungen, die ich selbst und, ich denke, viele Kollegen in den letzten Monaten zum Thema Sicherheitspolitik durchgeführt haben, ist deutlich geworden, daß eine große Zahl engagierter Bürger gegenüber unserer Sicherheitspolitik in bestimmten Teilbereichen Skepsis zeigt, bestimmte Entscheidungen von uns nicht nachvollziehen will oder kann. Ich meine, wir sollten darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, statt den wirklich nur taktischen Streit der Parteien über graduelle Unterschiede fortzusetzen nunmehr eine gemeinsame, von Regierung und Fraktionen des Bundestages getragene Offensive des Dialogs, der Argumente und der Überzeugung zu starten,

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Dann müßten Sie den letzten Satz Ihrer Entscheidung streichen!)

    um diejenigen für diese Politik zu gewinnen, die bislang noch nicht haben überzeugt werden können. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)