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ID0903500400

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    Plenarprotokoll 9/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 Inhalt: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Vorschläge zur kontrollierten Abrüstung der biologischen, chemischen und atomaren Waffen — Drucksache 9/200 — Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 1807 B Voigt (Frankfurt) SPD 1810C Jung (Kandel) FDP 1813A Graf Huyn CDU/CSU 1814A Männing SPD 1816 D Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 1819A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg), Pieroth, Dr. Pinger, Frau Fischer, Herkenrath, • Höffkes, Dr. Hornhues, Dr. Hüsch, Dr. Kunz (Weiden), Lamers, Dr. Möller, Dr. Müller, Dr. Pohlmeier, Repnik, Schmöle, Schröder (Lüneburg), Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/ CSU Hilfsmaßnahmen für die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries) — Drucksache 9/284 — Frau Fischer CDU/CSU 1819 D Dr. Holtz SPD 1821 D Dr. Rumpf FDP 1824 B Offergeld, Bundesminister BMZ 1826 C Dr. Pinger CDU/CSU 1829A Bindig SPD 1831A Dr. Vohrer FDP 1833 B Nächste Sitzung 1835 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1837* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1837* B II Anlage 3 Einrichtung einer bundeswehreigenen Rundfunksendung MdlAnfr 85 30.04.81 Drs 09/381 Würtz SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1837* D Anlage 4 Bezeichnung der Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohn mit Namen ehemaliger deutscher Städte im heutigen Polen MdlAnfr 86, 87 30.04.81 Drs 09/381 Merker FDP SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838*A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 Anlage 5 Finanzierungslücke bei der Bundeswehr wegen der gestiegenen Treibstoffkosten MdlAnfr 88 30.04.81 Drs 09/381 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838* B Anlage 6 Versorgung der fliegenden Verbände der Luftwaffe und der mechanisierten Teile des Heeres mit den notwendigen Mengen an Treibstoff MdlAnfr 89 30.04.81 Drs 09/381 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 1807 35. Sitzung Bonn, den 8. Mai 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 8. 5. Bahner 8. 5. Brandt * 8. 5. Büchler (Hof) 8. 5. Dr. Dollinger 8. 5. Feinendegen 8. 5. Frau Fromm 8. 5. Funke 8. 5. Dr. Geißler 8. 5. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 5. Keller 8. 5. Kittelmann 8. 5. Kohl 8. 5. Korber 8. 5. Dr. Kreile 8. 5. Kunz (Berlin) 8. 5. Lampersbach 8. 5. Lorenz 8. 5. Frau Luuk 8. 5. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 5. Michels 8. 5. Müller (Bayreuth) 8. 5. Müller (Wadern) 8. 5. Neuhaus 8. 5. Frau Noth 8. 5. Pieroth 8. 5. Dr. Schachtschabel 8. 5. Dr. Schäuble 8. 5. Schirmer 8. 5. Frau Schlei 8. 5. Schröer (Mülheim) 8. 5. Schulze (Berlin) 8. 5. Dr. Schwarz-Schilling 8. 5. Spilker 8. 5. Dr. Steger 8. 5. Dr. Warnke 8. 5. Weiß 8. 5. Dr. von Weizsäcker 8. 5. Dr. Wieczorek 8. 5. Frau Will-Feld 8. 5. Wimmer (Neuss) 8. 5. Dr. Zumpfort 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung nach Vereinbarung im Ältestenrat die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Vierter Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Rückstellungsfonds nach dem Altölgesetz, insbesondere über die Möglichkeiten Anlagen zum Stenographischen Bericht einer Ermäßigung der laufenden Zuschüsse und der Ausgleichsabgabe - Drucksache 9/288 - zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Innenausschuß Haushaltsausschuß Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1980 bis 31. März 1981 - Drucksache 9/322 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1980 - Drucksache 9/348 - zuständig: Haushaltsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Militärjunta in der Türkei - Drucksache 9/367 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Eigenmitteln der Gemeinschaft - Drucksache 9/368 - zuständig: Haushaltsausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Finanzausschuß Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 9/381 Frage 85): Wie beurteilt die Bundesregierung den immer wieder von Wehrpflichtigen geäußerten Wunsch nach einer bundeswehreigenen Rundfunksendung (analog BFN und AFN) im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Systems? Die Bundeswehr hat keine Erkenntnisse, daß die Wehrpflichtigen eine bundeswehreigene Rundfunksendung wünschen. Im übrigen wären der Verwirklichung eines solchen Wunsches durch das geltende Recht auch Grenzen gesetzt, denn die Rundfunkhoheit liegt bei den Bundesländern und ist durch die Rundfunkgesetze (Staatsverträge) geregelt. Die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk bilden die einzigen Ausnahmen. Eine bundeswehreigene Rundfunkanstalt wäre ohne eine Gesetzesänderung schwerlich zu realisieren. Auch freie Funkfrequenzen ständen kaum zur Verfügung. Die angesprochenen Rundfunksender AFN/BFN der Amerikaner und Briten 1838* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 senden für ihre Soldaten im Ausland, die ausgeschlossen sind von ihren heimischen Informationsquellen. In den Vereinigten Staaten und Großbritannien selbst gibt es diese Programme nicht. Den Soldaten der Bundeswehr stehen, wie jedem anderen Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, die Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Truppeninformation die Publikationen „bw-aktuell", „Information für die Truppe", die Schriftenreihe „Innere Führung" und die „Bundeswehr-Filmschau". Für ihre Soldaten im Ausland bietet die Bundeswehr pro Woche das einstündige Informationsangebot „info german". Daneben können sich die Soldaten und ihre Angehörigen der Auslandsprogramme der Deutschen Welle bedienen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Merker (FDP) (Drucksache 9/381 Fragen 86 und 87): Warum tragen die Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohn (soweit ich feststellen konnte, ausschließlich) Namen von früheren deutschen Städten, die heute in Polen liegen? Zeugt das nach Auffassung der Bundesregierung von besonderem Taktgefühl, wenn deutsche Soldaten ihr Lager aufschlagen in einem Biwak mit Namen wie „Breslau, Kolberg, Allenstein"? Die Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne, die zur feldmäßigen Unterbringung der übenden Truppe angelegt worden sind, wurden im Jahre 1958 mit Namen von Städten in den ehemaligen deutschen Ostgebieten benannt. Diese Art der Benennung ist auch bei Straßennamen im kommunalen Bereich üblich. Konkrete Gründe für diese Benennung lassen sich heute nicht mehr feststellen. Es ist anzunehmen, daß die Benennung seinerzeit zum Ziel hatte, die Erinnerung an Städte in den ehemaligen deutschen Ostgebieten wachzuhalten. Heute sind die Namen der Biwakplätze allen, die auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne ausgebildet werden, feste Begriffe. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 88): Treffen Meldungen zu, daß der Bundeswehr wegen der gestiegenen Treibstoffkosten Mittel in Höhe von einigen 100 Millionen DM fehlen, und welche Möglichkeiten sieht gegebenenfalls die Bundesregierung, diese unsere Sicherheit bedrohende Finanzierungslücke zu schließen? Es trifft zu, daß Preissteigerungen für Betriebsstoffe erhebliche Mehrkosten verursachen. Diese Mehrkosten bedrohen allerdings die Sicherheit nicht. Für den im Entwurf des Haushaltsplanes 1981 zugrundegelegten Bedarf an Kraftstoff sowie Schmier- und Betriebshilfsstoffen werden statt 730 Millionen DM nach dem Preisstand vom 1. April 1981 845 Millionen DM benötigt. Darüber hinaus sind wegen der Mineralölsteuererhöhung 40 Millionen DM für die Nachversteuerung von Bodenbetriebsstoffbeständen aufzuwenden. Um die von der NATO geforderte durchschnittliche Mindestflugstundenzahl von 180 Stunden pro Flugzeugbesatzung im Jahr einhalten zu können, sind darüber hinaus 54 Millionen DM zur Beschaffung von Flugkraftstoff erforderlich. Damit ergibt sich nach dem Preisstand vom 1. April 1981 insgesamt ein Mehrbedarf von 209 Millionen DM. Die Bundesregierung untersucht zur Zeit, wie dieser Mehrbedarf gedeckt werden kann. Die Untersuchung steht vor dem Abschluß. Die parlamentarischen Gremien werden in Kürze unterrichtet. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 89): Durch welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung sicherstellen, daß den fliegenden Verbänden der Luftwaffe, deren Flugbetrieb schon jetzt eingeschränkt ist, und auch den mechanisierten Teilen des Heeres wieder die für die Ausbildung und Übungen notwendigen Mengen an Treibstoff zugeführt werden, damit zukünftig die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wegen Treibstoffmangels aus fiskalischen Gründen nicht in Frage gestellt wird? Die Bundesregierung untersucht zur Zeit, wie trotz der Preissteigerungen für Mineralöl der Bedarf der Bundeswehr an Kraftstoff sowie Schmier- und Betriebshilfsstoffen finanziert werden kann. Die Untersuchung steht vor dem Abschluß. Die Bundesregierung wird die parlamentarischen Gremien in Kürze unterrichten. Gegenwärtig ergibt sich über den Ansatz im Entwurf des Haushaltsplans 1981 hinaus nach dem Preisstand vom 1. April 1981 ein weiterer Finanzbedarf von 209 Millionen DM. Dieser setzt sich zusammen aus erhöhten Betriebsstoffkosten von 115 Millionen DM, 40 Millionen DM, die auf die Erhöhung der Mineralölsteuer zurückzuführen sind, und 54 Millionen DM für die Beschaffung von Flugkraftstoff. Die Beschaffung ist erforderlich, um die von der NATO geforderte Mindestflugstundenzahl einhalten zu können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alois Mertes


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, ich äußere mich zum politischen Gesamtzusammenhang des Antrags meiner Fraktion.
    Abrüstung und Rüstungsbegrenzung bei unverminderter Sicherheit bleiben zentrale Ziele der Politik der CDU und CSU, wie sie es seit Konrad Adenauer stets waren. Seit unserem Eintritt in das westliche Bündnis haben alle CDU/CSU-geführten Bundesregierungen ausgewogene Rüstungsminderung als ein wesentliches Ziel unserer Außenpolitik behandelt, und zwar aus drei Gründen, denen eine moralisch fundierte Politik sich ganz selbstverständlich verpflichtet weiß, und zwar:
    Erstens, weil die modernen Waffenvernichtungswaffen immer mörderischer werden und im Falle eines kriegerischen Konflikts zu unvorstellbaren Katastrophen führen können;
    zweitens, weil die Rüstungsanstrengungen Energien und Kosten verschlingen, die erheblich plausibler den Hunger und Not leidenden Menschen der Dritten Welt zur Verfügung stehen;
    drittens, weil der Verzicht auf die Androhung und Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele und Rechtsauffassungen ein tragendes Prinzip unserer Außenpolitik ist, das universale Geltung beansprucht.
    Für den Gewaltverzicht gibt es nur eine Ausnahme, die auch in der Charta der Vereinten Nationen verbrieft ist, nämlich das Recht auf individuelle und gemeinsame Selbstverteidigung der Staaten. Dieser Ausnahme liegt ein moralisches Postulat zugrunde, das ich angesichts der Diskussion in diesem Lande noch einmal hervorheben möchte, nämlich daß der Staat seine Bürger schützen muß. Die biblischen Forderungen nach letzter Vollkommenheit, darunter die Forderung nach Feindesliebe und nach der Bereitschaft, auch die andere Wange hinzuhalten, wenn man auf die eine Wange geschlagen wurde, sind kein Freibrief für Gewalttäter und Gewaltandroher, die der inneren oder der internationalen Ordnung Schaden zufügen wollen. Ich darf, wenn ich das aus persönlicher Überzeugung für richtig halte, meine eigene Wange hinhalten, nicht aber die meiner Mitbürger. Als staatlicher Verantwortungsträger habe ich dem höchsten moralischen Prinzip Vorrang zu geben: dem Schutz des Nächsten, der Liebe zum Nächsten.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Wer bereit ist, sein Leben für seinen Nächsten, für seine Mitbürger zu geben, übt aus der Sicht des christlichen Ethos eine außerordentliche Form der Nächstenliebe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundesrepublik Deutschland hat bei ihrem Eintritt in das westliche Bündnis aus freien Stücken auf atomare, bakteriologische und chemische Waffen völkerrechtlich wirksam verzichtet und der Überwachung dieser Verpflichtung durch ihre Vertragspartner zugestimmt. Sie hat sich nicht nur strikt an diesen Verzicht gehalten, sondern immer



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    wieder konstruktive Beiträge, dies gilt für alle Bundesregierungen — mit dem Ziel der Begrenzung und Verminderung der ABC-Waffen geleistet. Selbst der Nachrüstungsbeschluß der NATO vom 12. Dezember 1979 enthält ein Stück Rüstungsbegrenzung, denn er begrenzt — transparent für jedermann — die Modernisierung des amerikanischen Abschreckungspotentials auf eine bestimmte Zahl, während die Sowjetunion an ihrer traditionellen Verschleierungsmethode festhält und keinerlei Obergrenze erkennen läßt. Unser Land hat ein gutes Recht, in diesen Fragen besonders aktiv zu sein und andere Staaten zu drängen, dem Beispiel aller deutschen Bundesregierungen seit Konrad Adenauer zu folgen.
    Kurz nach dem ABC-Waffenverzicht der Bundesrepublik erklärte der erste deutsche Bundeskanzler in Moskau, als er die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion, die Heimkehr der deutschen Kriegsgefangenen und die Rücksiedlung ausreisewilliger Deutscher aus der Sowjetunion vereinbarte — diese Worte sind immer noch von brennender Aktualität:
    Das oberste Gut, daß es für alle Deutschen zu wahren gilt, ist Friede.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Deutschland weiß man, daß die naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte, die seit dem letzten Krieg gemacht worden sind, den Menschen Möglichkeiten der Vernichtung in die Hand geben, an die wir nur mit Schaudern denken können. Schließlich weiß jedermann in Deutschland, daß die geographische Lage unseres Landes uns im Falle eines bewaffneten Konfliktes besonders gefährden würde.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Hoffentlich weiß es jedermann!)

    Neue Mittel zum Austrag von Differenzen und Konflikten müssen gefunden werden, Mittel, die internationale Zusammenarbeit zur Grundlage haben. Das alles ist für uns nicht Traum oder Theorie. Wo immer die Politik meiner Regierung eine Gelegenheit fand, danach zu handeln, hat sie es getan... Friede aber darf, wenn er seinen vollen Segen stiften soll, nicht gefährdet sein. Er muß gesichert sein.
    Meine Damen und Herren, im letzten Satz steckt das uns so bedrängende politische Problem: die Spannung zwischen Sicherheit und Abrüstung. Es ist die Pflicht jedes Politikers in diesem Hause, dieses Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit der Sicherheit und dem Ziel der Abrüstung deutlich zu machen. Es ist nicht so, wie der Kollege Wischnewski gestern gesagt hat, eine Partei, nämlich die SPD, habe in diesem Hause den Vorrang dafür, stets der Mahner in Richtung Abrüstung zu sein. Uns allen ist aufgegeben, der Jugend und den Menschen dieses Landes zu erklären, daß wir Abrüstung mit Sicherheit wollen und daß die Not und die Aufgabe der praktischen Politik darin besteht, beides in Einklang zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir alle waren und bleiben Mahner, und es wäre irreführend, ja gefährlich, wenn in diesem Hause irgend jemand für sich in Anspruch nähme, auf diesem Gebiet die höhere moralische Qualität zu besitzen.
    Eines aber fordern wir von dieser Bundesregierung: Sie muß angesichts des weitverbreiteten Unwissens über die Leistungen und Bemühungen aller Bundesregierungen auf diesem Gebiet seit 30 Jahren — auch über die derzeitigen Bemühungen um Abrüstung und Rüstungsbegrenzung in Wien, in Genf, in New York, im bilateralen Gespräch, im Bündnis und mit dem Bündnis — eine viel intensivere Informationsarbeit leisten.
    Immer wieder sage ich jungen Menschen: Urteilen über Menschen, über Parteien, über eine Politik darf man nur nach bestem Wissen und Gewissen. Es gibt auch eine moralische Pflicht zur Sachkunde, zum Wissen, eine Pflicht zum Kampf gegen das vordergründige und rein emotionale Urteil.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir verstehen die Abneigung gegen das ständige Wachsen der Zahl der Massenvernichtungswaffen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Die haben wir auch!)

    Wir teilen diese Abneigung. Welcher Mensch mit einem klaren Kopf und einem Herzen kann denn für eine solche Massierung von Massenvernichtungswaffen sein? Aber das ist doch nicht das Problem. Sicherheitspolitik ist eine bittere Notwendigkeit. Die Spannungsbreite zwischen Sicherheit und Abrüstung zu erläutern ist unsere Pflicht.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Glaubwürdigkeit der Abrüstungspolitik aber steht und fällt mit der effektiven Überprüfbarkeit der von den Staaten eingegangenen Verpflichtungen. Das gilt insbesondere auch für die in ihrer Wirkung verheerenden biologischen und chemischen Kampfstoffe. Die umstrittenen Vorgänge bei dem bakteriologischen Unglück im Ural von 1979 und Meldungen über den Einsatz chemischer Waffen der Sowjetunion in Afghanistan, Laos und Kambodscha — mein Kollege Graf Huyn wird darüber noch einiges sagen — werfen Kontrollfragen von größter Tragweite auf, denen sich jede ernsthafte Abrüstungspolitik stellen muß. Eine B- und C-WaffenAufrüstung wäre eine so entsetzliche Geißel für unsere Kinder und Kindeskinder, daß sie im Keim effektiv und nachprüfbar erstickt werden muß.
    Ich sage das trotz folgender bitterer Mitteilung der Bundesregierung — ich zitiere eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes —:
    Die sowjetische Militärdoktrin erkennt den Einsatz chemischer Kampfstoffe als Mittel der Kriegführung an, die Führungsgrundsätze sehen den offensiven Einsatz
    — den offensiven Einsatz —
    von C-Kampfstoffen im Rahmen der Operationsführung vor.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Offensiv! Hört! Hört! Das wissen die meisten hier nicht!)




    Dr. Mertes (Gerolstein)

    Zweifelsfreie Erkenntnisse über den Umfang der Bevorratung der WP-Streitkräfte mit chemischer Munition liegen nicht vor.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Von wann ist denn diese Mitteilung?)

    — Diese Mitteilung ist vom 27. März 1981. Es darf jedoch
    — hier kommt die entscheidende Präzisierung, Herr Kollege Würzbach —
    mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad
    — und das ist eine vorsichtige, diplomatische Mitteilung —
    angenommen werden, daß insbesondere die Sowjetunion über ein erhebliches offensives C-Potential verfügt. Hinzu kommt, daß die Sowjetunion in der Lage ist, große Mengen chemischer Kampfstoffe kurzfristig ohne Indikationen für den Westen herzustellen. Dieses trifft auch für binäre Kampfstoffe zu.
    Für den Einsatz bei den Streitkräften des WP sind entsprechende Einsatzmittel für die Verbringung chemischer Kampfstoffe vorhanden.
    Die Streitkräfte der Warschauer Pakt-Staaten verfügen über eine hohe chemische Waffenfähigkeit, die sie auch in die Lage versetzen, eigene C-Einsätze auszunutzen und längere Zeit unter C-Bedingungen zu kämpfen.
    Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die sowjetischen Streitkräfte hinsichtlich Gliederung, Einsatzmitteln, Ausbildung und eigener C-Abwehr jederzeit zum Einsatz chemischer Kampfstoffe in der Lage wären.
    Noch einige Worte zu unserem Antrag, der — so hoffe ich — für sich spricht und von dem wir hoffen, daß er für alle Fraktionen nach einer Beratung in den Ausschüssen konsensfähig sein wird; zumal begründete Aussicht besteht, daß es zu einer befriedigenden Klärung der Berlin (West) betreffenden Fragen kommen wird.
    Bei der hoffentlich baldigen Beratung des Zustimmungsgesetzes zum B-Waffen-Verbotsvertrag, dem wir von Anfang an vollinhaltlich zugestimmt haben, muß die Bundesregierung ihre eigenen Bemühungen, die Interventionen der Opposition, die Auffassungen der drei Westmächte und das Ergebnis der Konsultationen betreffend die Geltung des Vertrages in und für Berlin darzustellen.
    Im Genfer Abrüstungsausschuß der Vereinten Nationen wird seit Jahren über das totale und kontrollierte Verbot chemischer Waffen verhandelt. Aber ein Abkommen ist nicht in Sicht, weil sich die Sowjetunion gegen die Offenlegung ihrer eigenen chemischen Waffensysteme sträubt. Im Genfer Abrüstungsausschuß kam es 1972 zu dem B-Waffen-Verbotsvertrag, dem die Bundesrepublik Deutschland zu Recht beigetreten ist. Aber die Einhaltung dieses bisher einzigen wirklichen Abrüstungsvertrages ist noch nicht überprüfbar. Wir fordern eine entsprechende Regelung, durch die sich die Staaten einer wirksamen internationalen Kontrolle unterwerfen, um der Glaubwürdigkeit der Abrüstung willen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Denn die Glaubwürdigkeit der Abrüstung steht wieder einmal auf dem Spiel.
    Sie hängt ab von der immer dringlicher werdenden Transparenz der tatsächlich vorhandenen militärischen Mittel und — dies füge ich hinzu — auch von der Transparenz der Militärdoktrinen. Man kann über Abrüstung und Sicherheit nicht ernsthaft sprechen, wenn man nicht die Militärdoktrinen der Bündnisse kennt. Abrüstung darf kein Instrument der Irreführung und des Völkerbetruges werden. Einseitige Abrüstung des Westens hat vor und nach dem Zweiten Weltkrieg den Frieden gefährdet. Frieden ist ein Wort, mit dem viel Schindluder getrieben worden ist. Selbst im deutsch-sowjetischen Vertrag Hitlers mit Stalin vom 23. August 1939 steht in der Präambel, dieser Vertrag, mit dem Stalin dem anderen Diktator grünes Licht für den Angriff auf Polen, damit für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab, diene dem Frieden. Friedenssicherung durch Abrüstung bedarf äußerster Nüchternheit, wenn sie nicht zum Selbstbetrug mit bösen Folgen führen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU bleibt für Abrüstung mit Sicherheit, aber sie bleibt auch gegen Abrüstung ohne Sicherheit, weil diese dem Osten ein Arsenal der Einschüchterung, des Drucks, der Drohung und der Erpressung verschaffen würde. Darin sind wir auch mit der neuen amerikanischen Administration einig, die dem Mißbrauch der Rüstungskontrollverhandlungen zugunsten der sowjetischen Aufrüstung, nicht aber verifizierbarer und ausgewogener Rüstungskontrolle eine Absage erteilt.
    Noch ist volle B- und C-Waffen-Abrüstung möglich. Wir werden nicht aufhören, darauf zu dringen. Die Horrorvision einer Gesellschaft mit Gasmasken darf nicht Wirklichkeit werden. Die Verantwortung für die B- und C-Waffen-Abrüstung liegt offen zutage.
    Meine verehrten Kollegen, mit Hohn schrieb Lenin — ich zitiere —:
    Die sozialen Pfaffen und die Opportunisten sind gerne bereit, von dem zukünftigen friedlichen Sozialismus zu träumen.
    Lenin schwebte ein anderer Sozialismus vor: eine militärische Koalition kriegsführungsfähiger sozialistischer Nationen. Er prophezeite:
    Aus der heutigen Arbeiterbewegung wird ganz sicher, früher oder später, aber ganz sicher ein internationaler Bund schreckenerregender Nationen des revolutionären Proletariats entstehen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Und weiter:

    Wenn der Krieg bei reaktionären Sozialpfaffen,
    — damit meinte er die Sozialdemokraten —



    Dr. Mertes (Gerolstein)

    bei weinerlichen Kleinbürgern nur Schrecken, nur Erschrockenheit, nur Abscheu vor Waffengebrauch, Tod, Blut usw. erzeugt, so sagen wir dagegen: Die kapitalistische Gesellschaft war und ist immer ein Schrecken ohne Ende ...
    Wenn ihr
    ein Ende mit Schrecken bereitet wird, so haben wir keinen Grund zu verzweifeln.
    Die eiserne Konsequenz Leninscher Ideen und Handlungen ist sprichwörtlich. Bildet die Abrüstung vielleicht eine Ausnahme?
    Zur Zeit Lenins fand auf Initiative der Sowjetregierung die erste regionale Abrüstungskonferenz gerade in Moskau statt. Die sowjetische Seite schlug damals eine drastische — 75 %ige — Reduzierung der Streitkräfte sämtlicher Konferenzstaaten vor. Den Hintergrund dieser Initiative, der dann bis heute viele Initiativen ähnlicher Art folgten, bildete die wirtschaftliche Notwendigkeit des Sowjetstaates, seine Armee nach dem Bürgerkrieg zu demobilisieren. Die Abrüstungsparole sollte heißen, auch die Nachbarstaaten Sowjetrußlands zu einer Reduzierung ihrer Streitkräfte zu bringen. Diese benachbarten Teilnehmerstaaten der Moskauer Abrüstungskonferenz von 1922 waren Litauen, Lettland, Estland, Polen und Finnland. Ihr weiteres Schicksal ist nicht gerade ermutigend für Verhandlungspartner der Sowjetunion in der Abrüstungsfrage.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es gibt keinen Grund für den Westen, an der Treue der heutigen Sowjetführung am Vermächtnis Lenins zu zweifeln. Unter dem Eindruck des Risikos der Selbstvernichtungswirkung der Kernwaffen ist zwar die Leninsche These von der Unvermeidbarkeit des Krieges mit dem Westen vor 20 Jahren aufgegeben worden — ich halte diese wichtige ideologische Änderung für glaubwürdig —, aber Wachsamkeit bleibt dennoch geboten. Militärische Übermacht gegenüber dem Westen — das zeigt gerade auch die C-Waffen-Aufrüstung — dient jetzt der Clausewitzschen Erkenntnis: „Der Eroberer kommt am liebsten friedlich in unser Land", d. h. ohne Krieg. Aber zu dieser pervertierten Friedensstrategie gehört auch der Aufbau — ich sagte es schon — eines Potentials zwecks politischer Einschüchterung, indirekten und direkten Druckes, offener Drohung und, wenn nötig, massiver Erpressung.
    Die Ideen Lenins sind und bleiben ein Schlüssel zum Verständnis der sowjetischen Außen- und Abrüstungspolitik, deren Formel heute lautet: Nichtaufrüstung Chinas, Abrüstung des Westens, Aufrüstung der Sowjetunion. Dies aber ist nicht die Formel unserer westlichen Abrüstungspolitik. Vielmehr lautet sie: kontrollierte Abrüstung aller bei unverminderter Sicherheit aller — Schritt für Schritt, eindeutig und überprüfbar.
    Auch die Bäume der Aufrüstung der Sowjetunion wachsen nicht in den Himmel. Das zeigt die ständig wachsende Belastung der sowjetischen Wirtschaft durch die sowjetische Hochrüstung, gegen die Rumänien sogar schon aufbegehrt. Gerade die wirtschaftlichen Sachzwänge in der Sowjetunion rechtfertigen es, daß wir ohne Illusionen — ich wiederhole: ohne Illusionen — auf Dauer mit größeren Chancen für progressive Rüstungsminderung rechnen können, als das derzeit der Fall zu sein scheint. Wir müssen zäh und geduldig und mit der notwendigen Stärke weiterverhandeln.
    Jedenfalls sollten gerade wir Deutschen das Bestreben nicht aufgeben, daß sich im Laufe der Zeit auch die Sowjetführung unter dem zunehmenden Druck wirtschaftlicher und politischer Notwendigkeiten konstruktiver und vor allen Dingen redlicher, transparenter und offener als bisher zu einer Politik der Rüstungsminderung und Abrüstung entschließt, die für alle beteiligten Staaten und Völker sicherheitspolitisch vertretbar ist und ein wahrer Segen für die kommenden Generationen aller Völker wäre. Gerade an unsere Kinder und Enkel müssen wir denken, wenn wir von Abrüstung mit Sicherheit sprechen. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich darf davon ausgehen, daß Ihr Beitrag Begründung und Aussprache war. — Damit ist die Aussprache bereits eröffnet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karsten D. Voigt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit dieses Mißverständnis nicht häufiger vorkommt, möchte ich richtigstellen: Mein Name ist nicht Roth, ich heiße Wieczorek.

    (Heiterkeit — Dr. Marx [CDU/CSU]: Das ist doch eine Täuschung der Stenographen!)

    Nachdem Herr Dr. Mertes darauf hingewiesen hat
    — zu Recht übrigens —, daß man Abrüstung nur wollen kann, wenn sie mit Sicherheit bzw. mit einem Mehr an Sicherheit verbunden ist, möchte ich einen Satz hinzufügen, den Sie wahrscheinlich auch unterschreiben würden, aber nie mit erwähnen: Auch Rüstung ist nur dann richtig, wenn sie mit mehr Sicherheit verbunden ist;

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Richtig!)

    denn es ist eine Illusion, daß mit jedem Mehr an Rüstung automatisch ein Mehr an Sicherheit verbunden ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ich habe keine Probleme, dem zuzustimmen!)

    — Genau. Ich habe ja auch gesagt, daß Sie dem zustimmen werden.
    Das Problem besteht doch darin, daß Großmächte
    — dazu gehörten wir auf Grund unserer Geschichte früher einmal auch — nach wie vor die Illusion haben, mit jedem Mehr an Rüstung sei automatisch ein Mehr an Sicherheit verbunden.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Bei den Großmächten würde ich ein bißchen differenzieren!)

    — Ich sage in diesem Fall bewußt „Großmächte", weil der gegenwärtigen amerikanischen Admini-



    Voigt (Frankfurt)

    stration ja auch nicht gerade ein Streben nach einseitiger Abrüstung vorgeworfen werden kann. —

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Aber Herr Voigt, bitte, die haben doch schon!)

    Das Streben nach einseitigen Rüstungsmaßnahmen und der Entwicklung neuer Waffentechnologien mit dem Ziel, ein Mehr an Sicherheit zu schaffen, kann uns auf Dauer gesehen jedoch neue Kriegsrisiken bringen. Die heutige Debatte ist j a ein Anlaß, das zu erörtern, denn die Debatte über die chemischen Waffen ist ein Beispiel dafür, wie mit neuen Waffentechnologien bzw. der Entwicklung neuer Waffentechnologien neue Kriegsszenarien, neue Bedrohungen geschaffen werden und damit natürlich auch die Beherrschbarkeit von Krisen problematischer wird, weil sie komplizierter wird.
    Ich meine, wir tun gut daran — nicht um die Debatte über die Mittelstreckenproblematik zu relativieren, sondern um deutlich zu machen, daß wir nichts verschweigen wollen, was an Problemen auf uns zukommt —, zusätzlich zu der Debatte über die Mittelstreckenwaffen, die nötig ist, eine weitere Debatte über die Probleme zu führen, die im Zusammenhang mit den neuen Waffentechnologien auf uns zukommen werden. Dafür sind die chemischen Waffen ein Beispiel. Ich meine, daß das Thema Strahlenwaffen ein weiteres Beispiel sein wird, ebenso wie die Satellitenwaffen, Stichwort: Militarisierung des Weltraums. Man muß sogar fürchten, daß die Waffen, welche die Psyche beeinflussen, auch ein Problem werden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wir widmen uns bereits dem Thema!)

    Ich meine, je offener wir über diese neuen Waffensysteme, die sich zum Teil bereits sogar in der Erprobung befinden, diskutieren, je frühzeitiger wir mit der Prüfung der Frage beginnen, ob es dafür rüstungskontrollpolitische Lösungen gibt, desto mehr können wir innerhalb unserer Abrüstungspolitik an Glaubwürdigkeit gewinnen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Waffen und Strategie, über beides sollten wir reden!)

    — Über Waffen und Strategie; das finde ich übrigens richtig.
    Ich meine, daß hierbei für uns eine Grundposition unverzichtbar ist: Wir sollten versuchen, die neuen Waffen so früh wie möglich in Verhandlungen einzubeziehen, und wir sollten so früh wie möglich versuchen, Verhandlungskonzeptionen zu entwickeln. Dies ist eigentlich auch eine Forderung, die ich an das Bündnis habe, daß wir uns trotz der Schwierigkeiten bei der Rüstungskontrollpolitik, die wir gegenwärtig haben, nicht entmutigen lassen, sondern daß wir versuchen, so früh wie möglich Verhandlungskonzeptionen im Bereich der chemischen Waffen, der Strahlenwaffen, der Weltraumwaffen und der anderen Waffensysteme zu entwickeln. Wir sollten versuchen, sie auch in den Ost-West-Dialog einzubringen.
    Wenn man aber so früh wie möglich Waffensysteme in Verhandlungskonzeptionen einführt, bedeutet das, daß man auf die Frage zurückgreifen muß, ob man nicht bereits über diese neuen Waffen verhandeln muß, wenn sie noch in den Labors erprobt oder erforscht werden. Damit stellt sich tatsächlich die Frage nach der Verifikation. Deshalb ist die Aussage, die Generalsekretär Breschnew gemacht hat, indem er vor den technologischen Komponenten im Rüstungswettlauf warnte, für mich ein Anlaß zu sagen: Wer das ernst meint, muß seine bisherige Haltung in der Verifikationsfrage ändern.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Deshalb muß meiner Meinung nach die aus der Tradition der Sowjetunion verständliche, aber von mir für nicht mehr akzeptabel gehaltene Geheimhaltungsneigung sich ändern, wenn man aussichtsreich verhandeln will, auf jeden Fall, bevor man derartige Verhandlungen abschließen kann.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Richtig!)

    Dies ist eine Forderung, die ich in bezug auf chemische Waffen mit unterstütze. Es ist gar keine Frage, daß bei den chemischen Waffen eine On-site-Inspektion, d. h. eine Inspektion vor Ort, erforderlich ist, damit auf Dauer gesehen Vertrauen gewährleistet werden kann. Deshalb meine ich, daß wir aus unserer Sicht darauf drängen müssen, daß ein Vertragsabschluß, den wir j a bald erwünschen — es gibt gewisse Chancen, es gibt in der Frage der Verifikation gewisse, wenn auch nicht ausreichende Fortschritte —, mit einer ausreichenden Verifikationsmöglichkeit erfolgt.
    Bei den neuen Waffen stellen sich für uns übrigens auch neue rüstungskontrollpolitische Aufgaben im eigenen Hause. Wir sollten meiner Meinung nach überlegen, ob wir im Auswärtigen Ausschuß, im Verteidigungsausschuß oder im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle das Thema der neuen Waffen nicht nur mehr diskutieren, sondern eine bestimmte neue Verfahrensweise vereinbaren sollten, nämlich vor der Einführung neuer Waffen darüber zu diskutieren und sie daran zu messen, ob dadurch erstens neue zusätzliche sicherheitspolitische Optionen eröffnet werden; zweitens welche Auswirkungen die Einführung solcher Waffensysteme auf die Bedrohungswahrnehmung des potentiellen Gegners haben könnten; drittens welche Rüstungsentscheidungen beim potentiellen Gegner die Folge der Einführung solcher Waffen sein könnten — das ist die Frage des Rüstungswettlaufs —; viertens ob die an die Einführung der neuen Waffensysteme geknüpfte sicherheitspolitische Zielsetzung auch mit politischen Mitteln, d. h. auf dem Wege rüstungskontrollpolitischer Verhandlungen, erreicht werden kann. Wir sollten sehen, ob wir dieses nicht verfahrenstechnisch in Zukunft im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle so behandeln.
    Mir macht bei Ihrer Argumentation folgendes Sorgen. Sie überprüfen die Abrüstungsschritte immer mit sehr großer Sorgfalt auf ihre möglichen sicherheitsrelevanten Komponenten hin. Ich habe aber bisher bei der CDU/CSU nicht den Eindruck — das meine ich nicht polemisch —, daß sie in gleicher Weise aufrüstungspolitische Entscheidungen dar-



    Voigt (Frankfurt)

    aufhin prüft, ob dadurch eine destabilisierende Wirkung eintritt und ob damit tatsächlich ein Mehr an Sicherheit gewährleistet ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da irren Sie, Herr Kollege!)

    — Ich irre nicht. Denn die Debatte, die Sie bisher über TNF geführt haben, war eine Debatte, in der diese Fragen weitgehend ausgeklammert waren.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Es war eine eindeutige Bejahung einer Entscheidung, die selber auch sehr viele sicherheitspolitische Probleme aufwirft und zu hinterfragen notwendig macht. Sie selber machen das im Unterausschuß j a auch.
    Ich finde: Wenn man nicht offen sagt, daß eine solche TNF-Entscheidung unabhängig von der Überlegenheit der Sowjetunion, die ich in diesem Fall nicht nur nicht bestreite, sondern sogar deutlich sehe, für unsere Seite auch sicherheitspolitische Probleme und strategische Fragen aufwirft, wie soll man dann glaubwürdig sein in Gesprächen, wo jüngere und nicht nur jüngere Leute diese Fragen stellen?

    (Würzbach [CDU/CSU]: Der Dezember-Beschluß hat doch beide Seiten? Wenn wir das vertreten, dann vertreten wir doch die Position der Regierung!)

    — Sie irren sich, Herr Würzbach. Ich möchte Sie korrigieren. Das ist nicht allein das Problem. Das Problem ist z. B. auch, ob die Zahl der Waffen, die qualitativen Eigenschaften der Waffen und die Art ihrer Stationierung unseren Sicherheitsinteressen am meisten entsprechen. Da gibt es viele offene Fragen.
    Ich komme trotz all der dazu bestehenden Fragen und trotz der Bedenken, die ich zum Teil habe, dazu, der Regierung zu empfehlen, den Doppelbeschluß nicht aufzukündigen, sondern weiter an ihm festzuhalten. Aber ich tue nicht so, als ob es diese Fragen und Bedenken nicht geben könnte. Ich tue draußen nicht so, als wäre alles eindeutig und als gäbe es nicht Fragen und Probleme in Bereichen, wo man Fragen und Probleme auch offen eingestehen muß.
    Zuletzt zu Ihrer Kritik an der Theorie vom gerechten und vom ungerechten Krieg im Marxismus-Leninismus. Im Ansatz sehe ich Ihre Kritik ähnlich. Diese Theorie besteht. Die Sowjetunion hält an ihr fest; das ist gar keine Frage, diese Theorie taucht auch immer wieder in ihren Lexika auf.
    Die Unterscheidung zwischen gerechten und ungerechten Kriegen im Marxismus- Leninismus muß von uns zurückgewiesen werden. Die Kritik der Sowjetunion an der grundsätzlichen Bejahung des Friedens und auch an der Ablehnung von gerechten Kriegen durch die sozialdemokratische Bewegung weise ich zurück. Man kann es auch begründen, warum die Sowjetunion in dieser Frage nach meiner Meinung unrecht hat. Man sollte sich mit dieser Konzeption auch auseinandersetzen. Aber es ist nicht so, daß dort nur die Sowjetunion eine Tradition zu überwinden hat.
    Wenn Sie schon aus den marxistisch-leninistischen Glaubensbekenntnissen der Werke Lenins zitieren, dann darf ich aus Jesaja 2, Vers 4, zitieren. Da heißt es:
    Und er wird richten unter den Heiden und strafen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden hinfort nicht mehr kriegen lernen.
    Das heißt doch nichts anderes, als daß auch im Alten Testament die Vorstellung besteht, daß, wenn die gerechte Sache siegt, das endgültige Friedensreich anbricht.
    In gewisser Weise ist diese marxistisch-leninistische Theorie schon im Alten Testament angelegt. Deshalb sage ich einmal: Der Marxismus-Leninismus ist in gewisser Weise auch eine säkularisierte Religionsauffassung. Wenn wir sogar den Christen zutrauen, daß sie diese alttestamentarische Auffassung überwinden — wie wir zur Zeit in der Kirche sehen, ist es ja nicht das Hauptproblem, daß dort am meisten an der alttestamentarischen Theorie festgehalten wird; auf dem Kirchentag werden wir das sehen; es war das Problem füherer Christen, daß sie so leichtfertig waren, Waffen zu segnen —, daß sie ihre meiner Meinung nach bedenkliche Konzeption vom gerechten Krieg fallenlassen, warum sollten wir dann nicht auch Marxisten-Leninisten so etwas zutrauen?

    (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Was heißt hier „sogar"?)

    Die Theorie von der friedlichen Koexistenz ist ein erster Ansatz; er ist noch nicht genug. Auch die Theorie von der Vermeidbarkeit des Atomkriegs ist ein erster Ansatz; er ist noch nicht genug. Vor allen Dingen ist es wichtig, daß wir nicht noch 2 000 Jahre warten dürfen; denn dann ist die Welt, glaube ich, nicht mehr zu retten. Aber wir sollten nicht davon ausgehen, daß das, nur weil es Lenin so gesagt hat, eine Aussage für die praktische Politik der Sowjetunion auf alle Ewigkeit ist.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das habe ich auch gesagt!)

    Deshalb müssen wir bei aller Kritik an diesem Grundsatz versuchen, gleichzeitig denjenigen, den wir noch als potentiellen Gegner empfinden

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der sich selbst so empfindet!)

    und der sich auch selber so definiert, in seinem praktischen Verhalten allmählich zu einem Partner in der Sicherheit zu machen und, wenn es, auf Dauer gesehen, möglich ist, auch seine grundsätzliche theoretische Konzeption so zu beeinflussen, daß er seine meiner Meinung nach verkehrte Konzeption in Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik, soweit sie dort beschrieben worden ist, auch konzeptionell überwindet. Das ist eine langfristige Konzeption, das ist eine notwendige Konzeption; denn wenn man nur auf dem Bestehenden verharrt, wird man die Welt nicht verändern können. Wir müssen diese langfristige Idee vertreten, weil diese langfristige



    Voigt (Frankfurt)

    Hoffnung eigentlich auch ein genuin christliches Prinzip ist, weil es ein Moment von Hoffnung ist, das wir auch Jüngeren vermitteln können, und weil wir auch wahrscheinlich nur mit diesem Moment an Hoffnung überleben können und Politik gestalten können.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Und auf der Grundlage läßt sich weiter diskutieren!)