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ID0902626700

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    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Richard Wurbs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Verzeihen Sie. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Nein.
    Dr. Kohl [CDU/CSU]: Herr Bundeskanzler, es ist doch nicht zu übersehen, daß die Zunahme an Gewaltbereitschaft im Lande viele unserer Mitbürger tief verunsichert. Sie fragen: Wo bleibt der Staat; wo bleibt das Recht? Wie kommt es, daß viele — beileibe nicht alle, aber viele — junge Mitbürger in ihrer Ungeduld so brutal und in ihrer Verachtung des Rechts so leicht bereit sind, Gewalttäter als Hilfstruppen zu akzeptieren? — Dies ist eine Frage, die sich für uns alle stellt. Wir müssen nach den Ursachen forschen, weshalb in diesem — gemessen an anderen Ländern — so wohlhabenden Lande Bundesrepublik Deutschland Mißstände und Mangelerscheinungen für viele unserer Mitbürger Grund genug sind, ihre Anliegen so zu verfechten, daß es eine Subkultur von Gewalttätern geradezu einlädt, sich als Trittbrettfahrer der Gewalt zu beteiligen.
    Meine Damen und Herren, ich warne vor jenen z. T. hier auch heute gegebenen Erklärungen, mit der in diesen Tagen serienweise „Persilscheine" verteilt wurden: Grund der Demonstration sei der Protest gegen die Wohnungsnot und die Gewaltaktionen seien von den Demonstranten unerwünscht, aber sie seien nicht zu verhindernde Begleiterscheinungen einzelner chaotischer Trupps. Herr Bundeskanzler, wir erwarten von Ihnen, wenn wir uns mit diesen Verhältnissen heute befassen müssen, ein Wort zu dem Tatbestand: Wenn es in der Bundesrepublik Deutschland 1981, 32 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik, wieder Wohnungsnot gibt, dann ist das doch das Ergebnis Ihrer Politik, Ihres Versagens in diesen Jahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Er hört nicht einmal zu!)




    Dr. Kohl
    — Der Herr Bundeskanzler benimmt sich so, wie er sich zu benehmen beliebt; er sprach ja vom Beispiel, das wir den Jungen geben. —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber Herr Bundeskanzler, die Wohnungsnot ist j a nicht die einzige Pleite Ihrer bisherigen Politik. Sie sprachen von den jungen Mitbürgern. Es sind eben viele Millionen junger Leute in der Bundesrepublik, die keine Zukunft sehen, die sich in Sachzwänge eingeengt wiederfinden, die glauben, daß ihre Zukunft ausgeplündert ist. Sie alle haben Grund zur Sorge, sie alle hätten auch Anlaß zum Protest. Aber sie bleiben Gott sei Dank auch im Zorn besonnen, sie bleiben Demokraten und sie machen ihre Loyalität zu unserem Staat nicht abhängig von Erfolg oder Mißerfolg der Regierung Schmidt.

    (Dr. Sperling [SPD]: Sie wählen vor allen Dingen nicht CDU! — Lambinus [SPD]: Sie wählen SPD in ihrer Mehrheit!)

    Jeder demokratische Staat lebt von der Loyalität seiner Bürger. Er ist angewiesen auf ihre Bereitschaft, auch in schweren Zeiten Mißerfolge, Rückschläge zu ertragen, ohne daß die Kritik an der Politik gleich in eine Ablehnung der demokratischen Institutionen umschlägt. Diese Toleranz, Herr Bundeskanzler, diese Treue zu Staat und Recht, dieser Bürgersinn droht jetzt als Ergebnis Ihrer Politik verlorenzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich warne Sie vor jenem f a-talen Irrtum, zu glauben, hier gehe es bloß um Quantitäten, um mehr Wohnungen, um die Beseitigung von Wohnungsnot. So einfach ist das nicht, weil es eben nicht um Quantitäten geht, um die sich Technokraten kümmern könnten, sondern um Qualitäten und geistige Führung und um Perspektiven für eine menschliche Zukunft. Die Wohnungsnot ist nur das auslösende Moment eines Protests, der sich in Wirklichkeit gegen die trostlose Perspektive einer technokratisch verwalteten, einer anonymen und immer kälter werdenden, einer unmenschlichen Welt richtet, für die seelenlose Wohnmaschinen unserer Betonzivilisation das ärgerliche Symbol geworden sind.
    Es ist wahr, unser Staat tut viel für die Menschen, für ihre materielle und soziale Sicherheit. Aber die Betreuung, die Versorgung und die Bevormundung durch den Staat gehen auch vielen jungen Menschen längst viel zu weit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Ihrer Regierungszeit hat unser Staat viel mit Geld, Gesetzen und Behörden hantiert, aber er hat zu wenig Herz, zu wenig Einfühlungsvermögen für die immateriellen Bedürfnisse der Menschen gezeigt. Der eingezäunte Abenteuerspielplatz mit Benutzungsordnung und spielpädagogischer Betreuung, das ist das typische Produkt staatlich organisierter Kinderfreundlichkeit, das aus Ihrem Denken entsprungen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich habe Sie hier schon einmal darauf angesprochen — aber es hat sich in
    Hamburg nichts geändert —: zu diesen Intentionen paßt, was ein Mitglied Ihrer Partei, die Leiterin des Hamburger Jugendamtes noch im September letzten Jahres zur Erziehung von Kindern sagte, als sie die Familienpolitik als ein Stück individualistischer Nostalgie bezeichnete, die sich an historischen Erfahrungen orientiere.

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Was wollen Sie mit den Zitaten?)

    Das Ergebnis ist auch entsprechend.
    In Ihrer Rede in diesen Tagen vor der FriedrichEbert-Stiftung haben Sie, Herr Bundeskanzler, mit Recht festgestellt— ich hoffe, ich zitiere jetzt mit Ihrer Zustimmung ganz richtig —:
    Der Politiker — so sagten Sie —
    trägt nicht nur Verantwortung für seine guten Vorsätze oder seine gute Gesinnung, sondern vor allem trägt er Verantwortung für die Folgen seines Handelns oder Unterlassens. Um es deutlicher zu sagen:
    — so führten Sie aus —
    er hat Erwünschtes genauso zu verantworten wie Unerwünschtes.
    Ich kann dazu nur „sehr wahr" sagen. Aber ich frage mich manchmal: was denken sich eigentlich die vielen Sozialdemokraten, die jetzt so beflissen Verständnis zeigen für jugendlichen Protest, auch wenn er sich in gewalttätigster Form gegen die Ergebnisse Ihrer eigenen sozialdemokratischen Politik Luft macht?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage noch einmal: wer regiert eigentlich die Bundesrepublik Deutschland seit elf Jahren, wer bestimmt die Richtlinien der Politik? Wer ist denn vor elf Jahren mit voller Kasse aufgebrochen, um alles besser, schöner, gerechter und demokratischer zu machen?
    Ich frage mich: woher nimmt eigentlich der Kollege Brandt den Mut,

    (Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

    wenn er in diesen Wochen bei der Debatte zur Regierungserklärung ohne die geringste Spur von Selbstkritik feststellte: ein Teil der jungen Generation, so sagte er, empfindet nun einmal Unbehagen aus ihrer Erfahrungswelt heraus gegenüber einer Gesellschaft, von der sie meint, sie sei zu einseitig, materiell, materialistisch orientiert.

    (Zurufe des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

    Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: wer hat denn den Materialismus zum ideologischen Programm in diesem Lande erhoben? Waren das Sie oder irgendein anderer?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Dann bezeugen Ihre Freunde Verständnis für Protest. Sie bejubeln diffamierende Kritik. Aber sie fühlen sich offensichtlich persönlich nicht angesprochen, auch nicht verantwortlich. Schuld sind immer



    Dr. Kohl
    die anderen: das Ausland, die Krise, die Unternehmer, die Länder in der Bundesrepublik, die Gesellschaft, das System. Meine Damen und Herren, ist Ihnen eigentlich nie der Gedanke gekommen, daß sich der jugendliche Protest gerade deshalb oft so ziellos, so allgemein, so ungeduldig und manches Mal auch in seiner Gewaltbereitschaft so undemokratisch äußert, weil ihm die Verantwortlichen ständig ausweichen, weil sie sich nicht zu den Folgen ihrer Politik bekennen, sondern sich stets nur auf ihre guten Absichten berufen?
    Genau das, Herr Bundeskanzler, haben Sie doch heute hier wieder getan. Sie haben zum Thema „junge Generation" Gutes gesagt. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich Wort für Wort übernehmen. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß wir die Jungen nicht draußen vor der Tür lassen dürfen. Wenn ihr die Chance eigener Lebenserfüllung genommen wird, dann sind für diese Generation die Folgen unabsehbar und zerstörerisch. Wir würden die beste Energie unseres Volkes preisgeben, die wir haben: die Kraft und den Arbeitswillen der jungen Generation. Wir wollen nicht mutlose Frühgreise. Wir wollen nicht Artisten im sozialen Netz. Wir wollen eine junge Generation, die nicht vergißt, daß die nächsten helfenden Hände immer noch die eigenen Hände sind. Das muß man wieder einmal deutlich aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sehr originell!)

    Manche aus dieser Generation versuchen auszusteigen. Der Weg in die alternativen Kulturen resultiert aus einem tiefen Pessimismus, aus Skepsis gegenüber Sachzwängen. Sie wollen Aufgaben und nicht eine einfache Welt.
    Diese jungen Mitbürger, meine Damen und Herren, stellen vielfach die richtigen, oft die richtigen konservativen Fragen,

    (Wehner [SPD]: Ja, ja!)

    die Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach der Richtung, in die das Gemeinwesen treibt. Aber sie entscheiden sich oft genug für Antworten, die in Wahrheit keine Antworten sind.
    Dies alles hat tiefere Ursachen — wir sollten uns doch nicht vormachen, daß es nicht so sei — als die Kritik an Kernkraft oder Wohnungsnot. Die eigentliche Ursache ist, so glaube ich, das auch bei vielen der Erwachsenen, der Eltern dieser Kinder, feststellbare Gefühl: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Diese Mitbürger haben die Sorge, daß es der Politik, auch unserer Politik, in jeder Partei an der Sensibilität fehlt, Ursachen des Zweifels zu erkennen. Ich glaube, daß wir hier an einem Punkt unserer gesellschaftlichen Entwicklung stehen, an dem wir sehr grundsätzliche Wegentscheidungen zu treffen haben.
    Wenn Menschlichkeit, wenn Fortschritt nach menschlichem Maß wirklich Ziel unserer Politik ist, dann müssen wir uns fragen, ob unser Land nicht in manchen Bereichen seiner wirtschaftlichen und technischen, seiner sozialen und politischen Entwicklung Irrwege gegangen ist. Es ist wahr: Wir haben viel Geld investiert, wir haben modernisiert, technisiert, bürokratisiert. Vieles ist dadurch effektiver, rationeller, bequemer geworden. Aber ich glaube, es gilt der Satz, daß das Leben in der Bundesrepublik Deutschland an Menschlichkeit verloren hat, an Geborgenheit und an Unmittelbarkeit.
    Wir wissen — und auch das muß man unseren jungen Mitbürgern sagen —: Es führt kein Weg zurück zum einfachen Leben, schon gar nicht zum einfachen Leben für uns alle. Und das wollen wir in unserer Mehrheit j a auch gar nicht. Aber ich finde, wir sollten unsere Phantasie aufbieten, die politische und soziale Phantasie, um Fortschritt nach menschlichem Maß zu bewahren. Wir brauchen den Fortschritt, wir brauchen wirtschaftliches Wachstum, wir brauchen technologische Innovation. Nostalgische Rückbesinnung auf frühere — wie behauptet wird —, bessere Zeiten bietet keine Lösung für heute. Aber die Bewahrung einer lebenswerten sozialen Umwelt soll nicht weniger wert sein als der Schutz von Landschaften und Natur. Hier liegen gewaltige Aufgaben vor uns.
    Herr Bundeskanzler, ich finde — und ich will es wieder aussprechen —, daß das Kernstück dieser Diskussion sein muß, ob wir wieder einen Konsens erzielen, ob wir wieder Gemeinsamkeit erzielen über die Grundlagen, über die politische Mitte, über die geistig moralische Struktur dieser Bundesrepublik Deutschland. Das ist, meine Damen und Herren, auch die Frage nach den Tugenden unseres Landes. Wir erleben es überall: Bürgerliche Tugenden, die unser soziales Zusammenleben bisher verläßlich geregelt hatten, wurden von einer Mentalität zurückgedrängt,

    (Dr. Emmerlich [SPD]: Er überträgt die Technik der Gebetsmühlen in die Weltpolitik!)

    die ausdrücklich alles als erlaubt erklärt, was nicht ausdrücklich verboten ist, und die nur noch solche Pflichten anerkennt, die mit Rechtsmitteln erzwingbar sind.
    Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts hat diese Situation kürzlich auf die kurze Formel gebracht: Es fehle in der Bundesrepublik Deutschland der Grundkonsens darüber, was man tut und was man nicht tut. Herr Bundeskanzler, diesen Konsens kann der Staat weder durch Gesetze noch durch Gerichtsentscheidungen ersetzen. Es wird jetzt deutlich sichtbar, daß jene, die die Tugenden als altmodisch verteufelt und den Staat als progressiv empfunden haben — sie haben ihn dann als Selbstbedienungsladen betrachtet —, sich getäuscht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wird sichtbar, wie wichtig, wie unverzichtbar diese Tugenden Menschlichkeit, Treue, Redlichkeit, Augenmaß, Toleranz und Gesetzestreue, Fleiß und Pflichtgefühl, Gemeinsinn und Eigeninitiative sind. Mit diesem moralischen Kapital unseres Landes sind Sie, Herr Bundeskanzler, in den letzten 11 Jahren genauso dilettantisch umgegangen wie mit den



    Dr. Kohl
    öffentlichen Finanzen der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es soll sich doch niemand wundern, wenn sich gerade junge Mitbürger nach der täglichen Erfahrung, die sie machen, ganz so verhalten, wie es von den Alten — ungeachtet aller Appelle an Staatsgesinnung und Bürgerpflichten — gelernt haben, daß sie ganz gleichgültig dagegen sind, j a daß sie sie als Provokation empfinden.
    Meine Damen und Herren, ich will noch ein Wort zu den Berliner Hausbesetzungen und auch ein kurzes Wort zu dem sagen, was der Regierende Bürgermeister hier gesagt hat. Herr Regierender Bürgermeister, die Art und Weise — Richard von Weizsäcker hat mit Recht darauf hingewiesen —, wie Sie dieses Problem hier verharmlost haben, ist mehr als bedauerlich. In diesen Tagen hat eine Berliner Hausbesetzerin in der Zeitschrift „Radikal" folgendes geschrieben — ich zitiere —:
    Wir kämpfen für den Abbau von Machtstrukturen. Wohnungspolitik begreifen wir als Teil unseres Kampfes für eine anarchistische Gesellschaft. Sanierungspolitik ist nur ein Teil unseres politischen Kampfes. Wir wollen keine Berufsinstandbesetzer sein, sondern streben langfristig eine Legalisierung an, um dann auf anderen Gebieten verstärkt zuschlagen zu können.
    Ich glaube, ich habe Sie im Blick auf Ihre Äußerungen, auf Ihre Warnung vor einer angeblichen Kriminalisierung von Minderheiten richtig zitiert. Niemand von uns denkt daran, das Verfassungsrecht der Demonstrationsfreiheit in der Form einschränken zu wollen, wie es Ihre politischen Freunde, Herr Emmerlich, uns und anderen heute wiederum unterstellt haben. Wir wollen nur, daß der Rechtsfrieden und die Freiheit in unserem Land gewahrt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen das Recht der Minderheiten ganz selbstverständlich garantieren — das ist ein Stück der politischen und demokratischen Kultur unseres Landes —, aber wir wollen nicht hinnehmen, daß über den Verfolg des Rechts der Minderheit das Recht der Mehrheit mit Füßen getreten wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gerade Ihre Äußerung über die Kriminalisierung von Minderheiten, mit der Sie sich hier soeben noch einmal identifiziert haben, trägt doch mit dazu bei, Herr Bundeskanzler, die notwendige, die ganz und gar unverzichtbare Trennungslinie zu verwischen zwischen denen, die friedlich und ohne Waffen das demokratische Recht wahrnehmen, ihre Meinung frei zu äußern, und jenen, die dieses Recht in gewaltsamer Aktion mißbrauchen. Die in diesen Tagen — auch in dieser Debatte — zu hörende Alternative, Zähne zeigen oder miteinander reden, ist falsch gestellt, weil sie eben alle in einen Topf wirft: die kriminellen Gewalttäter, die Sympathisanten der Gewalt und die friedlichen Demonstranten. Aber es bleibt doch den Demonstranten, es bleibt vor allem den Jungen unter den Demonstranten nicht verborgen, daß jene Gesprächsbereitschaft, die Sie dauernd signalisieren, etwas mit den chaotischen Begleitumständen ihres Protestes zu tun hat. Wenn es der Staat nicht mehr wagt, Gewalttäter zur Rechenschaft zu ziehen, wenn er opportunistisch zurückweicht, dann verstärkt er doch den Eindruck, daß ihn nicht Verständnis und Gesprächsbereitschaft, sondern Feigheit und Schwäche leiten.
    Daraus folgt die fatale Lehre: Auf Argumente kommt es nicht an, aber das Recht des Stärkeren, die Macht der Konfliktfähigen wird respektiert. Nichts wäre schlimmer für die Zukunft der deutschen Demokratie, als wenn sich genau dieser Eindruck, der j a letztlich der Eindruck des Straßenräubers wäre, im Bewußtsein junger Bürger festsetzt. Wer politische Prämien auf gewalttätigen Protest setzt, der disqualifiziert Rechtstreue, Toleranz und auch den notwendigen Respekt vor demokratischen Mehrheitsentscheidungen.
    Bei nicht wenigen — auch das will ich in dieser Debatte noch sagen — artet die Argumentation hinsichtlich des Begriffs der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu einer blanken Demagogie aus. Da werden Sachschäden auf die Zahl der Verhafteten umgerechnet. Demonstrationen im elften Jahr Ihrer Regierungszeit gelten dann als friedlich verlaufen, wenn 30 Polizisten — zum Teil schwer — verletzt wurden. Überhaupt vermittelt dann die politische Reaktion aus Ihrem Lager den Eindruck, als sei das Besorgniserregende an den gewaltsamen Ausschreitungen nicht die Zahl der verletzten Polizeibeamten und auch nicht das Ausmaß der Sachbeschädigungen am Eigentum gänzlich unbeteiligter Bürger, sondern einzig und allein die Festnahme von Demonstranten, denen Gewalthandlungen später nicht nachgewiesen werden können. Hier wird, wie wir es heute in der Debatte mit dem Kollegen Hillermeier in bezug auf den Freistaat Bayern erlebt haben, mitten in einem schwebenden Verfahren ein abschließendes Urteil gebildet, und Sie denken gar nicht daran, in wenigen Monaten, wenn sich all das, was Sie hier behauptet haben, als falsch erwiesen hat, hierher zu treten und das zu widerrufen, was Sie heute gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Es sollen ja die Richter verunsichert werden!)

    Meine Damen und Herren, verunsichert sind heutzutage nicht die Teilnehmer an unfriedlich verlaufenden Demonstrationen; die mehr als 50 000 Demonstranten in Brokdorf ließen sich weder vom Verbot noch von der allgemeine Sorge, es werde zu schweren Ausschreitungen kommen, von der Teilnahme abhalten. Verunsichert sind heute auch und in erster Linie jene jungen Polizeibeamten, die für diesen unseren freiheitlichen Rechtsstaat ihre Pflicht tun.

    (Reddemann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Schon nach den Bremer Krawallen hat die Polizeigewerkschaft im Beamtenbund erklärt, sie nehme mit Erbitterung zur Kenntnis, daß den Politikern zunehmend die Bereitschaft zu einer Änderung des Demonstrationsrechts fehle. Unsere Vorschläge lie-



    Dr. Kohl
    gen seit Jahr und Tag auf dem Tisch, aber sie werden von diesem Tisch mit Ihrer Mehrheit weggewischt, mit der Mehrheit einer Koalition, die ein Rechtsstaatsverständnis vertritt, das einerseits dort liberalisiert, wo der Staat den Rechtsfrieden und die Freiheit aller zu schützen hätte, andererseits aber die staatlichen Eingriffsrechte im Bereich der partnerschaftlichen und mitmenschlichen Beziehungen,
    so in Ehe und Familie, ständig ausweitet.
    Meine Damen und Herren, niemand darf sich — und wir reden über Rechtspolitik — nach der widersprüchlichen Rechtspolitik dieses Jahrzehnts darüber wundern, daß viele junge Mitbürger ein Rechtsbewußtsein mit sich herumtragen, demzufolge die Verletzung der Rechtsordnung zwar nicht als legal, aber als durch moralische Motive legitimierbar gilt. Das ist das Ergebnis Ihrer Rechtspolitik in dieser Zeit!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben sich in Ihrer Amtszeit sehr präzise und auch in sehr guter Weise zur Verteidigung des Rechtsstaates geäußert. Ich erinnere mich an Ihre Äußerungen beim Staatsakt für Siegfried Buback. Sie sagten damals: „Wir anderen, die wir die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes mit Zähnen und Klauen verteidigen wollen, wir, die große, überwältigende Mehrheit der Deutschen, wir haben das Grundgesetz und die sittliche Pflicht auf unserer Seite." Und Sie sagten damals auch: „Wer den Rechsstaat zuverlässig schützen will, der muß innerlich auch bereit sein, bis an die Grenzen dessen zu gehen, was vom Rechtsstaat erlaubt und geboten ist."
    Ich stimme dieser Ihrer Feststellung zu. Unser Problem ist, daß wir uns beim Abscheu über brutalen Mord noch einig waren; aber ich frage mich: Sind wir uns auch heute, zwar auf einem anderen Feld, aber auch auf einem Feld, das in Gewalt — und zwar nicht nur in Gewalt gegen Sachen, sondern auch in Gewalt gegen Personen — überzugehen droht, noch einig in der Verteidigung der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes, wissen wir uns in diesem Hause wirklich noch ganz einig in der sittlichen Pflicht, von der Sie sprachen, wenn es doch angeblich „nur" um Hausbesetzung oder gewaltsame Ausschreitung bei Demonstrationen geht? Können Sie, Herr Bundeskanzler, wirklich sicher sein, daß allen unter Ihren politischen Freunden bewußt ist, daß auch solche Anschläge Vorgänge im Sinne der Zielsetzung sind, die freiheitliche, den Rechtsstaat sichernde Ordnung unseres Grundgesetzes zu vernichten? Ich habe Zweifel. Ich zitiere wiederum den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts, der dieser Tage einen Artikel mit der Überschrift schrieb, „warum unser Recht immer unsicherer wird". Er ging so weit, zu sagen, daß heute zunehmend die Richterschaft tief verunsichert sei, und er nennt dafür viele Beispiele. Ich will zum Ende nur drei zitieren. Unsicherheit, so sagt er, werde erzeugt durch den Verlust an Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit des Rechts, durch einen allgemeinen Autoritätsverlust des Rechts, schließlich und vor allem durch den Verlust positiver verbindlicher Werte, letztendlich des Grundkonsenses darüber, was man tut und was man nicht tut.
    Genau das ist das Kernproblem, das wir zu diskutieren haben. Es droht ein rechtsfreier Raum zu entstehen, in den Leute mit höchst fragwürdigem Demokratieverständnis vordringen und aus dem sich der friedenstiftende, der rechtssichernde Staat zurückzuziehen droht. Es ist schlimm, wenn in diesem rechtsfreien Raum offene Gewalt gegen Beamte dieses Staates geübt wird und das Eigentum unbeteiligter Bürger keinen Schutz mehr findet. Aber schlimmer noch und folgenreicher sind die Auswirkungen für die politische Kultur, für die Demokratie, für das Staats- und für das Rechtsvertrauen der Bürger.
    Jeder, der den Grundsatz von der Verhältnismäßigkeit der Mittel zitiert, muß sich fragen, ob Rechtsfriede, demokratische Toleranz, ob Rechtssicherheit und Vertrauen zum Staat nicht genauso wichtige Rechtsgüter sind wie die persönliche Freiheit des einzelnen. Er muß sich fragen lassen, ob er sich in der gegenwärtigen Diskussion nicht sehr kurzsichtig parteiisch auf die Seite derjenigen schlägt, die vorn Staat nur Rechte fordern, aber keine Pflichten mehr anerkennen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Frage liegt doch nahe: Wenn sich nun alle oder die Mehrheit aller Bürger so verhielten wie diejenigen, die sich über Demonstrationsverbote hinwegsetzen, Häuser besetzen und Demonstrationen durchführen und aus deren Mitte gewaltsame Ausschreitungen stattfinden? Die Folgen wären unübersehbar, gerade in den Zeiten, die vor uns liegen, wenn schwierige Entscheidungen zu treffen, wenn Opfer zu verlangen sind, wenn es weniger zu verteilen gibt. Wenn in dieser Situation Gruppen, die sich benachteiligt, vergessen oder überbelastet fühlen, die Erfahrungen auswerten, die gegenwärtig gewissermaßen als negative Staatsbürgerkunde vermittelt werden, dann, Herr Bundeskanzler, frage ich mich: Was dann? Gerade weil die Zeiten schwieriger werden, gerade weil die Epoche der Gefälligkeitsdemokratie vorbei ist, sind die Schlußfolgerungen wichtig.
    Wir müssen uns, und zwar alle, konsequent und ohne jedes opportunistische Zurückweichen für die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens, der demokratischen Ordnung einsetzen. Demokratische Ordnung setzt Sicherheit und Durchsetzung des Rechts gegenüber jedermann voraus. Nur so kann der demokratische Staat Vertrauen und Rechtstreue der Bürger bewahren. Das Recht darf nicht Vehikel ideologischer Gesellschaftsveränderung sein oder dazu mißbraucht werden.
    Politik muß sensibel sein für Anfragen aus dem Kreis der Bürger. Technokratische Arroganz, bürokratische Dickfelligkeit dürfen keine Zukunft haben. Die Macher, meine Damen und Herren, werden sich zuerst einmal erklären müssen. Sie müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten. Diese Überzeugungsarbeit kann nur Erfolg haben, wenn der Gemeinsinn der Bürger die Oberhand behält und wenn dem Egoismus der Gruppen und dem Rigorismus der Ideologen entgegengetreten wird. Gemeinsinn und Toleranz — das ist für uns selbstverständlich — sind



    Dr. Kohl
    aber nur denkbar unter der Herrschaft des Rechts, unserem Rechtsfrieden.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Engelhard.

(Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der spricht in der Pause!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans A. Engelhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte heute abend die Geschichte von einem Parlament schreiben, das auszog, eine bei der Regierungserklärung und bei den anschließenden Haushaltsberatungen versäumte rechtspolitische Debatte nachzuholen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Warum nicht?)

    — Dachten die Rechtspolitiker. So hatten sie denn auch einen neu berufenen Bundesjustizminister aufgeboten, der in einer wohlabgewogenen Erklärung

    (Broll [CDU/CSU]: Na!)

    sämtliche wesentlichen Bereiche der Rechtspolitik angesprochen hat. Am Anfang ging es dann auch noch ganz gut. Wir sind als Rechtspolitiker auch gar nicht so naiv, zu glauben, irgendwo im Wolkenkukkucksheim zu sitzen und in einer theoretisch-rechtspolitischen Disputation zu debattieren, sondern wir stehen schon mit beiden Beinen auf dieser Erde und wissen, daß es Ereignisse gibt.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Aber Herr Schmude steht mit beiden Beinen in den Wolken!)

    Nur haben wir die Wucht dieser Ereignisse vielleicht etwas unterschätzt, eines vergangenen Ereignisses, das sich jüngst in Nürnberg zugetragen hat, und eines kommenden Ereignisses, das in Kürze in Berlin stattfinden wird.
    Wegen dieser beiden Ereignisse war es dann eigentlich auch aus. Ich habe keine vorbereitete Rede gehabt,

    (Broll [CDU/CSU]: Sie haben es wohl geahnt!)

    aber ich hätte vielleicht auch gern etwas über die Frage gesagt, inwieweit unser Rechtsstaat in unbeschränktem Maße Rechtsgewährung bieten kann, inwieweit die Zahl der Richter in diesem Lande noch vergrößerbar ist. Ich hätte gern dem Herrn Kollegen Erhard etwas zum Eherecht gesagt und vielleicht auch zu dem wichtigen Thema der Betäubungsmittel.
    Aber was soll's? Rechtspolitik ist, jedenfalls im Kern und wenn man es vernünftig anpackte und immer vernünftig angepackt hätte, auch das, was wir jetzt diskutiert haben, nämlich die Frage des inneren Friedens, der Demonstrationen, der Hausbesetzungen, der Neigung zur Ausübung privater Gewalt und der Aufgabe des Staates, den inneren Frieden zu sichern.
    Herr Staatsminister Dr. Hillermeier kann im Moment wohl nicht anwesend sein.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Er ist wahrscheinlich beim Bundeskanzler! Der ist auch nicht mehr da!)

    Ich wollte mich an ihn mit der Frage wenden, ob er nicht bei allem, was diskutiert wurde, immer zumindest das Gefühl hatte, daß die Diskussion, die wir heute über diese Fragen einmal etwas grundsätzlich führen wollten, durch Nürnberg eminent schwierig geworden ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich will das mit allem Nachdruck sagen, weil ich zu jenen gehöre, die gerne Beweise auf dem Tisch haben. Ich spucke hier nicht irgendwelche Verdächtigungen in den Raum.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Das wäre ja auch unappetitlich!)

    Herr Kollege, ich gehöre zu jenen, die es erschrekkend finden, wenn ernst zu nehmende Leute auch aus dem politischen Raum so mir nichts, dir nichts, da noch gar nichts Näheres bekannt ist, hingehen und davon sprechen, in Nürnberg seien Ermittlungsrichter „handverlesen" worden.
    Was heißt das? Das bedeutet doch nichts anderes als den Vorwurf, auf Grund eines Fernschreibens aus der Bayerischen Staatskanzlei seien die Richter sortiert worden, es seien die vom Standpunkt der Staatsregierung aus „schlechten" Ermittlungsrichter nach Hause ins Bett geschickt und die vom Standpunkt der Staatsregierung aus „guten" Ermittlungsrichter aus dem Bett an die Schreibtische geholt worden, um ihres Amtes bei dem Erlaß von Haftbefehlen zu walten. Ein ungeheuerlicher Vorwurf im Rechtsstaat,

    (Sehr wahr! bei der FDP)

    daß Betroffene ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden sind.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Und Sie glauben, daß das die bayerischen Richter hingenommen hätten? — Broll [CDU/CSU]: Wollen Sie den Vorwurf erheben?)

    — Wir werden die Sache weiter untersuchen. Hier muß alles auf den Tisch. Ich bin jemand, der, solange etwas nicht nachgewiesen ist, nie einen derartigen Vorwurf erheben würde.

    (Broll [CDU/CSU]: Aber erst mal erzählen!)

    Im Gegenteil, ich war entsetzt, als ich der Presse entnommen habe, daß auch Mitglieder dieses Hauses nicht davor zurückgeschreckt sind, schon kurz nach den Ereignissen, als eine genaue Prüfung überhaupt noch nicht möglich gewesen war, derartige Vorwürfe zu erheben.
    Nur eines wird Herr Staatsminister Dr. Hillermeier, der vielleicht nicht die persönliche Verantwortung trägt, der erst nachher mit diesen Fragen kon-



    Engelhard
    frontiert wurde, nicht leugnen können: In Nürnberg ist bis zur Stunde ein böser Schein entstanden.

    (Beifall bei der FDP)

    Und es ist schwierig, draußen über die Kraft und die Macht und die ungebrochene Fülle und das Augenmaß unseres Rechtsstaates zu sprechen, weil ein Aufhänger für alle geliefert wurde, die dieser Ordnung nicht wohlwollen, nun mit vollem Ton Laut zu geben und zu sagen, daß auch hier bei uns die Dinge nicht in Ordnung seien.
    Dann gibt es Fragen, die beschäftigen Herrn Dr. Hillermeier. Das ist nicht meine Angelegenheit. Aber er wird zur Kenntnis nehmen müssen, wenn er eine andere Bewaffnung der Polizei verlangt, wenn gefordert wird, das Demonstrationsrecht neu und damit wieder im alten Sinne zu formulieren, den Landfriedensbruch in seiner alten gesetzlichen Form wiederherzustellen, daß Nürnberg genau das Ereignis war, an dem er nie vorbeikommt. Bis hinein in die CDU-regierten Länder wird gesagt werden, und auch Mitglieder Ihrer Fraktion werden sagen: Ja, alles, was recht ist, aber das wollen wir nicht; wie die Parteifreunde von der CSU in Nürnberg zugepackt haben, auch wenn alles Rechtens zugegangen ist, am rechten Augenmaß hat es gefehlt.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das alles? — Reddemann [CDU/CSU]: Waren die Richter denn alle in der CDU?)

    Solchen Leuten noch mehr Gesetze und bessere Waffen zu geben, dazu sind auch wir nicht bereit.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Pfiffig und schnell bei der Hand, wie ich Herrn Staatsminister Dr. Hillermeier kenne, wird er sagen: Was wollen Sie denn eigentlich? Mit Nürnberg habe ich für die heutige rechtspolitische Debatte jedenfalls so eine richtige Vorlage geschossen, ihr habt was zu reden gehabt. Aber dabei hat er natürlich die Berliner unterschätzt;

    (Heiterkeit bei der FDP)

    denn die haben sich nun redlich bemüht, den Berliner Wahlkampf hier in dieses Haus zu tragen. Auch von der zeitlichen Ausdehnung her ist dies gelungen.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf unseren Tisch!)

    Ich darf ausdrücklich sagen, daß beide Herren, die hier als Hauptstreiter aufgetreten sind, im Moment hier nicht mehr anwesend sein können. Herr Dr. Vogel — —(Reddemann [CDU/CSU]: Der ist wiedergekommen!)

    — Mir ist nur berichtet worden, daß Sie, Herr Dr. Vogel, in aller Kürze weg müßten. Ich habe dies schon als gegebenen Tatbestand genommen. Herr von Weizsäcker hat mir mitgeteilt — ich sage es ausdrücklich —, daß er nicht mehr anwesend sein könne.
    Noch ein Weiteres — und ich habe das vorhin privat Herrn von Weizsäcker gesagt —: Ich war zutiefst enttäuscht über seinen Beitrag.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

    Hier im Deutschen Bundestag Wahlkampf zu machen, ist legitim. Bei aller parteipolitischen Orientierung glaube ich — so weit kann ich über den eigenen Zaun schon schauen, um richtig zu empfinden, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin mit seinem Konkurrenten fair umgegangen ist;

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Jawohl!)

    er hat ihn wiederholt persönlich angesprochen —, daß in der Tat die Möglichkeit eines fairen Berliner Wahlkampfgesprächs in diesem Raum eröffnet war. Ich war deswegen über Herrn von Weizsäcker und seinen Beitrag enttäuscht, weil Herr von Weizsäcker ja als ein Mann geschätzt wird, der mit seinen politischen Gedanken über den Tag hinaus denkt. Er hat dies auch heute getan.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Den Vorwurf hat man Herrn Vogel nie gemacht!)

    Allerdings ist er heute hier mit dem Ton des Verkünders eherner Glaubenssätze zum Rechtsstaat aufgetreten und hat diese Glaubenssätze mit ganz kleinkalibriger Schrotmunition für den politischen Wahlkampf in Berlin verquickt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    indem er ganz konkret Vorwürfe, daß der Rechtsstaat gefährdet würde, erhoben hat. Dies leuchtet mir als einem Nichtberliner nicht ein.

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Können Sie einmal konkret sagen, was Sie daran so berührt hat?)

    — Herr Kollege Kunz, es ist eine Sache, uns hier beherzigenswerte Grundsätze, wie sie Herr von Weizsäcker hier vorgetragen hat — von diesen Grundsätzen könnte ich viele voll unterzeichnen —, als etwas, das gesagt und bedacht werden muß, mitzuteilen.

    (Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU]: Herr Meyer war gemeint!)

    — Darauf komme ich noch, weil Herr von Weizsäkker ja nichts vergessen hat. Fügen wir es gleich an dieser Stelle ein: Er hat auch nicht vergessen, hier das Ereignis um den Senator für Justiz des Landes Berlin mit abzudecken. Allerdings wäre es besser gewesen — er mußte sich diesbezüglich ja bereits durch den Herrn Bundeskanzler wiederholt hier ermahnen lassen —,

    (Reddemann [CDU/CSU]: Der hat nicht zu ermahnen!)

    vollständig zu sein und gerade in aller Fairneß und als Christ nicht unerwähnt zu lassen, daß zunächst einmal der Senator für Justiz die Rechnung seines Vorschlages beim Landesparteitag ohne seine eigene, nämlich meine Partei gemacht hatte, die jenen Vorgeschlagenen eben nicht gewählt hat,

    (Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU]: Das entlastet doch Herrn Meyer nicht!)




    Engelhard
    sondern die anschließend den Senator für Justiz zur Rechenschaft gezogen hat.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Das ändert aber doch nichts an seinem Verhalten, Herr Kollege! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/ CSU]: Da war die Mehrheit schlauer als Meyer!)

    Er mußte sich rechtfertigen.

    (Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU]: Da wurde Meyer „abgemeyert"!)

    Er hat sein Verhalten bedauert und hat dies auch in unzweifelhafter Weise gegenüber der Fraktion im Abgeordnetenhaus und gegenüber seiner Partei zum Ausdruck gebracht.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Weil Sie ihm gedroht haben, er würde nicht wieder Senator!)

    Das nur zur Vollständigkeit, die Herrn von Weizsäkker in diesem Zusammenhang sehr gut angestanden hätte.
    Was soll der Streit? Ich möchte es allgemeinverständlich noch einmal so zusammenfassen. Ich persönlich — wenn mir dieses zu sagen erlaubt ist — schätze Herrn von Weizsäcker aus vielen Beiträgen, in denen er mir — über alle parteipolitischen Grenzen hinweg — aus dem Herzen gesprochen hat. Man wird aber vorsichtig und wird künftig etwas genauer und mit einem gewissen Mißtrauen hinhören, wenn man auf der anderen Seite hört, daß diese ehernen Grundsätze eben nicht nur allgemeine Erkenntnisse sind, sondern ohne weiteres in Schußkugeln umgegossen werden können, die in einem Wahlkampf Verwendung finden, der dann nötigenfalls auch ganz parterre ausgetragen wird,

    (Beifall bei der FDP)

    so parterre — ich setze dies fairerweise hinzu —, wie dies Herrn von Weizsäcker überhaupt möglich ist. Seine Möglichkeiten sind in dieser Hinsicht ja erfreulicherweise durchaus beschränkt.

    (Heiterkeit bei der FDP)

    Nun möchte ich — nicht etwa deshalb, weil das vielleicht so erwartet wird oder weil heute schon so viel gedankt wurde — dem Bundeskanzler für seinen Beitrag, den er hier geleistet hat, meinen Dank sagen. Diesen Dank muß ich mit der Behandlung dessen verbinden, was Herr Dr. Kohl gesagt hat, den ich überhaupt nicht mehr verstehe. Es ist erstaunlich, daß ein Oppositionsführer, obwohl rings im Saal soviel personelle Zielscheiben sitzen, auf die zu zielen und anschließend zu treffen doch ach so reizvoll wäre, es fertigbringt, sich genau jene Zielscheibe herauszusuchen, bei der man an diesem Abend schlechterdings nur danebenschießen kann.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hat Herr Dr. Kohl eigentlich nicht bemerkt, daß der Bundeskanzler, dessen Ausführungen ich ja jetzt nicht zu wiederholen brauche und die ich ausgezeichnet gefunden habe, weil hier in der Person des Bundeskanzlers ein Mitglied dieses Hauses gestanden hat, das — ich weiß nicht, wie Sie es empfunden
    haben — viel von dem ausgesprochen hat, was den ganzen Nachmittag über nie gesagt worden ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zur Sache hat er noch kein Wort gesagt!)

    hat Herr Dr. Kohl eigentlich nicht bemerkt, wie die Ausführungen des Bundeskanzler im ganzen Hause Beifall gefunden haben, wie sie weithin auch mit Beifall aus Ihrer Fraktion bedacht worden sind?
    Wir müssen zum Ende kommen; Sie weisen mich auf die Zeit hin. Ich werde zum Ende kommen und darf lediglich noch erwähnen, Herr Kollege Erhard, den Dank, den ich Herrn Kohl auszurichten bitte: Viele Mitglieder meiner Fraktion haben es als durchaus angenehm empfunden, zumindest Teile seiner Mannheimer Parteitagsrede hier noch einmal live und fast in Tuchfühlung miterleben zu dürfen.

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD)