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ID0902325200

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    Plenarprotokoll 9/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 Inhalt: Überweisung des Dritten Tätigkeitsberichtes des Bundesbeauftragten für den Datenschutz an weitere Ausschüsse 987 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und BranntweinsteuerÄnderungsgesetzes 1981 — Drucksachen 9/91, 9/144 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/173 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 9/164, 9/167 — Dr. Schäuble CDU/CSU 987 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 991 D Frau Matthäus-Maier FDP 994 B Matthöfer, Bundesminister BMF 997 B Namentliche Abstimmung 999 D Beratung des Jahresgutachtens 1980/81 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 9/17 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1981 der Bundesregierung — Drucksache 9/125 — Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 1001C, 1047B Dr. Waigel CDU/CSU 1010 C Dr. Jens SPD 1015 C Dr. Haussmann FDP 1021 A Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 1041C, 1050C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU 1052A Reuschenbach SPD 1054 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 1056 D Wurbs FDP 1059 C Pieroth CDU/CSU 1061 B Dr. Schachtschabel SPD 1063 D Fragestunde — Drucksachen 9/159 vom 13. 02. 1981 und 9/169 vom 18.02. 1981 — Bewertung des Artikels „Die versteckte Atommacht" in der Illustrierten „Stern" vom 19. Februar 1981 durch die Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 MdlAnfr 1 18.02.81 Drs 09/169 Graf Huyn CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Penner BMVg 1023C, 1024A, B, C, D, 1025A, B, C, D, 1026A ZusFr Graf Huyn CDU/CSU . . . 1023D, 1024A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1024B ZusFr Haase (Kassel) CDU/CSU 1024 B ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . 1024B ZusFr Jungmann SPD 1024 C ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU 1024 C ZusFr Würzbach CDU/CSU 1024 D ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1025A ZusFr Hansen SPD 1025A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1025 B ZusFr Linsmeier CDU/CSU 1025 B ZusFr Francke (Hamburg) CDU/CSU . . 1025C ZusFr Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 1025C ZusFr Dallmeyer CDU/CSU 1025 D ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . 1025D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 1026A Von der Bundesregierung wegen der Veröffentlichung „Die versteckte Atommacht" in der Illustrierten „Stern" in Aussicht genommene Schritte DringlAnfr 2 18.02.81 Drs 09/169 Würzbach CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Penner BMVg . 1026A, B, C, D, 1027A, B ZusFr Würzbach CDU/CSU 1026 B ZusFr Jungmann SPD 1026 C ZusFr Dallmeyer CDU/CSU 1026C ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1026 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1026 D ZusFr Hansen SPD 1027A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1027A ZusFr Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 1027B Anzahl der Zivildienstleistenden, die Vorbereitungslehrgänge absolviert haben, sowie Erfahrungen mit diesen Lehrgängen MdlAnfr 35, 36 13.02.81 Drs 09/159 Horstmeier CDU/CSU Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . . 1027C, D, 1028A, B, C ZusFr Horstmeier CDU/CSU . . 1027D, 1028A, B ZusFr Broil CDU/CSU 1028 B ZusFr Börnsen SPD 1028 B ZusFr Peter (Kassel) SPD 1028C Einführung flexiblerer Arbeitszeiten zur Koordinierung der Familienaufgaben mit den Anforderungen der Berufswelt MdlAnfr 39, 40 13.02.81 Drs 09/159 Kroll-Schlüter CDU/CSU Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1028D, 1029A, B, C, D, 1030A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU . . . 1029A, B, D, 1030A ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD 1029 B ZusFr Frau Steinhauer SPD ... 1029 C ZusFr Jaunich SPD 1030A Übersicht über cadmiumhaltige Lebensmittel MdlAnfr 41, 42 13.02.81 Drs 09/159 Jaunich SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1030B, D, 1031A, B ZusFr Jaunich SPD 1031A ZusFr Susset CDU/CSU 1031 B Cadmiumgehalt in Lebensmitteln MdlAnfr 43, 44 13.02.81 Drs 09/159 Gilges SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1031C, D, 1032A, C ZusFr Gilges SPD 1031D, 1032B Rechtsvorschriften zur Verminderung des Cadmiums in Lebensmitteln MdlAnfr 45, 46 13.02.81 Drs 09/159 Rayer SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1032C, D, 1033A, B, D ZusFr Rayer SPD 1032D, 1033C ZusFr Eigen CDU/CSU 1033A ZusFr Broll CDU/CSU 1033A ZusFr Gilges SPD 1033A Erfahrungen des Arbeitsstabes Frauenpolitik mit dem arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz MdlAnfr 47, 48 13.02.81 Drs 09/159 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1033 D, 1034A, B, C, D ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1033D, 1034A. B ZusFr Frau Roitzsch CDU/CSU 1034 B ZusFr Heyenn SPD 1034 ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1034 D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 III Erfahrungen des Arbeitsstabes Frauenpolitik mit dem § 611b BGB (Stellenausschreibung) und mit dem Art. 2 des EG-Anpassungsgesetzes (Aushang der Gleichbehandlungsvorschriften im Betrieb) MdlAnfr 49, 50 13.02.81 Drs 09/159 Frau Steinhauer SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1034D, 1035B, C, D, 1036A ZusFr Frau Steinhauer SPD . . . . 1035A, B, D, 1036A ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1035B ZusFr Heyenn SPD 1035 D Aktivitäten des Arbeitsstabes Frauenpolitik beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit MdlAnfr 51 13.02.81 Drs 09/159 Frau Weyel SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 1036A, D, 1037A, B, C, D, 1038A ZusFr Frau Weyel SPD 1036C, D ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1036 D ZusFr Frau Terborg SPD 1037 A ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . 1037B ZusFr Frau Geiger CDU/CSU 1037 B ZusFr Frau Dr. Wex CDU/CSU 1037 C ZusFr Frau Steinhauer SPD 1037 D ZusFr Frau Dr. Hellwig CDU/CSU . . . 1037 D ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1038A ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1038A Arbeitsprogramm des Arbeitsstabs Frauenpolitik, u. a. bezüglich der Verbesserung des Verhältnisses Familie und Beruf durch Teilzeitarbeit MdlAnfr 52, 53 13.02.81 Drs 09/159 Frau Dr. Lepsius SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 1038B, C, D, 1039A, B, C, 1040A ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1038B, C ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD 1038 D ZusFr Frau Benedix-Engler CDU/CSU . 1038D ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1039A ZusFr Frau Weyel SPD 1039 A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1039 B ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1039B ZusFr Frau Steinhauer SPD . . . 1039C, 1040A ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . .1040A Inanspruchnahme des Arbeitsstabs Frauenpolitik durch Frauen und verstärkte Bekanntmachung seiner Arbeit in der Öffentlichkeit MdlAnfr 54, 55 13.02.81 Drs 09/159 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1040B, D, 1041A, B ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . 1040 C ZusFr Frau Dr. Hellwig CDU/CSU . . . .1040D ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1040 D ZusFr Heyenn SPD 1041A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1041 B Nächste Sitzung 1065 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1066*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 987 23. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 2. Dr. Barzel 20. 2. Berschkeit 20. 2. Conrad (Riegelsberg) 20. 2. Eymer 20. 2. Genscher 19. 2. Handlos 20. 2. Dr. Hubrig 20. 2. Jansen 20. 2. Kittelmann* 20. 2. Dr. Klejdzinski* 20. 2. Korber 20. 2. Männing* 20. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 2. Dr. Möller 20. 2. Dr. Müller* 20. 2. Dr.-Ing. Oldenstädt* 20. 2. Petersen** 20. 2. Pohlmann 20. 2. Prangenberg 20. 2. Dr. Probst 19. 2. Rösch* 20. 2. Frau Schlei 20. 2. Dr. Wieczorek 20. 2. Dr. Zander 20. 2. Zink 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mich in dieser Debatte zu Wort gemeldet habe, dann nicht, um über die konjunkturelle Entwicklung zu diskutieren. Auch die gibt Anlaß zu mancherlei Sorge. Die steigende Arbeitslosigkeit ist sicher etwas, das wir ernst nehmen sollten. Aber Konjunkturen haben das Gute an sich, daß sie kommen und gehen, und man weiß wenigstens, daß nach jedem Abschwung irgendwann auch wieder ein konjunktureller Aufschwung erfolgt.
    Nein, das, was mich bewegt, was mich veranlaßt hat, hier das Wort zu ergreifen, ist nach meiner Einschätzung der Dinge, daß sich die weltwirtschaftliche Position der Bundesrepublik Deutschland im Laufe der letzten Jahre fundamental geändert hat. Ich habe das Gefühl, daß wir noch allzu leicht der Versuchung erliegen, dieses aus unserem Bewußtsein zu verdrängen und zu sagen, das sei doch eigentlich gar nicht so schlimm. Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn ich Ihre Ausführungen von heute morgen nehme, dann haben Sie am Schluß gesagt: „Ich bin sicher, daß mit einer entsprechenden Orientierung in den ökonomischen und politischen Grundbedingungen bald wieder das Vertrauen in die D-Mark gestützt wird." Ich muß Ihnen sagen, ich kann diesen Optimismus nicht teilen.
    Um die ganze Bedeutung dieses Wandels richtig zu erfassen, muß man sich vor Augen halten, daß wir, die Bundesrepublik Deutschland, Devisenüberschüsse erzielt haben, 30 Jahre lang Währungsreserven angesammelt haben, die die höchsten der Welt geworden sind, die weit höher sind als die der Vereinigten Staaten von Amerika. 30 Jahre lang ist der Kurs der Deutschen Mark, von den täglichen Schwankungen abgesehen, nur gestiegen, und jetzt ist das plötzlich anders.
    Meine Damen und Herren, man muß einmal überlegen, was diese Entwicklung über 30 Jahre bedeutet. Sie hat dazu geführt, daß die Besiegten des Zweiten Weltkrieges ihren Arbeitnehmern höhere Löhne zahlen konnten als die Vereinigten Staaten von Amerika. Dies ist eine enorme Leistung des ganzen deutschen Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies ist auch eine Leistung unseres Systems der Sozialen Marktwirtschaft, das funktioniert hat. Ich will mich jetzt nicht in eine billige Polemik einlassen, inwieweit dieses trotz sozialdemokratischer Regierungspolitik so geworden ist.

    (Wehner [SPD]: Sagen Sie das alles als Ministerpräsident hier im Bundestag? — Zuruf von der SPD: Billige Polemik! — Weitere Zurufe von der SPD)




    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    Eines ist aber deutlich: Diese Situation hat sich radikal geändert, und ich will Herrn Wehner gerne einige Zahlen in Erinnerung rufen.

    (Wehner [SPD]: Gehen Sie in Ihren Landtag hinein und predigen Sie dort!)

    Im Jahre 1978 haben wir noch einen Leistungsbilanzüberschuß von 17,5 Milliarden DM eingefahren. Meine Damen und Herren, 1979 war es ein Leistungsbilanzdefizit von 10 Milliarden DM, 1980 ein Defizit von 28 Milliarden DM. Man muß sich einmal vor Augen halten, was das bedeutet. Das bedeutet doch, daß wir im letzten Jahr fast ein Drittel der gewaltigen Währungsreserven verloren haben, die wir in 30 Jahren angesammelt haben. Dies ist keine Kleinigkeit, über die man so hinweggehen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn das so weitergeht — das ist eine einfache Rechnung —, sind wir mit unseren Devisenreserven in zwei bis drei Jahren am Ende.

    (Zuruf des Abgeordneten Dr. Diederich [Berlin] [SPD])

    In Wahrheit, Herr Bundeswirtschaftsminister, wissen Sie so gut wie ich, daß wir nicht mehr so viel Zeit haben. Wenn sich erst einmal als allgemeine Meinung festigen sollte, daß der Kurs der Deutschen Mark nicht zu halten ist, dann drängen auch all die D-Mark-Beträge auf den Devisenmarkt, die jetzt noch von Zentralbanken, Geschäftsbanken, Unternehmen, Privatleuten gehalten werden. Schätzungen sagen, daß dies mehrere hundert Milliarden DM sind, die von Ausländern gehalten werden. Wenn die eines Tages in Frankfurt an der Devisenbörse präsentiert werden, auch wenn es — sagen wir — nur 200 Milliarden DM sind, was machen wir in einer solchen Situation?

    (Zuruf von der SPD: Immer nur lächeln! — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Was macht dann der Albrecht?)

    — Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich glaube, Sie täten gut daran, dieses sorgfältig in sich aufzunehmen;

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Lassen Sie doch Ihre Polemik sein!)

    denn das könnte der Anlaß sein, daß Sie die Regierungsverantwortung in der Bundesrepublik Deutschland verlieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Reden Sie doch in Ihrem Landtag, Herr!)

    Ich glaube, daß es wichtig ist, hier die Frage zu stellen, worin eigentlich die Gründe für diese Entwicklung liegen. Die zweite Frage ist dann: Was kann man in dieser Lage noch tun?

    (Dr. Steger [SPD]: Da sind wir gespannt!)

    Wenn ich die Gründe anspreche, Herr Bundeswirtschaftsminister, dann nicht um nachzukarten, sondern aus der Überzeugung heraus, von der ich hoffe, daß Sie sie teilen, daß nur, wenn man die richtige Diagnose gestellt hat, auch eine vernünftige Therapie herauskommen kann.

    (Zuruf von der SPD: Lächeln!) — Nicht so ungeduldig!

    Ich teile Ihre Überzeugung, daß in der Tat die Entwicklung auf dem Ölmarkt einer der wesentlichen Gründe ist. Die Ausgaben der Bundesrepublik Deutschland für die Rohöleinfuhren betrugen im Jahre 1973 9 Milliarden DM, 1980 45 Milliarden DM; hinzu kommen noch die vielen Milliarden DM für die Erdölprodukte. Das heißt, obwohl die eingeführten Mengen von 1973 auf 1980 um 12 % gesunken sind, mußten wir im Jahre 1980 das Fünffache an Devisen für unsere Erdöleinfuhren bezahlen.
    Hier stellt sich allerdings auch die Frage der politischen Verantwortung; denn es ist nicht wahr, daß das, was hier passiert ist, ein unabwendbares Schicksal gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das ist die Folge Ihrer Politik in den 50er und 60er Jahren!)

    Spätestens seit 1973/74 konnte doch jeder wissen, wohin der Karren fuhr, konnte jeder wissen, daß das Erdöl von Jahr zu Jahr teurer werden würde. Eine vorausschauende Politik hätte spätestens seit 1974/75 eine Politik „Weg vom 01" sein müssen. Genau dies ist eben nicht geschehen.
    Ich will nicht darüber diskutieren, ob das Heizenergiesparprogramm, das wir als mißraten ansehen, etwas gebracht hat oder nicht, ich stelle nur fest, daß, wenn man rein die Zahlen betrachtet, die Einfuhren an Erdöl im Jahre 1979 noch oberhalb des Niveaus von 1974 lagen und erst im Jahre 1980 eine gewisse Verminderung festzustellen war, die sicherlich zum Teil auf die Einsparungsbemühungen unserer Bevölkerung zurückzuführen ist, zum Teil aber auch auf die Abschwächung der wirtschaftlichen Konjunktur.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Und Sie hätten das administrativ und dirigistisch verhindert!)

    Die Bundesregierung hat zweifellos den Marktmechanismus spielen lassen. Sie hat akzeptiert, daß das Öl auf unserem Markt immer teurer wird.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Unverschämt! Sie stellen doch die Wahrheit auf den Kopf!)

    Und hieran haben wir auch keinerlei Kritik zu üben. Aber eine aktive Politik „Weg vom Öl" gibt es doch erst dann, wenn man darüber hinaus Maßnahmen ergreift, um Öl durch andere Energieträger zu ersetzen. Genau daran hat es gefehlt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eben dies ist nicht geleistet worden, weil aus politischen Gründen die Regierungskoalition und insbesondere die Sozialdemokratische Partei dazu nicht in der Lage waren.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie Schwätzer!)

    Ersatzenergieträger, die man zur Verfügung stellen könnte, gibt es nicht so viele. Vor allem gibt es zwei:

    (Zuruf von der SPD: Atombombe!)




    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    die Einfuhrkohle und die Kernenergie. Da muß man hier schon klar sagen, wohin der Kurs gehen soll.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Was halten Sie von der heimischen Kohle, Herr Ministerpräsident?)

    — Ich komme gleich darauf, Herr Kollege. Ich will nur kurz abhaken, worüber wir einig sind. Dann ist Ihre Frage schon beantwortet.
    Wir sind einig darüber, daß wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um Energie zu sparen. Wir sind einig darüber, daß wir den Wirkungsgrad bei der Energienutzung erhöhen wollen. Wir sind deshalb auch einig darüber, daß wir das Fernwärmenetz, soweit es vernünftig ist, ausbauen wollen. Allerdings, muß ich sagen, haben dazu noch gesetzliche Änderungen des Monopolsystems zu erfolgen. Wir sind darüber einig, daß wir natürlich die sogenannten soft energies — Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme — heranziehen wollen, soweit es vernünftig ist. Nur: Wir wissen alle, daß das keine großen Prozentsätze in unserer Energiebilanz ausmacht. Wir sind darüber einig, daß wir Erdgas aus dem Ausland nehmen, wenn wir es kriegen können, ohne daß wir dadurch erpreßbar werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt komme ich zu Ihrer Frage. Selbstverständlich sind wir darüber einig, daß wir alle deutsche Kohle, die wir überhaupt nur kriegen können, auch zur Deckung unseres Energiebedarfs einsetzen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Warum verbrauchen Sie in Niedersachsen so wenig?)

    — Sie wissen gar nicht, wieviel wir brauchen!

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ich weiß es sehr wohl! Sie wissen es nicht! — Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie überhaupt Kohleöfen, Herr Wolfram?)

    Nur muß man doch dann, wenn man sieht, wie es mit der deutschen Kohle aussieht, zu folgenden Feststellungen kommen — ich will das einmal global schildern —: Wir haben zur Zeit einen Gesamtenergiebedarf, der bei über 400 Millionen t Steinkohleeinheiten liegt; man kann darüber diskutieren, ob wir für die nächsten 20 Jahre noch einmal zusätzlich 150 000 oder 200 000 t Steinkohleeinheiten brauchen. Auf jeden Fall müssen doch dann, wenn wir eine Politik „weg vom Öl" haben wollen, wenigstens 20 bis 25% des jetzigen Bestandes an Erdöl ersetzt werden. Das allein macht schon 100 Millionen t aus. Dann muß auch noch der zusätzliche Bedarf für die nächsten 20 Jahre gedeckt werden.
    Meine Damen und Herren, was sagt uns denn die deutsche Kohle? Sie wissen genauso wie ich: Sie sagt, daß sie in den nächsten zehn Jahren etwa 8 Millionen t zusätzlich zur Verfügung stellen kann,

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    vielleicht auch 10 Millionen t, wenn es ganz gut geht,
    12 Millionen t. Aber das steht doch in gar keiner Relation zu den 100 bis 200 Millionen t, die wir brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb zeigt sich hier, wie leer eigentlich die Formel vom „Vorrang der Kohle gegenüber der Kernenergie" ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es geht hier nicht um Vorrang, es geht darum, daß wir alle Kohle brauchen und dazu noch die Kernenergie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In der Tat, entscheidend ist die Frage — und da muß sich jeder selbst entscheiden —: Wie hältst du es mit der Einfuhrkohle, wie hältst du es mit der Kernenergie? Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst ein Wort zur Einfuhrkohle sagen.
    Andere Staaten sind schon seit Jahren auf dem Weg, sich langfristig Einfuhrkohle zu sichern. Ich habe darüber mit verschiedenen Wirtschaftsministern befreundeter Staaten sprechen können, die seit vielen Jahren mit Rotchina, mit der Volksrepublik Polen und mit anderen noch exportfähigen Staaten über langfristige Kohleverträge verhandeln. Es reicht hier nicht aus, daß wir sagen: Wir beseitigen das Kontingent, die mengenmäßige Beschränkung, wir stocken es so auf, daß Einfuhr möglich ist. Nach meiner Überzeugung brauchen wir mehr, nämlich eine Politik, die darauf abzielt — obwohl wir sehr spät in diesen internationalen Wettbewerb einsteigen —, auch für die Bundesrepublik Deutschland Einfuhrkohle privatrechtlich und völkerrechtlich langfristig zu sichern. Denn was nützt es uns, wenn wir in Australien Zechen haben, es aber dort eines Tages eine Exportbeschränkung gibt und wir die Kohle, die wir dort produzieren, nicht in die Bundesrepublik Deutschland exportieren können?

    (Zuruf von der SPD: Dafür haben Sie Brennesseln!)

    Aber noch schlimmer ist die Unfähigkeit der Regierungskoalition — und hier muß man sagen: der SPD —, den Beitrag der Kernenergie klar zu definieren und dann auch praktisch zu realisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das wird ja nun in der Tat geradezu dramatisch an dem — j a, was soll ich sagen? — Possenspiel oder Trauerspiel um Brokdorf demonstriert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

    Hier geht es j a nicht um die Hamburger SPD, sondern das, was sich in Hamburg vollzieht, hätte sich ebenso bei Herrn Eppler, bei Herrn Jansen, bei Herrn von Oertzen oder in anderen Bundesländern vollziehen können. Man muß sich das doch vor Augen halten. Ein Ausländer wird das überhaupt nicht begreifen.
    Da gibt es eine staatseigene Gesellschaft, die Hamburger Electrizitätswerke. 76 % der Anteile sind in den Händen des Hamburger Senats. Diese Gesellschaft beschließt, mit den Nordwestdeutschen Kraftwerken zusammen das Kernkraftwerk Brokdorf zu bauen. Da gibt es den Regierungschef in Hamburg,



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    der zuerst nichts dagegen hat, aber nach den Demonstrationen hat er etwas gegen Brokdorf. Da führt er den Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein gegen den Kollegen Stoltenberg, der seinerseits bereit ist, in Durchführung des Energieprogramms der Bundesregierung die Teilerrichtungsgenehmigung zu geben. Und immer noch kämpft Herr Klose gegen das Kernkraftwerk in Brokdorf, das seine staatseigene Gesellschaft dort bauen will. Aber die Mehrheit seines Senats ist anderer Auffassung. Sie stützt den Regierungschef nicht. Dann beruft man eine Koordinierungssitzung ein; von wem? Vom Senat, vom Parteivorstand, von der Fraktion; das Führungsgremium der SPD beschließt: Brokdorf muß gebaut werden. Und der regierende Bürgermeister bleibt in der Minderheitenposition. Er sagt: Das geht mich doch gar nichts an; ich habe hier noch einen Parteitag. Dann wird ein Parteitag einberufen; dort kippt die Mehrheit wieder um.
    Meine Damen und Herren, ich muß auch dies sagen. Spätestens jetzt stellt sich doch für uns die Frage: Gibt es hier noch einen Bundeskanzler, der versucht, Einfluß auf die deutsche Politik auszuüben?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Nee, aber einen importierten Ministerpräsidenten, der aussieht wie Bubi!)

    Ich habe das öffentlich gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal: Ich habe kein Verständnis dafür, daß der Herr Bundeskanzler in dieser Situation nicht zu seinem Landesparteitag gegangen ist und für seine Position gekämpft hat, weil viel auf dem Spiele steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wenn er jetzt wenigstens hier wäre! — Erneuter Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    Ich kann mir schon denken, welche Gründe er hatte, nicht vor seinem eigenen Parteitag zu kämpfen. Statt dessen hat er die Führungsspitzen der norddeutschen SPD nach Bonn eingeladen; er hat sie natürlich nicht überzeugen können. Ich nehme ihm nicht übel, daß er seine Parteigenossen nicht überzeugen konnte, aber ich nehme ihm übel, daß er dann hat verlautbaren lassen, das sei eine regionale Entscheidung, so als gehe das die Bundesregierung nichts an. Meine Damen und Herren, jeder von uns weiß, daß Brokdorf Symbolwert erlangt hat, daß dies einer der Prüfsteine der gesamten Energiepolitik der Bundesregierung ist. Da kann der Bundeskanzler nicht die Pilatushaltung einnehmen und sagen: Ich wasche meine Hände in Unschuld.

    (Zuruf von der SPD: Wie war es in Gorleben?)

    — Ich freue mich ja, daß Sie jetzt das Stichwort in die Debatte eingebracht haben, sonst hätte ich vielleicht in einem zweiten Debattenbeitrag darauf antworten müssen; dann kann ich das jetzt gleich tun.
    Meine Damen und Herren, in Gorleben war es genau anders. In Gorleben haben wir uns ganz klar entschieden. Wir haben gesagt: Das Endlager wird gebaut, das Zwischenlager wird gebaut, und die Wiederaufbereitungsanlage wird jetzt nicht in Gorleben gebaut, aber vielleicht an einem anderen Orte.

    (Zuruf von der SPD: Eiertanz!)

    Weil wir hier klar entschieden haben, ist plötzlich alles in Gorleben viel leichter. Wir haben vor Pfingsten letzten Jahres das Antiatomdorf dort abräumen müssen; seitdem ist dort Ruhe. Die Untersuchungen, die Tiefbohrungen gehen programmgemäß vonstatten. In einiger Zeit — es wird nicht mehr lange dauern — werden wir in der Lage sein, einen Schacht im Salzstock von Gorleben abzuteufen. Lassen Sie mich dies sagen: Ich bin fest davon überzeugt, daß die Bundesrepublik Deutschland gerade auf Grund dieser Politik das erste Land der Erde sein wird, das über ein funktionstüchtiges Endlager für atomaren Abfall verfügt. Die Amerikaner haben kein Endlager, die Franzosen haben kein Endlager, und die Briten rechnen damit, daß sie etwa in den Jahren 2005 bis 2010 ein Endlager haben werden. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, werden sicherlich in den 90er Jahren ein funktionstüchtiges Endlager, und zwar in Niedersachsen, für die Entsorgung der gesamten Bundesrepublik Deutschland und nicht nur des Landes Niedersachsen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Ohne Hilfe des Bundeskanzlers!)

    Wir haben gesagt — ich habe Ihnen das soeben noch einmal in Erinnerung gerufen —, daß wir auch bereit sind, dort ein Zwischenlager zu bauen, und zwar nicht nur für unseren Bedarf, sondern für den Bedarf der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Die Anträge sind gestellt; die Anhörungen sind vonstatten gegangen, und ich bin ziemlich sicher, daß wir das Zwischenlager in Niedersachsen, obwohl wir drei Jahre später gestartet sind, eher fertigstellen werden, als das bei dem Zwischenlager in Nordrhein-Westfalen der Fall sein wird, das eigentlich diese Funktion für die Bundesrepublik Deutschland wahrnehmen sollte.
    Ich sage ein letztes Wort zur Wiederaufbereitungsanlage. Es war nach meiner Überzeugung ein kapitaler Fehler, das gigantische Projekt der Bündelung all dieser Anlagen an einem Ort vorzusehen. Mittlerweile hat sich das auch herumgesprochen. Es war ein Fehler, die überdimensionierte Anlage mit einem Durchsatz von 1 400 t zu konstruieren, nachdem man bisher nur Erfahrungen mit einer 50-t-Anlage hatte. Jetzt ist ja in Hessen eine Anlage mit einer Kapazität von nur noch etwa 350 t im Gespräch. Ich will hierzu nur ganz klar sagen: Auch das Land Niedersachsen hält sich an das, was zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern vereinbart worden ist. Das bedeutet, wenn die Entscheidung über einen Standort getroffen werden soll, dann ist dafür Niedersachsen genauso in der Erwägung, wie es Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein oder irgendein anderes Bundesland ist. Allerdings ist der Standort dann nicht Gorleben, sondern ein anderer.
    Ich will diese Vorgänge um Brokdorf doch noch abschließend behandeln. Das Ende kennen wir. Der Senat sagt: Was der Parteitag beschlossen hat, bin-



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    det uns nicht. Der Senat ist nach achtstündiger Debatte nicht in der Lage, ja oder nein zu sagen. Was kommt dabei heraus, damit der Senat nicht stürzt? Er sagt: Wir brauchen eine dreijährige Denkpause. Sieben Jahre lang herrscht nun schon Denkpause bei der SPD in Sachen Kernenergie. Wie lange soll das eigentlich noch weitergehen?

    (Beifall von der CDU/CSU)

    Regieren bedeutet jedenfalls nach meinem Verständnis etwas anderes. Regieren heißt, daß man in der Tat erst denkt, dann diskutiert, aber dann auch entscheidet. Und daran fehlt es in der Bundesrepublik Deutschland seit vielen, vielen Jahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses Problem ist kein internes Problem der SPD. Denn die SPD ist, ob wir das wollen oder nicht, die größere Regierungspartei in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht mehr lang, wenn Sie so weitermachen. Da müssen Sie sich gewaltig am Riemen reißen! Aber jetzt ist sie die Regierungspartei. Deshalb kann es uns nicht gleichgültig sein, was sich im Innern dieser Partei vollzieht.
    Ich will allerdings auch sagen, und ich denke, ich bin da in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister, daß das Ölproblem nicht die einzige Erklärung für diese dramatische Verschlechterung der deutschen Leistungsbilanz ist. Ich will es mal so ausdrücken: Wenn wir einen stärkeren Zuwachs an Produktivität hätten, als wir ihn in den letzten Jahren gehabt haben, wenn die Investitionskraft und insbesondere die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft noch ungebrochen wären, wenn wir weiter an der Spitze des technologischen Fortschritts stünden, dann hätten wir trotz der gewaltigen Belastung durch diesen starren Block von Ölimporten noch eine Chance, unsere Bilanz, wenigstens auf mittlere Sicht gesehen, auszugleichen. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen und uns nichts vormachen wollen, müssen wir auch hier sagen, daß das leider nicht mehr ganz so ist und daß offensichtlich auch die Wettbewerbskraft unserer Wirtschaft in den letzten Jahren sich nicht so günstig entwickelt hat, wie wir das wünschen. Der Strukturbericht, der jetzt von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten vorgelegt worden ist und für den ich mich ausdrücklich bedanken möchte — das ist eine gute Neuerung in unserem Berichtswesen, in unserem Instrumentarium —, weist das ziemlich deutlich aus. Er bestätigt das, was wir aus der täglichen Erfahrung draußen im Land wissen, nämlich daß in wichtigen Bereichen unsere Wirtschaft international nicht mehr wettbewerbsfähig ist und daß sie in anderen Bereichen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht ist. Ich brauche nicht an die alten Schwierigkeiten in der Textilindustrie und in der Lederindustrie zu erinnern. Es folgte der Schiffsbau, der uns im Norden, an der Küste gewaltige Sorgen macht, wo wir einfach erkennen müssen, daß wir im Frachterbau, insbesondere im Tankerbau international nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Wir hatten dieselben Probleme dann beim Massenstahl. Die Sektoren, die einst den Weltruf der deutschen Industrie begründet haben: optische Industrie, Fotoindustrie, sind doch in gar keiner Weise mehr international wettbewerbsfähig. Denken Sie an die Japaner. Es hat gar keinen Zweck, daß wir unsere Augen vor dieser Tatsache verschließen. Denken Sie auch an die Unterhaltungselektronik. Kürzlich ging durch die Presse, daß Grundig allein vier Werke in der Bundesrepublik Deutschland schließen will. Auch das ist ja ein Alarmzeichen. Und wer es immer noch nicht begriffen hat, der braucht nur auf den Automobilmarkt zu sehen, wo wir nicht nur auf den Weltmärkten ausgepunktet worden sind, sondern wo auch auf unserem Heimatmarkt das Problem immer dringender wird.
    All dies sind Zeichen, die uns nachdenklich machen müssen und die das, was ich sage, stützen: Daß eine tiefergreifende Veränderung unserer internationalen wirtschaftlichen Position stattgefunden hat. Es hat keinen Zweck, daß wir ohne fundierte Beweise hoffen, daß innerhalb von 6 bis 12 Monaten alles wieder anders sein wird. Ich glaube, daß sich in einer solchen Situation jeder fragen muß, ob er an dieser Entwicklung nicht ein bißchen Mitverantwortung trägt. Die Unternehmer müßten sich vielleicht fragen, ob sie nicht allzu selbstsicher geworden waren, ob die Initiativkraft, die schöpferische Kraft noch in dem alten Maße vorhanden ist. Die Gewerkschaften müßten sich fragen, ob es wirklich richtig ist, den Menschen in dieser Lage auch nur die Perspektive der 35-Stunden-Woche zu eröffnen, oder ob es nicht wichtiger wäre, daß wir gemeinsam eine Anstrengung unternehmen, die außerordentlich hohen Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft, den Krankenstand und ähnliches abzubauen. Meine Damen und Herren, wenn wir die Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft um 50 % senken könnten, hätten wir immer noch doppelt so hohe Fehlzeiten, wie die Japaner sie in ihrer Industrie haben.
    Aber die Frage richtet sich auch an die Politiker und an den Staat; Graf Lambsdorff hat es mit dem Stichwort Bürokratie, Bürokratismus angesprochen. Der Staat, die Politiker müßten sich fragen lassen, ob die Flut von Gesetzen, Verordnungen und Reglementierungen nicht mit dazu beigetragen hat, daß die schöpferische Initiativkraft in der freien Wirtschaft eingeschränkt worden ist, und ob wir nicht Mitverantwortung dafür tragen, daß nicht alle technologischen Chancen von der deutschen Wirtschaft genutzt werden konnten. Hier gibt es vor allem zwei Sektoren, die von fundamentaler Bedeutung sind: Das eine ist, wie jeder weiß — ich habe darüber gesprochen —, die Nukleartechnologie. Wir müssen sehen, daß die Franzosen uns davongezogen sind, und zwar deshalb, weil sie die Schwierigkeiten, die wir haben, nicht haben. Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar dafür, daß er den zweiten wichtigen Sektor so klar angesprochen hat: die Telekommunikation, die Kommunikationstechnologie. Meine Damen und Herren, hier liegen gewaltige Möglichkeiten der Entwicklung. Noch ist unsere Industrie in der Lage, hier im internationalen Wettbewerb Spitzenpositionen zu besetzen. Aber wenn wir die Blockade der Verkabelung in der Bundesrepublik Deutschland noch drei, vier Jahre durchhalten,



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    werden wir auch diese Chance verspielt haben; das ist meine feste Überzeugung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will schließlich, obwohl es kein angenehmes Thema ist, auch darauf hinweisen, daß sich auch unsere Gerichte fragen müssen, ob sie es wirklich verantworten können, daß allein im Kraftwerkssektor etwa 60 Milliarden DM an Investitionen blockiert sind. Wir müssen uns einmal vor Augen halten, was eine solche Summe bedeutet. Auch wenn Bund und Länder trotz der Finanznot jetzt wieder dazu kommen sollten, konjunkturstützende Programme aufzulegen, so würden die doch nur einen Bruchteil der Investitionssumme ausmachen, die heute allein durch die Verwaltungsgerichte blockiert ist. Da wäre es sehr viel einfacher und richtiger, zu versuchen, hier eine Deblockade herbeizuführen.
    Meine Damen und Herren, was tun? Nun, nach dem, was ich über die Gründe gesagt habe, ist klar, daß vor allen Dingen zwei Dinge wichtig sind: Das erste ist, daß wir alle Anstrengungen unternehmen, um unsere Wettbewerbskraft wieder zu stärken, daß wir die verschiedenen politischen Blockaden aufheben. Das zweite ist, daß wir jetzt endlich beginnen, eine wirksame Politik „weg vom Öl" zu betreiben. Die entscheidende Frage ist allerdings: Wann wirken solche Versuche? Angenommen, wir würden jetzt keine Brokdorf-Diskussion mehr haben, angenommen wir würden ab morgen einträchtig einen klaren energiepolitischen Kurs fahren und überzeugt sein, daß wir alle eine Anstrengung machen müssen, um unsere Wettbewerbskraft wieder zu stärken, so ist doch zu bedenken, daß sich dies nicht von heute auf morgen realisieren läßt. Denn ein Kraftwerk zu bauen dauert acht Jahre. Und das andere, die Stärkung der Wettbewerbskraft, ist ja in Wahrheit ein gesellschaftlicher Prozeß. Da müssen wir die Menschen, da müssen wir uns gegenseitig überzeugen, und ein solcher Überzeugungsprozeß ist auch nicht in wenigen Monaten zu schaffen; das sind vielmehr jahrelange Vorgänge.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, dies will ich am Schluß nun doch einmal deutlich fragen: Wie sehen Sie hier eigentlich unsere Chancen? Was würden wir denn normalerweise in einer solchen Situation tun, in der wir ein Leistungsbilanzdefizit von 28 Milliarden DM und entsprechende Devisenverluste haben? Wir würden den Kurs der Deutschen Mark sinken lassen, damit die Exporte es leichter haben und die Importe gebremst werden. Dies würde uns zwar viele Schwierigkeiten bereiten — das ist ohne Frage richtig; das würde einen Inflationsstoß in die Bundesrepublik Deutschland tragen —, aber es würde uns auch eine Chance bieten, zu neuem Gleichgewicht zu kommen, und uns einen neuen Spielraum für eine eigenständige Konjunkturpolitik eröffnen, den wir zur Zeit nicht haben. Wir hätten dann nicht mehr die höchsten Löhne. Die sind aber ohnehin nicht zu halten. Nach meiner Überzeugung haben wir in den nächsten Jahren — realwirtschaftlich gesehen — keine Chance mehr, an der Spitze der Lohnpyramide der Welt zu bleiben.
    Die Bundesregierung und die Bundesbank sperren sich gegen eine solche Politik der Abwertung der
    Deutschen Mark. Ich kann auch gar nicht leugnen, daß ich dafür sehr viel Verständnis habe. Und warum? Angesichts dieses gewaltigen unbeweglichen Blocks der Öleinfuhren und des zweiten großen Blocks der lebensnotwendigen Rohstoffeinfuhren bedeutet jede Abwertung eine entsprechende Verteuerung. 30 % Abwertung heißt 30 % Verteuerung der Öleinfuhren, 30 % Verteuerung all der Rohstoffe, die wir als verarbeitende Wirtschaft brauchen, um international exportieren zu können. Es ist sicher, daß eine solche Entwicklung gewaltige Verwerfungen innerhalb der deutschen Volkswirtschaft und einen ganz neuen Impuls zum Strukturwandel hervorrufen müßte. Es gibt Sektoren, die sich dann leichter bewegen, und es würde Sektoren geben, die gewaltig ins Hintertreffen geraten. In jedem Fall wäre damit der inflationäre Schub verbunden, von dem ich gesprochen habe. Ich kann also verstehen, daß die Bundesregierung, nachdem wir nun in eine Situation geraten sind, in der wir praktisch keinen Bewegungsspielraum mehr haben, zögert, überhaupt irgend etwas zu tun.
    Wenn ich Sie recht interpretiere, dann warten Sie doch nur darauf — das ist die letzte Hoffnung, Herr Bundeswirtschaftsminister —, daß in den nächsten Jahren die Inflation in den Industriestaaten der Welt so groß sein wird, daß wir den Kurs der Deutschen Mark wenigstens nominell einigermaßen verteidigen können, auch wenn er real in gar keiner Weise mehr zu halten ist. Ich meine, daß die Chancen allerdings, daß diese Rechnung aufgeht, eher begrenzt sind. Sie werden um so begrenzter sein, als die Regierungspolitik in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien an dem Kurs festhält, der auf eine Stabilisierung und auf eine Eindämmung der Inflation ausgerichtet ist.
    Was wird denn geschehen, wenn diese Hoffnung trügerisch sein sollte? Dann wird in nicht zu ferner Zeit festgestellt werden müssen, daß unsere Devisenreserven, unsere Währungsreserven, erschöpft sind. Dann werden wir, die wir immer anderen Kredite gegeben haben, im Ausland zur Stützung der Deutschen Mark um Kredite bitten müssen.
    Es tut mir leid, daß ich nun auch nicht sagen kann: In dieser Situation läßt sich alles kurzfristig wieder in Ordnung bringen. Hier muß man einmal zur Kenntnis nehmen, daß, wenn auf so wichtigen Gebieten wie dem der Energiepolitik jahrelang Versäumnisse eingefahren werden, diese eben nicht kurzfristig zu korrigieren sind. Es läßt sich auch nicht innerhalb weniger Monate begradigen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Fülle von gesellschaftlichen Prozessen erst einmal geringer geworden ist. Das, was wir jetzt noch tun können — —

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Nun machen Sie doch mal drei konkrete Vorschläge! — Wehner [SPD]: Wanderzirkus Albrecht!)

    — Ja, ich würde Ihnen gerne mehr als drei Vorschläge machen; nur hilft das alles nichts mehr in den Fristen, um die es geht.



    Ministerpräsident Dr. Albrecht (Niedersachsen)

    Natürlich müssen Sie sich jetzt endlich einmal zur Kernenergie und zur Einfuhrkohle bekennen und entsprechende Handlungen unternehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was nützt mir denn eine Partei, die erklärt: Wir sind jetzt einig über fünf Punkte, und in den fünf Punkten steht nach der Interpretation, die man uns gibt: der Bau von Brokdorf ist mit den fünf Punkten genauso vereinbar wie der Nichtbau von Brokdorf.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Wolfram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Ministerpräsident, wollen Sie zur Kenntnis nehmen, daß das Importkontingent mit Zustimmung Ihrer Parteifreunde längst erhöht worden ist, und wollen Sie erklären, das reiche nicht aus?