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ID0902303700

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    Plenarprotokoll 9/23 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 23. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 Inhalt: Überweisung des Dritten Tätigkeitsberichtes des Bundesbeauftragten für den Datenschutz an weitere Ausschüsse 987 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und BranntweinsteuerÄnderungsgesetzes 1981 — Drucksachen 9/91, 9/144 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/173 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksachen 9/164, 9/167 — Dr. Schäuble CDU/CSU 987 C Dr. Diederich (Berlin) SPD 991 D Frau Matthäus-Maier FDP 994 B Matthöfer, Bundesminister BMF 997 B Namentliche Abstimmung 999 D Beratung des Jahresgutachtens 1980/81 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 9/17 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1981 der Bundesregierung — Drucksache 9/125 — Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 1001C, 1047B Dr. Waigel CDU/CSU 1010 C Dr. Jens SPD 1015 C Dr. Haussmann FDP 1021 A Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 1041C, 1050C Dr. Schwarz-Schilling CDU/CSU 1052A Reuschenbach SPD 1054 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 1056 D Wurbs FDP 1059 C Pieroth CDU/CSU 1061 B Dr. Schachtschabel SPD 1063 D Fragestunde — Drucksachen 9/159 vom 13. 02. 1981 und 9/169 vom 18.02. 1981 — Bewertung des Artikels „Die versteckte Atommacht" in der Illustrierten „Stern" vom 19. Februar 1981 durch die Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 MdlAnfr 1 18.02.81 Drs 09/169 Graf Huyn CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Penner BMVg 1023C, 1024A, B, C, D, 1025A, B, C, D, 1026A ZusFr Graf Huyn CDU/CSU . . . 1023D, 1024A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1024B ZusFr Haase (Kassel) CDU/CSU 1024 B ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . 1024B ZusFr Jungmann SPD 1024 C ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU 1024 C ZusFr Würzbach CDU/CSU 1024 D ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1025A ZusFr Hansen SPD 1025A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1025 B ZusFr Linsmeier CDU/CSU 1025 B ZusFr Francke (Hamburg) CDU/CSU . . 1025C ZusFr Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 1025C ZusFr Dallmeyer CDU/CSU 1025 D ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . 1025D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 1026A Von der Bundesregierung wegen der Veröffentlichung „Die versteckte Atommacht" in der Illustrierten „Stern" in Aussicht genommene Schritte DringlAnfr 2 18.02.81 Drs 09/169 Würzbach CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Penner BMVg . 1026A, B, C, D, 1027A, B ZusFr Würzbach CDU/CSU 1026 B ZusFr Jungmann SPD 1026 C ZusFr Dallmeyer CDU/CSU 1026C ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1026 D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1026 D ZusFr Hansen SPD 1027A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1027A ZusFr Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU 1027B Anzahl der Zivildienstleistenden, die Vorbereitungslehrgänge absolviert haben, sowie Erfahrungen mit diesen Lehrgängen MdlAnfr 35, 36 13.02.81 Drs 09/159 Horstmeier CDU/CSU Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . . 1027C, D, 1028A, B, C ZusFr Horstmeier CDU/CSU . . 1027D, 1028A, B ZusFr Broil CDU/CSU 1028 B ZusFr Börnsen SPD 1028 B ZusFr Peter (Kassel) SPD 1028C Einführung flexiblerer Arbeitszeiten zur Koordinierung der Familienaufgaben mit den Anforderungen der Berufswelt MdlAnfr 39, 40 13.02.81 Drs 09/159 Kroll-Schlüter CDU/CSU Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1028D, 1029A, B, C, D, 1030A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU . . . 1029A, B, D, 1030A ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD 1029 B ZusFr Frau Steinhauer SPD ... 1029 C ZusFr Jaunich SPD 1030A Übersicht über cadmiumhaltige Lebensmittel MdlAnfr 41, 42 13.02.81 Drs 09/159 Jaunich SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1030B, D, 1031A, B ZusFr Jaunich SPD 1031A ZusFr Susset CDU/CSU 1031 B Cadmiumgehalt in Lebensmitteln MdlAnfr 43, 44 13.02.81 Drs 09/159 Gilges SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1031C, D, 1032A, C ZusFr Gilges SPD 1031D, 1032B Rechtsvorschriften zur Verminderung des Cadmiums in Lebensmitteln MdlAnfr 45, 46 13.02.81 Drs 09/159 Rayer SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1032C, D, 1033A, B, D ZusFr Rayer SPD 1032D, 1033C ZusFr Eigen CDU/CSU 1033A ZusFr Broll CDU/CSU 1033A ZusFr Gilges SPD 1033A Erfahrungen des Arbeitsstabes Frauenpolitik mit dem arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz MdlAnfr 47, 48 13.02.81 Drs 09/159 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1033 D, 1034A, B, C, D ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1033D, 1034A. B ZusFr Frau Roitzsch CDU/CSU 1034 B ZusFr Heyenn SPD 1034 ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1034 D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 III Erfahrungen des Arbeitsstabes Frauenpolitik mit dem § 611b BGB (Stellenausschreibung) und mit dem Art. 2 des EG-Anpassungsgesetzes (Aushang der Gleichbehandlungsvorschriften im Betrieb) MdlAnfr 49, 50 13.02.81 Drs 09/159 Frau Steinhauer SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . . 1034D, 1035B, C, D, 1036A ZusFr Frau Steinhauer SPD . . . . 1035A, B, D, 1036A ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1035B ZusFr Heyenn SPD 1035 D Aktivitäten des Arbeitsstabes Frauenpolitik beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit MdlAnfr 51 13.02.81 Drs 09/159 Frau Weyel SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 1036A, D, 1037A, B, C, D, 1038A ZusFr Frau Weyel SPD 1036C, D ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1036 D ZusFr Frau Terborg SPD 1037 A ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . 1037B ZusFr Frau Geiger CDU/CSU 1037 B ZusFr Frau Dr. Wex CDU/CSU 1037 C ZusFr Frau Steinhauer SPD 1037 D ZusFr Frau Dr. Hellwig CDU/CSU . . . 1037 D ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1038A ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1038A Arbeitsprogramm des Arbeitsstabs Frauenpolitik, u. a. bezüglich der Verbesserung des Verhältnisses Familie und Beruf durch Teilzeitarbeit MdlAnfr 52, 53 13.02.81 Drs 09/159 Frau Dr. Lepsius SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . 1038B, C, D, 1039A, B, C, 1040A ZusFr Frau Dr. Lepsius SPD 1038B, C ZusFr Dr. Diederich (Berlin) SPD 1038 D ZusFr Frau Benedix-Engler CDU/CSU . 1038D ZusFr Frau Schmidt (Nürnberg) SPD . . 1039A ZusFr Frau Weyel SPD 1039 A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1039 B ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1039B ZusFr Frau Steinhauer SPD . . . 1039C, 1040A ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . .1040A Inanspruchnahme des Arbeitsstabs Frauenpolitik durch Frauen und verstärkte Bekanntmachung seiner Arbeit in der Öffentlichkeit MdlAnfr 54, 55 13.02.81 Drs 09/159 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD Antw BMin Frau Huber BMJFG . . . 1040B, D, 1041A, B ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . 1040 C ZusFr Frau Dr. Hellwig CDU/CSU . . . .1040D ZusFr Frau Verhülsdonk CDU/CSU . . . 1040 D ZusFr Heyenn SPD 1041A ZusFr Kroll-Schlüter CDU/CSU 1041 B Nächste Sitzung 1065 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1066*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Februar 1981 987 23. Sitzung Bonn, den 19. Februar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 2. Dr. Barzel 20. 2. Berschkeit 20. 2. Conrad (Riegelsberg) 20. 2. Eymer 20. 2. Genscher 19. 2. Handlos 20. 2. Dr. Hubrig 20. 2. Jansen 20. 2. Kittelmann* 20. 2. Dr. Klejdzinski* 20. 2. Korber 20. 2. Männing* 20. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 2. Dr. Möller 20. 2. Dr. Müller* 20. 2. Dr.-Ing. Oldenstädt* 20. 2. Petersen** 20. 2. Pohlmann 20. 2. Prangenberg 20. 2. Dr. Probst 19. 2. Rösch* 20. 2. Frau Schlei 20. 2. Dr. Wieczorek 20. 2. Dr. Zander 20. 2. Zink 20. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege Roth, die Premierministerin von England ist in der Schwierigkeit, daß sie in relativ kurzer Zeit die Mißwirtschaft jahrzehntelanger sozialistischer Regierungen beseitigen muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Volltreffer! — Abg. Dr. Jens [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Jens, Sie haben anschließend 30 Minuten Zeit, und ein Großteil Ihrer Frage wird sich durch gutes Zuhören bei mir in den nächsten Minuten erledigen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben, Graf Lambsdorff, und ich finde das bemerkenswert, von der notwendigen und schwierigen Weitergabe von Erfahrungen einer Generation an die andere gesprochen. Das ist in der Tat ein wichtiges Problem für uns alle. Ich glaube, es ist bei der FDP und bei den Judos besonders schwierig. Wenn Sie da Ihren Beitrag dazu leisten, dann wird dies wichtig sein, um das Spannungsverhältnis von Tra-



    Dr. Waigel
    dition und Innovation, von Älteren und Jüngeren auszugleichen. So viel zu Ihrer Rede, Herr Minister.
    Nun einige Bemerkungen zum Jahreswirtschaftsbericht. Der Jahreswirtschaftsbericht ist der Versuch, ein realistisches Bild von der aktuellen wirtschaftlichen Lage und von der voraussichtlichen Entwicklung zu zeichnen. Es ist nicht wahr, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß im zurückliegenden Bundestagswahlkampf SPD und FDP uns gegenüber fair gewesen seien. Sondern Sie haben damals behauptet, wir würden mit den wirtschaftlichen Problemen und vor allem mit dem Problem der Ölpreissteigerungen spielend fertig. Sie haben behauptet, Haushalts- und Verschuldungsfragen gebe es nicht, die Opposition betreibe das Geschäft der Schwarzmalerei und wecke in unverantwortlicher Weise bei der Bevölkerung Ängste vor der künftigen Wirtschaftsentwicklung.

    (Reuschenbach [SPD]: Das tun Sie heute noch!)

    Heute hat sich all das, was wir in Ehrlichkeit gegenüber dem Volk prognostiziert haben, als richtig herausgestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Jahreswirtschaftsbericht unterscheidet sich in seiner ernüchternden Lagebeurteilung wohltuend von dem, was früher gesagt wurde. Während in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch von einer gesunden Wirtschaft die Rede war, ist nunmehr offenkundig, daß wir uns nach 1967 und 1974 auf dem Marsch in die dritte Rezession der Nachkriegsgeschichte befinden. Wir wissen noch nicht, wie schwer sie wird. Noch nie waren wir von den im Stabilitätsgesetz verankerten Zielen weiter entfernt als zur Stunde.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Von allen!)

    Sie sagen, es sei objektiv nicht machbar, alle Ziele gleichzeitig zu erreichen. Das wissen auch wir. Sie können aber nicht leugnen, daß auch die politische Führung daran Schuld trägt, daß nicht wenigstens einige dieser Ziele besser erreicht worden sind, als es geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wachstum wird es in diesem Jahr nicht geben. Die Arbeitslosenzahl steigt auf eine politisch nicht mehr tragbare Höhe. Bei der Reduzierung der Inflationsrate und beim Abbau des Leistungsbilanzdefizits ist kaum mit Fortschritten zu rechnen. Die erhoffte konjunkturelle Wende ist mehr als ungewiß. Indikatoren dafür sind nicht vorhanden. Sie hängt vom Ergebnis der Tarifrunde, von möglichen OPEC-Beschlüssen, von der Wirtschaftsentwicklung unserer wichtigsten Handelspartner und nicht zuletzt von der politischen Entscheidungsfähigkeit der Bundesregierung ab. Und hier ist nichts Gutes in den letzten Wochen und Monaten passiert.
    Der Jahreswirtschaftsbericht ist auch realistischer als das Bild, das die Bundesregierung noch um die Wende des vorigen Jahres vermittelt hat. Aber auch diese Vorausschau ist angesichts der Entwicklung der Inflationsrate und der Beschlüsse, die Sie soeben erst gefaßt haben, noch optimistisch.
    Dem Jahreswirtschaftsbericht mangelt es begreiflicherweise an einer Bestandsaufnahme der politischen Fehler und Versäumnisse, die maßgeblich zu der gegenwärtigen Fehlentwicklung geführt haben. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie sagen, wir sollten doch keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, nur, Herr Bundeswirtschaftsminister: Es ist schon unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, von dieser Stelle aus darauf hinzuweisen, wer in den letzten Jahren die Verantwortung dafür getragen hat, daß wir in diese Situation gekommen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, und auch Ihr Vorgänger haben die richtige Erkenntnis nicht erst seit heute. Im April 1977 haben Sie in New York einen Vortrag gehalten und sich darin in erstaunlicher Offenheit mit der grundlegenden wirtschaftspolitischen Strategie der Union identifiziert, ohne daraus konkrete Konsequenzen zu ziehen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wie immer!)

    Sie haben damals gesagt:
    Wir haben es nicht mit einer vorübergehenden konjunkturellen Nachfrageschwäche zu tun, die sich durch die Ersatznachfrage des Staates ausfüllen ließe, sondern die Ursachen sind struktureller Art. Kurzfristige staatliche Globalprogramme sind deshalb nicht das richtige Instrument ...
    Das Ziel der deutschen Wirtschaftspolitik ist nun, die Staatshaushalte grundsätzlich wieder zu konsolidieren und gleichzeitig den investiven Anteil dieser Haushalte zu erhöhen ...
    Später heißt es:
    Die Devise der Stunde kann nicht lauten: „Verschuldet euch mehr, die Inflation ist nicht so wichtig!", sondern nach einer Phase expansiver Fiskalpolitik ist nun eine Phase der Konsolidierung unbedingt notwendig. Es droht sonst die Gefahr, daß wir die finanzielle Misere potenzieren.
    So Graf Lambsdorff im April 1977. Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn Sie damals die richtige Erkenntnis gehabt haben, warum haben Sie dann in den letzten vier Jahren keine andere Wirtschafts-und Finanzpolitik betrieben?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Das durfte er nicht!)

    Nicht umsonst hat der Bundeswirtschaftsminister immer wieder auf die von Finanzminister Matthöfer in der Haushaltsdebatte gehaltene Rede hingewiesen. Denn diese Rede bedeutet — jedenfalls verbal — eine Kehrtwendung der Finanzpolitik Matthöfers und der Koalition.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nur, diesen Kurswechsel hätten wir früher gebraucht. Aber es war immerhin hochinteressant, in
    dieser Rede eines Sozialdemokraten im Grunde die



    Dr. Waigel
    Abkehr von der Vollbeschäftigungsgarantie zu hören. Da war plötzlich vom Prinzip der Subsidiarität die Rede, daß der Staat nur subsidiär eingreifen könne. Da hieß es, neue staatliche Ausgabenprogramme könnten die aktuellen wirtschaftspolitischen Probleme nicht lösen. Das sagt der gleiche Herr Matthöfer, der im Bundestagswahlkampf nicht müde geworden ist, die positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekte kreditfinanzierter Ausgabenprogramme zu beschwören. Solche Programme sind früher auch durchgeführt worden, haben sehr viel Geld gekostet und die Kassen ruiniert, so daß wir jetzt in dieser miserablen konjunkturellen Zeit nicht die Möglichkeit haben, eine antizyklische Finanzpolitik zu betreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Abbau von Investitionshemmnissen heißt die wichtigste wirtschaftspolitische Schlußfolgerung des Jahreswirtschaftsberichts und des Sachverständigengutachtens. Graf Lambsdorff hat dies soeben wieder dargetan, und auch die anderen Wirtschaftspolitiker der FDP versäumen keine Gelegenheit, darauf hinzuweisen. Wir stimmen Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, in diesem Punkt uneingeschränkt zu. Sie sollten aber den Mut und die politische Kraft aufbringen, diese Investitionshemmnisse, die zu einem Investitionsstau von mehr als 50 Milliarden DM geführt haben, genau zu bezeichnen. Denn, Herr Minister, diese Investitionshemmnisse sitzen personifiziert auf dieser Regierungsbank, und Sie gehören dazu.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Investitionshemmnis Nummer eins ist der Bundeskanzler höchstpersönlich.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Er und sein Planungschef — niemand anderen können Sie bei der langen Passage über die neuen Kommunikationstechnologien gemeint haben — sind für den Verkabelungsstopp verantwortlich. Damit ist einer Zukunftsindustrie in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit genommen worden, sich rechtzeitig darauf einzustellen, Arbeitsplätze zu bewahren und Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Investitionshemmnis Nummer zwei ist die norddeutsche SPD um Klose, Jansen und Matthiesen, gestützt durch einige Südlichter der SPD um Eppler. Hatten Wirtschaft und Gewerkschaften nach der Bundestagswahl von der Bundesregierung endlich grünes Licht für den erforderlichen Kraftwerksausbau erhofft, so zeigen die Auseinandersetzungen um Brokdorf nun, daß die SPD in dieser für uns existentiellen Frage nach wie vor in sich heillos zerstritten und politisch handlungsunfähig geworden ist. Die Brokdorf-Entscheidung des Hamburger Senats ist wirtschafts- und gesellschaftspolitisch verhängnisvoll. Wenn sich Hamburgs Bürgermeister Klose im Hinblick auf den Weiterbau des Kernkraftwerkes Brokdorf für eine Denkpause ausspricht, so geht es ihm nicht um eine Pause zum Denken, sondern um eine Pause vom Denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU) In dieser Frage muß die Flucht in gegensätzliche Optionen endlich ein Ende haben. Entscheidungen sind unumgänglich. Das kräftige Sowohl-Als-auch des Parteivorsitzenden der SPD, Herrn Brandt, ist eine glatte Verhöhnung der Bürger, die hier Entscheidungen verlangen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Als Investitionshemmnis Nummer drei hat sich in den vergangenen Jahren Ex-Justizminister Vogel hervorgetan. Es vergeht heute fast kein Tag mehr, an dem nicht FDP- und jetzt auch SPD-Politiker — dies steht im Gegensatz zu der Gesetzespolitik von Herrn Vogel — fordern, es müsse mehr privates Kapital in den Wohnungsbau hineinkommen. Herr Bundeswirtschaftsminister, es wird sehr interessant sein, zu verfolgen, wie Sie diesen Zielkonflikt zwischen dem, was Sie vorschlagen, und dem, was Sie in den letzten Jahren getan haben, lösen wollen. Ich möchte Sie auch noch an die regierungsinterne Auseinandersetzung bei der Abfassung des Erfahrungsberichtes der Bundesregierung über das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz erinnern. Wir werden Sie in den nächsten Monaten Punkt für Punkt nach diesen Investitionshemmnissen abklopfen und wollen sehen, was daraus — neben verbaler Bekundung — wird.
    Die Liste der Investitionshemmnisse kann ich mit der Nummer vier fortsetzen. Das ist der Innenminister Baum, der Ihrer Partei angehört, Herr Bundeswirtschaftsminister. Die von Ihnen und der FDP verlangte Verbandsklage ist geradezu ein neues Instrument zur Blockierung von Investitionsvorhaben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Niemand kann doch bestreiten, daß dies zu einer weiteren Verschleppung der Genehmigungsverfahren und gerichtlichen Einspruchsverfahren im Kraftwerksbereich, im Straßenbau und bei Industrieansiedlungen führt. Wir müssen uns angesichts der Diskussion der letzten Wochen auch die Frage stellen, ob nicht die Überbeanspruchung des Rechts letztlich zu einem Mißbrauch des Rechts wird. Wenn ich mir überlege, daß eine Bürgerinitiative in den letzten Tagen eine Gerichtsentscheidung als den Beginn des Ausstiegs aus der Technik bezeichnet hat, dann kann ich nur sagen: Dies wäre in letzter Konsequenz das Todesurteil für viele Menschen in unserem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Als Investitionshemmnis besonderer Art hat sich der Bundesfinanzminister entpuppt. Er hat — im Gegensatz zu dem, was heute der Bundeswirtschaftsminister gefordert hat — den konsumtiven Teil seines Haushalts für tabu erklärt und versucht, die Lücke im Haushalt mit Steuererhöhungen und durch massive Kürzung investiver Mittel zu stopfen. Eine Mittelkürzung gerade bei investiven Vorhaben — ich denke z. B. an den Saar-Pfalz-Kanal und an die Main-Donau-Verbindung — oder bei den Investitionszuschüssen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen ist konjunktur- und wachstumspolitisch falsch und führt zu einer direkten Gefährdung von Arbeitsplätzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Waigel
    Die Haushaltspolitik der Bundesregierung ist seit Jahren durch einen kontinuierlichen Rückgang des Anteils investiver Ausgaben an den Gesamtausgaben gekennzeichnet. Ihre Programmflut hat zu der rapide zunehmenden Staatsverschuldung und zu zweistelligen Preissteigerungen in der Bauwirtschaft geführt. Gerade für diese Branche wäre hingegen eine Verstetigung der öffentlichen Baunachfrage notwendig, um ein ständiges Auf und Ab für diesen konjunkturpolitisch bedeutsamen Wirtschaftszweig zu verhindern.
    Die mehrjährige Finanzplanung, einst als verläßliche Orientierungslinie auch für die private Wirtschaft gedacht, ist nicht mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man kann sie nur noch als Anhang zu Grimms Märchen bezeichnen, wenn man sich vorstellt, daß dort von der Voraussetzung eines Wirtschaftswachstums von 3,5 % ausgegangen wird, aber bereits heute erkennbar ist, daß wir diese Zahl leider nie erreichen werden.
    Doch auch der Bundeswirtschaftsminister muß in die Reihe der Investitionshemmnisse einbezogen werden, auch wenn er gegen sie wettert. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und dann als Bundeswirtschaftsminister trägt Graf Lambsdorff Mitverantwortung für das „stop and go" in der Haushalts- und Steuerpolitik, die im Verlauf der 70er Jahre eine erhebliche Investitionslücke im privaten Sektor aufgerissen hat. Meine Damen und Herren, diese Investitionslücke von gestern ist die Technologielücke von heute und morgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die gestern unterlassenen Investitionen und Innovationen äußern sich heute im zunehmenden Vordringen der Japaner auf den Weltmärkten, und hier müssen wir noch mit der Offensive der USA rechnen. Dies hat in der Konsequenz, wenn wir uns dieser Herausforderung nicht stellen können, negativste Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und den sozialen Standard unserer ganzen Bevölkerung.
    Der Jahreswirtschaftsbericht unterstreicht die Notwendigkeit, den binnenwirtschaftlichen Kostenanstieg zu bremsen. Nur, Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihre 7-%-Aussage vom Jahr 1979 war der teuerste Versprecher des Jahres.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Kokettieren mit diesem Fehler — es ist Ihnen eigen, daß Sie mit Ihren Fehlern noch kokettieren, um sich damit sympathisch darzustellen, was nicht dagegen spricht, daß Sie Fehler einsehen; damit Sie mich recht verstehen — täuscht nicht darüber hinweg, daß diese Aussage die deutsche Wirtschaft und damit alle an der Wirtschaft Beteiligten teuer zu stehen gekommen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine schnelle Zunge!)

    Für uns, meine Damen und Herren, sind neue kreditfinanzierte Ausgabenprogramme kein geeignetes Mittel zur Lösung der aktuellen wirtschaftspolitischen Probleme. Die Politik des Gasgebens und
    Bremsens bei den Staatsausgaben hat sich als zu naiv erwiesen. Die vor uns liegenden Probleme sind, wie zu Recht hervorgehoben, überwiegend struktureller Art. Wir brauchen mehr Investitionen und Exporte zu Lasten des staatlichen und des privaten Verbrauchs. Wir brauchen stabilitätsgerechte Tarifabschlüsse und vor allem eine Reduzierung der Staatsquote. Bei der Verabschiedung des Bundeshaushaltes haben Sie versäumt, einen Kurswechsel in der Haushalts- und Finanzpolitik einzuleiten. Im Grunde muß man auch heute noch feststellen, daß der Zuwachs der Gesamtausgaben des Bundes — wenn man alles zusammenrechnet und den mit Sicherheit kommenden Nachtragshaushalt einbezieht — entgegen Ihren Vorschlägen und entgegen den Beschlüssen des Finanzplanungsrats über dem Zuwachs des nominellen Sozialprodukts liegen wird.
    Eine Wirtschaftspolitik muß — hier stimmen wir mit Ihnen überein — angebotsorientiert betrieben werden. Erforderlich sind verbesserte Investitions- und Innovationsanreize.
    Inflation löst die Beschäftigungsprobleme nicht, sondern verschärft sie. Eine Lockerung der Stabilitätspolitik ist nicht vertretbar, und angesichts der notwendigen Kapitalimporte zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits und angesichts der internationalen Zinsdifferenzen ist auch der zinspolitische Spielraum der Bundesbank äußerst gering. Die CDU/CSU-Fraktion erwartet deshalb von der Bundesbank eine Fortsetzung der Politik des knappen Geldes. Angesichts einer Inflationsrate von nahezu 6 % ist eine Lockerung dieses restriktiven Kurses der Bundesbank nicht zu empfehlen.
    Seit einigen Wochen wird die Frage einer Abwertung der D-Mark innerhalb des Europäischen Währungssystems bzw. ein zeitweiliges Ausscheren der D-Mark aus dem Europäischen Währungssystem diskutiert. Das zeigt, wie berechtigt unsere Sorgen gewesen sind, als es um die Errichtung dieses umstrittenen und strittigen Instrumentariums gegangen ist. In der gegenwärtigen Situation halten wir ein Ausscheren aus dem Europäischen Währungssystem aus politischen Gründen für nicht wünschenswert. Nur sind bei der ganzen Schwierigkeit und der ganzen Problematik, die auch bei den Kapitalströmen zu verzeichnen sind, auch politische Ursachen vorhanden, und Sie, Graf Lambsdorff, haben dies dankenswerterweise zugegeben. In der Schwäche der D-Mark kommt nämlich ein Nachlassen des Vertrauens des Auslands in die politische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zum Ausdruck.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Gegensatz zu Ihrer Beantwortung unserer Kleinen Anfrage weist die Bundesrepublik im Jahre 1980 das größte Leistungsbilanzdefizit aller westlichen Industriestaaten auf. Das Defizit hat sich gegenüber dem Vorjahr auf rund 28 Milliarden DM verdreifacht, und höchstens die Hälfte dieses Defizits entfällt auf die gestiegene Ölrechnung, während der andere Teil — darauf hat auch die Deutsche Bundesbank hingewiesen — auf strukturelle Faktoren zurückzuführen ist. Das Vordringen der Japaner und einiger Schwellenländer auf unsere Märkte und die stetige Zunahme der Fertigwarenimporte signa-



    Dr. Waigel
    lisieren entgegen der Auffassung der Bundesregierung durchaus eine Gefahr für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
    Zum Abbau des Leistungsbilanzdefizits ist — das wissen wir alle — eine weitere Reduzierung des Ölverbrauchs unumgänglich. In dieser Haltung befinden wir uns übrigens in interessanter Gesellschaft; denn im Rahmen der Stellungnahme zum Sachverständigengutachten im vorigen Jahr hat Graf Lambsdorff, offensichtlich zurückkehrend von einer Reise durch Ölförderländer, erklärt, eine Mineralölsteuererhöhung führe zur Beschleunigung der Ölpreiserhöhung der OPEC-Staaten. Vor wenigen Minuten ist er dieser vor einem Jahr geäußerten Überzeugung wieder einmal untreu geworden.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Mit dem Zeitpunkt wechselt der Standpunkt! — Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, es gibt auch eine Reihe von kleineren Maßnahmen, die geeignet wären, unser Leistungsbilanzdefizit etwas abzubauen. Ich denke z. B. an die deutsche Tourismuswerbung im Ausland, eine bessere Unterstützung der Auslandsmessen, eine bessere Ausstattung der Auslandshandelskammern und auch ein stärkeres Engagement der Regierung und der Botschaften bei Großaufträgen im Ausland, wo sich viele unserer Exporteure wünschten, sie würden in ähnlicher Form wie konkurrierende Unternehmer aus manchen europäischen Ländern unterstützt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Pionierleistung deutscher Ingenieure auf den Weltmärkten bedarf auch der politischen Rückendeckung der Bundesregierung und der politischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre Hoffnung, Graf Lambsdorff, und die der Regierung auf eine konjunkturelle Wende im zweiten Halbjahr ist bisher nicht durch Indikatoren bestätigt, die Hoffnung ist trügerisch. Die Entwicklung hängt entscheidend von der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, von den Tarifabschlüssen, von der Preispolitik der OPEC-Staaten und der Wirtschaftsentwicklung der Partner ab. Wir betreiben nicht das Geschäft der Schwarzmalerei, aber wir wissen auch, daß die aktuelle Wachstumsschwäche nur durch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, eine konjunkturgerechte Tarifpolitik durch den wirklichen Abbau bestehender Investitionshemmnisse und durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die privaten Investitionen und Innovationen überwunden werden.
    Bisher hat sich die Regierung mehr durch große Worte als durch Taten hervorgetan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister — wir gratulieren Ihnen dazu —, sind vor wenigen Wochen zum Redner des Jahres gewählt worden. Den verantwortlichen Politiker erkennt man daran, daß er sagt, was er denkt, und tut, was er sagt. Sie, Graf Lambsdorff, werden in den kommenden Monaten unter Beweis stellen müssen, ob Sie Ihre verbale Politik innerhalb
    Ihrer Regierung und innerhalb der Koalition durchzusetzen in der Lage sind. Vielen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jens.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, große Worte haben wir eben gehört. Im Wirtschaftsausschuß schätze ich den Kollegen Waigel immer als einen sehr sachlichen, ordentlichen Mann. Aber eben haben Sie, Herr Waigel, doch nur Polemik abgesondert und Sprüche geklopft.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Wirtschaftsausschuß wird ganz anders geredet. Es wundert mich immer, daß einige Kollegen plötzlich anfangen zu polemisieren, wenn sie hier stehen. Was soll das eigentlich? Damit kann man doch keinen Bürger, der etwa auf der Zuschauertribüne sitzt, überzeugen. Man sollte so etwas also unterlassen.

    (Lampersbach [CDU/CSU]: Dann fangen Sie doch einmal an, sachlich zu reden!)

    Besonders hat mich gewundert, daß Sie die Politik von Frau Thatcher so gelobt haben.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie meinen offenbar, vorher habe Mißwirtschaft geherrscht und jetzt werde eine hervorragende Politik betrieben. Eines ist an dieser Aussage immerhin gut: Die deutsche Bevölkerung weiß jetzt wenigstens, woran sie ist, wenn die CDU/CSU einmal die Weichen in der Wirtschaftspolitik stellen sollte. Dann wird nämlich in diesem Lande eine Politik à la Frau Thatcher betrieben. Davor bewahre uns Gott, muß ich wirklich sagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kiep [CDU/CSU]: Das ist keine Polemik, Herr Jens, was? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ich möchte dieses Thema ganz sachlich abhandeln.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Kiep [CDU/ CSU]: Fabelhaft! Bis jetzt nichts als Polemik!)

    — Sie kommen j a auch noch dran, Herr Kiep.

    (Kiep [CDU/CSU]: Herr Jens, kündigen Sie doch nicht an, daß Sie unpolemisch reden, wenn Sie nichts als Polemik treiben!)

    Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß England zu der Zeit, als Herr Callaghan noch die Weichen der Politik stellte, z. B. eine Preissteigerungsrate von 10% hatte. Heute weisen die neuesten Daten aus: In England haben wir eine Preissteigerungsrate von 18 %. Das ist die Politik von Frau Thatcher, die Sie ebenfalls machen wollen.

    (Beifall bei der SPD — Kiep [CDU/CSU]: So was Dämliches habe ich selten gehört!)

    Als Herr Callaghan an der Regierung war, hatten wir eine Arbeitslosenquote

    (Zuruf von der CDU/CSU)




    Dr. Jens
    — das sind doch Fakten; Sie können das ja nachher widerlegen, Herr Kiep — von 5,3 %.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Das sind die Ergebnisse der LabourRegierung, Herr Kollege!)

    Wir haben jetzt eine Arbeitslosenquote von 10 %. Und ein angesehenes wirtschaftswissenschaftliches Institut, Philipps and Drew, prognostiziert, daß in England demnächst 3,25 Millionen Menschen arbeitslos sein werden.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Warum?)

    Das ist Ihre Politik von Frau Thatcher.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich kann Ihnen nur sagen: Möge das deutsche Volk davor bewahrt werden, jemals in die Verlegenheit zu kommen, mit dieser Politik konfrontiert zu werden.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Deswegen müßt ihr bald abtreten! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Gott sei Dank gibt es den Jahreswirtschaftsbericht, der kein schönes Bild zeigt, der jedoch ein sehr realistisches Bild unserer voraussehbaren ökonomischen Entwicklung vermittelt. Es ist einfach nicht seriös, wenn man so tut, als hätte diese Bundesregierung alles das zu verantworten, was auf uns zukommt.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Natürlich! — Wer denn sonst?)

    Das ist unseriös. Mittlerweile weiß jeder Bürger in diesem Lande, woher die Probleme kommen.
    Sie sind in erster Linie Folge der exorbitant gestiegenen Ölpreise. Allein im Jahre 1980 haben wir für die Ölimporte 30 Milliarden DM mehr ausgeben müssen als im Jahre 1978.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na und?)

    — Na und? Dafür sind doch nicht etwa wir verantwortlich. Tun Sie doch nicht so! Das haben uns doch die OPEC-Staaten beschert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist etwa Frau Thatcher dafür verantwortlich!)

    — Frau Thatcher auch nicht. Aber sie hat doch Öl genug. Sie sollten wissen, daß Frau Thatcher über eigenes Öl verfügt. Wir hingegen müssen unser gesamtes Öl importieren. — 30 Milliarden DM mehr. Das heißt doch auf gut deutsch, daß jeder in diesem Lande, Kinder und Greise eingerechnet, im Jahre 1980 an die OPEC-Staaten rund 500 DM mehr als im Jahre 1978 zu zahlen hatte. Das muß natürlich irgendwo herkommen.
    Außerdem hatten wir — insofern war das, was Herr Waigel gesagt hat, einmal richtig — mit den weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ja keinesfalls neu sind. Was jetzt die Stahlindustrie zu erleiden hat, was morgen möglicherweise die Automobilindustrie ergreift, das hat vor kurzem die Textilindustrie durchgemacht. Das bewirken weltwirtschaftliche Veränderungen, vor denen kein Wirtschaftszweig in unserer Bundesrepublik völlig gefeit ist. Aber die Unternehmer sind sicherlich aufgerufen, hier gegenzuhalten und rechtzeitig die Weichen zu stellen, aber nicht etwa, wenn sie in Schwierigkeiten kommen, wieder nach dem Staat zu rufen.
    Wir haben ganz zweifellos seit Jahren festzustellen, daß immer mehr Arbeitskräfte durch den Einsatz von Kapital ersetzt werden. Die Rationalisierungen sind in diesem Lande gewaltig vorangeschritten. Ich sage gar nichts gegen Rationalisierungen; ich stelle nur fest, daß auf diese Art und Weise viele Arbeitskräfte, wie man heute so schön hochmodern sagt, „freigesetzt" worden sind.
    Wir haben für die überschaubare Zukunft — wenigstens bis 1985 — damit zu rechnen, daß alljährlich zusätzlich 100 000 bis 150 000 Menschen einen Arbeitsplatz in unserer Volkswirtschaft suchen.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es werden bis 1985 etwa 750 000 Menschen sein, für die wir Arbeitsplätze zu schaffen haben.
    Ich sage Ihnen: Wenn wir ein Problem haben, mit dem wir uns zu befassen haben, dann ist es aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion das Problem der Arbeitslosigkeit. Ich hätte von Herrn Waigel gern konkret gehört, was er gegen die Arbeitslosigkeit in diesem Lande tun möchte. Ich habe nichts gehört.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört! — Zuruf von der CDU/ CSU: „Lieber 5 % Inflation als 5 % Arbeitslosigkeit"! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Meine Herren, Sie können zwar alle zusammen singen, aber nicht alle zusammen reden. Wenn jemand eine Frage hat, soll er doch aufstehen und eine Frage stellen; dagegen habe ich ja gar nichts. Aber daß Sie hier alle so herummurmeln, das tut man doch nur in der Kirche.

    (Lampersbach [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gegen die Kirche? — Wissmann [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre eigenen Kollegen hier im Saal?)

    Das Problem der Arbeitslosigkeit nehmen wir sehr ernst. Für uns Sozialdemokraten ist die Arbeitslosigkeit nicht nur ein wirtschaftliches, sondern vor allem auch ein menschliches Problem.
    Aber man muß immer wieder hinzufügen: Wenn wir uns in dieser Welt umsehen, können wir feststellen, daß dieses Land im internationalen Vergleich verhältnismäßig gut dasteht.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU]: Meinen Sie die Leistungsbilanz?)

    Wir haben eine Beschäftigungssituation, die uns nicht gefällt. Aber die Arbeitslosigkeit liegt deutlich niedriger als in allen anderen vergleichbaren Industrienationen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)




    Dr. Jens
    Nur in Schweden und Österreich ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt ein bißchen besser. Wir stehen in der Rangliste der Beschäftigung an dritter oder vierter Stelle in der Welt.
    Das gleiche gilt für die Preisentwicklung. Auch hier ist festzustellen, daß unsere Preise steigen, und das ist nicht gut. Aber nur in der Schweiz haben wir eine niedrigere Preissteigerungsrate als bei uns. Auch das muß man immer wieder einmal betonen.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Bei der Leistungsbilanz stehen wir an letzter Stelle!)

    Herr Waigel hat das Leistungsbilanzdefizit angesprochen. Ich komme gern darauf zu sprechen. Sicherlich haben wir ein großes Leistungsbilanzdefizit, das wir auch bekämpfen müssen. Aber man muß hinzufügen: Wir sind wiederum das Land, das die größten Währungsreserven in der Welt besitzt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Besessen hat!)

    — Haben wir augenblicklich noch. Das können Sie in den neuesten Zahlen des Bundespresseamts nachlesen. Wir haben noch immer die höchsten Währungsreserven in der Welt.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: In zweieinhalb Jahren sind wir auf Null!)

    Insofern sage ich Ihnen hier: Die grundlegenden ökonomischen Bedingungen in diesem Lande sind in Ordnung.

    (Broll [CDU/CSU]: Nur die Regierung ist schlecht! — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/ CSU]: Die Soziale Marktwirtschaft taugt noch was!)

    Die Grundlinien unserer Politik müssen angesichts dieser Probleme, die ich hier kurz geschildert habe, heißen: alles tun, um vom Öl wegzukommen, alles tun, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in diesem Lande zu steigern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Brokdorf bauen!)

    Aber dazu gehört nicht nur, daß wir das private Investitionsniveau erhöhen, sondern dazu gehört auch, daß wir das Investitionsniveau der öffentlichen Hände erhöhen. Wenn wir es nicht schaffen, die Investitionen im privaten und im öffentlichen Bereich zu erhöhen, dann gehen wir einen Weg in die Massenarbeitslosigkeit, den wir wirklich nicht wollen können.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das müssen Sie mal Herrn Hauff sagen!)

    Keiner hat ein Patentrezept zur Hand, um diese Probleme zu lösen. Aber ich betone: Weder die Ideen eines Herrn Keynes noch die Ideen eines Herrn Friedman können unsere neuen Probleme lösen.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Aber die Ideen von Herrn Jens!)

    Wir müssen unkonventionell, undogmatisch und
    ohne ideologische Scheuklappen neue Wege gehen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Darauf kommt es an! Die Scheuklappen müssen weg!)

    Ich weiß, daß Sie uns immer gern den Vorwurf machen, wir hätten mal eine Vollbeschäftigungsgarantie ausgesprochen. Aber ich betone einmal mehr für meine Fraktion: eine Garantie für Vollbeschäftigung kann es in einer marktwirtschaftlichen Ordnung natürlich nicht geben.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Aber eine Arbeitsplatzgarantie?!)

    In einer marktwirtschaftlichen Ordnung haben wir eine Fülle von Trägern der Wirtschaftspolitik. Ein Träger ist die Bundesregierung. Aber es gibt daneben natürlich auch die Tarifvertragsparteien. Es gibt auch die Deutsche Bundesbank, und es gibt natürlich auch die großen Unternehmen, die meines Erachtens ebenfalls sehr viel Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt auf ihre Schultern gelastet haben.
    Ich darf noch eine kurze Bemerkung zu Japan machen, da ich vor kurzem auch die große Ehre hatte, mal in Japan sein zu dürfen.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, der Wirtschaftsausschuß fährt da auch noch mal hin. — Die Probleme sind sicherlich sehr ernst. Aber es ist nicht richtig, wenn immer nur gesagt wird: In Japan sind etwa die Löhne niedriger, und die Lohnnebenkosten sind noch niedriger. Das alleine ist nicht das Problem. In Japan, glaube ich, gibt es auch eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, zwischen Betriebsräten und Arbeitnehmern. Auf diesem Gebiete der Zusammenarbeit zwischen den großen Gruppen können wir manches von den Japanern lernen.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Diese Verteufelung der Unternehmer!)

    — Ich verteufele die gar nicht. Ich stelle hier nur sachlich fest: es ist dort so, daß die Einkommen der Spitzenmanager vielleicht achtmal, vielleicht neunmal höher sind als die eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Das gönne ich denen. Das kann auch leistungsbezogen sein. Aber wenn man hier immer wieder feststellt, daß die Einkommen dreißigmal, vierzigmal höher sind als die eines durchschnittlichen Arbeitnehmers, dann hat das meines Erachtens nichts mehr mit Leistung zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Würde Herr Loderer das auch sagen?)

    Dann wird seitens der Opposition immer wieder so getan — Herr Waigel hat es eben auch gemacht —, als seien wir gegen eine angebotsorientierte Politik. Das sind wir überhaupt nicht. Wenn es sinnvoll wäre, mit angebotspolitischen Maßnahmen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wären wir ohne



    Dr. Jens
    weiteres dafür. Ich habe eben schon gesagt: wir sind gegen jede Ideologie in der Wirtschaftspolitik.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Wer ist „wir"?)

    — Das sind die Sozialdemokraten. — Aber angesichts des hohen Zinses, den wir zur Zeit auf dem Geld- und auf dem Kapitalmarkt haben, ist es doch ausgesprochen unvernünftig, etwa zu glauben, daß bei Entlastungen für Investoren diese in risikoreiche Investitionen hineingehen. Ein Investor, der zu entscheiden hat, wählt augenblicklich immer die wesentlich lukrativere Anlage auf dem Geld- oder Kapitalmarkt, weil das mehr bringt. Angesichts des hohen Zinses ist eine angebotsorientierte Politik zur Zeit zumindest sehr risikoreich.
    Worum es heute meines Erachtens wirklich geht, ist: wir müssen recht bald zu niedrigeren Zinsen in diesem Lande kommen. Sonst würgen wir in der Tat die Investitionstätigkeit ab. Das schafft uns dann die Massenarbeitslosigkeit, die wir alle nicht wollen. Am besten wäre ganz zweifellos eine Zinssenkung der Deutschen Bundesbank, obwohl ich die Probleme der Bank nicht verkenne. Aber wenn die Bank die Zinsen um 1 % senkt, bewirkt das, daß wir bei den deutschen Unternehmen um 8 Milliarden die Kosten entlasten. Aber die Deutsche Bundesbank ist autonom. Das betone ich hier noch einmal ausdrücklich. Ich bin auch der Meinung, sie muß autonom bleiben. Sie bestimmt die Geldpolitik, aber sie bestimmt auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durch diese Autonomie mit und hat insofern auch sehr viel Verantwortung für die Entwicklung unserer Gesamtwirtschaft.
    Im übrigen scheint es — um ein Wort von Herrn Waigel aufzugreifen — zur Zeit wieder auf den internationalen Finanzmärkten, Herr Waigel, viel Vertrauen in die deutsche Regierung und in die deutsche Währung zu geben. Seit einigen Tagen haben wir wieder eine steigende Tendenz für die D-Mark und eine sinkende Tendenz für den Dollar.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Ja, Sie lachen. Aber da kann ich doch nur sagen: hören Sie doch auf mit diesem Unsinn, daß Schwankungen des D-Mark/Dollar-Kurses das Vertrauen in die Bundesregierung widerspiegeln. Das ist doch wirklich Unsinn.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Der Bundeswirtschaftsminister hat das doch vorhin zugegeben! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die Leistungsbilanz ist der Vertrauensausweis!)

    Ich darf noch ein Wort zu den Wechselkursen sagen, die ja für unsere ökonomische Entwicklung in der Zukunft sehr wichtig sind. Ein berühmter und meines Erachtens auch sehr hochgeschätzter Nationalökonom, Herbert Giersch, vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel — dem man sicherlich nicht vorwerfen kann, er sei ein Sozialdemokrat oder ein Sozialist —, hat vor kurzem sinngemäß gesagt: Wir hatten bis vor kurzem durch die Aufwertung der D-Mark in diesem Lande Deflation importiert, und wir müssen jetzt bereit sein, durch eine Abwertung der D-Mark auch mal wieder Beschäftigung zu importieren. — Ich kann dieses Wort von Herrn Giersch nur ausdrücklich unterstützen.
    Ich möchte einige wenige Bemerkungen zu den anstehenden Lohnabschlüssen machen, obwohl das selbstverständlich die Sache der Tarifvertragsparteien ist. Mir scheint aber wichtig, was Graf Lambsdorff eben gesagt hat: Bei diesen Lohnabschlüssen wird auch darüber entschieden, ob der soziale Konsens in diesem Lande auch für die Zukunft gesichert bleibt. Meine Damen und Herren, dieser soziale Konsens muß gesichert bleiben. Dem Sachverständigenrat ist da unbedingt zuzustimmen, daß es kurzsichtige Unternehmenspolitik wäre, wenn sie die konjunkturbedingte starke Verhandlungsposition am Markt voll ausreizen würden. Das darf nicht sein. Bei den Lohnabschlüssen müssen sicherlich die strukturellen Komponenten stärker beachtet werden, denn durch die Preissteigerungen, die wir alle beklagen, leiden vor allem die Bezieher kleiner Einkommen, und für die müßte eigentlich zusätzlich etwas an Ausgleich geschaffen werden. Wenn immer so gerne vom „Gürtel-enger-Schnallen" gesprochen wird, so habe ich nichts dagegen, aber ich bin der Meinung, wenn der Gürtel schon enger geschnallt werden muß, dann müssen ihn die erst mal enger schnallen, die in der letzten Zeit besonders dick geworden sind.

    (Wissmann [CDU/CSU]: Herr Klunker! — Zurufe von der CDU/CSU: Vorzeigen! — Heiterkeit)

    Meine Damen und Herren, aus sozialdemokratischer Sicht darf auch über eine Arbeitszeitverkürzung nicht geschwiegen werden. Auch darüber muß nachgedacht werden. Wir machen uns doch etwas vor. Wir haben in den Jahren von 1970 bis 1979 in diesem Lande alljährlich eine Arbeitszeitverkürzung von rund 1 % gehabt. Das ist nicht viel. Mit fortschreitender Rationalisierung muß auch die Arbeitszeitverkürzung weiterhin eine der Möglichkeiten bleiben. Auf diesem Felde könnten die Gewerkschaften sehr wohl noch das eine oder andere unternehmen.
    Wir sollten sicherlich auch darüber nachdenken, ob es nicht möglich ist, die Lebensarbeitszeit weiter zu verkürzen, die Möglichkeit zu schaffen, daß die Alteren vielleicht eher in Rente gehen können. Das kann natürlich nur möglich sein, wenn sie bereit sind, unter Umständen auch einen Teil ihrer Einkommensansprüche abzugeben.
    Die Hauptlast der Wirtschaftspolitik liegt ganz zweifellos auf den Schultern der Finanzpolitik. Ich möchte hier noch einmal sagen, es war richtig, daß die Bundesregierung die Steuersenkung zu den Jahren 1981 und 1982 durchgesetzt hat, die eine Entlastung der Einkommensbezieher um 16,5 Milliarden DM bringt. Natürlich muß man die Mineralölsteuererhöhung um 3,7 Milliarden DM dagegenrechnen. Unter dem Strich bleibt dann aber immer noch eine Ein-



    Dr. Jens
    kommensverbesserung von rund 12 Milliarden DM. Das ist zum heutigen Zeitpunkt genau richtig.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Wissmann [CDU/CSU]: Schauen Sie sich einmal den Geldbeutel des einzelnen Arbeiters an!)

    Ich betone auch, es war richtig, Herr Wissmann, daß die Bundesregierung 1976 ein Zukunftsinvestitionsprogramm aufgelegt hat. Auf diese Art und Weise wurden im öffentlichen Bereich längst überfällige Investitionen getätigt. Ich meine, dieses Zukunftsinvestitionsprogramm war ein Erfolg.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich begrüßen, daß Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff und auch Bundesfinanzminister Matthöfer in der Haushaltsdebatte einmal mehr gesagt haben, daß sie nicht bereit seien, eine prozyklische Finanzpolitik zu betreiben. Steuermindereinnahmen werden nicht etwa durch Ausgabenkürzungen ausgeglichen, sondern müssen notfalls und notgedrungen zu einer höheren Verschuldung führen, die wir alle nicht begrüßen.
    Ich möchte hier aber auch die Aufforderung aussprechen, insbesondere an Bund, Länder und Gemeinden, bei den Konsumausgaben zu jäten und bei den Investitionen zu säen. Die Investitionen, die im Jahre 1981 im öffentlichen Bereich getätigt werden können, müßten auf die erste Hälfte dieses Jahres vorgezogen werden, um so einen Investitionsschub zu bewerkstelligen.
    Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu den vielgescholtenen Investitionshemmnissen. Auch Herr Waigel ist eben ausführlich darauf eingegangen, Graf Lambsdorff hatte auch etwas dazu gesagt. Herr Schwarz-Schilling, es kann keiner dagegen sein, daß Hemmnisse abgebaut werden. Auch ich bin dafür, daß Investitionshemmnisse abgebaut werden, insbesondere wenn es bürokratische Investitionshemmnisse sind. Aber bei vielen — Ihnen will ich das gar nicht einmal unterstellen, obwohl ich Sie jetzt angucke — ist es doch so, daß sie davon reden, daß Investitionshemmnisse wegmüßten, aber im Grunde eine Reduzierung des Umweltschutzes oder eine Reduzierung des Mieterschutzes meinen. Das kann doch wohl nicht in unserem Sinne sein. Die Opposition hat doch auch zum Umweltschutz und zum Mieterschutz ja gesagt. Das muß im Interesse der Bürger in diesem Lande erhalten bleiben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir mittelfristig noch mehr Investitionen werden tätigen müssen, als zur Zeit im Haushalt vorgesehen sind. Ich meine, daß wir wiederum so etwas wie ein Zukunftsinvestitionsprogramm brauchen. Das könnte ein Investitionsprogramm zur Verbesserung der Lebensqualität sein. Schwerpunkt könnte der Umweltschutz sein. Weiterhin könnte die Schaffung von Wohnraum verstärkt gefördert werden, insbesondere für kinderreiche Familien und in Ballungsgebieten. Es könnte etwas Zusätzliches für die Verbesserung des Nahverkehrs getan werden. Vor allem aber, meine ich, müssen wir mehr tun, um die Fernwärme auszubauen — Kraft-Wärme-Koppelung.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nestwärme!)

    Der Bund hat auf diesem Felde 600 Millionen DM schon in diesem Haushalt 09 zur Verfügung gestellt.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Nein, Verpflichtungsermächtigungen!)

    — Lesen Sie den Jahreswirtschaftsbericht nach: Der Bund war bereit, 600 Millionen DM für den Ausbau der Fernwärme und Kraft-Wärme-Koppelung zur Verfügung zu stellen. Dies ist am Streit mit den Ländern über die Mischfinanzierung gescheitert. Insbesondere — das wollen wir nicht verschweigen — Herr Stoltenberg hat dies abgelehnt. Vielleicht hat er Angst um sein Kernkraftwerk in Brokdorf. Ich weiß das nicht so ganz genau.

    (Broll [CDU/CSU]: Hätten Sie denn überhaupt das Geld gehabt?)

    Aber damit wären 1,2 Milliarden DM an Investitionshilfen allein in diesem Jahr vorhanden gewesen,

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: 20 Millionen in diesem Jahr!)

    die insgesamt Investitionen mit einem Volumen von 6-7 Milliarden DM nach sich gezogen hätten. Das wäre ein Investitionspush gewesen, der meines Erachtens in die konjunkturelle Landschaft hineingepaßt hätte. Ich hoffe nur sehr, da13 auch Herr Stoltenberg noch vernünftig wird und sich bereit erklärt, dieser Mischfinanzierung, diesem Ausbau der Fernwärme zuzustimmen.
    Ich möchte zusammenfassen und einmal mehr sagen: Wenn es eine angebotsorientierte Politik geben soll — und ich hätte grundsätzlich nichts dagegen —, dann, glaube ich, muß man vor allem auf die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen abstellen.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wir haben neueste Informationen vom Ifo-Institut und vom Infratest-Institut, wonach in den letzten Jahren ganz besonders viele Arbeitsplätze bei den kleinen und mittleren Unternehmen geschaffen worden sind. Die großen sind schon lange nicht mehr die Wachstumsunternehmen.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Gut, daß ihr das auch mal merkt!)

    Dort wurden Arbeitsplätze abgebaut. Wenn wir Arbeitsplätze schaffen wollen, dann muß es um eine verstärkte Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen gehen, und die Angebotsbedingungen sind dort zu verbessern.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Davon reden wir seit zehn Jahren!)




    Dr. Jens
    — Ich freue mich über Ihren Beifall. — Diese Politik haben wir schon lange getrieben.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Von 1977 bis 1979 allein sind 32 000 neue selbständige Existenzen geschaffen worden. Das ist ein Erfolg unserer Politik.