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ID0901824400

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    Plenarprotokoll 9/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Inhalt: Begrüßung des Handelsministers der Re- publik Indien, Professor Mukherjee . . . 745 D Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 711 C Frau Traupe SPD 716 C Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 718 B Dr. Schneider CDU/CSU 727 B Gattermann FDP 731 A Waltemathe SPD 735 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 737 A Wolfram (Recklinghausen) SPD 742 A Beckmann FDP 746 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 748 C Franke CDU/CSU 751 A Glombig SPD 757 A Cronenberg FDP 763 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 766 C Pfeifer CDU/CSU 771 D Frau Weyel SPD 776 D Dr.-Ing. Laermann FDP 779 D Engholm, Bundesminister BMBW 784 A Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 786 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Lenzer CDU/CSU 788 B Stockleben SPD 791 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 793 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 796 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 799 D Hölscher FDP 803 B Spranger CDU/CSU 806 B Kühbacher SPD 809 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 813 A Baum, Bundesminister BMI 814 D Dr. Ehmke SPD (Erklärung nach § 32 GO) 817 C Nächste Sitzung 817 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 818*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 711 18. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Dübber 29. 1. Dr. Enders * 30. 1. Ertl 29. 1. Dr. Feldmann 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Gansel 30. 1. Dr. Geißler 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Haase (Fürth) 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Jung (Kandel) * 30. 1 Kittelmann * 30. 1. Korber 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek * 30. 1.
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    Rede von Antje Huber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, daß die Opposition bei der Einbringung dieses Haushalts diesmal auf eine Diskussion zu den Stichworten Familie und Gesundheit verzichten wollte, so daß der Minister selbst die Runde eröffnen muß.

    (Daweke [CDU/CSU]: Wieso denn? Sie regieren doch! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ladies first!)

    Dies pflegen Sie sonst nicht so zu sehen. — Aber wir erinnern uns, wie es in den letzten Jahren war. Da waren schon in den Eingangsreden der Hauptredner der Opposition jede Menge Bemerkungen zur Familienpolitik enthalten. Das Stichwort Familie fiel sehr häufig. Der Geburtenrückgang und die zukünftige Geburtenentwicklung wurden beschworen.

    (Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)

    Die bundesdeutsche Familie würde sich von der Koalition verlassen fühlen. Offensichtlich hat nun aber das Thema Familienpolitik trotz großer Versprechungen im Jahre 1980 nicht so viel eingebracht. Nun soll es wieder ausgespart werden.
    Meine Damen und Herren, ich wünsche mir keine Wiederauflage der nicht sehr sinnvollen Streitgespräche über Bevölkerungspolitik, die wir hier gehabt haben, aber es macht mich doch besorgt, daß hier bei der ersten Lesung des Haushalts über alles, aber auch alles geredet werden soll, nur nicht über



    Bundesminister Frau Huber
    die Familie, die doch früher eine so große Rolle gespielt hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Fairerweise muß es ja wohl auch gestattet sein, zu sagen, daß das Jahr 1980 keineswegs den angekündigten Geburtenrückgang gebracht hat, sondern ein Mehr von 7 %; das entspricht einem Zuwachs von etwa 600 000 Kindern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Weil wir mehr junge Ehepaare haben!)

    Mit 1 1/2 % haben Sie recht; das übrige ist mehr, als wir auf Grund der Jahrgangsstärken erwarten konnten, auch was deutsche Kinder anbetrifft. Damit hat sich das gezeigt, was die Bundesregierung immer behauptet hat, nämlich daß das generative Verhalten schwer einschätzbar ist und sich für bevölkerungspolitische Diskussionen nicht eignet.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Das ist für die Parteien ein ganz unergiebiges Thema. Das haben wir immer behauptet.
    Die Bundesregierung ist auch jetzt weit davon entfernt, auf der Basis der neuen Daten neue Hochrechnungen darüber zu erstellen, wie die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahre 2030 aussieht. Wir haben gelernt, und wir haben eigentlich immer vorausgesagt, daß sich dieses Gebiet gar nicht für langfristige Prognosen eignet. Aber es muß doch wohl erlaubt sein, sich die Diskussionen der früheren Jahre heute noch einmal ins Gedächtnis zu rufen und zu sagen: So ist es eben nicht gekommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

    Meine Meinung ist, daß der Staat eine Familienpolitik betreiben sollte, behutsam, rücksichtsvoll und nicht lauthals, und daß er sich bemühen sollte, aus den vielfältigen Interessen der sehr unterschiedlichen Familien herauszufiltern, wo wirklich neues Recht und weitere Hilfen aus gutem Grund angezeigt sind. Dieser Grundsatz soll auch bei der weiteren Entwicklung des Familienlastenausgleichs gelten, sobald geklärt ist, ob mit den Ländern eine Finanzamtslösung vereinbart werden kann.
    Herr Kroll-Schlüter hat im Pressedienst der CDU/ CSU-Fraktion dazu gesagt, daß nicht einmal die mittelfristige Finanzplanung etwas über die künftigen Kindergelderhöhungen aussage. Meine Damen und Herren, die mittelfristige Finanzplanung hat niemals etwas darüber ausgesagt. Kindergelderhöhungen sind niemals in die mittelfristige Finanzplanung eingestellt worden. Bundestag und Bundesrat haben sich 1974 damit zufriedengegeben, alle zwei Jahre von der Bundesregierung einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage der Familie zu verlangen, um dadurch stets neu mit dem Thema konfrontiert zu sein.
    Der Haushalt 1981 ist sicher schwieriger als andere vor ihm. Er ist hier aus verschiedenen Aspekten kritisiert worden. Es verdient jedoch lobend erwähnt zu werden, daß trotzt der Sparmaßnahmen — das hat in dieser Debatte noch niemand gesagt — das Kindergeld um 1,6 Milliarden DM aufgestockt worden ist, trotz der Sparmaßnahmen!
    Ich vermerke dabei anerkennend, daß ein Teil dieser Erhöhung durch die Bereitschaft der Länder zur Mitwirkung möglich war.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ein großer Teil! — Welcher Länder?)

    Trotzdem ist es doch wohl richtig, daß ab 1. Februar, ab nächsten Montag also, rund gerechnet fünf Millionen Familien auch erkennen können, daß die Bundesregierung und zugegebenermaßen auch die Länder ihre familienpolitischen Bemühungen auch finanziell unterstreichen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)

    Der Haushalt meines Ministeriums ist dadurch um über 7% gestiegen. Diese große Steigerung verdient in diesem Jahr besonders angemerkt zu werden. Im übrigen denke ich: 19 Milliarden Kindergeld —, da brauchen wir uns nicht nur auf die letzte Erhöhung zu beziehen. Vor zehn Jahren war es die Hälfte, rund gerechnet die Hälfte. Es hat noch nie eine Zeit in der Bundesrepublik gegeben, wo sich das Kindergeld so gewaltig entwickelt hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will hier nicht die zweite Lesung vorwegnehmen, sondern nur einige Stichworte bringen.
    In der Familienpolitik ist neben dem Familienlastenausgleich die Förderung der Familienbildung zu nennen, die Förderung der Familienerholung, der Müttererholung und der Verbände. Gerade diese Punkte, die in den Diskussionen oft sehr viel später als das Kindergeld kommen, sind von außerordentlicher Wichtigkeit. Denn Familienpolitik kann sich nun einmal nicht auf geldliche Leistungen beschränken. Beim Thema Erholung wird oft vorgebracht, daß es noch zuwenig Übersicht über günstige Freizeitmöglichkeiten für Familien gibt. Dies ist richtig, trotz unserer bisherigen Bemühungen. So werden wir neben Modellen auch hier eine bessere Übersicht erstellen. Überhaupt glauben wir, daß es noch zuwenig Daten über die wirkliche Lage der Familien gibt, die über das Einkommen hinausgehen. Hieran werden wir in dieser Periode arbeiten.
    Auch die Älteren und Alten gehören zur Familie. Sie sollen in unserer Gesellschaft sein. Wir haben uns mit ihren Problemen zu befassen, bis hin zu dem Pflegekostenproblem.
    Wer Familienpolitik sagt, muß auch über Jugendpolitik reden. Jugendpolitik ist nicht nur eine Frage von Gesetzen und Leistungen. Die Älteren können die Jungen, auch wenn sie sie erziehen, doch nicht nach ihren Wünschen formen. Sie können ihnen nicht die eigenen prägenden Erlebnisse auf den Lebensweg mitgeben, sondern höchstens einen Abglanz davon. Wir haben als Ältere zwar vieles gerade wegen der Jungen geschaffen. Aber wir müssen sehen und auch akzeptieren, daß sie sich ihre eigene Welt bauen. Das war wohl auch immer so. Jugendrevolte ist ja im Grunde nichts Neues. Vielleicht war sie früher auf andere Felder abgelenkt, an anderen Fragen festgemacht. Teilweise war sie sicher auch privater. Nach dem Krieg war die Anpassung zunächst zwangsläufig unproblematisch, weil die ge-



    Bundesminister Frau Huber
    sellschaftlichen Prioritäten deutlich waren. Heute in der Enge, in der wir räumlich leben, in der Kleinfamilie, die bei uns vorherrscht, erhalten viele Konflikte Massencharakter. So sehen wir, daß viele Eltern enttäuscht reagieren, weil sie glauben, daß die Jungen ihre Leistung nicht anerkennen, auch die Nachkriegsleistung, auf die wir stolz sind. Die Jungen blicken oft verständnislos auf die Konsumlust der Älteren, die früher entbehrt haben, und auf das Leistungsverständnis derer, die hart aufbauen mußten, auf die Humorlosigkeit auch solcher, die eben schwere Jahre gehabt haben.
    Glaubt man einer in München gerade veröffentlichten Umfrage — beim Jugendforschungsinstitut ist sie erstellt —, so wird deutlich, daß die Jugend sich heute in zwei Lager teilt: die einen, die für ihre Karriere hart arbeiten wollen, und die anderen, die nur bescheidener arbeiten, nicht so viel Geld verdienen und dafür mehr Freizeit gewinnen möchten. Darin drückt sich eine andere Lebensphilosophie aus.
    Am schwierigsten für unsere Gesellschaft ist die dritte Gruppe. Das sind die Verführten und Verzweifelten, die austeigen wollen, die sich in Subkulturen finden, die dem Alkohol oder den Drogen verfallen sind, den Sekten zulaufen. Wenn wir uns ihnen zuwenden, so müssen wir doch sehen, daß sie mit einfachen Mitteln nicht leicht zurückzuholen sind.
    Was kann man nun tun? Ich glaube, das Wichtigste ist das Gespräch zwischen den Generationen, Kontakt, Aussprache, weniger öffentliche Ansprache. Das zeigt, daß der Staat hier nicht so viel tun kann, wie manche hoffen. Es zeigt aber auch, daß es kein Einheitsrezept, keine Einheitslinie gibt.
    Herr Pfeifer hat gestern die Ansicht veröffentlicht, daß es um die Richtung geht und daß die Jugendpolitik nicht blind sein darf. Das ist richtig, Jugendpolitik darf nicht blind sein. Aber sie muß pluralistische Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Das versuchen wir im Bundesjugendplan, der die Jugendarbeit der verschiedenen Organisationen stützt und fördert, Foren schafft und die Jugend in ihren selbst gestellten Aufgaben unterstützt.
    Der Bundesjugendplan weist im Ansatz eine Erhöhung von 2 Millionen DM aus. Diese dient in erster Linie der politischen Bildung. Damit wollen wir es den jungen Menschen ermöglichen, sich in Diskussionen mit der Politik auseinanderzusetzen und sich insgesamt mit unserem, mit ihrem Staat, zu identifizieren.
    Organisierte Jugendarbeit — das betone ich — ist nicht alles. Der Bund kann in seiner Zuständigkeit nur besondere nationale und internationale Aktivitäten der Verbände fördern. Das übrige müssen die Länder und Gemeinden tun. Aber das Geld für die Jugendverbände ist gut angelegt, wenn sie über die Grenzen hinweg sich in Frieden begegnen, anstatt sich — wie früher — im Krieg gegenüberzustehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist auch gut angelegt, wenn sie ihre eigenen Ziele
    verfolgen, gleichzeitig aber soziale Aufgaben erfüllen: wenn sie sich als Pfadfinder um Behinderte
    kümmern, wenn sie sich als Schreberjugend um die Ausländerkinder kümmern — z. B. in Berlin; den Ausländerkindern sind wir viel schuldig —, wenn sie sich als kirchlich organisierte Jugend der Dritten Welt und der Industriejugendarbeit annehmen, wenn sie sich als Gewerkschaftsjugend um Drogensüchtige und wenn sie sich als Sportjugend um Aussiedler, um Strafgefangene, um Kriegsgräberbetreuung kümmern. Hier gibt es einen ganzen Katalog. Mir liegt daran, zu zeigen, daß auch die Verbandsjugendarbeit die neuen Aufgaben erkannt hat und sich ihnen widmet. Wir brauchen junge Menschen, die sich engagieren, die unsere Demokratie tragen und als sozialen Rechtsstaat weiterentwickeln.
    Die Regierung wird die Fraktionen weiter beraten, wenn sie die Jugendhilferechtsreform wieder einbringen. Das ist eine Reform, die den Familien Probleme ersparen und den Jugendlichen, die vom Schicksal bedroht sind, neue Chancen geben soll.
    Wir werden auch unseren Kampf gegen Alkoholismus und Drogen fortsetzen, wiewohl dieser sehr schwer und das Geld knapp sind. Aber wir werden unser Modellprogramm fortsetzen.
    Ich freue mich, daß die Betäubungsmittelrechtsnovelle kürzlich hier mit so großer Einmütigkeit begrüßt und wieder eingebracht worden ist.
    Wenn ich nun auf dem Feld der Gesundheitspolitik bin, möchte ich sagen, daß mein Haus nicht nur für das Arzneimittelrecht und die Gesundheitsberufe zuständig ist, wo wir leider im Bereich der Krankenschwestern neu anfangen müssen, weil wir die Novelle mit dem Bundesrat nicht zustande gebracht haben.
    Ein wichtiges Thema, ein Hauptthema der letzen Legislaturperiode war die Psychiatrie. Ich bedauere, daß nach der großen Debatte, die wir hier im Anschluß an die Enquete und an die Beteuerungen aus allen drei Fraktionen hatten — ich erinnere ganz besonders an unseren Kollegen Picard —, nicht mehr Echo auf unser Angebot kam, 100 Millionen DM im Jahr 1980 einzusetzen. Leider haben die CDU/CSU-Länder unter bayerischer Führung gepaßt. Jetzt stehen im Psychiatrie-Titel 64 Millionen DM. Davon sind 53 Millionen DM für das Psychiatrie-Programm. So werden wir zwar nicht flächendeckend, aber doch deutlich Pionierarbeit leisten.

    (Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex [CDU/CSU])

    — Ich meine: mit Modellen flächendeckend, Frau Wex.

    (Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Ich sage ja schon gar nichts mehr!)

    Wir werden Pionierarbeit leisten, von der nachher alle Länder profitieren, auch jene, die sich jetzt nicht beteiligen.
    Es klingt etwas lieblos, wenn ich jetzt sage, daß wir uns auch um die Randgruppen kümmern wollen. „Randgruppen" ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck für diejenigen, die wir meinen. Unser Haushalt stellt Mittel bereit für Zigeuner, für Nichtseßhafte und Obdachlose.



    Bundesminister Frau Huber
    Nur der kann geringschätzig über diese sogenannten Randgruppen denken, der niemals mit den Schicksalen konfrontiert worden ist, die dahinterstehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Der Ausdruck „Randgruppen" ist eben falsch!)

    — Wir werden sicher gemeinsam bemüht sein, einen neuen Ausdruck zu finden. Vielen Dank.
    Diese Gruppen haben Anspruch auf unsere Solidarität genauso wie die wirklichen Asylanten, die Arbeit und Obdach finden müssen. Hier müssen wir auch auf die Hilfe der Gemeinden und der von uns unterstützten Wohlfahrtsverbände reflektieren.
    Keinesfalls eine Randgruppe, aber doch eine, die wir nicht einfach unter Familienpolitik rubrizieren können, sind die Frauen. Das Bundesministerium für Jugend und Familie hat seit anderthalb Jahren einen kleinen Frauenstab.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hatte!)

    — Hat einen Frauenstab. Er kümmert sich vor allem nicht nur um Informationsarbeit und Modelle, wie z. B. bei Aufstiegsproblemen in den Betrieben, die wir jetzt wohl mit einigem Erfolg angehen, sondern er wird auch die Frage prüfen, ob wir ein Gleichstellungsgesetz brauchen, und dieses gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium vorbereiten.
    Wer die Arbeit dieser Gruppe gering schätzt, weiß nicht, wie sehr dies das Bohren harter Bretter ist in einer Welt, die immer noch von Männern bestimmt ist. Dieser Deutsche Bundestag hat zu 92 % männliche Abgeordnete. Es wird sehr davon abhängen, ob wir von denen etwas Unterstützung erhalten, und ich sage laut: etwas mehr Unterstützung erhalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Burger [CDU/CSU]: Nur eine einzige Frau ist Ministerin! — Zuruf von der CDU/CSU: Auch der Kanzler ist ein Mann!)

    — Wir wollen ja die Männer nicht total ausschalten. So ist es nicht.

    (Weitere Zurufe)

    Manches, was sich im Haushalt 1981 niederschlägt, geht auf Initiativen und Gesetze aus der vorigen Legislaturperiode zurück. Das Chemikaliengesetz, das wir jetzt umsetzen müssen, wird Geld kosten. Es wird auch nicht ohne neue Stellen gehen. Aber wir werden dies tun.
    Der gesundheitliche Schutz der Verbraucher ist ein sehr aktuelles Thema. Er erfordert von uns mehr Verordnungen und auch mehr Kontrollen durch die Länder. Wir würden die Mittel hierfür gern einsparen. Die Länder würden das wohl auch gern tun. Aber leider können wir so lange in unseren Bemühungen nicht nachlassen, wie es Produzenten gibt — das ist natürlich nur ein Teil der Produzenten —, die ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Verbraucher
    — das sind wir ja alle — die Lebensmittel verfälschen, Zusätze hineinbringen, die gesundheitsschädlich sind, sogar schwer gesundheitsschädlich sind. Das ist kein Kavaliersdelikt. Dafür werden wir
    Mittel investieren, obwohl wir das lieber woanders täten.
    Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mit seiner besonderen Nähe zum Bürger will versuchen, nahe am Bürger zu bleiben. Manches gibt der Haushalt her, auch der Haushalt 1981. Aber, meine Damen und Herren, das meiste bewirkt unser aktives Bemühen, wenn es sich auf ein breites gesellschaftliches Engagement stützen kann. Woher wir auch immer kommen, wir sollten uns um dieses Engagement bemühen und nicht noch einmal erleben, daß das Thema Familie nur in bestimmten Jahren eine Rolle spielt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Kroll-Schlüter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Frage, Frau Präsidentin, die Sie gerade an mich gerichtet haben, beantworten. Sie haben mich gefragt, ob ich mich als Mann noch traue, hier zu sprechen. Ich darf schlicht und einfach mit Ja antworten.

    (Heiterkeit und Beifall — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Ein mutiger Mann!)

    Sie appellieren, Frau Huber: Mehr Frauen in führende Positionen! Bei uns zu Hause ist es üblich: Wenn man über etwas redet, soll man es immer rechtzeitig sehr konkret unter Beweis stellen. Es wäre z. B. sehr erfreulich, wenn die führenden Mitarbeiter Ihres Hauses, die an solchen Debatten teilnehmen und die hinter Ihnen sitzen, nicht nur Männer wären. Die Hälfte könnten ja auch einmal führende Frauen sein, die führende Positionen einnehmen, gerade in Ihrem Ministerium. Sie haben leider nichts an praktischen Beispielen aufzuweisen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf mich noch mit wenigen Worten Herrn Minister Engholm zuwenden. Mit unseren Glückwünschen für sein neues Amt verbinden wir die Glückwünsche für seine Einsichten. Er hat nämlich gesagt, es müsse mehr Gemeinsamkeit und mehr Einheitlichkeit in der Bildungspolitik geben. Da muß man die Frage stellen, nach welchen Kriterien man sich richten soll.
    Ich habe gelesen, daß es in seinem Ministerium ein Gutachten gibt. Das könnte eine gute Grundlage für mehr Einheitlichkeit sein. In diesem Gutachten steht nämlich: Der Bildungsgrad der jungen Deutschen mit Hochschulreife hängt von dem Bundesland ab, in dem sie ihr Abitur gemacht haben. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Bildungsministerium in Bonn in Auftrag gegeben hat. Die Studie unterscheidet zwei Gruppen. Zur besseren Gruppe gehören Baden-Württemberg,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!) Bayern,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Richtig!)




    Kroll-Schlüter Rheinland-Pfalz,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)

    Schleswig-Holstein, Saarland. Zur schlechteren Gruppe gehören Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Berlin und Hessen.
    Das muß ja nun bestimmte Gründe haben. Dieses Gutachten wird ja auch noch diskutiert werden. Die Studie und die Ergebnisse könnten eine Grundlage für mehr Einheitlichkeit und mehr Übereinstimmung in der Bundespolitik für unser Land sein. Wir möchten es empfehlen.
    Herr Minister Engholm hat gesagt, die Kinder müßten immer mit Kopfschmerzen in die Schule fahren. Ich möchte ihn als Bürgermeister gern einmal in die Gemeinden draußen, in die Wirklichkeit mitnehmen. Sie können es fast auf den Tag genau abzirkeln: Wann hat denn nun diese Zentralisierung, dieses Hin zu größeren Schulen, dieses Sterben der kleineren Schulen, diese unendlich großen Bauten, diese Vier- und Fünf- und Sechsgliedrigkeit eigentlich begonnen? Seit wann müssen denn unsere Kinder 20 und 30 km fahren? Seit wann müssen denn unsere Kinder morgens 45 Minuten in den Bussen sitzen? Ich sage nicht, daß das nur die Politik einer Partei sei, aber es begann mit der Koalition von 1969.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seitdem haben wir das Dilemma. Die Merkmale Ihrer Politik, Frau Huber, bis in die Bereiche der Gesundheitspolitik sind doch Zentralisierung, Bürokratisierung, immer größere Einheiten, immer mehr Zerstörung der überschaubaren Einheiten.
    Frau Minister, Sie haben auch gesagt: daß es mehr Kinder gebe, sei auch auf die Politik der Bundesregierung zurückzuführen. Herr Ehrenberg hat das ebenfalls ausgeführt. Das ist sachlich falsch. Sachlich richtig ist, daß dieses neue generative Verhalten ausschließlich auf die geburtenstarken Jahrgänge zurückzuführen ist. Das ist die einfache und schlichte Tatsache.
    Wir sollten sodann unterstreichen — um Ihnen, Frau Minister Huber, zu antworten —: Daß es ab 1. Februar dieses Jahres mehr Kindergeld gibt, verdanken wir fast ausschließlich den Bundesländern, und hier insonderheit der Mehrheit der CDU/CSU.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn sie nicht bereit gewesen wären, mehr Geld aufzuwenden, gäbe es diese Verbesserung für die Familien mit zwei und mehr Kindern nicht.

    (Burger [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)

    Psychiatriemodell: Der Herr Minister Ehrenberg hat beklagt, daß die Modelle, die einmal vom Bund inszeniert worden sind, von den Ländern nicht fortgesetzt werden. Es ist doch nun ein guter Vorschlag, wenn z. B. Bayern sagt: Wir machen Psychiatriemodelle in unserer Trägerschaft — dann ist doch auch eher gewährleistet, daß die Modelle fortgesetzt werden —, und du, Bund, hilfst uns bei der Finanzierung. Das ist doch besser, als wenn sie sagen: Wir machen es, und ihr sollt es bezahlen. Das ist im überschaubaren Bereich in den Ländern unter finanzieller Beteiligung des Bundes doch besser, als daß der Bund immer wieder Modelle macht. Sie haben doch genug Modelle und schauen sowieso durch die vielen Modelle, die es gibt, nicht mehr durch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der umgekehrte Weg wäre praktikabel und hätte die größere Chance, daß die Modelle fortgeführt werden. Wie viele Modelle sind begonnen worden, und wie viele Modelle sind abgebrochen worden, weil die Bundesländer einfach nicht in der Lage sind, sie zu finanzieren! Warum sträubt sich Nordrhein-Westfalen dagegen, das Tagesmuttermodell überhaupt anzufangen, geschweige denn fortzusetzen? Weil die Gelder dafür fehlen. Warum muß es immer so viele Modelle, so viele Beauftragte, Sonderreferate, Beauftragte z. B. für Ausländer usw. geben? Das ist doch alles nur ein Herumdrücken um klare Entscheidungen. Ist es denn notwendig, immer noch mehr zu installieren? Wichtig und erforderlich sind politische Entscheidungen. Eine politische Entscheidung, Frau Huber, wäre es auch, wenn im Jahr der Behinderten, wie die Behinderten in Dortmund selbst gesagt haben, nicht nur über die Behinderten geredet würde, sondern wenn sich das auch in Ihrem Haushalt ausweisen würde. Nichts weist sich dort aus.