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ID0901806300

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    Plenarprotokoll 9/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Inhalt: Begrüßung des Handelsministers der Re- publik Indien, Professor Mukherjee . . . 745 D Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 711 C Frau Traupe SPD 716 C Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 718 B Dr. Schneider CDU/CSU 727 B Gattermann FDP 731 A Waltemathe SPD 735 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 737 A Wolfram (Recklinghausen) SPD 742 A Beckmann FDP 746 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 748 C Franke CDU/CSU 751 A Glombig SPD 757 A Cronenberg FDP 763 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 766 C Pfeifer CDU/CSU 771 D Frau Weyel SPD 776 D Dr.-Ing. Laermann FDP 779 D Engholm, Bundesminister BMBW 784 A Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 786 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Lenzer CDU/CSU 788 B Stockleben SPD 791 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 793 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 796 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 799 D Hölscher FDP 803 B Spranger CDU/CSU 806 B Kühbacher SPD 809 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 813 A Baum, Bundesminister BMI 814 D Dr. Ehmke SPD (Erklärung nach § 32 GO) 817 C Nächste Sitzung 817 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 818*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 711 18. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Dübber 29. 1. Dr. Enders * 30. 1. Ertl 29. 1. Dr. Feldmann 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Gansel 30. 1. Dr. Geißler 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Haase (Fürth) 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Jung (Kandel) * 30. 1 Kittelmann * 30. 1. Korber 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek * 30. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Waltemathe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wohl unvermeidlich, daß man sich in einer wohnungspolitischen Debatte Fachsimpeleien anhören muß. Zum Teil kommt man sich vor, als ob man in einem Fachausschuß sitzt. Ich möchte daher doch daran erinnern, daß wir uns in der ersten Lesung der Debatte zum Bundeshaushalt 1981 befinden und daß es neben fachpolitischen Problemen, etwa Beschäftigungsproblemen und Problemen bei der Wohnungsversorgung, wie sie für manche in Großstädten und Ballungsräumen auftreten, auch darum geht, ob der Staat, der Bundeshaushalt 1981 oder öffentliche Haushalte überhaupt Rahmenbedingungen zur Lösung von Problemen schaffen können, die nicht immer unbedingt mit Geldausgeben und mit Milliardenforderungen zu tun haben müssen. Es ist wohl auch notwendig, daß wir im Bereich der Wohnungs-
    und Städtebaupolitik versuchen, sowohl wirtschaftspolitische und beschäftigungspolitische als auch energiepolitische und verteilungspolitische Zusammenhänge darzulegen, und uns im übrigen auf einige aktuelle Schwerpunkte konzentrieren.
    Wenn ich nun Herrn Jahn richtig verstanden habe, so sieht das Konzept der Opposition wie folgt aus: Erstens. Vorrang für die Förderung des Wohnungseigentums. Dies erweckt den Eindruck, als ob hier gar nichts geschehe. Von 100 DM, die der Staat entweder durch Steuereinnahmeverzicht oder durch direkte Förderung ausgibt, fließen etwa 70 DM — vielleicht auch 75 DM; ganz genau läßt sich das ja nicht nachrechnen — in den Eigentumsbereich. Und jetzt stellen wir fest— ich bitte, da nicht mißverstanden zu werden; wir wollen Wohnungseigentum auch durchaus weiterhin fördern —, daß es in manchen Gebieten und Städten an Mietwohnungen fehlt und daß die Kritik daran wächst, daß wir dafür gar nichts tun.
    Zweitens. Vertragsfreiheit: Da ist das Mietrecht angesprochen worden.
    Drittens. Marktmieten statt Sozialmieten: Sie wollen also erst einmal, und zwar möglichst bald, alle zu niedrigen Mieten auf die Marktmiete anheben; so habe ich das verstanden.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Da verzerren Sie das Bild aber!)

    Viertens. Sie wollen dann soziale Gesichtspunkte durch das Wohngeld ausgleichen.
    Nun wissen Sie j a, daß auch ich ein Anhänger von Wohngeld bin — ich bin weiß Gott kein Gegner davon —, aber unter dem Stichwort „Mehr oder weniger Staat" muß ich doch darauf hinweisen, daß sich, da Wohngeldanträge jährlich gestellt werden müssen, bei einer erheblichen Anhebung des allgemeinen Mietniveaus auch die Zahl der Wohngeldberechtigten erheblich erhöhen wird.

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Aber das Geld kriegt der Richtige!)

    Das bedeutet, daß Jahr für Jahr statt jetzt 2 Millionen vielleicht 4 Millionen oder 6 Millionen Bürger zu den Wohngeldstellen gehen müssen. Im übrigen bedeutet es, daß die Wohngeldausgaben natürlich ganz gewaltig ansteigen würden. Da das Wohngeld zu 50 % vom Bund finanziert wird, bin ich nicht ganz sicher, ob der Bundesfinanzminister — aus wohlverstandenem Interesse — eine solche Art von Mischfinanzierung — ich wiederhole: 50 % zahlt der Bund — mitmachen könnte.
    Fünftens. Konzentration öffentlicher Mittel: Da könnten wir uns leicht einigen.
    Wenn man dieses Konzept daraufhin untersucht, was es als Antwort für diejenigen gibt, die jetzt als Wohnungssuchende keine Wohnung finden, dann stellt man fest: Die Opposition bietet hier nichts, überhaupt nichts an.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Dann haben Sie auch nichts zu bieten, Herr Waltemathe!)

    Nun will ich einmal auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 24. November zurückkommen.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Ja, das ist interessant!)

    Da wurde gesagt: Erstens. Wir müssen auch mehr neue Wohnungen bauen. Zweitens. Die Rahmenbedingungen für den freifinanzierten Wohnungsbau sind zu verbessern. Drittens. Der soziale Wohnungsbau muß fortgesetzt werden, und durch die Einführung von mehr marktwirtschaftlichen Elementen soll zu größeren Mengeneffekten beigetragen werden, und zwar trotz der gestiegenen Kosten. Viertens. Mieterschutz ist dort noch zu verbessern, wo es um übertriebene Luxusmodernisierung geht oder um die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Außerdem sollen Mieter, die dies wollen, in die Lage versetzt werden, durch die Inanspruchnahme ihrer eigenen Bausparmittel prämienunschädlich die von ihnen bewohnte Wohnung selber zu modernisieren.
    Was nun zur Zeit und für die nächsten drei bis fünf Jahre wohl ins Auge fällt und Bund, Länder und Gemeinden eigentlich herausfordern müßte, ist dies: Investitionen, die zu Aufträgen im Bereich der Bauwirtschaft führen, nehmen ab. Aus guten Gründen z. B. werden Verkehrshaushalte zurückgefahren. Finanzielle Engpässe in öffentlichen Haushalten führen zu einer Minderung öffentlicher Bauaufträge. Während es Bereiche der Bauwirtschaft gibt, die nach wie vor sehr gut zu tun haben — ich denke z. B. an das Ausbaugewerbe —, nehmen die Auftragspolster in anderen Bereichen ab. Es ist aber die Frage, ob wir uns einen Kapazitätsabbau leisten können, wenn bei einem Aufschwung Aufträge nicht mit überdurchschnittlichen Preissteigerungen bezahlt werden sollen, wie das schon einmal zu beobachten war.
    Es ist die weitere Frage zu stellen, ob wir eigentlich einen nachhaltigen Beschäftigungseinbruch im Baugewerbe verkraften können. Ich glaube, diese Zuammenhänge müssen durchaus gesehen werden. Deshalb müssen wir schon aus beschäftigungspolitischen Gründen darauf drängen, daß die vorhande-



    Waltemathe
    nen öffentlichen Mittel im Bereich des Wohnungsbaus besser genutzt und private Investoren mehr als bisher zu einer Anstrengung angereizt werden, um den erheblichen Wohnungsbedarf, insbesondere in Großstädten und Ballungsräumen zu decken. Im Rahmen der Beschäftigungspolitik ist jedenfalls längst anerkannt und u. a. im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ist festgelegt, daß der Staat auch bei privater Organisation der Wirtschaft doch eine erhebliche Verantwortung oder Mitverantwortung zu übernehmen hat.
    Nun, meine Damen und Herren, Sozialdemokraten gehen davon aus, daß auch angemessenes Wohnen zu erträglichen Kosten ein Grundbedürfnis ist, das in einem als Sozialstaat verfaßten Gemeinwesen nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden kann, bei dem die Schwachen auf der Strecke bleiben würden. Es wäre natürlich ein Irrtum, anzunehmen, daß die öffentlichen Hände die alleinige Verantwortung hätten, jedem zu einer oder gar zu seiner Wohnung zu verhelfen. Aber der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau behält eine wesentliche Aufgabe im Rahmen einer sozial gerechten Vorsorgepolitik. Wenn offensichtlich erhebliche Engpässe — von manchen, wie ich finde, etwas übertrieben als neue Wohnungsnot bezeichnet — auftreten, kann sich der Staat nicht zurückziehen, sondern er muß mit anpacken.
    Was sich gegenüber den Jahren des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit verändert hat, muß gewiß berücksichtigt werden. Viele Bürgerinnen und Bürger haben inzwischen eine gut ausgestattete, auch familiengerechte Wohnung; viele können sie — ob als Mieter oder als Eigentümer — auch bezahlen. Aber andere bewohnen älteren Wohnraum, der aus Gründen der Energieeinsparung oder des schlechten Zuschnitts oder wegen mangelnder Ausstattung modernisiert werden muß.
    Familien mit Kindern sind vielfach unterversorgt. Es wohnen immer noch 25 % der kinderreichen Familien in viel zu kleinen Wohnungen, wie wir wissen. Sie finden aber auf dem freien Wohnungsmarkt keine Wohnung oder — falls sie eine fänden — keine tragbaren Kostenbedingungen vor.
    Ausländer, Behinderte und andere Gruppen haben vielfach Schwierigkeiten. Es darf schließlich nicht übersehen werden, daß viele junge Menschen heute nicht nur eher das Elternhaus verlassen und selbst — ob allein oder zusammen mit anderen — Wohnraum beanspruchen, sondern daß natürlich die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre die starke Nachfrage in den 80er Jahren hervorrufen.
    Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten stehen dazu, daß die Bildung von Wohneigentum zur eigenen Nutzung für viele Bürger nicht nur ein erstrebenswertes Ziel ist, sondern auch weiterhin gefördert werden sollte. Sozialdemokraten sehen aber auch die Probleme, die in der Verteilung der öffentlichen Mittel zutage treten. Während die steuerliche Förderung vielfach auch zu Mitnehmereffekten führt und zu einer Nichtberücksichtigung von Familiengröße und sozialem Angewiesensein auf staatliche Hilfe, fließen auch die direkten Subventionen überwiegend in die Eigentumsmaßnahmen.
    Die regionale Verteilungswirkung der Förderungssysteme führt außerdem zu dem unerwünschten Effekt, daß in Großstädten und Ballungsgebieten, wo insbesondere Mietwohnungen nachgefragt werden, nur unterdurchschnittliche Chancen der Wohnungsversorgung bestehen. Es ist deshalb heute geboten, mehr soziale und mehr regionale Ausgewogenheit zu bewerkstelligen und die insgesamt für den Wohnungs- und Städtebau von Bund, Ländern und Gemeinden bereitgestellten Mittel — das sind etwa 20 Milliarden DM pro Jahr — besser auszunutzen. Darüber hinaus ist es geboten, gezielt etwas auf die Beine zu stellen, das Engpässen in Großstädten und Ballungsräumen zu Leibe rückt.
    Angesichts hoher Boden- und Baukosten und ungünstiger Finanzierungsbedingungen infolge einer Hochzinspolitik, die Wohnkosten ja maßgeblich mit beeinflußt, kommt es jetzt darauf an, daß öffentliche Förderung und die Mobilisierung privater Mittel so miteinander verknüpft werden, daß zunächst einmal niedrigere Kostenmieten entstehen und die Differenz zwischen der so entstehenden niedrigeren Kostenmiete und der für den einzelnen tragbaren Mietbelastung oder Wohnkostenbelastung die öffentlichen Kassen auch nicht überstrapaziert. Hier haben sowohl die gemeinnützige Wohnungswirtschaft als auch private Initiative eine Aufgabe.
    Mehr marktwirtschaftliche Elemente einzuführen, wie es in der Regierungserklärung heißt, bedeutet doch wohl auch, daß in unseren Städten und Ballungsräumen ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erst einmal hergestellt werden muß. Mut zur Zukunft kann eine junge Generation nur haben, wenn das ernsthafte Bemühen sichtbar wird, mehr Chancengerechtigkeit auch im Wohnungsbereich herzustellen und Wohnungsnachfrage nicht auf irgendwann eintretende Sickereffekte zu verweisen.
    Eine Wegwerfgesellschaft, die durchaus nutzbaren Wohnraum vernichtet, können wir uns ebenfalls nicht leisten. Manche Hausbesetzung mag dafür ein Hinweis sein. Neubaukonzeption, Energieeinsparungspolitik, Modernisierungspolitik, Wohnraummodernisierung, also auch gerechte Nutzung des vorhandenen Wohnungsbestandes, müssen miteinander verknüpft werden.
    Auch meine Kollegin Traupe hat bereits darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung oder der Deutsche Bundestag nicht die alleinige Verantwortung für künftige Wohnungs- und Städtebaupolitik und die damit zusammenhängenden energie- und beschäftigungspolitischen Effekte übernehmen kann. Wir haben es hier, wenn schon nicht formal, so doch in dem eigentlichen Sinne des Wortes mit einer wahren Gemeinschaftsaufgabe zu tun. Auch die Opposition im Bundestag kann sich nicht von dieser Aufgabe wegstehlen und sagen: „Auf Bundesebene stellen wir j a nicht die Regierung". Die Opposition im Bundestag stellt in vielen Ländern die dortige Regierung und in vielen Kommunen die Mehrheit in Stadtverordnetenversammlungen und hat auch da in diesem Bereich Aufgaben zu lösen.
    Wir sind alle aufgerufen, an Lösungen zu arbeiten, die für eine Beseitigung von Engpässen und Unge-



    Waltemathe
    rechtigkeiten geeignet sind. Sozialdemokraten jedenfalls bereiten sich darauf vor, Instrumente zur Minderung von Wohnungsknappheit in den Brennpunkten des Bedarfs vorzuschlagen, weil wir nicht tatenlos zusehen wollen, wie einige vielleicht den Mut zur Zukunft verlieren könnten, wenn der Staat nichts täte. — Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Riesenhuber.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundeskanzler Brandt hat zu Beginn der Regierungszeit der SPD/FDP-Koalition eine Rede gehalten, in der 27mal das Wort „Reform" vorkam. Herr Minister Matthöfer hat zu Beginn der 80er Jahre eine Haushaltsrede gehalten, in der 33mal das Wort „Öl" vorgekommen ist. Dazwischen liegt das Ende der schönen Träume, dazwischen liegt der Einbruch der Wirklichkeit, dazwischen liegt eine Verschuldung des Staates, die bis an die Grenzen des Erträglichen gestiegen ist und vielleicht darüber hinaus, ein Wachstum der Ansprüche, schneller als das Wachstum des Steueraufkommens. Dazwischen liegt eine Stagnation der Wirtschaft, die Gefahr eines wirtschaftlichen Rückgangs. Mittelfristig ist das Wirtschaftswachstum durchaus ungesichert. Die Arbeitslosigkeit wird im Jahresdurchschnitt 1 Million weit überschreiten. Die Überlegenheit unserer Technik im Weltmarkt ist während der Forschungs- und Technologiepolitik der SPD/FDP-Koalition zurückgegangen.
    Die Leistungsbilanz hatte vor zwei Jahren noch einen Überschuß von nahezu 18 Milliarden DM; sie hatte im letzten Jahr ein Defizit von nahezu 28 Milliarden DM. Darin stecken allein Energiekosten von weit über 60 Milliarden DM; das ist das Sechsfache von dem, was wir noch vor wenigen Jahren bezahlt haben.
    In dieser Zeit hat sich die Struktur unserer Energieversorgung nicht in einer Weise geändert, die entscheidend gewesen wäre. Die Regierung hat in diesen Jahren erklärtermaßen auf Kohle und Kernkraft gesetzt, auf neue Energien und Einsparungen.
    Wenn wir heute, sieben Jahre nach der ersten Ölkrise, eine Bilanz ziehen, stellen wir fest, daß diese Bilanz im Ergebnis miserabel ist.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Positiv!)

    Bei der ersten Ölkrise hatten wir einen Steinkohleeinsatz — Herr Stahl, das wird Sie interessieren — von 84 Millionen t im Jahr. Im letzten Jahr lag der Steinkohleeinsatz bei 78 Millionen Jahrestonnen. Wir haben nicht mehr, sondern weniger Steinkohle eingesetzt — entgegen den Planungen der Regierung.
    Die Kernenergie hat zur Zeit der ersten Krise 1 zu unserer Energieversorgung beigetragen. Sie lag im letzten Jahr bei 4 %. Das ist ein Anteil, der immer noch sehr klein ist. Die Bundesregierung hatte nach der ersten Ölkrise 45 000 MW — besser noch: 50 000 MW — angestrebt. Was wir erreichen werden, ist ein Drittel oder allenfalls die Hälfte dieser Zahl.
    Die Energieeinsparung sollte durch eine Vielzahl von Gesetzen, von Verordnungen, von Vereinbarungen — drei Dutzend insgesamt — gefördert werden. Aber der erste große Einbruch in Richtung auf wirklich massive Sparraten geschah im letzten Jahr, und zwar über den Markt. Das geschah in einem Moment, als die Preise so gestiegen waren, daß die Preissteigerungsraten in der Tat nicht mehr aufzufangen waren, nicht für den einzelnen und auch nicht für die Wirtschaft.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Wo leben Sie eigentlich?)

    Die Struktur unserer Energieversorgung hat sich geändert; dies trifft schon zu. Das Erdgas ist zugewachsen. Aber wenn Sie hier vom Standpunkt der Leistungsbilanz aus diskutieren, müssen Sie die Tatsache einbeziehen, daß das Erdgas so teuer wird wie das Erdöl und daß Erdgas und Erdöl zusammen heute mengenmäßig noch mehr ausmachen als in der ersten Ölkrise.
    In diesen sieben Jahren haben wir die neuen Energiestrukturen nicht angelegt. Das einzige, was in der Zeit knapp war, waren nicht Kapital oder technischer Sachverstand, sondern war die Zeit. Diese sieben Jahre sind vergeudet worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In dieser Zeit, meine Kollegen, hätten wir die neuen Strukturen für die knappen Jahre, die kommen werden, anlegen können, für die Jahre, in denen die Reserven physisch knapp werden. Wir wissen, daß in diesen Jahren die Reserven und unser Zugang dazu politisch zunehmend gefährdet sein werden.
    In den nächsten Monaten steht die Fortschreibung des Energieprogramms an. Aber was wir heute brauchen, ist nicht irgendein Routinepapier oder eine Fortschreibung wie gehabt, sondern ein ehrlicher und grundsätzlicher Neubeginn in der Energiepolitik.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Nein, das brauchen wir nicht!)

    Wir müssen Schluß machen mit den Luxusdiskussionen der Parteitage. Herr Kollege Stahl, Sie haben sich vielleicht nicht so sehr wie andere daran beteiligt. Sie haben versucht, einen vernünftigen Gewerkschaftsstandpunkt zu vertreten. Aber wenn ich sehe, wie auf den Parteitagen in Hessen-Süd oder in Frankfurt Gewerkschaftsvertreter von linken Mehrheiten abgekanzelt werden, wenn sie für eine gesicherte Energieversorgung eintreten, dann sage ich: Dies ist eine Politik, die ich als Christdemokrat nicht mitmache.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Sie machen es sich zu leicht!)

    Wir sprechen hier ja nicht von irgend etwas, sondern von der Gefährdung der Arbeitsplätze, von der Gefährdung der Leistungsbilanz, von der Gefährdung des Haushaltsausgleichs, von der Gefährdung unse-



    Dr. Riesenhuber
    rer wirtschaftlichen Zukunft. Dies erledigt inzwischen doch wohl Empfehlungen von der SPD- und FDP-Mehrheiten, zuletzt in der Energie-Enquetekommission, die wichtigen Entscheidungen erst einmal bis 1990 zu vertagen.
    Was diese Regierungsfraktionen versäumen, ist die Zukunft. Sie decken ihre internen Konflikte zu, überbrücken sie auf Kosten der Zukunft des deutschen Volkes, und das ist es, was wir nicht mitmachen werden.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie wissen doch, daß das alles nicht stimmt, was Sie hier erzählen!)

    Ausgestanden ist der Streit zwischen Kohle und Kernenergie, wenn es jemals ein Streit war. Die Kohle ist das heimische Fundament unserer Energieversorgung. Hier sind wir uns einig.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Aber die oberen Grenzen der Leistungsfähigkeit — —

    (Zurufe von der SPD)

    — Die Kohle ist das heimische Fundament unserer Energieversorgung. Ich sehe niemanden, der dies bestreitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: .Konkret!)

    — Ich möchte jetzt etwas konkret von Ihnen wissen, lieber Herr Kollege Wolfram; Sie werden vielleicht darauf eingehen können. Wenn das Ziel der Kohlenförderung bei 100 Millionen Tonnen im Jahr liegen soll, wie wollen Sie dann in den nächsten Jahren bei den knapper werdenden Haushaltsmitteln die Zuschüsse im einzelnen aufbringen? Ich möchte hier ein Konzept und nicht nur verbale Erklärungen, genau das Konkrete, was Sie haben und was die Regierung vorlegen muß, einschließlich der Investitionen für die Millionen Tonnen auslaufender Zechenkapazitäten und für die 15 Millionen Tonnen zusätzlicher Zechenkapazitäten, die wir brauchen.

    (Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch einmal Ihr Konzept!)

    Die Grenzen der Leistungsfähigkeit haben wir. Wir werden eine Menge Arbeit haben. Hier möchte ich die Vorschläge sehen. Die Importkohle soll einen wachsenden Anteil an unserer Energieversorgung haben. Aber noch heute ist die Hälfte der neu bestellten Kessel ölbefeuert. Der Beitrag der Importkohle ist gering. Die deutschen Beteiligungen an Kohlelagerstätten im Ausland sind die Ausnahme. Langfristige Bezugsverträge sind selten. Die Weichen für die Zukunft sind auch bei der Kohle nicht hinreichend gestellt.

    (Zuruf von der SPD: Doch!)

    Die Bundesregierung hat Vorprojekte zur Kohleveredlung in Auftrag gegeben. Wenn diese Projekte einen Sinn haben sollen, dann müssen sie zu Großanlagen führen, in unserem Land oder im Ausland, aber eben grundsätzlich auch in unserem Land. Wir werden auf die Dauer keine Technik exportieren können, die wir nicht mit Erfolg in unserem Land betreiben.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Wer stellt denn das in Frage?)

    All die Überlegungen, Blaupausen zu exportieren, diese wunderschönen Vorstellungen, die Herr Matthöfer oder der Bundeskanzler einmal vorgetragen haben, sind einfach nicht realistisch, wenn wir nicht umfassend auch eine Grundstoffindustrie in unserem Lande durchhalten. Das braucht natürlich politische Rahmenbedingungen.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Und Geld!)

    Graf Lambsdorff hat in der letzten Debatte beklagt, daß eine Kohleveredelungsanlage mit einem Aufwand von 1 Milliarde DM ohne öffentliche Mittel im großtechnischen Maßstab gebaut werden sollte, aber eben nicht an einem Standort in Deutschland, weil die Probleme im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren schwer übersehbar seien. Graf Lambsdorff spricht hier so, als wäre es nicht seine Regierung, die über Jahre versäumt hat, diese Rahmenbedingungen wirklich zu setzen, wenn sie neu notwendig sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sie müssen mal mit Frau von BraunStützer darüber reden, Herr Riesenhuber! Sie müssen Zeitungen lesen und mal schauen, wie die Welt aussieht!)

    Er spricht so, als hätten er und die Bundesregierung wenig damit zu tun, daß nicht nur Kohleveredelungsanlagen, die kommen sollen, in Frage gestellt werden, sondern daß heute schon Kohlekraftwerke blockiert sind. Es ist auch eine Frage und vor allem eine Frage der politischen Bedingungen, ob — —

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wo denn? Nennen Sie doch einmal konkret ein Beispiel!)

    — Zum Beispiel Voerde. Lieber Kollege Wolfram, es ist doch eigentlich eine — —

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Längst vorbei!)

    — Nein, es ist offensichtlich nicht vorbei. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen soll eine Bürgschaft dafür übernehmen, daß Voerde überhaupt gebaut werden und dann in Betrieb gehen kann. Wenn die Landesregierung eine Bürgschaft dafür übernimmt, daß ein politisches Risiko abgedeckt wird, dann ist das in einem Industrieland gefährlich. Hier soll eine Landesregierung die Bürgschaft gegen politisches Risiko im eigenen Land bei konventioneller Technik übernehmen. Dies ist bis jetzt bei Entwicklungsländern üblich gewesen, wo die politische Stabilität nicht sicher absehbar war, aber nicht bei konventioneller Technik und nicht im eigenen Land. Dies ist eine ganz problematische Erscheinung. Dies ist eines modernen Industriestaates einfach nicht würdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo bleibt denn der Mut zum Risiko auch in der Industrie?)