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ID0901801600

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    Plenarprotokoll 9/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Inhalt: Begrüßung des Handelsministers der Re- publik Indien, Professor Mukherjee . . . 745 D Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 711 C Frau Traupe SPD 716 C Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 718 B Dr. Schneider CDU/CSU 727 B Gattermann FDP 731 A Waltemathe SPD 735 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 737 A Wolfram (Recklinghausen) SPD 742 A Beckmann FDP 746 A Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 748 C Franke CDU/CSU 751 A Glombig SPD 757 A Cronenberg FDP 763 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 766 C Pfeifer CDU/CSU 771 D Frau Weyel SPD 776 D Dr.-Ing. Laermann FDP 779 D Engholm, Bundesminister BMBW 784 A Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT . 786 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 Lenzer CDU/CSU 788 B Stockleben SPD 791 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 793 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 796 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 799 D Hölscher FDP 803 B Spranger CDU/CSU 806 B Kühbacher SPD 809 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 813 A Baum, Bundesminister BMI 814 D Dr. Ehmke SPD (Erklärung nach § 32 GO) 817 C Nächste Sitzung 817 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 818*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1981 711 18. Sitzung Bonn, den 29. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Dübber 29. 1. Dr. Enders * 30. 1. Ertl 29. 1. Dr. Feldmann 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Gansel 30. 1. Dr. Geißler 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Haase (Fürth) 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Jung (Kandel) * 30. 1 Kittelmann * 30. 1. Korber 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek * 30. 1.
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    Rede von Brigitte Traupe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Jahn, ich werde Ihnen an gegebener Stelle antworten. Ich bin nur ein bißchen traurig darüber, daß Sie mir heute morgen nicht eine einzige neue Idee geboten haben, die sich auch realisieren läßt.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Wir warten auf Ihre!)

    In einer Zeit knapper werdender öffentlicher Mittel stellt sich für uns alle, also für die Politiker des Bundes, der Länder und der Kommunen — höflicherweise hätte ich umgekehrt anfangen sollen —, die Frage, welche sinnvolle Aufgabenverteilung und welche sinnvolle Aufgabenteilung wir in der Zukunft vornehmen wollen.
    Ich gehöre zu jenen, die in der augenblicklichen finanzpolitischen Situation aller drei Ebenen auch die Chance zum Nachdenken sehen. Sorgfältiger als bisher müssen wir uns unabhängig von der politischen Couleur fragen: Welche staatlichen Aufgaben der Daseinsfürsorge müssen wir weiterhin gewissenhaft wahrnehmen? Welche staatliche Ebene kann dies am sinnvollsten? Wird unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit der Schutz Schwächerer, Behinderter beachtet? Kümmern wir uns genügend um soziale Gerechtigkeit, von der wir ja alle so viel sprechen? Und wir müssen uns fragen: Wie werden die notwendigen Geldmittel aufgebracht?
    Im Rahmen der heutigen Etatdebatte stellt sich für uns Bundespolitiker folgende Frage: Brauchen wir eine weitere öffentliche Wohnungsbauförderung, und sollte sich der Bund daran beteiligen? Auch wenn es von dem Herrn Vorredner wieder anders dargestellt wurde, die Förderung des Wohnungsbaus ist zunächst die Aufgabe der Länder. Der Bund beteiligt sich an den Förderungsprogrammen der Länder durch Finanzhilfen gemäß Art. 104 Abs. 4 des Grundgesetzes. Die bisherige staatliche Förderung des Wohnungsbaus hat — das ist unbestritten — zu einer stark verbesserten Versorgungslage geführt. Daher kann sich eine öffentliche Wohnungsbaupolitik meiner Meinung nach in den kommenden Jahren schwerpunktmäßig auf die Versorgung einkommensschwacher Haushalte konzentrieren, auf bestimmte Zielgruppen wie kinderreiche Familien, auf alleinstehende Elternteile mit Kindern, auf Schwerbehinderte, auf ältere Menschen. Ferner muß sie sich um die Bildung von privatem Wohnungseigentum in Form von Familienheimen oder Eigentumswohnungen kümmern.
    Nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 24. November 1980 sollte mit den Ländern



    Frau Traupe
    darüber verhandelt werden, daß die direkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus in die alleinige Zuständigkeit der Länder gelegt wird. Mit den Verhandlungen soll im Frühjahr 1981 in einer BundLänder-Kommission begonnen werden. Demgemäß sind die im Haushalt 1980 vorveranschlagten Verpflichtungsrahmen für das Programmjahr 1981 ungekürzt übernommen worden. Erst ab dem Programmjahr 1982 sind Kürzungen entsprechend der Behandlung bei den Gemeinschaftsaufgaben — also um 20 % — vorgesehen. Dadurch wird neben der Konsolidierung des Bundeshaushalts Handlungsspielraum gewonnen und Druck auf die Länder ausgeübt, den Übergang vorzubereiten.
    In dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf des Einzelplans 25 und der Finanzplanung bis 1984 sind Verpflichtungsrahmen für die Programmjahre vorgesehen: im Sozialprogramm einschließlich der Aussiedler, also beim ersten Förderungsweg, jährlich 590 Millionen DM; im Eigentumsprogramm, dem zweiten Förderungsweg, jährlich 880 Millionen DM. Für den sozialen Wohnungsbau sind in der Finanzierungsplanung folgende Ausgabensätze des Bundes angenommen: 1981 für den Wohnungsbau für Zielgruppen 729,8 Millionen DM, für das Eigentumsprogramm 779,9 Millionen DM. Dies setzt sich bis in das Jahr 1984 fort.
    Aber wenn hier gesagt worden ist, der Bund habe in der Vergangenheit seine Aufgaben nicht wahrgenommen, so kann ich nur fragen: Spielt es keine Rolle, daß wir in den Jahren zwischen 1970 und 1979 allein von Bundesseite für Wohnungsbauprämien fast 12 Milliarden DM ausgegeben haben, daß wir für Wohngeld fast 7 Milliarden DM gezahlt haben und daß der Bund im Jahre 1980, das wir gerade abgeschlossen haben, Wohnungsbauprämien in einer Höhe von knapp 1 Milliarde DM und Wohngeld in einer Höhe von 911 Millionen DM gezahlt hat? Die nun in Kraft tretende neue Wohngeldnovelle bringt als soziale Komponente vor allem für Familien mit mehreren Kindern beachtliche Leistungen. Die Zeitungen haben das in den vorangegangenen Tagen und Wochen auch gewürdigt. Sie haben die Wohngeldempfänger darauf hingewiesen, daß der Stichtag der 31. Januar 1981 ist und die Wohngeldanträge gestellt werden müssen. Meine eigene Heimatzeitung schreibt zu Recht: Es kann nicht oft genug betont werden: Wohngeld ist kein Almosen des Staates. Wer zum Kreis der Wohngeldempfänger zählt, hat einen Rechtsanspruch darauf.
    Von wegen also, wir hätten nichts getan! Sehen Sie sich einmal die Leistung für einen Arbeitnehmer an, der allein verdient und in einem Vierpersonenhaushalt lebt! Sein Wohngeld steigt erheblich. Ich habe hier Beispiele vor mir liegen. Da ist einmal ein Lohn von 1 704 DM angegeben und eine Miete von 301 DM. Bis jetzt hat der Wohngeldempfänger 82 DM bekommen.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Wir möchten etwas Neues hören! Das haben Sie doch angekündigt! Das können Sie alles im Haushaltsausschuß sagen!)

    In Zukunft wird er 55 DM mehr bekommen, also 137 DM. Hat er eine teurere Wohnung, steigt sein entsprechender Zuschuß um ein erhebliches.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wenn er eine Wohnung hat! Das ist das Problem!)

    — Langsam; darauf komme ich noch.
    Bei einem Sechspersonenhaushalt sieht es sogar so aus, daß jemand, der eine große Wohnung braucht und bei einem Lohn von 2 769 DM — mit den entsprechenden übrigen Zuschüssen — eine Belastung von 1 100 DM hat, in Zukunft 219 DM mehr bekommt, nämlich insgesamt 341 DM. Im Bundeshaushalt macht sich das dahin gehend bemerkbar, daß wir über 200 Millionen DM mehr für Wohngeld zur Verfügung stellen müssen als 1980.
    Meine Damen und Herren. Ich habe Herrn Dr. Jahn in der Hoffnung zugehört, wie ich anfangs sagte, ich würde hier neue Ideen für die Finanzierung des Wohnungsbaus erfahren. Aber mir fällt auf, daß die Opposition nur Schlagworte — da natürlich voran immer „mehr Marktwirtschaft und weniger Staat" — und kein wirklich sachliches Angebot unterbreiten kann. Natürlich brauchen wir sowohl den Markt als auch die Verantwortung des Staates und die Förderung durch ihn. Nur ein vernünftiges Abwägen, keine Schlagworte können uns in den nächsten Jahren helfen!
    Sie bieten uns auch immer wieder den Verkauf von Sozialwohnungen an Mieter als Lösung an. Dadurch wird das Problem, mehr Mietwohnungen bereitzustellen, nicht gelöst. Als Mitglied des Haushalts- und vor allen Dingen auch des Rechnungsprüfungsausschusses verhehle ich nicht, daß ich bei der Fehlbelegungsabgabe die Sorge habe, daß es uns ähnlich wie mit den BAföG-Darlehen geht: Der Verwaltungsaufwand könnte oftmals höher sein als das Ergebnis. Aber wir sollten diese Frage sachlich als Versuch prüfen und sie nicht sofort ideologisch betrachten.
    Meine Damen und Herren, wenn wir heute nicht genügend Wohnungen in Ballungsräumen haben, so ist das nicht allein und ausschließlich Schuld des Bundes. Wie ich eingangs sagte, gibt es für den Wohnungsbau die Mitverantwortung aller drei staatlichen Ebenen. Da wollen wir zuerst den Kommunen die folgenden Aufgaben nicht abnehmen: Sie müssen entscheiden, wie viele Wohnungen bei ihnen gebraucht werden. Sie müssen entscheiden, welches Verhältnis zwischen Mietwohnungen und Eigentumswohnungen sowie Eigenheimen richtig ist.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das kann der Markt besser als staatliche Instanzen!)

    Sie haben die schwierige Aufgabe, Bauland sowohl für den sozialen Mietwohnungsbau als auch für den kleinen privaten Bauherrn bereitzustellen. Es ist ja doch wohl wahr, daß leider in der Vergangenheit die Mehrheit des Parlaments nicht den Mut zu einem vernünftigen Bodenrecht und zu einer vernünftigen Gestaltung der Bodenpreise hatte. Es kommt doch nicht von ungefähr — Sie haben es vielleicht in dem Bericht der Eidgenössischen Kommission in Zürich gelesen —, daß sich der Protest junger



    Frau Traupe
    Menschen dort entwickelt hat, wo die höchsten Baulandpreise ganz Europas gezahlt werden.
    Ich denke, wir müssen hier nachdenken und dürfen uns keine Scheuklappen anlegen.
    Ich gebe auch zu erwägen, daß es nicht sinnvoll sein kann, nur in den Ballungsräumen neue Wohnungen zu schaffen. Wir haben in den ländlichen Räumen die beste Infrastruktur, die ein west- oder osteuropäisches Land überhaupt aufweist. Wir haben Straßen, Schulen, Sportstätten, und es gibt Gott sei Dank auch noch eine Reihe von Arbeitsplätzen in ländlichen Räumen. Viele Kommunen haben nicht nur rechtzeitig billiges Bauland erworben, sondern sorgen auch dafür, daß es nicht spekulativ genutzt wird. Sie haben auch großzügig Gewerbegebiete zur Verfügung gestellt, um zu erreichen, daß die jüngere Bevölkerung bei ihnen bleibt. Wir müssen auch in Zukunft darauf achten, daß dies so bleibt.
    Vom Städtebauministerium und auch von den Ländern muß gründlich überlegt werden, ob nicht ein zu konzentrierter Bau von Wohnungen in Ballungsräumen eine zu starke Abwanderung aus ländlichen Räumen zur Folge hat.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das war doch die Politik der SPD in den vergangenen Jahren!)

    Ausgleichen kann jedoch nicht zuerst der Bund. Diese Ausgleichsaufgabe haben die Länder. Sie haben dafür zu sorgen, daß es zwichen ihren Großstädten, den Ballungsräumen und dem ländlichen Raum zu einer Abstimmung über überregionale Verkehrsnetze und Arbeitsplätze kommt.
    Der Bund hat natürlich auch und in der Zukunft seine Verantwortung für den Wohnungsbau. Er bleibt aufgefordert, als Gesetzgeber für die gleichwertigen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik zu sorgen. Er muß sie anstreben. Er muß dafür sorgen, daß ein gesundes Verhältnis zwischen Privateigentum und Mietwohnungen von allen drei staatlichen Ebenen angestrebt wird.
    Aber es ist eben eine Lüge, daß dies nur der Bund zu tun hat. Ich sage noch einmal, ich erwarte voller Interessen neue Ideen, realisierbare Ideen auch von der Opposition. Wir brauchen alle einen Pakt der Vernunft, keine harte Konkurrenz zwischen Großstädten und ländlichen Räumen, sondern ein wohl abgewogenes Verhältnis. Daran werden sich die Haushaltspolitiker der SPD auch im Bund beteiligen. Aber wir weisen mit aller Entschiedenheit zurück, daß nur der Bund die Verantwortung für diese Aufgabe trägt. Die Verfassung drückt es anders aus.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Möller [CDU/ CSU]: Wo bleiben denn Ihre neuen Ideen?)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Bundesminister Dr. Haack.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Haack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jahn versuchte hier mit dem Gegensatzpaar Markt auf der einen
    Seite, staatliche Lenkung oder staatlicher Eingriff auf der anderen Seite, einen Lösungvorschlag zu machen. Er wollte darlegen, daß die Probleme, vor denen wir gegenwärtig im Wohnungsbau in der Bundesrepublik unbestrittenermaßen stehen, mit zuviel staatlicher Lenkung zusammenhängen und daß eine Überführung des Wohnungsmarktes in einen freien Markt die wesentlichen Probleme lösen würde.

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Unter sozialer Absicherung!)

    Ich möchte in diese wohnungspolitische Debatte, da glücklicherweise auch Fragen des Wohnungsbaus inzwischen einen politischen Stellenwert bekommen haben, während sie in den letzten Jahren eine Art Randdasein führten, auch Argumente einführen, die sonst mit Recht in der politischen Debatte wichtig sind.
    Da ist einmal ein Blick zurück auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland angebracht, Herr Kollege Jahn, weil Sie vorhin auch etwa auf Lücke hingewiesen haben. Da ist ein Blick über die eigene Grenze zweckmäßig, um festzustellen, wie es in anderen Ländern aussieht. Wenn wir uns vergewissern und an das Jahr 1970 oder auch an die 60er Jahre zurückdenken und uns vergegenwärtigen, wie es in anderen Ländern aussieht, dann, glaube ich, werden wir die Diskussion etwas versachlichen können.
    Wir stellen nämlich nicht nur bei politischen Debatten, sondern auch bei der journalistischen Beschäftigung mit unserer Wohnungssituation fest, daß fast nur noch mit Schlagworten und teilweise mit sich widersprechenden Schlagworten argumentiert wird.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Marktwirtschaft ist kein Schlagwort!)

    Da heißt es z. B. „Gebt den Markt frei" — ich komme jetzt genau darauf: Marktwirtschaft ist kein Schlagwort —, „Lockert das Mietrecht, und die Probleme lösen sich von selbst".

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Wer hat das gesagt?)

    — Das ist der Grundtenor Ihrer ganzen Ausführungen, Herr Kollege Jahn, gewesen.
    Ich darf daran erinnern, daß wir damals — Anfang der 70er Jahre — mit Zustimmung der CDU/CSU das Wohnraumkündigungsschutzgesetz beschlossen haben und daß wir im Jahre 1970 eine mit der heutigen Lage genau vergleichbare Wohnungsmangelsituation hatten. In der damaligen Wohnungsmangelsituation ist vorgeschlagen worden, unser Mieterschutzrecht zu verbessern, damit nicht die einkommensschwachen Bevölkerungskreise auf der Strecke bleiben.
    In einem Artikel des „Spiegel" des Jahres 1970 — ich zitiere ihn, weil wir hier vor einigen Wochen einen ähnlichen Artikel hatten — war zu lesen:
    Jeden Samstag morgen



    Bundesminister Dr. Haack
    — es war Ende der 60er Jahre; Sie haben ja vorhin auch auf Lücke und die damalige Wohnungspolitik hingewiesen —
    gegen 9 Uhr sind rund um den Gänsemarkt zu Hamburg die Telefonzellen blockiert. Dort begeben sich um diese Zeit Dialoge zwischen König und Bettelmann. Junge Hanseaten, die gerade in der Agentur des „Hamburger Abendblatt" die druckfrische Wochenendausgabe mit der Anzeigenrubrik „Vermietungen" erworben haben, und Wohnungsmaklern, den absoluten Herrschern über einen Markt, der alles andere als frei ist. Der Wettlauf zum Hörer markiert ein
    Phänomen, das Deutsche nirgendwo so heftig heimgesucht hat wie in Hamburg: Wohnungsnot.
    Die Reportage fährt fort:
    Bodenspekulation und Mietwucher, Kündigungsdruck und Maklerallmacht sind die Folgen einer liberalistischen Funktion, wonach der Wohnungsmarkt gleich Frischeiern oder Badehosen getrost dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen bleiben darf.

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Das ist das Ergebnis Ihrer Politik!)

    — Das war im Jahre 1970, Herr Kollege Jahn. Ich fordere Sie j a auf, wenn ich auch weiß, daß das aussichtslos ist, nachzudenken und die notwendige politische Diskussion zu versachlichen. Das war, wie gesagt, im Jahre 1970: Wohnungsmangelsituation! Auch Hausbesetzungen hatten wir im Jahre 1970, obwohl in den 60er Jahren, wie Sie vorhin gesagt haben, die richtige und auch eine bessere Wohnungspolitik getrieben worden ist.

    (Niegel [CDU/CSU]: Ist das durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz besser geworden?)

    — Ich versuche nur das hier mal darzulegen; es kann ja völlig aussichtslos sein. Ich bemühe mich schon seit Jahren um Versachlichung, ich versuche es auf diesen Punkt zurückzuführen. Nicht um von gegenwärtigen Problemen abzulenken, sondern um Ihnen deutlich zu machen, daß wir heute Engpässe haben, daß diese aber nicht unmittelbar mit der Gesetzgebung zusammenhängen, daß das jedenfalls nicht die Hauptwirkungsursache ist; sonst hätte das im Jahre 1970 nicht so sein können.
    In Wirklichkeit handelt es sich um Schwankungen. Eine ähnliche Wohnungsmangelsituation — um noch fünf Jahre zurückzugehen — hatten wir in den Jahren 1965/66, dann die eben geschilderte im Jahre 1970, und vor ähnlichen Problemen stehen wir im Jahre 1980.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Und was ist in zehn Jahren geschehen, Herr Minister?)

    — Darauf komme ich gleich. Ich will zunächst mal sagen, daß es sich um Schwankungserscheinungen handelt, die nicht neu sind, die wir auch 1965 und 1970 gehabt haben.
    Jetzt komme ich noch auf einige Gründe, die in die Diskussion mit eingeführt werden, damit wirklich sachlich diskutiert werden kann. Es kann nicht bestritten werden — und darüber herrscht hier wohl Einigkeit —, daß die Versorgung mit Wohnungen in Großstädten und Ballungsgebieten schwieriger geworden ist. Dagegen haben wir mittlerweile im ländlichen Bereich eine fast optimale Wohnungsversorgung. Ich sage Ihnen als Raumordnungsminister, ich wehre mich dagegen, daß die Wohnungsversorgung ausschließlich aus großstädtischer Sicht kritisch gesehen wird. Wir können auch aus Raumordnungsgründen nicht einseitig egoistisch nur aus großstädtischer Sicht diskutieren. Ich halte es für einen großen Vorteil, daß die Wohnungsversorgung, auch die Eigentumsbildung auf dem flachen Land gut ist. Wäre sie nicht gut, dann wäre der Abwanderungsdruck gerade jüngerer Menschen aus den ländlichen Bereichen in die Ballungsgebiete noch viel stärker und würde dort die Wohnungsnachfrage noch mehr vergrößern. Das muß in diesem Zusammenhang mal gesagt werden. Ich sehe auch bei Ihnen Nicken und Zustimmung.
    Weil wir eine kurzfristige übergroße Nachfrage in den großen Städten und in den Ballungsgebieten haben, spreche ich mich dafür aus, daß die Länder, die ausschließlich über den Einsatz öffentlicher Mittel entscheiden, für einen bestimmten Zeitraum stärkere Schwerpunkte in den Ballungsgebieten und in den Großstädten beim Mitteleinsatz bilden.
    Aber noch eine Bemerkung zu dieser Mangelsituation oder, wie es heißt, zu den Warteschlangen vor unseren städtischen Wohnungsämtern. Das hat zwei Ursachen. Die Ursache liegt einmal auf der Angebotsseite, zum zweiten auf der Nachfrageseite. Hier liegen die Gründe im freifinanzierten Mietwohnungsbau im Zurückgehen der jährlich gebauten Wohneinheiten, ähnlich wie im sozialen Wohnungsbau. Das heißt, die Hauptkostenfaktoren Bodenpreise, Finanzierungskosten und Baukosten sind in den letzten Jahren in einem Umfang gestiegen, der weit über den allgemeinen Preissteigerungsraten liegt. Das hat im freifinanzierten Mietwohnungsbau zu einer deutlichen Verschlechterung der Renditeaussichten und damit der Investitionsneigung geführt. Meine Damen und Herren, es ist nicht zu bestreiten, daß das der entscheidende Punkt ist. Ich könnte Ihnen — ich kann es aber aus Zeitgründen nicht; ich bin gern bereit, Ihnen das schriftlich zur Verfügung zu stellen — jedes mit uns vergleichbare europäische Land und auch die Vereinigten Staaten darstellen, bei denen sich in den letzten Jahren genau dieselbe Entwicklung abgezeichnet hat. Dort haben wir nicht die von Ihnen kritisierte sozialliberale Bundesregierung oder den zuständigen Bauminister. Außerdem handelt es sich um viele europäische Länder — als Beispiel nenne ich nur die Schweiz —, in denen wir keine Vergleichsmietenregelung und keinen ausgedehnten Mieterschutz wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland haben. Das gehört zur sachlichen Diskussion, um den Ursachen auf den Grund gehen zu können und um dann vernünftige Lösungskonzepte für die Zukunft zu eröffnen, die sowieso nicht kurzfristig wirken können. Wenn wir uns aber in einem Hickhack begegnen, indem die einen sagen, nur über den Markt läuft das, und die anderen sagen, mit noch größeren staatlichen Eingriffen oder staatlicher Lenkung müssen die Probleme



    Bundesminister Dr. Haack
    gelöst werden, dann werden wir aus diesen Schwierigkeiten nicht herauskommen. Deshalb spreche ich mich hier wie auch schon in der Vergangenheit für einen vernünftigen Mittelweg aus.