Rede von
Otto
Zink
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Wiedereinbringung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
sie bedauert aber, daß der Gesetzentwurf am heutigen Tage erneut völlig unverändert eingebracht wurde. Trotz gegenteiliger Beteuerungen zu Beginn der Beratungen in der letzten Legislaturperiode haben die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien bei der Beratung des Künstlersozialversicherungsgesetzes wenig Flexibilität gezeigt.
Deshalb haben die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der Bundesrat diesem Gesetzgebungsvorhaben nicht zustimmen können.
Dabei geht es überhaupt nicht mehr um das Ob einer Verbesserung der sozialen Situation der Künstler und Publizisten, sondern nur noch um das Wie.
Hier scheiden sich allerdings die Geister. Die CDU/
CSU hat bei allen Beratungen zum Künstlersozialversicherungsgesetz das Ziel des Gesetzes begrüßt
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1980 297
Zink
und sich für eine befriedigende und systemgerechte Einbeziehung der Künstler und Publizisten in das Netz der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und für eine Einbeziehung der alten Künstler und Publizisten in die Gesetzesregelung eingesetzt. Es ist festzustellen, daß mit der Bedürftigkeit -- ich sage das auch an den Kollegen Lutz gerichtet —, mit der oft schlechten sozialen Situation der alten Künstler und Publizisten draußen zwar argumentiert wird, daß dieser Personenkreis aber nach dem Regierungsentwurf und damit auch nach der heutigen Vorlage in das Künstlersozialversicherungsgesetz letztlich nicht mit einbezogen ist.
Wir haben beim Künstlersozialversicherungsgesetz den Tatbestand zu vermerken, daß wir nicht nur hinsichtlich des Ziels des Gesetzentwurfs weitgehend einig sind. Es besteht vielmehr auch Einigkeit über die Kostenaufbringung. Künstler und Publizisten, Vermarkter und Verwerter sowie der Staat sollen jeweils Anteile der Kosten tragen. Es besteht auch Einigkeit, daß eine möglichst wenig bürokratische und wenig kostenaufwendige Bürokratie die bessere soziale Absicherung der Künstler und Publizisten bewirken soll. Angesichts dieser Ausgangssituation müßte auch nach unserer Auffassung eine Einigung im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und auch hier in diesem Hause erzielbar sein.
Man muß allerdings seitens der Regierung und der Koalition auch bereit sein, die Argumente der Opposition und gewichtiger Gruppen der Künstler, der Publizisten sowie der Verwerter bei den Beratungen zu berücksichtigen.
Es genügt nicht -- und damit wende ich mich, verehrter Herr Kollege Schmidt , an die FDP —, daß man auf Mittelstandstagen die Erhaltung des Prinzips der Wahlfreiheit auch für freiberuflich und selbständig Tätige proklamiert, sondern man muß den „liberalen" Worten bei Beratungen und Abstimmungen auch entsprechende Taten folgen lassen und darf nicht für kollektive Lösungen stimmen.
Ich hoffe, daß der Bezeichnung des Künstlersozialversicherungsgesetzes durch den ehrenwerten FDP-Sozialpolitiker und Kollegen Schmidt , es sei ein „einmaliger Schönheitsfehler", eine zumindest teilweise Korrektur, eine Beseitigung dieses „Schönheitsfehlers" während der Beratungen hier folgt.
Auch möchte ich die FDP auf den Widerspruch zwischen ihren ablehnenden Äußerungen zum „Maschinenbeitrag" oder zur „Maschinensteuer" und der Zustimmung zur Einführung einer solchen „Maschinensteuer" für einen Teilbereich des Sozialen Systems hier beim Künstlersozialversicherungsgesetz hinweisen.
In der sogenannten Deckungsgleichheit zwischen
Beitragsleistenden und Leistungsempfängern, die
die Künstlersozialabgabe zur „Maschinensteuer",
zur Steuer für einen gewissen Zweck schlechthin macht, sieht die CDU/CSU ein gewichtiges Argument gegen das Künstlersozialversicherungsgesetz in der vorliegenden Fassung.
Die Loslösung des sogenannten Arbeitgeberbeitrags von den individuellen Leistungen der Künstler und Publizisten halten wir für systemfremd und letztlich — wie den „Maschinenbeitrag" — für systemverändernd. Angesichts der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz, hier insbesondere zur Definition der Sonderabgabe, dürfte es sicherlich sinnvoll sein, die Künstlersozialabgabe noch einmal zu überprüfen. In der Künstlersozialabgabe, im „Maschinenbeitrag" liegt erheblicher verfassungsrechtlicher Problemstoff, der einer sauberen und umfassenden Durchleuchtung bedarf, soll nicht am Ende des Gesetzgebungsverfahrens das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wieder bemüht werden. Die Künstlersozialabgabe ist eine Steuer, eine Sonderabgabe und kein Beitrag.
Ein besonderer Zurechnungsgrund ist unseres Erachtens deshalb auch nicht gegeben.
Wir ziehen als CDU/CSU-Fraktion daraus das Fazit, die Künstlersozialabgabe könnte einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Die CDU/CSU hält an ihrer bisherigen Auffassung zum Künstlersozialversicherungsgesetz fest. Wir haben die verwaltungsaufwendige und kostenträchtige Künstlersozialkasse, aber auch die verfassungsrechtlich bedenkliche Künstlersozialabgabe mit guten Gründen abgelehnt. Nach unserer Auffassung ist weder die Künstlersozialkasse noch eine spezielle Künstlersozialabgabe erforderlich. Wir treten für eine individuelle Beitragszahlung der Künstler und ihrer Vermarkter ein und plädieren für eine systemgerechte Einbeziehung der Künstler in das Netz der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung.
Die Künstlersozialkasse ist deswegen unseres Erachtens entbehrlich.
Die spezielle Künstlersozialabgabe ist nach unserem Konzept ebenfalls entbehrlich. Durch eine Ablösung der Künstlersozialabgabe durch einen Quasi-Arbeitgeberbeitrag würde die verfassungsrechtlich bedenkliche Deckungsungleichheit zwischen Leistungsempfängern und finanzierenden Vermarktern oder Verwertern vermieden. Nach dem vorliegenden Entwurf zahlen auch solche Vermarkter und Verwerter, die mit Künstlern und Publizisten Umsätze tätigen, die nie Leistungen aus der Krankenoder Rentenversicherung erhalten. Diese Deckungsungleichheit, die eine verfassungsgerichtliche Überprüfung geradezu provoziert, kann auch nicht mit dem Argument der Solidarität der Künstler und Publizisten weggewischt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Argument aufgreifen, das Sie für den kollektiven Ansatz über eine Künstlersozialabgabe und gegen den
Zink
individuellen Ansatz mit Eingliederung der Künstler und Publizisten in das bestehende System vorgebracht haben. Sie behaupten, daß Vermarkter und Verwerter von künstlerischen und publizistischen Produkten, falls sie Sozialversicherungsbeiträge für in der Künstlersozialversicherung versicherte Künstler und Publizisten zahlen müssen, einer solchen Zahlung ausweichen. Sie behaupten, die Vermarkter würden auf Künstler ausweichen, die nicht von der Künstlersozialversicherung erfaßt werden, d. h. die anderweitig versichert sind oder im Ausland leben und für die sie keine Sozialversicherungsbeiträge, sprich: Arbeitgeberbeiträge zahlen müssen. Sie leiten aus dieser Argumentation ab, daß für alle Honorare oder Umsätze — gleich, ob für Versicherte oder Nichtversicherte — eine Künstlersozialabgabe gezahlt werden sollte. Sie argumentieren, daß, wenn man nicht die Künstlersozialabgabe wählt, sozialversicherte Künstler aus dem Markt gedrängt werden.
Zu dieser Argumentation möchte ich für die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion folgendes anmerken.
Erstens. Die Vermarkter und Verwerter haben bei der Sachverständigenanhörung, aber auch in Stellungnahmen deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie bereit sind, für ihre mit ihnen Handel tätigenden Künstler und Publizisten Sozialbeiträge zu zahlen.
Zweitens. Das Gesetz muß eine solche Beitragszahlungspflicht vorsehen, und zwar in einer klaren und eindeutigen Form, die Ausweichreaktionen nicht zuläßt.
Drittens. Man kann und sollte auch nicht eine gesetzliche Regelung einführen, die vom Mißtrauen gegenüber den Vermarktern geprägt ist.
Wir alle stimmen, wie ich glaube, darin überein, daß z. B. im Zusammenhang mit dem Arbeitsförderungsgesetz gegen die Argumentation, das Gesetz werde generell von Arbeitnehmern mißbraucht, Stellung bezogen werden muß. Auch hier muß man davon ausgehen, daß Vermarkter und Verwerter nicht generell versuchen werden, das Gesetz und die daraus resultierende Zahlungspflicht zu umgehen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß sie dem Gesetz Folge leisten werden.
Viertens Eine Ausweichreaktion der Vermarkter und Verwerter ist weit weniger möglich, als allgemein angenommen. Die Argumentation, man werden in Zukunft nur noch mit ausländischen Künstlern arbeiten, ist unseres Erachtens einfach falsch und berücksichtigt nicht die Verhältnisse auf den jeweiligen Märkten. Ein Ausweichen auf nicht versicherte Künstler oder ausländische Künstler ist in der überwiegenden Zahl der Fälle überhaupt nicht möglich.
Das Argument der Wettbewerbsneutralität, die nach Ihrer Auffassung bei unserem individuellen Ansatz der Künstlersozialversicherung nicht gegeben ist, wird in Ihrer Argumentation überbewertet, weil Sie — leider auch die FDP — im Grunde eine kollektive Lösung, eine Künstlersozialkasse und Künstlersozialabgabe und damit indirekt eine Maschinensteuer, einen Maschinenbeitrag wollen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Im Interesse der Künstler und Publizisten, der langfristigen sozialen Sicherung auch der älteren Künstler und Publizisten sollten wir hier im Deutschen Bundestag, insbesondere im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, noch einmal alle Lösungen, auch die individuelle Lösung der CDU/CSU, für dieses Problem eingehend diskutieren.
Die individuelle Lösung ist nicht nur systemgerecht, führt nicht nur zu befriedigenden Ergebnissen und vermeidet verfassungsrechtliche Überprüfungen, sondern erleichtert auch die Einbeziehung der älteren, tatsächlich bedürftigen Künstler. Die CDU/ CSU hält die individuelle Regelung für die Künstler und Publizisten für den besseren Weg, zumal viele Künstler schon Verbindung zu einer Krankenkasse und auch zur Rentenversicherung haben.
Wir sollten eine Lösung zur Verbesserung der sozialen Situation der Künstler suchen, die der Individualität, der Unabhängigkeit und der Freiheit dieser Berufe entspricht und sie in das bewährte System unserer Kranken- und Rentenversicherung integriert.
Wie eine solche Integration aussehen könnte, hat die CDU/CSU-Fraktion in der 8. Legislaturperiode durch ihre Änderungsanträge zum Künstlersozialversicherungsgesetz der Bundesregierung dargelegt.
Der Kollege Gansel von der SPD — ich habe heute gehört: er ist nicht mehr ordentliches Mitglied bei uns im Ausschuß - hat jüngst in der Fersehsendung „Report", allerdings in einem anderen Zusammenhang, dem der Montan-Mitbestimmung, darauf hingewiesen, daß kein Gesetzentwurf die Ausschußberatungen so verlassen würde, wie er dem Ausschuß zugewiesen worden sei. Im Interesse der Künstler und Publizisten, insbesondere der älteren und bedürftigen unter ihnen, wäre es wünschenswert, wenn diese Aussage auch auf das Künstlersozialversicherungsgesetz Anwendung fände und wir in einigen Monaten gemeinsam eine befriedigende Lösung verabschieden könnten.
Eine erneute Beratung, gleichsam im Hauruckverfahren, hält die CDU/CSU bei aller Dringlichkeit einer Lösung der im Gesetzentwurf enthaltenen Probleme für nicht gerechtfertigt
Im Namen der CDU/CSU muß ich allerdings auch hier klar zum Ausdruck bringen, daß, falls in den Ausschußberatungen keinerlei Änderungen, insbesondere hinsichtlich der Künstlersozialabgabe, erreicht werden können, es der CDU/CSU wohl kaum möglich sein wird, einem solchen Gesetz ihre Zustimmung zu geben. -- Schönen Dank.