Rede:
ID0900802000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 79
    1. der: 6
    2. daß: 4
    3. —: 4
    4. darin: 3
    5. die: 3
    6. Politik: 3
    7. Sie: 2
    8. bereit,: 2
    9. mir: 2
    10. zuzustimmen,: 2
    11. von: 2
    12. oder: 2
    13. Welt: 2
    14. des: 2
    15. Herr: 1
    16. Bundeskanzler,: 1
    17. sind: 1
    18. im: 1
    19. Rahmen: 1
    20. Ihrer: 1
    21. Aufzählung,: 1
    22. woher: 1
    23. geistige: 1
    24. Führung: 1
    25. eines: 1
    26. Volkes: 1
    27. kommt,: 1
    28. ich: 1
    29. spreche: 1
    30. j: 1
    31. a: 1
    32. nicht: 1
    33. nur: 1
    34. Regierung,: 1
    35. sondern: 1
    36. insgesamt: 1
    37. dabei: 1
    38. einen: 1
    39. zentralen: 1
    40. Platz: 1
    41. hat?: 1
    42. Sind: 1
    43. weiterhin: 1
    44. vielleicht: 1
    45. ein: 1
    46. Stück: 1
    47. Tragödie: 1
    48. deutschen: 1
    49. Geschichte: 1
    50. letzten: 1
    51. hundert: 1
    52. Jahre: 1
    53. nach: 1
    54. 1848: 1
    55. besteht,: 1
    56. zu: 1
    57. viele: 1
    58. in: 1
    59. unserem: 1
    60. Lande: 1
    61. glaubten: 1
    62. noch: 1
    63. glauben,: 1
    64. wie: 1
    65. man: 1
    66. sagt: 1
    67. Geistes\n: 1
    68. Dr.: 1
    69. Kohlund: 1
    70. auseinanderlaufen: 1
    71. müssen?: 1
    72. Ich: 1
    73. halte: 1
    74. das: 1
    75. für: 1
    76. eine: 1
    77. tragische: 1
    78. Verwirrung: 1
    79. Denkens.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. November 1980 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 217 B Dr. Dregger CDU/CSU 230 B Liedtke SPD 238 C Dr. Hirsch FDP 243 B Baum, Bundesminister BMI 246 B Nächste Sitzung 251 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 253*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1980 217 8. Sitzung Bonn, den 28. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 28. 11. Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens* 28. 11. Amrehn 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Dr. Dollinger 28. 11. Egert 28. 11. Dr. Faltlhauser 28. 11. Dr. von Geldern 28. 11. Dr. Häfele 28. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Hoffie 28. 11. Dr. Hornhues 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Korber 28. 11. Dr. Kreile 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Máhne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Michels 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Milz 28. 11. Müller (Bayreuth) 28. 11. Müller (Remscheid) 28. 11. Neuhaus 28. 11. Neumann (Bramsche) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Pohlmann 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Repnik 28. 11. Dr. Ritz 28. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Schmöle 28. 11. Dr. Schwarz-Schilling 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Sprung 28. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Timm 28. 11. Dr. Todenhöfer 28. 11. Dr. von Wartenberg 28. 11. Dr. Wieczorek 28. 11. Zierer 28. 11. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Gerne. Präsident Stücklen: Bitte.


Rede von Dr. Helmut Kohl
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, mir im Rahmen Ihrer Aufzählung, woher geistige Führung eines Volkes kommt, darin zuzustimmen, daß die Politik — ich spreche j a nicht nur von der Regierung, sondern insgesamt von der Politik — dabei einen zentralen Platz hat? Sind Sie weiterhin bereit, mir darin zuzustimmen, daß vielleicht ein Stück der Tragödie der deutschen Geschichte der letzten hundert Jahre oder nach 1848 darin besteht, daß zu viele in unserem Lande glaubten oder noch glauben, daß — wie man sagt — die Welt des Geistes



Dr. Kohl
und die Welt der Politik auseinanderlaufen müssen? Ich halte das für eine tragische Verwirrung des Denkens.

(Beifall bei der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ich stimme dem zu. Politik und Geist sind ganz gewiß nicht voneinander zu trennende Komponenten einer Gesellschaft. Darüber müssen wir nicht streiten. Ich streite mich über etwas anderes, Herr Kohl. Die Politik kann von den Politikern nur vor dem Hintergrund ihrer eigenen geistigen Bildung und vor dem Hintergrund dessen gemacht werden, was sie gelernt und erfaßt haben, was sie glauben zu erfassen. Ich spreche von etwas ganz anderem. Es ist übrigens auch mein Parteifreund Eppler, der mir in diesem Zusammenhang auffällt, einfällt.

    (Heiterkeit bei allen Fraktionen — Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU)

    — Das war ein echter Freud, das gebe ich zu. Ich spreche davon, daß Sie meinen, geistige Führung und Führerschaft — diese Worte wurden hier benutzt — sei eine Aufgabe der Bundesregierung.
    Ich stehe bei Ihnen nicht im Rufe der Bescheidenheit, wenn ich das richtig verstehe, Herr Kohl;

    (Heiterkeit — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

    aber so unbescheiden möchte ich nie sein — ich möchte auch keine Regierung erleben, die unbescheiden genug ist —, von der Regierungsbank aus geistige Führung über das deutsche Volk ausüben zu wollen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Möller [CDU/ CSU]: Er hat es nicht verstanden!)

    Es geht um die politische Führung. Die Bundesregierung und auch das Parlament auf ihre Weise haben den politischen Kurs zu bestimmen, und den haben sie zu verantworten.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Ohne Geist!)

    Das ist ihre Sache und so steht es im Grundgesetz.
    Das Unbehagen, das hinter Ihren Fragen zu stehen scheint, über Nüchternheit oder über Realismus, mit der in der heutigen Zeit Regierungen geführt werden müssen, hängt, glaube ich, auch ein bißchen mit den deutschen Traditionen zusammen, auf die Sie sich soeben berufen haben. Da äußert sich letzten Endes ein in Deutschland vielfach vorhanden gewesenes Gefühl, als ob Politik sich einfügen müsse, als ob sie sozusagen in ein von allen akzeptiertes sinnerfüllendes Gesamtkonzept eingebettet sein müsse. Ich glaube, daß dies historisch zwar verständlich ist — Sie haben auf Traumata von 1848/49 hingewiesen —; aber dem liegt ein von mir nicht gebilligtes Harmoniebedürfnis zugrunde.
    In der Demokratie ist Politik Konflikt und Konfliktregelung und nicht das Philosophieren über harmonische Welten. Manche verstehen das nicht. Die Demokratie hat die Aufgabe, die Interessenkonflikte, die es natürlicherweise gibt und immer wieder geben wird, die Anschauungskonflikte, die es auch
    geben wird, die Wertkonflikte, die es auch immer geben wird, mit ihren Mitteln mehr schlecht als recht — das räume ich ein —, zum Ausgleich zu führen. Das ist die Aufgabe der Demokratie, nicht aber, wie sich das Hegel oder gar Treitschke vorgestellt haben, den Staat über alles zu stellen, von ihm alles abzuleiten und von ihm alles zu erwarten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es gibt eine nicht totzukriegende Staatsfreudigkeit bei einigen, die den Staat weit überfordert und für den Staat selbst eine Gefahr darstellt. Der Staat ist nicht für die geistige Orientierung zuständig, die Organe des Staates sind nicht für die geistige Orientierung zuständig. Die Organe des Staates sollen sich nicht ausschließen oder abschließen gegen geistige Orientierung; darin stimmen wir überein.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sie brauchen eine geistige Orientierung! Das ist der Punkt!)

    — Auch darin stimme ich mit Ihnen überein, sie brauchen eine geistige Orientierung. Das ist richtig. Wir stimmen überein. Aber es ist nicht ihre Aufgabe, das, wofür sie eine Mehrheit haben, nämlich für Gesetzgebung über. Bundesausbildungsförderung oder über Grundlagenforschung, zur geistigen Orientierung des eigenen Volkes zu benutzen. Das ist nicht die Aufgabe des Staates.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Das müssen wir uns gut merken!)

    Darüber kann man lange miteinander reden. Ich halte es nicht für meine Aufgabe, Ihnen meine Orientierung vorzutragen. Ich könnte das tun. Ich finde, darüber sollte unsereins Bücher schreiben, wenn er dafür Zeit findet; aber er sollte nicht meinen, daß das zur politischen Aufgabenstellung von Parlament oder Regierung gehört.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Machen Sie orientierungslose Gesetze? — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Ihre Gesetze sind nicht ganz frei davon!)

    Ich möchte gerne auf einige Bemerkungen zur jungen Generation zurückkommen. Ich habe dazu auch in der Regierungserklärung etwas gesagt. Mir war durchaus bewußt, Herr Kohl, daß viele junge Menschen, die für die sozialliberale Koalition gestimmt haben, dies nicht mit Überschwang getan haben, sondern daß für viele von denen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die Freie Demokratische Partei eben wirklich nur kleinere Übel gegenüber CDU und CSU waren. Ich bin mir dessen durchaus bewußt. Mir scheint, es hilft nicht weiter, wenn man das nur registriert. Man muß sich damit auseinandersetzen. Auch Sie müssen sich damit auseinandersetzen, wie Sie Zustimmung und weniger Zustimmung bei Teilen der jungen Generation gefunden haben.
    Uns allen hilft es nichts, wenn wir darüber lamentieren, daß angeblich bei der jungen Generation wenig Idealismus sei. Das stimmt auch gar nicht. Ich versuche immer, diese Klischeevorstellung zu korrigieren, auch als ich Montag auf die eindrucksvollen Leistungen hinwies, die viele junge Menschen in manchen Einrichtungen vollbringen.



    Bundeskanzler Schmidt
    Ich möchte aber umgekehrt den jungen Bürgern zu bedenken geben, daß es nicht genug sein kann, die politischen Parteien mit manchen guten und manchen gerechtfertigten Argumenten zu kritisieren, sondern daß es besser sein wird, wenn man sich um die demokratischen, um die politischen Parteien mit Anregungen, auch mit Kritik und mit dem Willen kümmert, Schritt für Schritt neue Gedanken einzubringen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Manche allerdings, die sich Parteien anschließen, erwarten davon eine Karriere. Von denen halte ich nicht so viel. Appellieren möchte ich aber an jene, die mit Idealismus und hoffentlich zugleich mit Realismus die Empfindungen und die Gedanken ihrer Generation einbringen wollen in die politische Meinungsbildung, in die politische Willensbildung.
    Die Parteien brauchen Anstöße, wir Politiker brauchen Anstöße, wir brauchen auch Kritik der jüngeren Generationen. Den letzteren muß man sagen: nur selten ist eine Anstrengung im ersten Anlauf erfolgreich — selten. Da müssen auch Enttäuschungen eingesteckt werden. Da stößt man auf Widerspruch, und da muß auch mit Widerstand und zum Teil mit hartem Widerstand gerechnet werden. Wenn es den Widerstand nicht gäbe, wäre das Ganze eine ziemlich miese Veranstaltung. Es muß auch Widerstand geben, wenn jemand anderer Meinung ist, es muß auch Widerstand geben, wenn der andere sich vergaloppiert.
    Kritische Argumente von Jüngeren, die naturgemäß nicht auf Erfahrung der hier im Bundestag vertretenen, der älteren Generation basieren, aufzunehmen und sie in das eigene Denken einzubeziehen, nicht selten sogar begründen zu müssen, warum man sie nicht einbezieht oder warum man sie jetzt nicht einbezieht oder ihnen jetzt nicht folgen kann, so verständlich ein Anliegen auch sein mag, auch sich von Jüngeren attackieren zu lassen, das alles ist oft sehr unbequem, manchmal ist das ein Ärgernis.
    Trotzdem möchte ich den Jüngeren sagen: Bringen Sie Ihre Anstöße ein, bringen Sie Ihre Kritik in die Parteien ein, bringen Sie sich selbst ein; dann haben Sie eine Chance, Ihre Gedanken durchzusetzen. Dabei gilt dann allerdings für die Jungen dasselbe, was auch für uns gilt: Dazu ist Mut oder Tapferkeit notwendig, und Ausdauer ist dazu auch notwendig. — Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)