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ID0900800200

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    Vokabeln: 7
    1. Bitte,: 1
    2. Herr: 1
    3. Abgeordneter: 1
    4. Wörner,: 1
    5. zu: 1
    6. einer: 1
    7. Zwischenfrage.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. November 1980 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 217 B Dr. Dregger CDU/CSU 230 B Liedtke SPD 238 C Dr. Hirsch FDP 243 B Baum, Bundesminister BMI 246 B Nächste Sitzung 251 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 253*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1980 217 8. Sitzung Bonn, den 28. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 28. 11. Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens* 28. 11. Amrehn 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Dr. Dollinger 28. 11. Egert 28. 11. Dr. Faltlhauser 28. 11. Dr. von Geldern 28. 11. Dr. Häfele 28. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Hoffie 28. 11. Dr. Hornhues 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Korber 28. 11. Dr. Kreile 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Máhne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Michels 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Milz 28. 11. Müller (Bayreuth) 28. 11. Müller (Remscheid) 28. 11. Neuhaus 28. 11. Neumann (Bramsche) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Pohlmann 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Repnik 28. 11. Dr. Ritz 28. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Schmöle 28. 11. Dr. Schwarz-Schilling 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Sprung 28. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Timm 28. 11. Dr. Todenhöfer 28. 11. Dr. von Wartenberg 28. 11. Dr. Wieczorek 28. 11. Zierer 28. 11. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Ton etwas weicher zu stellen.

    (Heiterkeit)

    Ich bitte um Nachsicht, daß ich zu diesem frühen Zeitpunkt das Wort ergreife. Aber da ich heute vormittag den Besuch des luxemburgischen Ministerpräsidenten zu empfangen habe, werde ich heute mittag keine Gelegenheit mehr haben, gegen Ende der Debatte nochmals das Wort zu nehmen.
    Ich möchte ein paar Bemerkungen zu dem machen, was man in der Debatte von seiten der Opposition gehört hat.
    Herr Kohl hat die große Vision, die große Perspektive vermißt. Ich muß ihm sagen: Natürlich; was die Bundesregierung erklärt hat, ist eine bewußt nüchterne, wie ich denke, auch ehrliche, jedenfalls ehrlich gemeinte Bestandsaufnahme, in der die wichtigsten Aufgaben, die wichtigsten Ziele, die unmittelbar vor uns liegen, klar bezeichnet werden: die Erhaltung des Friedens, die Bewahrung der sozialen Stabilität, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Erhaltung und Schaffung einer lebenswerten Umwelt in Stadt und Land. Ich gebe zu, daß das keine Visionen sind. Aber es sind verantwortliche politische Zielsetzungen.
    Natürlich ist die Situation heute anders, Herr Kohl, als etwa im Jahr 1966, als hier eine neue Koalition begonnen wurde. Damals ging es um die Beseitigung einer, wie es damals in der Regierungserklärung geheißen hat, lange schwelenden Krise. Die Si-
    tuation ist auch anders als etwa 1969, wo nach 20jähriger CDU-Regierung ein Aufbruch stattfand.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wohin?)

    — Seitdem ist ja vieles gewaltig verbessert worden, nicht wahr.

    (Beifall bei der SPD und der FDP— Lachen bei der CDU/CSU)

    — Das muß man ja wohl mal sagen dürfen.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Bei den Arbeitslosen!)

    — Ich will darauf gern zurückkommen. Zum Umweltschutz z. B. beklagte sich Herr Kohl hier vorgestern, daß jahrzehntelang nicht genug geschehen sei. Wir haben doch erst angefangen mit dem Umweltschutz. Ihr hattet es doch vorher versäumt!

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Jenninger [CDU/ CSU]: Das klingt wie im Wahlkampf! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Was die gegenwärtig beginnende Wahlperiode angeht, ist also kein Anlaß — ich glaube, Graf Lambsdorff hat das gestern gesagt; jedenfalls entspricht es meiner Meinung —, hier „Blut, Schweiß und Tränen"-Reden zu halten. Aber einfach ist das auch nicht, was vor uns liegt; weiß Gott nicht; weder draußen — weltpolitisch, weltwirtschaftlich —, noch infolgedessen drinnen. Es wird schwierig genug.
    Nun ist mein Parteifreund Willy Brandt in seiner Rede in einem behutsamen Ton, aber j a nicht ohne Vorbehalt, Herr Abgeordneter Kohl, auf Ihr Gemeinsamkeitsangebot zurückgekommen. Und auch ich will da nichts verschütten. Aber auch ich muß mir dazu ein paar Bemerkungen erlauben dürfen, die ich mir vorbehalten hatte. Zum Beispiel haben Sie ja am Mittwoch gesagt, die jüngsten Belastungen im innerdeutschen Verhältnis hätten ihre Ursache in der sprunghaften Art und Weise, in der die Bundesregierung, der Bundeskanzler, das Gespräch mit dem SED-Chef Honecker im Vorfeld der Bundestagswahl vorbereitet und am Ende doch abgesagt hätten. Sprunghaft vorbereitet? Davon kann keine Rede sein. Das war vorbereitet seit Dezember vorigen Jahres. Da gab es zunächst eine Absage von drüben. Und wegen der Ereignisse in einem bestimmten

    Bundeskanzler Schmidt
    Teil unseres Kontinents haben späte dann wir abgesagt.
    Die Äußerung selbst nun, die Sie gemacht haben, lädt ja nun nicht gerade dazu ein, das Angebot zur Gemeinsamkeit in der Deutschlandpolitik sonderlich verlockend erscheinen zu lassen, Herr Kohl. Führende Vertreter Ihrer Fraktion sind über die sorgfältige Vorbereitung des für Ende August vorgesehen gewesenen Gesprächs wie auch über die kurzfristig eingetretenen — von uns weder zu beeinflussenden noch von uns zu vertretenden -- Gründe, die damals zur Verschiebung geführt haben, im einzelnen unterrichtet worden. Bei dem, was Sie Mittwoch früh gesagt haben, klang es mir ein bißchen so, als ob Sie damit — unbewußt — die vorgeschobenen Argumente anderer zur Hilfe genommen hätten; das dient aber der Sache nicht.
    Wie soll aber eigentlich ein Angebot zur Gemeinsamkeit verstanden werden, wenn Sie, wie Sie es am Mittwoch im Zusammenhang mit der Deutschlandpolitik getan haben, die sozialliberale Koalition oder vielleicht nur Teile von ihr gleichzeitig vor Verbrüderung warnen, sogar von „peinlichen Brüderküssen unter Genossen" reden und dann dem Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten zurufen, er sei weit, weit von unserem Volke entfernt?

    (Dr. Stercken [CDU/CSU]: Das ist er auch!)

    Das, was man mit „Gemeinsamkeit" wirklich meint, wie weit sie reichen soll oder wo sie anfangen soll, muß man dann auch bei sich selber, Herr Kohl, noch einmal prüfen. Vielleicht muß man prüfen, wo sie anfangen soll. Ich fühlte mich bei dem letzten Wort „weit, weit von unserem Volke entfernt" sehr an die weitgestreuten Thesen dieser Broschüre von der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag — Herr Zimmermann sitzt ja auf seinem Platz; er hat sie herausgegeben und verantwortet — erinnert. Sosehr ich das nun, ohne irgend etwas verschütten zu wollen, ernst nehmen will, was Sie meinen oder wie ich glaube, daß Sie es meinen, so sehr muß ich denn doch darauf hinweisen, daß solche Thesen, wie sie hier in großer Zahl zu finden sind — die Thesen lauten beispielsweise, die Deutschlandpolitik der Sozialdemokratie entspräche dem sowjetischen Konzept; ein Kapitel ist überschrieben: „Bahrs Kapitulation in Moskau", ein anderes Kapitel ist überschrieben: „Der deutsch-polnische Vertrag dient sowjetischen Interessen", ein weiteres Kapitel ist überschrieben: „Herbert Wehner — Sachwalter der Interessen Moskaus"; es gibt noch viele andere solcher Überschriften —,

    (Frau Schlei [SPD]: Sudeleien!)

    daß diese Thesen nicht gerade zur Gemeinsamkeit beitragen. Auf den übrigen Inhalt dieser Broschüre will ich gar nicht weiter eingehen — das verdient sie auch nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Aber Sie müssen sich überlegen, wie das mit der Gemeinsamkeit gemeint sein soll. Die Regierung oder
    die Regierungsparteien, so will ich besser sagen,
    können sich dann überlegen, wie sie darauf eingehen wollen. Dies hier ist noch nicht vom Tisch!
    Nun will ich gleich etwas hinzufügen — der Präsident möge mir verzeihen, daß ich indirekt auf ihn eingehe —: Ich weiß, daß es natürlich auch auf Ihrer Seite Beschwernisse gibt.

    (Dr. George [CDU/CSU]: „Friedensfähigkeit" usw.!)- Ich nehme den Zuruf auf: Friedensfähigkeit. Auf eines lege ich hier Wert: Ich habe, insbesondere damals, als in diesem Haus eine Kontroverse jene Äußerung hervorgebracht hat, allen Kollegen der Oppositionsfraktion, Herr Kollege, den Friedenswillen viele Male und immer ausdrücklich attestiert. Das ist die erste Hälfte.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich drück' mich ja nicht. — Das ist die erste Hälfte. Ich bitte, das säuberlich zu trennen. Den Friedenswillen habe ich Ihnen viele Male attestiert. Was die zweite Hälfte meines damals im Bundestag gesprochenen Satzes angeht: Die zweite Hälfte künftig wegzulassen, fiele mir sehr viel leichter, wenn die bemerkenswerten Stellen für die ganze Opposition wirklich gelten sollen, die Herr Kohl vorgestern hier gesprochen hat.
    Ich will diese bemerkenswerten Sätze noch einmal in Erinnerung rufen. Herr Kohl hat gesagt:
    Der Moskauer Vertrag, der Warschauer Vertrag, der Grundlagenvertrag mit der DDR, der Brief zur Deutschen Einheit, die Urteile des Bundesverfassungsgerichts, der UNO-Beitritt und die Schlußakte von Helsinki sind nicht nur geltendes Recht, an das wir uns halten.
    Dann fährt er fort:
    Sie sind wesentliche Komponenten der deutschen Außenpolitik, die völker- und verfassungsrechtlich richtig ausgelegt, aber auch politisch intensiv im Interesse unseres Volkes und des Friedens genutzt werden müssen.

    (Demonstrativer Beifall bei der CDU/ CSU)

    — Schönen Dank für den Beifall; ich zitiere das ja auch zustimmend. Wir sind uns j a darüber einig, daß das wirklich etwas ist, dem man zustimmen kann, weil es nämlich über den stereotypen Spruch „pacta sunt servanda" weit, weit hinausgeht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Es ist eine Übersetzung von „pacta sunt servanda"!)

    Früher hatten wir gehört — ich zitiere wieder —: „Die Politik der Entspannung ist ohne Wenn und Aber gescheitert." Eine „Wende der deutschen Außenpolitik" wurde verlangt. Jetzt — im Gegensatz zu früher oder im Gegensatz zu anderen, die auch in dieser Debatte gesprochen haben — scheint sich hier eine Abwendung von früheren Urteilen anzubahnen. Ich kann das nur begrüßen. Sie werden sehen, daß es immer auch im Guten, nicht nur im Bösen, aus dem Wald genauso herausschallt, wie man hineinruft.



    Bundeskanzler Schmidt
    Ein Teil Ihrer Fraktion, Herr Kohl, hat so, wie Sie hier am Mittwoch sprachen, auch früher schon gedacht und hat sich sogar bei Abstimmungen über jene Verträge, die Sie nennen, anders verhalten als die Mehrheit. Wenn es sich jetzt aber um die Darlegung der heutigen Position Ihrer Partei und Ihrer Fraktion handelt, so könnten sich in der Tat Ansatzpunkte für Zusammenarbeit ergeben.
    Allerdings muß ich doch auch gleich Wein und Wasser sorgfältig voneinander unterscheiden. Sie selbst haben Wasser in Ihren Wein gegossen. Sie haben gesagt:
    Es bleibt für uns unannehmbar, daß auf unfreundliche Maßnahmen anderer Staaten
    — damit war die DDR gemeint —
    oder Organisationen gegen die Bundesrepublik Deutschland keine Reaktionen der Bundesregierung erfolgen.
    Ich vermute, daß damit der Satz gemeint war, den Herr Genscher später wiederholt und paraphrasiert hat, daß wir nämlich Abgrenzungspolitik nicht mit Abgrenzungspolitik unsererseits beantworten wollen. An diesem Prinzip, Abgrenzungspolitik der anderen Seite im Interesse der Deutschen auf beiden Seiten mit der stetigen, immer wiederholten Bereitschaft zur Zusammenarbeit beantworten zu wollen und zu müssen, muß die Bundesregierung festhalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kohl, anders, als Sie gesagt haben, ist das Fest-
    halten daran nicht eine Politik der - ich zitiere Sie
    — „Hilflosigkeit", sondern eine Politik der moralischen Festigkeit und Beharrlichkeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zur Gemeinsamkeit, von der Sie reden, gehört dann aber auch, daß die Opposition im Interesse der von uns allen für entscheidend wichtig erkannten deutsch-amerikanischen Partnerschaft darauf verzichtet und das richtet sich nun an einzelne, nicht an alle Kollegen der Oppositionsfraktion —, die eigene Bundesregierung in der Hauptstadt der westlichen Führungsmacht als unzuverlässig anzuschwärzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Ich weiß, wovon ich rede.


    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Roß und Reiter!)

    — Das können Sie hören, Herr Wörner. Es muß nicht jetzt sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?)

    — Dann will ich das gern erklären.
    Manchmal ist um parteipolitischer Feldvorteile willen die Legende verbreitet worden — zuletzt am Mittwoch von Herrn Wörner hier im Plenum —, die Bundesrepublik entferne sich unter sozialliberaler Führung von den Vereinigten Staaten von Amerika.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

    In Wahrheit haben wir von dem sicheren Funda-
    ment nicht nur des Vertrages, der uns verbindet, sondern der Freundschaft mit dem amerikanischen
    Volk deutsche und europäische Interessen ausgesprochen und haben sie, mit wechselndem Erfolg, in ein gemeinsames westliches Konzept einzubringen versucht; und zwar als ein Partner, der oft genug die Bedeutung der Führungsrolle der Vereinigten Staaten betont, zugleich aber den Wunsch äußert, daß die eigenen Anregungen und Vorschläge im Interesse einer gemeinsamen westlichen Strategie der Krisenbewältigung gehört und beachtet werden.
    Wenn Herr Wörner am Mittwoch oder Donnerstag davon redet, die Bundesregierung stelle so etwas her
    — ich benutze einen Begriff aus einem anderen Raum, aber Sie haben ihn dem Inhalt nach gemeint
    — wie Äquidistanz, gleichen Abstand zur Sowjetunion und zu den Vereinigten Staaten von Amerika, dann, Herr Abgeordneter Kohl, wird Ihr Angebot zur Gemeinsamkeit dadurch keineswegs schmackhaft.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist wahrscheinlich eines der gegenwärtigen Ziele der sowjetischen Außenpolitik, die Bundesrepublik oder ganz Westeuropa in eine Position gleichen Abstands von der Sowjetunion und von den Vereinigten Staaten zu bringen. Der Bundesregierung braucht, Herr Wörner, niemand zu sagen, daß wir nicht in gleicher Distanz zu den USA und zu den Sowjets leben können und leben wollen. Es gibt auch in den Handlungen und in den Erklärungen der Bundesregierung keinerlei Anhaltspunkte für solche Polemik.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Ich habe Ihr eigenes Interview zitiert!)

    — Ich rede hier, um Klarstellungen zu erlangen. Herr Wörner, hier ist heute morgen noch Zeit für solche Klarstellungen. Ich möchte nämlich gern wissen, ob Gemeinsamkeit eine Gemütsbewegung oder eine Politik ist.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Herr Bundeskanzler, es ist sogar möglich, daß beides übereinstimmt, Gemütsbewegung und Politik! — Heiterkeit und Beifall bei der CDU/ CSU)

    — Herr Abgeordneter Kohl, bei Ihnen halte ich das für möglich.

    (Heiterkeit — Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut! Herr Bundeskanzler, ich hoffe, da unterscheiden wir uns nicht! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wie ist das bei Ihnen?)

    — Außenpolitik ist vornehmlich eine Angelegenheit der Ratio, Herr Kohl, hoffe ich; aber ich nehme an, dies war soeben von beiden Seiten eher freundlich und nicht ernst gemeint.
    In der Erklärung, die die Regierung hier am Montag abgegegen hat, gab es keinen Anhaltspunkt für irgendeinen Zweifel daran, daß die Atlantische Allianz eine der unverzichtbaren Grundlagen unserer Außenpolitik ist. Wir haben das unter drei Aspekten klar gesagt. Es gibt kein Gleichgewicht zwischen Ost und West ohne die Vereinigten Staaten. Wir können uns sicher fühlen, habe ich gesagt, weil die Atlantische Allianz das Gleichgewicht wahrt, zu dem wir



    Bundeskanzler Schmidt
    .) unser volles politisches und militärisches Gewicht in die Waagschale des Westens gelegt haben. Zweitens habe ich von der Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten gesprochen, die unseren gemeinsamen lebenswichtigen Interessen entspricht. „Gemeinsam" heißt hier: gemeinsam zwischen den USA und uns. Drittens habe ich auch von den gemeinsamen Wertvorstellungen gesprochen, auf denen unsere Partnerschaft beruht. Dies habe ich alles nicht zum erstenmal, sondern schon viele Male, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika selbst, gesagt.
    Während des Wahlkampfes — das war im August
    — habe ich wie viele Male an anderer Stelle auch, wie im Februar oder im Frühjahr dieses Jahres, immer wieder den gleichen Gedanken vorgetragen, nämlich daß diese beiden Staaten, Bundesrepublik Deutschland und Amerika, auch in den 80er Jahren aufeinander angewiesen bleiben. Deutschland ist einer der wichtigsten Verbündeten Amerikas, und für uns ist Amerika der wichtigste Verbündete. Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Zünglein an der Waage, sondern sie ist Bestandteil, sie ist wichtiger, nicht wegdenkbarer Bestandteil des westlichen Bündnisses; sie ist Teil einer Partei.
    Wir haben das nicht nur mit Worten beschworen, Herr Wörner. Wir haben allerdings nicht wie andere
    — Sie haben nach Roß und Reiter gefragt — in Kalifornien angeboten, uns hier zum alleinigen Flugzeugmutterschiff für Raketen zu machen. Das haben wir nicht angeboten!

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben vielmehr verlangt, daß wir hier in einer gleichen Position sind und bleiben — und daß das anerkannt werde! — wie andere nichtnukleare Partner des Atlantischen Bündnisses auch.
    Wir hätten nicht geholfen? Wenn Sie sich noch erinnern, wie viele Staaten markante Erklärungen anläßlich Afghanistans abgegeben haben, woran sie alles nicht teilnehmen wollten und was sie dann später alles gemacht haben. Schließlich blieben zwei Staaten Europas übrig, nämlich die Norweger und die Deutschen. Das wäre ja wohl ohne die Bundesregierung so nicht gegangen, Herr Wörner.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Und auch ohne uns nicht!)

    — Sie haben mitgeholfen, ich will das anerkennen.
    Wäre es denn zu dem Doppelbeschluß, von dem hier in diesen Tagen mehrfach die Rede war, gekommen ohne die Deutschen, Herr Wörner? Ich könnte Ihnen viele Gelegenheiten aufzählen.
    Ich glaube, Sie müssen zwei Dinge unterscheiden. Wenn Sie in diesem Hause oder in Deutschland gegen die Regierung polemisieren, so ist das nicht nur Ihr Recht, sondern das ist auch notwendig. Die Regierung muß herausgefordert werden. Eine andere Sache ist es, wie Sie deutsche Interessen vor dem Ausland vertreten, Herr Wörner. Das müssen Sie klar voneinander unterscheiden.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Bitte, Herr Abgeordneter Wörner, zu einer Zwischenfrage.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Würden Sie mir zustimmen, daß die Erinnerung an ein von Ihnen dem Bündnis gegenüber gegebenes Versprechen und die Tatsache, daß Sie dieses Versprechen nicht einzuhalten in der Lage sind, sehr wohl Politik und nicht nur Polemik ist?

    (Beifall bei der CDU/CSU)