Rede:
ID0900605700

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    Plenarprotokoll 9/6 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Italien 45 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Berger (Berlin) und Ronneburger 45 B Erweiterung der Tagesordnung 45 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl CDU/CSU 45 B Brandt SPD 57 C Hoppe FDP 68 C Dr. Zimmermann CDU/CSU 75 C Genscher, Bundesminister AA 83 B Bahr SPD 91 D Dr. Wörner CDU/CSU 97 C Dr. Ehmke SPD 105D Möllemann FDP 108 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 114C Dr. Holtz SPD 120 B Pieroth CDU/CSU 122 D Dr. Vohrer FDP 124C Präsident Stücklen 91 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 9/10 — 75A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 9/11 — 75 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 9/16 — 75B Nächste Sitzung 126 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 127* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 45 6. Sitzung Bonn, den 26. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Dr. Vohrer * 26. 11. Frau Dr. Wisniewski 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will auf die Rede des Kollegen Wörner nicht im einzelnen eingehen. Wir haben diese Rede in den letzten zwei Legislaturperioden schon des öfteren gehört

    (Lachen bei der SPD) und sie beantwortet.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auf zwei Punkte eingehen, die auch der Herr Kollege Kohl angeschnitten hat, nämlich auf das Thema Gemeinsamkeit und das Thema Jugend.
    Es hat uns natürlich nicht gewundert, daß Herr Kollege Zimmermann für die CSU hier eine sehr an-



    Dr. Ehmke
    dere Theorie von Gemeinsamkeit als der Kollege Kohl vertreten hat. Wir haben ja schon vorher aus Ihrem Mund etwas gehört, was man in dem Satz zusammenfassen kann: Und Strauß hat doch gesiegt. Das wird Ihnen draußen keiner glauben.
    Jetzt hören wir aber auch aus den Reihen der CDU eine Rede, wie sie genauso auch vor dem 5. Oktober hätte gehalten worden sein können.
    Dies ist nicht unser Problem. Das Problem der Union ist doch: Sehen Sie mal Ihr Jungwählerergebnis an!

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Wie ist denn Ihr Jugendwählerergebnis? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Es sind doch nicht wir, die die Mehrheitsfähigkeit bei den Jungen verlieren, sondern wenn jemand nachzudenken hat, sind es doch Sie.

    (Zurufe von der CDU/CSU) Wir überlassen das Ihnen.


    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir wären nur froh, Herr Kollege Kohl, wenn wir über das Thema „Gemeinsamkeit in der Außenpolitik" trotz dieser beiden Reden weitersprechen könnten. Ich bin nicht der Meinung, daß wir einen neuen Grundansatz brauchen. Aber ich bin der Meinung: Wir werden vor sehr neuen Problemen stehen, bei denen es diesem Land sehr guttun würde, wenn wir uns einiger wären, als wir uns offensichtlich bis jetzt sind.
    Wenn ich jetzt zur Frage Jugend und Ideale" komme, möchte ich auf das eingehen, was Herr Kollege Wörner zum Gelöbnis und zur Bundeswehr gesagt hat. Das war ja beispielhaft für Ihre Behandlung der Jugend, muß ich sagen. Denn so kann man das doch nicht machen, das man sagt: Da sind ja 60 Prozent für das Gelöbnis oder für den Zapfenstreich, und nun sollen also bitte auch alle anderen stramm dafür sein! Was soll eine solche Jugenddiskussion? — Das erinnert mich an Kollegen in der Universität, die, als die Studentenunruhen anfingen, zu sagen pflegten: Die Universität ist schon was Schönes, wenn es nur keine Studenten gäbe.
    Wir müssen uns darüber klar sein, und das müssen doch auch Sie, Herr Wörner, ernst nehmen: Nicht nur in der Bundesrepublik — gucken Sie zu Ihren Parteifreunden in Holland und zu unseren Parteifreunden in Holland — haben wir heute gerade aus beiden Kirchen — sehen Sie sich bitte mal die Stellungnahmen der theologischen Fakultäten und der Studentengemeinden in dieser Frage an — so etwas wie eine pazifistische Grundbewegung. Die wird stärker, als die grüne Bewegung war; das sage ich Ihnen voraus. Dies wird eine der ganz schwierigen Auseinandersetzungen der 80er Jahre sein.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wer befördert die denn, Herr Ehmke? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Es ist interessant, daß Sie immer dann, wenn es
    Kritik gibt — selbst wenn sie von den Kirchen
    kommt —, meinen, es müsse irgend jemand dahinterstecken; vermutlich der Breschnew, nehme ich an.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der Ehmke! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Man muß das, was dort kommt, ernst nehmen, weil es hinsichtlich beider Fragen ernstzunehmende Argumente gibt.
    Herr Kollege Wörner hat soeben gesagt, er stimme mit Willy Brandt darin überein, daß Waffen uns nicht sicherer, sondern ärmer machen. Darum gibt es bei den jungen Leuten einen solchen moralischen Ausgangspunkt, bis weit hinein in die Pfarrerschaft. Also, ich kenne diese Diskussion: Da kommt oft der moralische Kurzschluß: Wenn man die Abrüstung nicht beidseitig machen kann — das ist zu kompliziert —, dann ist es am besten, wir machen es allein. Das ist doch ein großes Problem für uns alle, da müssen wir uns doch der Diskussion stellen.
    Hans Apel und der Bundesregierung möchte ich hier ganz herzlich dafür danken, daß sie angekündigt haben, Fragen des Gelöbnisses und der Traditionspflege zur Diskussion zu stellen. Herr Wörner, das ist kein Zurückweichen, für das Sie meinen Freund Hans Apel kritisieren dürften, sondern das ist etwas, was wir der Demokratie und der Bundeswehr schuldig sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Hupka [CDU/CSU]: Sie waren beim Gelöbnis nicht dabei! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen auch gleich sagen, warum: Es gibt Leute — da ist kein Zweifel, die sehen wir bei diesen Gelegenheiten —, die sind gegen diesen Staat. Es gibt Leute, die sind nicht gegen diesen Staat, aber die sind aus pazifistischen oder aus anderen Gründen gegen die Bundeswehr; mit denen haben auch wir nichts gemein. Dann gibt's Leute, die sind generell gegen das Gelöbnis; davon gibt es eine ganze Menge. Und dann gibt es Leute wie mich: Ich bin zwar nicht gegen das Gelöbnis, aber gegen diese Form. Im übrigen, Herr Wörner, ist diese Diskussion um die Abschaffung des Gelöbnisses ja nicht plötzlich, seit Bremen entstanden. Schon im Weißbuch 1970 stand, daß das abgeschafft werden sollte. Ich habe mir in den letzten Wochen einmal die Protokolle der Tagungen der Militärseelsorger durchgelesen. Schon in den 60er Jahren war es von der theologischen Seite her ein ganz großes Problem, ob man dieses Gelöbnis so durchführen sollte und ob man — —

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Schade, daß der Herr Leber hinter Ihnen sitzt, sonst hätte ich den mal gefragt, was er davon hält!)

    — Herr Leber wird Ihnen sagen, daß er da — genauso wie ich — seine Meinung hat und er wird genauso wie ich sagen, daß dann, wenn es in einem Volk verschiedene Meinungen darüber gibt, diese ausdiskutiert werden müssen und nicht durch den



    Dr. Ehmke
    Appell für eine „stramme" Jugend überdeckt werden können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich sage zunächst einmal, was ich für gefährlich halte — darum begrüße ich so, was Hans Apel gemacht hat —: Sie haben kein Interesse daran, wir haben kein Interesse daran, die Freien Demokraten haben kein Interesse daran, die, die Gegner unseres Staates sind, und die, die Gegner unserer Bundeswehr sind, mit den kritischen Demokraten — so hieß übrigens unsere Veranstaltung — in einen Topf zu werfen, die „für eine demokratische Bundeswehr" sind.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Nur in den Kasernen, das war doch der Tenor!)

    Darum müssen wir über Formen diskutieren, die vordemokratisch sind und an denen meines Erachtens — daraus mache ich keinen Hehl — viel zu diskutieren ist. Übrigens, Herr Zimmermann, Sie haben Herrn Piecyk nicht richtig zitiert. Das, was die Jungsozialisten gesagt haben, liegt j a gedruckt vor. Die haben gesagt: In der DDR gibt es den Stechschritt und andere Relikte des preußischen Militarismus; das wollen wir bei uns nicht.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Das will ja doch keiner!)

    Also, zitieren Sie bitte korrekt.
    Diese Dikussion muß geführt werden. Was hätten wir denn davon, wenn auch nur in einer kleinen Minderheit — aber so klein ist die gar nicht — der Vorwurf, wir würden unseren Verteidigungsanstrengungen ein pseudoreligiöses Gepräge geben, etwas wäre, was die Diskussion über Rüstung, Abrüstung und Nachrüstungsbeschluß emotionell für uns in eine Situation bringt, daß man sie gar nicht mehr durchstehen kann? Sie haben gesagt: Da marschieren Jusos zusammen mit der DKP. Auch das ist nicht wahr.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Aber natürlich!)

    — Augenblick, ich komme genau darauf. Nur die Ruhe, lassen Sie mich einmal ausreden! — Warum dieser Angriff? Es ist gar keine Frage — wir haben uns auf der Sitzung des Parteivorstandes auch sehr kritisch dazu geäußert —: Die Jungsozialisten haben in Bremen schwere Fehler gemacht, sie haben ihre Demonstration von den Chaoten mißbrauchen lassen. In Hamburg ist das dann fast noch einmal geschehen. Es ist nämlich sehr schwer, sich gegen 500 oder 1 000 Leute, die organisiert sind, in einem nur lose organisierten Zug durchzusetzen. Aber wir haben daraus gelernt. In Bonn hat dies nicht stattgefunden, Herr Wörner. In Bonn haben sich die durchgesetzt, und zwar bei den Studentengemeinden, bei den Jungsozialisten, bei den Jungdemokraten — wenn ich für die Kollegen von der liberalen Seite mit sprechen darf —, die gesagt haben: An dem Abend ist keiner von uns an irgendeiner Demonstration beteiligt, die wieder mißbraucht werden kann. Ich frage jetzt nicht — darüber wird jetzt auch auf der Hardthöhe nachgedacht —, ob es klug war, das in Bonn in der Form zu machen. Das ist eine andere Frage.
    Wir haben denjenigen, die kritisch sind, gesagt: Geht nicht auf die Straße, bringt euch nicht wieder in die Situation, daß ihr von Chaoten mißbraucht werdet. Wir machen eine demokratische Diskussion; denn Diskussion ist die richtige Form, sich mit solchen schwierigen Fragen auseinanderzusetzen.
    Sie tun so, als ob das ein wilder Haufen gewesen wäre. Da hat Herr Baudissin, dem die Bundeswehr viel verdankt, mitdiskutiert, da haben aktive Offiziere der Bundeswehr mitdiskutiert, und aus dem Plenum — —

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Auch Herr Hansen und Herr Piecyk!)

    — Auch Herr Hansen. Sie haben doch wohl nichts dagegen. Der ist sogar Reserveoffizier der Bundeswehr, was Sie begrüßen sollten. Da haben Bundeswehrangehörige, Wehrpflichtige aus dem Plenum mitdiskutiert — in einer völlig sachlichen Diskussion. Da waren auch Chaoten. Aber nachdem die ihr Ei gelegt hatten und bei uns nicht ankamen, zogen sie dann aus dem Saal hinaus — unter dem Lachen der übrigen.
    Ich sage Ihnen: Wir werden noch viele, viele solcher Diskussionen führen müssen. Und wir werden noch viel bitterere und härtere in den vor uns liegenden Jahren über die Frage der Verteidigung und der Rüstungskontrolle führen müssen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU])

    Kein strammer Appell, daß die Jugend doch bitte sauber, ordentlich und für die Bundeswehr sein solle, Herr Wörner, wird uns die Schwierigkeit dieser Diskussion abnehmen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wenn man meint — wie Kollege Kohl es heute zur Jugend gesagt hat —, daß die Politik auch schuld hat an der Entfremdung von Jugend und Politik — nicht die Politik allein —, dann muß man auf die Jugend eingehen, auch wenn es sich um Minderheiten handelt, auch dann, wenn man anderer Meinung ist als sie.
    Wir haben darin Erfahrung. Hätten wir es damals so gemacht, wie Sie es jetzt vorschlagen, hätten wir die APO nie von der Straße zurück zu demokratischer Reformarbeit gebracht. Die Anstrengung muß man auf sich nehmen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])

    — Also, Herr Kollege Hupka, Sie werden doch zugeben — das ist kein Vorwurf an Sie —: Wir waren nach dieser Seite näher dran. Es ist doch klar, daß wir für die Integration nach dieser Seite gewissermaßen zuständig sind. Aber Sie wollen doch wohl die Leistung der deutschen Sozialdemokratie in der Auseinandersetzung mit der außerparlamentarischen Opposition nicht bestreiten. Oder Sie haben damals nicht gelebt — kann ich nur sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns nicht die Gegner dieses Staates mit kritischen Demokraten in



    Dr. Ehmke
    einen Topf werfen, die unbequeme, aber notwendige Fragen stellen.
    Darum zum Schluß noch einmal, im Gegensatz zu der Kritik an Herrn Apel: Meinen herzlichen Dank an den Verteidigungsminister, an die Regierung, daß sie sich klar für die Bundeswehr ausgesprochen haben, auch betont haben, daß sie sich nicht verkriechen darf. Das ist auch meine Meinung. Das wäre ganz undemokratisch. Demokraten müssen die Offentlichkeit der Bundeswehr fordern. Aber über das, was dort jetzt zur Diskussion steht, müssen wir in Ruhe diskutieren, ohne das Kommando „Stramm gestanden!" und ohne die Diskriminierung von Leuten, die anderer Meinung sind als wir, deren Meinung aber auch ernstgenommen werden will.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines der zentralen Themen, eine der zentralen Fragestellungen dieser Diskussion ist, ob, auf welchem Wege und in welchem Umfang die Opposition bereit sein wird, ihrer angedeuteten Bereitschaft zu mehr Kooperation im Bereich der Außenpolitik auch praktische Taten folgen zu lassen. Ich glaube, es ist insoweit eine bemerkenswerte Diskussion, als hier deutlich geworden ist, daß ein Willensbildungsprozeß im Gange, aber eben noch nicht abgeschlossen ist; denn in den zentralen Punkten der Bewertung der politischen Fragen, die wir diskutieren, unterschied sich das, was der Kollege Dr. Kohl vorgetragen hat, doch beachtlich von dem, was Herr Dr. Zimmermann dargestellt hat, und das unterschied sich wiederum deutlich von dem, was der Kollege Wörner gesagt hat.
    Sie haben gesagt, Sie wollten sich den konstruktiven Elementen unserer Außen- und Ostpolitik annähern. Sie haben jetzt auch einige dieser Elemente benannt — das ist in der Tat ein Fortschritt in Richtung auf mehr Gemeinsamkeit.
    Sie haben dann aber von den offenbar auch existenten destruktiven, negativen — wie auch immer —, für Sie nicht akzeptablen Elementen nicht gesprochen, sondern — um mit einer Ihrer Parolen zu erwidern — Sie sagten, die Probleme von morgen könne man nicht mit den Lösungsmodellen von gestern bewältigen. Sie haben für die Probleme von morgen ihre Parolen von gestern, die kritischen Parolen von gestern vorgetragen. Ich glaube, daß dieser Dialog von Ihnen schon noch konstruktiver gestaltet werden muß, wenn Sie es ernst meinen. Es gab j a keinen erkennbaren Dissens in den Zielen, die Sie genannt haben, und auch nicht in den Voraussetzungen. Sie müssen es j a nicht Godesberg nennen; Sie müssen auch nicht sagen, daß Sie voll unsere Politik übernehmen; aber Sie müssen schon klarmachen, wo für Sie die unakzeptablen Positionen liegen. Das haben Sie nicht getan.
    Die sicherheitspolitischen Debatten der vergangenen Zeit haben sich immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob denn die Formel, daß Entspannung und
    Verteidigung gleichermaßen notwendige Prämissen für eine erfolgreiche Sicherheitspolitik seien, angesichts der Rückschläge, die wir in der letzten Zeit für einige Elemente der Entspannungspolitik zu verzeichnen hatten, ihren Wert behalten habe. Wir sind der Auffassung, daß diese Formel weiterhin begründet ist. Wir gründen unsere Politik auf diese Formel und können daher auch nicht umhin, die Notwendigkeit dieser Politik immer wieder zu begründen. Natürlich — dies haben wir einzuräumen — waren Afghanistan und die jüngsten Maßnahmen der DDR erhebliche Rückschläge für unsere Entspannungsbemühungen. Deshalb haben wir sie verurteilt. Der Außenminister Hans-Dietrich Genscher hat dies zuletzt auch sehr deutlich beim KSZE-Nachfolgetreffen in Madrid getan. Keiner kann sagen, daß dies nicht deutlich genug geschehen sei.
    Diese Probleme können uns aber nicht zur Resignation verleiten. Wir hatten nämlich stets eine realistische Auffassung von Entspannungspolitik und haben diese auch der Öffentlichkeit deutlich zu machen versucht. Wir haben immer betont, daß der Prozeß der Entspannungspolitik stets auch von Rückschlägen, j a sogar von schweren Rückschlägen begleitet sein wird, weil diese Politik zwischen Mächten mit verschiedenen ideologischen Positionen und machtpolitischen Zielsetzungen erfolgt und weil Entspannungspolitik diese Gegensätzlichkeiten eben auch nicht beseitigen kann. Für uns ist und bleibt Entspannungspolitik vielmehr der langfristig angelegte Versuch, die Gefahren zu zügeln, die aus diesen Gegensätzlichkeiten entstehen, also Krisen und Konflikte zu vermeiden, sie womöglich schon an den Orten ihres Entstehens durch Dialog, Konfliktregelung und Krisenmanagement, Interessenausgleich und Kooperation abzubauen. Dieses Verständnis von Entspannungspolitik werden wir auch in Zukunft haben; es wird auch in Zukunft unsere Außen- und Sicherheitspolitik prägen. Uns Deutschen muß am Gelingen dieser Politik auch besonders gelegen sein.
    Herr Dr. Wörner, Sie haben vorhin gefragt, ob wir uns eigentlich darüber im klaren seien, was unsere Politik zu bestimmen hätte — im Bündnis, in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ich denke, es sind zuallererst unsere eigenen nationalen Interessen, die wir in dieses Bündnis einbringen, die unsere Politik bestimmen. Wir versuchen, diese eigenen Interessen im Bündnis gemeinsam wahrzunehmen. Wir müssen ein Interesse am Gelingen dieser Politik haben, und zwar wegen der exponierten politischen und geographischen Lage unseres Landes, wegen der Teilung unseres Landes, wegen der Zukunft Berlins und wegen der großen Zahl Deutscher und deutscher Volksangehöriger in Osteuropa. Diese Notwendigkeiten haben sich nicht geändert, und deshalb hat sich auch nichts an unserem festen Willen geändert, die Entspannungspolitik fortzusetzen.
    Darum begrüßen wir es, daß der Bundesaußenminister erklärt hat, daß wir gegen die derzeitigen Abgrenzungsversuche des Ostens unseren festen Willen zur Kooperation setzen werden. Darum halten wir es für richtig, wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung feststellt:



    Möllemann
    Wir werden die Politik der Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn im Interesse der friedlichen Entwicklung in Europa und der Zukunft des ganzen deutschen Volkes fortsetzen.
    Wir begrüßen es auch, daß der Bundeskanzler den Willen der Regierung erklärt hat, den Rahmen der Verträge und Absprachen nicht nur auszufüllen, sondern auch weiterzuentwickeln. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir würden dies auch gerne einmal von der Union hören.
    Die von mir genannten Notwendigkeiten der Entspannungspolitik sind von der Opposition bisher nicht erkannt worden,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist doch dummes Zeug!)

    oder die Opposition hat nicht die Kraft gefunden, ihre Erkenntnisse in die Tat umzusetzen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wenn Sie das sagen, sind Sie bewußt blind! Sie halten sich die Ohren zu!)

    Wie anders hätten Sie sonst versuchen können zu verhindern, daß die Verträge von Moskau und Warschau Wirklichkeit wurden, daß wir den Vereinten Nationen beitraten,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

    daß der Atomwaffensperrvertrag in Kraft trat und daß wir der KSZE-Schlußakte beitraten. Dies alles taten Sie, weil Sie stets nur Gefahren gewittert haben, für Chancen und Notwendigkeiten dieser Politik offenbar blind waren.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie lernen nichts, Herr Kollege, nichts!)

    Auch Pessimismus kann zu einer unrealistischen Politik führen, die an den Gegebenheiten und Notwendigkeiten nicht weniger als eine auf Illusion bauende Politik vorbeigeht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Altes Geschwätz von gestern!)

    Wir wünschen uns also, daß die Opposition in ihrer Gesamtheit — Ansätze gab es heute — die Notwendigkeiten der Entspannung sieht und konstruktive Beiträge leistet und nicht nur Kritik vorträgt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das lohnt nicht mehr!)

    Wir wünschen uns aber auch, daß überall eine Beurteilung von Entspannungspolitik Platz greift, die auch die Grenzen dieser Politik sieht. Wir sind für eine Entspannungspolitik ohne Panik bei Rückschlägen, ohne Pessimismus, aber eben auch ohne Illusionen. Wir sind für Augenmaß, Besonnenheit und Festigkeit, auch und gerade in diesem Bereich.
    Dauerhafte Entspannungspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird nur dann möglich sein, wenn in Ost und West ausreichende innere Stabilität herrscht. Die Gefährdung der inneren Stabilität ist in den kommunistischen Staaten des Ostblocks aber systemimmanent, wie sie es überall ist, wo die Menschenrechte ganz oder teilweise vorenthalten werden. Der Verweigerung der Freiheit in den Ostblockstaaten steht ein zunehmendes Verlangen nach Freiheit, aber auch nach besserem Lebensstandard gegenüber. Die Gefahr der inneren Destabilisierung wächst deshalb. Die Aufgabe unserer Position, vor allem des Eintretens für die Menschenrechte, ist aber unvertretbar. Aber gerade wenn wir in diesem Spannungsverhältnis den Menschen helfen und schwere Gefährdungen der Entspannungspolitik vermeiden wollen, dürfen wir unsere Forderungen nicht überziehen. Ich denke, daß darauf, Herr Kollege Wörner, die Zwischenfrage meines Kollegen Corterier im Blick auf die von Ihnen angemeldeten Konditionen für die Hilfen gegenüber Polen zielten. Gerade dann muß auf allen Seiten ein hohes Maß an Disziplin gewahrt werden, muß die innere Stabilität auch der anderen Seite gestützt werden, muß dies im Dialog nicht nur mit dem jeweils betroffenen Land, z. B. derzeit Polen, sondern auch im Dialog mit den Führungen auch der anderen Länder geschehen. Dieser Dialog muß deutlich machen, daß es dabei um die Stabilität und Sicherheit aller am Entspannungsprozeß Beteiligten geht.
    Realismus führt natürlich zu der Erkenntnis, daß die Sowjetunion ein anderes Verständnis von Entspannung als der Westen hat. Für sie ist Entspannungspolitik der friedlichen Koexistenz gleichzusetzen..Friedliche Koexistenz aber bedeutet für die Führung der Sowjetunion die weltweite Durchsetzung des Kommunismus. Darüber hinaus verfolgt die Sowjetunion auch die traditionellen russischen außenpolitischen Ziele. Dabei ist sie dort, wo es notwendig erscheint, durchaus bereit, Waffen anzuwenden. Darauf verzichten wird sie in diesen Fällen nur dort, wo ihr das Risiko inakzeptabel erscheint. Afghanistan ist nur ein folgenschweres Beispiel für diese Politik.
    Eine Fortsetzung sowjetischer Interventionspolitik, in welchem Teil der Welt auch immer, bedeutet eine substantielle Gefährdung der Entspannungspolitik und des Friedens. Entspannung und Frieden sind unteilbar. Die Sowjets selbst haben mehrere entsprechende Erklärungen unterschrieben. Die Feststellung und Forderung, daß Frieden und Entspannungspolitik unteilbar sein müssen, ist die Konsequenz der weltweiten wechselseitigen Abhängigkeiten. Sie ist zugleich ein Appell an die Vernunft und das Verantwortungsbewußtsein der sowjetischen Führung. Die Sowjetunion wird diese Forderung aber um so eher erfüllen, je mehr sie damit rechnen muß, daß man ihr entschlossen und fähig zur Eindämmung weiterer Expansionsabenteuer gegenübertritt. Das bedeutet nicht zuletzt, daß vor allem in Krisengebieten dieser Welt Destabilitäten beseitigt werden müssen, wie dies auch infolge deutscher Außenpolitik durch die EG-ASEAN-StaatenKooperation geschieht, wie dies bei der Zusammenarbeit zwischen Mittlerem Osten und EG geschehen soll. Das bedeutet auch genügende militärische und politische Präsenz des Westens in für ihn vital wichtigen Regionen. Diese Präsenz bringt für die Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Verpflichtungen in Mitteleuropa mit sich. Nur die Fähigkeit, der



    Möllemann
    Sowjetunion mit Festigkeit gegenüberzutreten, nur außenpolitische Stabilität ermöglichen die Fortführung einer stabilen Entspannungspolitik, die nicht eine Politik der Einbahnstraße, sondern eine Politik beiderseitigen Vorteils und beiderseitiger Sicherheit ist. Nur innere Stabilität in Ost und West ermöglicht dauerhafte Entspannungspolitik. Zur Stabilität der Beziehungen zwischen den Staaten und zur inneren Stabilität des Ostblocks werden wir weiterhin aus Verantwortung für den Frieden mit Engagement und Selbstdisziplin beitragen.
    Zentrales Element der Entspannungspolitik ist und bleibt das ständige Bemühen um politisches und militärisches Gleichgewicht. Herr Kollege Dr. Wörner, Sie haben den Bundesaußenminister falsch zitiert und sollten dies korrigieren, als Sie behaupteten, er habe festgestellt, wir hätten bereits in allen Bereichen ein militärisches Gleichgewicht. Im Gegenteil, wir haben immer wieder — Bundesregierung und auch die FDP-Fraktion —, darauf hingewiesen, daß wir alle Anstrengungen unternehmen, um dieses Gleichgewicht zu schaffen.
    Das bedeutet, erfolgreiche Entspannungspolitik ist nur im Rahmen von Bündnis und EG möglich, und sie wird auf Dauer nur dann wirksam sein, wenn es im Bündnis gelingt, zu einer von allen akzeptierten, gemeinsam getragenen Lagebeurteilung und Strategie zu gelangen. Diese Strategie muß arbeitsteilig sein. Sie muß unter dem Dach gemeinsamer Interessenverwirklichung die besonderen Fähigkeiten und Möglichkeiten, Erfahrungen, aber auch die Verschiedenartigkeit der spezifischen Situationen und Interessen aller Partner berücksichtigen.
    Das verlangt, daß die USA die geographische Lage und sicherheitspolitische Situation Europas und dessen spezifische Interessen an der Fortsetzung der wirtschaftlichen Kooperation mit dem Osten und an den humanitären Fragen im Ost-West-Verhältnis ebenso sehen, wie sie auch im Interesse ihrer eigenen Sicherheit auf die besonderen Erfahrungen und Möglichkeiten Westeuropas, Brücken zu den Staaten Osteuropas zu schlagen, zurückgreifen sollten. Es bedeutet auch, daß sich in der US-Öffentlichkeit die Einsicht weiter durchsetzt, daß auch Amerika in Europa verteidigt wird und nur mit Europa verteidigt werden kann. Es verlangt von Westeuropa, daß es dabei seine Fähigkeiten nicht überschätzt, daß es einsieht, daß es im Ost-West-Verhältnis nicht Neutraler, sondern nur Partei sein kann, daß es bereit ist, ausreichend zur Verteidigung beizutragen, und daß es fähig ist, eine eigenständige Konzeption im Rahmen der atlantischen Partnerschaft zu entwickeln.
    Das verlangt von beiden einen ständigen vertrauensvollen Prozeß des Dialogs und der Konsultationen. Ich glaube, es erweckt Hoffnungen, daß der zukünftige amerikanische Präsident verbesserte Konsultationen bereits zu einem seiner Ziele erklärt hat. Auch er geht offenbar davon aus, daß die NATO als ein Bündnis demokratischer Staaten nicht so geführt werden kann wie der Warschauer Pakt, sondern daß sich bei uns Meinungsbildung dadurch vollzieht, daß wir unsere Interessen in einen partnerschaftlichen Dialog einbringen und unsere Entscheidungen treffen.
    Ich sprach vom Gleichgewicht als unabdingbarer Voraussetzung für eine wirksame Entspannungspolitik. Wo immer möglich, streben wir an, daß dieses Gleichgewicht auf ein möglichst niedriges Niveau der Rüstungen reduziert wird. Der Bundesaußenminister hat unsere volle Unterstützung, wenn er trotz der zweifelsohne nicht sehr hoffnungsvollen Lage nach wie vor mit allen Kräften auf das Ziel hinarbeitet, daß dieses Jahrzehnt ein Jahrzehnt der Rüstungskontrolle, wenn schon nicht der Abrüstung werden wird.
    In diesem Zusammenhang haben wir mit großer Genugtuung gehört, daß die neue amerikanische Regierung offenbar entschlossen ist, den SALT-Prozeß fortzusetzen. Wir halten es für einen Erfolg der Festigkeit vor allem auch des Bundesaußenministers, daß im Oktober die Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion über Abrüstung im Bereich nuklearer Mittelstreckenraketen begonnen haben. Wir begrüßen es auch, daß die Sowjetunion offensichtlich an einer Fortsetzung des MBFR-Prozesses, der Gespräche in Wien über eine wechselseitige und ausgewogene Reduzierung von Truppen und Rüstungen, interessiert ist. Wir begrüßen vor allem, daß die Bundesregierung diesem Umstand Rechnung tragen und neue Initiativen einbringen will.
    Sosehr wir dieses Bemühen unterstützen, so sehr teilen wir allerdings auch die Auffassung der Bundesregierung, daß ein Zwischenabkommen nicht um den Preis der Minderung oder gar der Aufgabe der Prinzipien von Kollektivität und Parität auf der Grundlage gesicherter Daten erkauft werden kann. Wir treten da mit der Bundesregierung dafür ein, daß bei der Madrider Folgekonferenz die von Frankreich vorgeschlagene europäische Abrüstungskonferenz eingesetzt wird, die in ihrer ersten Phase vertrauensbildende Maßnahmen für ganz Europa beschließen soll. Das würde allen Völkern in Europa die Furcht vor Überraschungsangriffen nehmen, würde wirkliches Vertrauen aufbauen und den Boden für erfolgreiche, die beiderseitige Sicherheit berücksichtigende Abrüstungsverhandlungen geben.

    (Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)

    Noch einmal: obwohl die Zeichen nicht nur hoffnungerweckend sind, sind wir entschlossen, alle nur denkbaren Anstrengungen zu unternehmen, um zu erreichen, daß das kommende Jahrzehnt ein Jahrzehnt der Rüstungskontrolle wird.

    (Beifall des Abg. Horn [SPD])

    Wenn man die Zahl, die vor einigen Wochen veröffentlicht wurde, hört, und daran denkt, daß im laufenden Jahr 900 Milliarden DM weltweit für die Rüstung ausgegeben werden und daß im gleichen Jahr allein 15 Millionen Kinder auf der Welt verhungern, dann gibt es keinen dringenderen Appell als den, diese Ressourcen für die notwendigen Aufgaben freizusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dort, wo die Rüstungskontrollangebote nicht oder noch nicht erfolgreich waren, müssen wir das



    Möllemann
    Gleichgewicht durch entsprechende militärische Anstrengungen wahren oder dort, wo es nicht gegeben ist, herstellen. Hierzu ist nicht mehr, aber auch nicht weniger nötig, als die 1978 und 1979 in Washington und Brüssel gefaßten Beschlüsse zur Aufrechterhaltung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses auch durchzuführen. Das bedeutet vor allem die Modernisierung und Stärkung des eurostrategischen Potentials bei gleichzeitigem Bemühen um beidseitige Begrenzung dieser Waffen. Der Bundeskanzler hat auf die Gleichwertigkeit dieser beiden Komponenten hingewiesen. Das heißt weiter, daß die Verwirklichung des NATO-Langzeitprogramms vorangetrieben werden muß und daß auch die Absichtserklärung verfolgt und realisiert werden muß, den Verteidigungshaushalt jährlich um etwa 3 % real zu steigern. Es ist zweckmäßig, daß der Herr Bundeskanzler hier verdeutlicht hat, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Bündnisverpflichtungen erfüllen wird.
    Sicher ist die Festlegung auf 3% realer Steigerung problematisch. Nicht „wieviel?" ist die wesentliche Frage, sondern: „wieviel wofür?" So kann natürlich eine Wehrpflichtigenarmee wie die Bundeswehr erheblich mehr in Kampfkrafterhaltung bzw. -steigerung investieren, als dies bei einer Freiwilligenarmee möglich ist, die zu zu großen Aufwendungen für Personalkosten gezwungen ist. Bei der Bundeswehr liegen die kampfkraftbezogenen Investitionen bei einem Drittel des Verteidigungshaushalts.
    Als weitere stellt sich die Frage, wie hoch der eigentlich erst am Jahresende festzustellende Deflator angesetzt werden muß. Dennoch: trotz realer Steigerung der Mittel für Ausrüstung und Ausbildung müssen wir uns anstrengen, daß gesetzte Ziel zu erreichen. Wir benötigen eine echte Steigerung schon allein, um die bestellten Waffensysteme bezahlen zu können, Waffensysteme, die Kostensteigerungsraten von 132 % beim „Tornado" oder von 37 bei der „Fregatte" aufweisen. Wir müssen uns klar werden: über die durch die Bundeswehr entstehenden Kosten hinaus kommen weitere Belastungen auf uns zu, Belastungen, die uns vor allem aus der sicherheitspolitischen Entwicklung außerhalb des Vertragsbereiches erwachsen und die hier in Mitteleuropa zusätzliche Pflichten bringen können.
    Die Weigerung, unsere gegebene Absichtserklärung zu erfüllen, würde auch außenpolitisch unerfreuliche Konsequenzen gehabt haben. Sie hätte den Beginn der Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung wesentlich erschwert, möglicherweise sogar die Gefahr amerikanischer Truppenverminderungen in der Bundesrepublik heraufbeschworen. Und sie hätte uns die Möglichkeit genommen, positiv auf die Bündnispartner einzuwirken, auf diejenigen unter ihnen, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Schließlich hätte es auch unsere Möglichkeit gemindert, auf beide Großmächte glaubwürdig und erfolgreich im Sinne einer wirksamen Fortführung der Rüstungskontrolle einzuwirken.
    Lassen Sie mich gerade zu diesem Aspekt noch einen Satz sagen. Die Nichtverwirklichung einer hinreichenden Steigerungsrate würde nicht zur Erhaltung des Gleichgewichts beitragen. Sie würde damit
    auch unsere Fähigkeit zu einer wirksameren Entspannungspolitik als Voraussetzung dafür schwächen.
    Wer die Entspannungspolitik fördern und ihr nicht schaden will, muß bereit sein, das für unsere Verteidigung unbedingt Notwendige zu leisten. Dies alles kann kein Grund dafür sein, angesichts der Gegebenheiten und erklärten Absichten mit dem Finger auf die Bundesregierung zu zeigen, schon gar nicht seitens der Opposition.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Womit denn sonst?)

    — Eine interessante Frage.
    Die Bundesrepublik Deutschland hat nach Auffassung der Freien Demokraten im vergangenen Jahrzehnt unter der politischen Verantwortung der sozialliberalen Koalition einen Verteidigungsbeitrag geleistet, der den wirtschaftlichen Möglichkeiten unseres Landes entsprach und der gleichzeitig die Streitkräfte dazu befähigte, im Rahmen des NATO-
    Bündnisses zu einer glaubhaften Abschreckung beizutragen, ohne die Finanzierbarkeit anderer wichtiger Staatsaufgaben zu vernachlässigen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie waren auch schon besser!)

    Auch in den Zeiten langsameren wirtschaftlichen Wachstums sind die Verteidigungsausgaben jährlich weiter gestiegen. Noch stärker sind in diesem Zeitraum die nach NATO-Regeln berechneten Verteidigungsausgaben der Bundesrepublik Deutschland, die nicht nur den Verteidigungshaushalt, sondern auch alle anderen verteidigungsrelevanten Militärausgaben umfassen, von Jahr zu Jahr angestiegen.
    Meine Damen und Herren, wir Liberalen sind überdies der Auffassung, daß die militärischen und zivilen Verteidigungsanstrengungen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Gesamtverteidigung, ihre Schwerpunkte sowie die Notwendigkeiten und Möglichkeiten unseres Staates im NATO-
    Bündnis unter den veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen sowie unter den veränderten wirtschaftlichen und technologischen Verhältnissen der 80er und der 90er Jahre umfassend analysiert und neue realistische Optionen erarbeitet werden müssen. In diese Prüfung ist auch und vor allem die Frage einzubeziehen, welche neue Arbeitsteilung im Bündnis notwendig und sachgerecht ist. Es ist zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Forderungen unseres wichtigsten Verbündeten, der USA, auf verstärkte Unterstützung der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten US-Soldaten und vor allem der zusätzlichen Verstärkungskräfte in Krisenzeiten durch die deutsche Gastgebèrnation erfüllt werden können.
    Die Struktur unserer Streitkräfte muß den genannten neuen Entwicklungen erneut angepaßt und entsprechend fortentwickelt werden. Wegen der hohen Personalkosten müssen Ausbildung und Verwendung der Soldaten künftig in einem kostenwirksameren Verhältnis zueinander stehen. Um dies zu erreichen, sollte eine neue Form der Verfügungsbe-



    Möllemann
    reitschaft die unverzügliche Herstellung der vollen Präsenz der Streitkräfte im Frieden ermöglichen und sollte das Prinzip der Kaderung in allen Teilstreitkräften — vornehmlich beim Heer — noch stärker genutzt werden. Auf einzelne bisherige Aufgaben der Bundeswehr muß unter Umständen verzichtet werden. Andere Aufgaben, z. B. im Bereich des Sanitätsdienstes, aber auch militärische Ausbildungskomponenten könnten vielleicht im Rahmen des zivilen Bereichs wirtschaftlicher erfüllt werden.
    Wir sind der Auffassung, daß die vor uns liegenden Jahre einschneidende Eingriffe in viele bisher gewohnte Vorgänge erfordern und daß hierzu auch eine kritische und unvoreingenommene Überprüfung der Aufgaben und Aufträge der Bundeswehr gehört. Die verantwortlichen militärischen Vorgesetzten sind verpflichtet, den ihnen erteilten Auftrag nach besten Kräften zu erfüllen. Es kann deshalb wohl von ihnen allein nicht erwartet werden, daß sie bei geänderten Bedingungen hinsichtlich der demographischen Entwicklung, der Technologie sowie der finanziellen und politischen Konditionen von sich aus ihnen erteilte Aufträge streichen oder abändern und andere als militärisch optimale Lösungen suchen. Konsequenterweise enden deshalb auch alle militärischen Zustandsberichte oder Bestandsaufnahmen mit dem Ergebnis, wie viele zusätzliche Mittel zu einer sachgerechten Auftragserfüllung benötigt werden.
    Wir Freien Demokraten haben deshalb vorgeschlagen, daß auf Grund der Erfahrungen mit der früheren — vom jetzigen Bundeskanzler eingesetzten — unabhängigen Wehrstrukturkommission für die Überprüfung der derzeitigen Struktur der Bundeswehr und ihrer Strategie und Ausrüstung in den 80er und den 90er Jahren eine Kommission unabhängiger Wissenschaftler, weisungsunabhängiger militärischer Experten und der Verteidigungspolitiker aller demokratischen Parteien von der Bundesregierung berufen werden sollte, um Vorschläge und Empfehlungen zu erarbeiten. Grundlage für die Arbeit dieser Kommission sollten kritische Bestandsaufnahmen in allen Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie sie der Bundesminister der Verteidigung für Teilgebiete seines Aufgabenbereichs bereits eingeleitet hat, sein.
    Ich habe allerdings erhebliche Vorbehalte gegen das, was ich davon bisher höre. Da wird der Parameter der Finanzplanung des Bundes an das Beschaffungsprogramm gehalten, und es wird mit dem Rotstift dort gestrichen, wo der jeweilige Bedarfsträger am wenigsten Widerstand leistet: zwei Fregatten weniger bei der Marine, weniger Flugzeuge neuen Typs bei der Luftwaffe und langsamerer Zulauf des Leopard II beim Heer. Ich glaube, dieses buchhalterische Vorgehen kann der vor uns stehenden Aufgabe, mit den verfügbaren Mitteln das Höchstmaß an Effektivität der Bundeswehr zu erreichen, nicht gerecht werden. Es kann nicht richtig sein, daß der Rotstift eine sachgerechte Gesamtplanung ersetzt. Wenn wir weniger Geld zur Verfügung haben, als sich jetzt für die Finanzierung der bisherigen Bundeswehrplanung als notwendig erweist, dann darf nicht jeder Teilstreitkraft in einem unzulässigen Kontingentdenken ein bißchen weggenommen werden, sondern die Gesamtplanung muß neu aufgestellt werden. Dabei muß man auch bereit sein, Planungsentscheidungen, die einmal durchaus richtig gewesen sein mögen, über Bord zu werfen, wenn sie unserer heutigen Lage nicht mehr gerecht werden. Es darf natürlich nicht jede Teilstreitkraft für sich planen. Nein, auch bei der Bundeswehr muß mit der zentralen Planungskompetenz Ernst gemacht werden. Sie kann nur beim Generalinspekteur liegen, dessen Stellung in diesem Bereich — wie wir schon des öfteren gesagt haben — auch überdacht werden sollte.
    Ich kann diese neue Planung, die ich für unbedingt erforderlich halte, damit wir nicht in eine mit überholten Entscheidungen gepflasterte Sackgasse geraten, nicht vorwegnehmen. Ich bin aber davon überzeugt, daß gute Ergebnisse nur erzielt werden können, wenn die Bundeswehr bereit ist, über viele Probleme nachzudenken, die sie seit Jahren nicht mehr oder kaum noch angerührt hat. Ich nenne nur wenige Beispiele, wie die Definition des Präsenzbegriffs der Streitkräfte, die Kaderung von Verbänden oder die Unterhaltung eigener Hochschulen oder Krankenhäuser.
    Auch wenn wir eine zentrale Kompetenz für die Planung der Bundeswehr erreichen, bleiben mir Zweifel, ob die vor der Bundeswehr stehenden planerischen Bestandsaufnahmen zu optimalen Ergebnissen führen werden, wenn die Bundeswehr sie allein bewältigen soll. Es muß vermieden werden, daß Betriebsblindheit mögliche unkonventionelle Lösungen übersehen läßt.
    Hat die Bundeswehr schon Strukturen anderer Armeen ernsthaft und eingehend daraufhin untersucht, ob sich daraus für sie Folgerungen ziehen lassen? Sollten nicht die Planungserfahrungen anderer Organisationen — auch aus dem Bereich der Industrie — zur Unterstützung herangezogen werden? Selbstverständlich ist eine Beratung der Kommission durch die verantwortlichen aktiven Soldaten unverzichtbar, insbesondere auch das Aufzeigen von Konsequenzen bei Eingriffen in die gewachsenen Strukturen.
    Alles dies sind nach unserer Auffassung Möglichkeiten, den finanziellen Bedarf der Streitkräfte auch zukünftig in einem gesamtwirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten. Dies ist insbesondere auch deshalb erforderlich, weil nach Auffassung der Liberalen nunmehr neben dem militärischen Potential auch das bisher aus finanziellen Gründen zurückgestellte Programm der Zivilverteidigung stärker berücksichtigt werden muß.
    Lassen Sie mich kurz zu einem anderen Punkt kommen. Seit Jahren werden Institute und Wissenschaftler bei der Friedens- und Konfliktforschung finanziell unterstützt. Wir haben aber den Eindruck, daß die Ergebnisse dieser Forschung bisher bei der Planung im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht hinreichend verwertet worden sind. Dies liegt nicht immer nur an den Studien, die vielleicht teilweise von nicht zutreffenden Prämissen ausgehen.



    Möllemann
    Wir halten es deshalb für dringend geboten, diese Studien verstärkt zu fördern, aber darüber hinaus auch ihre Ergebnisse auszuwerten und im Dialog mit den Instituten und Forschern unter Vorgabe neuer oder geänderter Prämissen für die Bewältigung von Krisen nutzbare Erkenntnisse zu gewinnen. Dieser Dialog muß sowohl bei der Regierung als auch beim Parlament bei den Ausschüssen institutionalisiert werden. Es geht nicht an, daß wir Millionenbeträge für die Friedens- und Konfliktforschung quasi als Alibi ausgeben, die Ergebnisse aber nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Eine Reihe von Problemen, die im verteidigungspolitischen Bereich hier nicht angesprochen worden sind, die aber die Soldaten in den Streitkräften ganz sicher sehr nachhaltig interessieren, möchte ich ganz kurz ansprechen. Die Motivation unserer wehrpflichtigen Soldaten muß verbessert werden. Ich begrüße es in diesem Zusammenhang ausdrücklich, daß der Bundeskanzler die Erhöhung des Wehrsoldes für die Wehrpflichtigen angekündigt hat. Das Problem wird aber mit Wehrsold allein nicht zu lösen sein. Der Wehrbeauftragte hat darauf hingewiesen — das ist eine Feststellung, die man nicht einfach so hinnehmen kann —, daß ein erheblicher Teil unserer Soldaten in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht ist. Deswegen müssen wir uns hier um eine Abhilfe kümmern.
    Natürlich — ich glaube, das ist noch entscheidender — müssen die Wehrpflichtigen und die übrigen Soldaten das Gefühl vermittelt bekommen, daß ihr Dienst Friedensdienst ist, daß der Dienst in den Streitkräften nicht im Gegensatz zur Entspannungspolitik steht, sondern die Prämissen für den Erfolg der Entspannungspolitik tatsächlich erst schafft.
    Die Erweiterung der Rechte des Vertrauensmannes, wie sie vom Verteidigungsminister angekündigt worden ist, wird von uns ausdrücklich begrüßt. Wir bleiben aber bei unserer Forderung, auch die Mitwirkung des einzelnen Soldaten auszuweiten. Beispiel sollten hier die zu Anfang der 70er Jahre in drei Bataillonen der Bundeswehr erfolgreich durchgeführten Mitwirkungsmodelle sein. Da haben immerhin drei Bataillone ganz konkrete Mitwirkungsmodelle praktiziert. Dort ist der Auftrag nicht zusammengebrochen. Die Bundeswehr ist nicht zusammengebrochen. Es geht. Man kann Soldaten mehr Mitwirkungsmöglichkeiten geben. Wir müssen es nur tun. Ich bitte den Verteidigungsminister, zu prüfen, ob diese erfolgreichen Modelle von Sigmaringen und Böblingen ausgeweitet werden können.
    Die vom Verwendungs- und Beförderungsstau Betroffenen müssen allmählich erfahren, wie ihre berufliche Zukunft aussieht. Niemand verlangt, daß ihnen für die nächste Zukunft eine schnelle Beförderung versprochen wird. Wir können dieses Problem auf Grund der Knappheit der Mittel so nicht bewältigen. Aber die Soldaten dürfen nicht länger im unklaren über ihre künftige Laufbahn gelassen werden. Die Probleme der Dienstzeitbelastung, des Abbaus des Verwendungsstaus, der Beseitigung von Nachteilen bei Versetzungen müssen vorrangig durch organisatorische Maßnahmen entschärft und gelöst werden. Der soziale Standard von zivilen Bürgern und Soldaten muß der gleiche sein.
    Meine Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung zu dem Thema Traditionspflege und Gelöbnisse. Wir begrüßen es sehr nachdrücklich, daß der Verteidigungsminister einen Dialog zwischen den Soldaten und der Politik, aber auch zwischen dem Ministerium und dem Ausschuß angekündigt hat. Wir würden es auf Grund unseres Verständnisses von Innerer Führung für gut halten, wenn im Verteidigungsausschuß ein öffentliches Anhörverfahren stattfinden könnte, bei dem die Soldaten einmal selber ihre Auffassung darlegen könnten, wie sie, die Betroffenen, sich die Gestaltung von Gelöbnisfeiern vorstellen können. Die Form des Gelöbnisses muß in der Tat etwas sein, was völlig vorurteilsfrei diskutiert werden kann. Wir wissen von Soldaten und Politikern aller Couleur, daß die heute gegebene Form nicht von allen als das Nonplusultra angesehen wird. Wenn die Einheitsführer sagen, daß sie für den Großen Zapfenstreich im Bremer Weserstadion allein vier Wochen den normalen Ausbildungs- und Übungsbetrieb haben lahmlegen müssen, dann kann das j a nicht das letzthin Vernünftige sein.
    Was aber nicht in Frage kommt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Verdrängen der Bundeswehr aus der Öffentlichkeit, weil angeblich ihr öffentliches Auftreten Säbelrasseln sei, das im Gegensatz zu unserer Entspannungsbereitschaft stehe.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn das so wäre, müßte j a die Bundeswehr selber sehr schnell in Frage gestellt werden. Sie erfüllt einen von uns hier gemeinsam übertragenen Auftrag: Friedenssicherung. Sie hat das Recht, in der Offentlichkeit nicht nur geduldet zu werden, sondern Rükkendeckung zu bekommen. Ich frage mich in der Tat, wo eigentlich in dieser schönen Stadt Bonn beim öffentlichen Gelöbnis all die vielen Beamten und öffentlich Bediensteten gewesen sind, die hier bei zahllosen Ministerien und Dienststellen Dienst tun und die es offenbar nicht für nötig erachtet haben, zu diesem Gelöbnis zu kommen und zu dokumentieren, daß man mit den jungen Wehrpflichtigen solidarisch ist. Ich meine, hier hätten die Ressortchefs gegenüber den Angehörigen der Ministerien auch einige Überzeugungsarbeit zu leisten.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Streitkräfte müssen, weil es sonst in der Tat eine Identitätskrise bei den Soldaten gibt, wissen, daß wir ihren Auftrag nicht in Zweifel ziehen, auch nicht ihr Recht, öffentlich tätig zu werden. Sie geben dieses Gelöbnis ja nicht für sich selbst ab, sondern für die Gemeinschaft, die sie verteidigen. Ich meine, daß deswegen der Verteidigungsminister recht hat, wenn er sagt:
    Es gibt eine Diskussion über die Formen des Gelöbnisses, über die Formen der Traditionspflege, aber es kann nicht sein, daß wir dem Diktat einer kleinen Minderheit folgen, die sich in Wahr-



    Möllemann
    heit gegen diesen Staat und seine Institutionen richtet.
    Das können wir auch nicht im Ansatz akzeptieren.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der CDU/ CSU: Man merkt's!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend darf ich Ihnen vielleicht ein Zitat vortragen, das wir am Abschluß der Beratungen des Untersuchungsausschusses über die Vorfälle anläßlich des Bremer Gelöbnisses gemeinsam fixiert haben. Ich glaube, daß es tatsächlich eine schwierige Aufgabe ist, Überzeugungsarbeit zu leisten. Man muß positiv zu diesem Konzept stehen. wenn man sie leisten will. Es heißt hier:
    Parteien, Verbände und Kirchen sollten die Notwendigkeit von Landesverteidigung und Bundeswehr stärker verdeutlichen und sich an eritsprechenden Veranstaltungen beteiligen. Information und Diskussion in diesem Sinne sollten sie in ihrem Verantwortungsbereich fördern. Dabei kommt einerseits dem Dialog auch mit kritischen Teilen der Bevölkerung, vor allem mit der jungen Generation, besondere Bedeutung zu.
    Herr Kollege Wörner, das haben Sie mit unterschrieben. Insofern muß dieser Dialog ja wohl auch möglich sein, j a, er ist sogar notwendig.
    Andererseits gehört hierzu die notwendige Abgrenzung gegen Kräfte mit undemokratischen Intentionen, um der Gefahr mißverständlicher Aktionseinheiten mit derartigen Gruppierungen begegnen zu können. Dies gilt auch für die Durchführung von Demonstrationen.
    Und schließlich heißt es:
    Im Schul- und Bildungsbereich müssen verstärkte Anstrengungen unternommen werden, die Jugend intensiver an Fragen der Landesverteidigung und der Wehrpflicht heranzuführen.
    Wir haben im Verteidigungsausschuß mit den Vertretern der Kultusministerkonferenz eine Anhörung durchgeführt. Bei aller Kritik, die notwendig ist, müssen wir nach diesem Anhörungsverfahren feststellen, daß immerhin in neun von elf Bundesländern die Curricula unmittelbar vor der Einführung in den schulischen Bereich stehen. Das heißt: Die Länder sind fähig, wenn sie auch willens sind, nunmehr diesen Mangel zu beseitigen.
    Ich glaube, Herr Kollege Dr. Wörner, wir alle haben keinen Grund, bei diesem Thema auf irgendeinen anderen zu zeigen, denn Widerstand in Form von öffentlichen Demonstrationen gegen die Gelöbnisse hat es in München ebenso wie in Bremen, in Kamen wie auch hier in Bonn — bei unterschiedlichen Regierungen; daran allein liegt es nicht — gegeben. Den Mangel im Schulunterricht gibt es in einer ganzen Reihe von Ländern, die CDU-Kultusminister haben, auch. Dieses Thema haben wir alle bisher nicht hinreichend ernstgenommen, und ich glaube, es ist sinnvoller, die Mängel gemeinsam abzustellen, als hier dem jeweils anderen die Schuld für das bisher noch nicht groß Bewältigte in die Schuhe zu schieben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)