Rede:
ID0900605500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. das: 1
    4. Wort: 1
    5. dem: 1
    6. Herrn: 1
    7. Abgeordneten: 1
    8. Dr.: 1
    9. Ehmke.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/6 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Italien 45 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Berger (Berlin) und Ronneburger 45 B Erweiterung der Tagesordnung 45 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl CDU/CSU 45 B Brandt SPD 57 C Hoppe FDP 68 C Dr. Zimmermann CDU/CSU 75 C Genscher, Bundesminister AA 83 B Bahr SPD 91 D Dr. Wörner CDU/CSU 97 C Dr. Ehmke SPD 105D Möllemann FDP 108 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 114C Dr. Holtz SPD 120 B Pieroth CDU/CSU 122 D Dr. Vohrer FDP 124C Präsident Stücklen 91 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 9/10 — 75A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 9/11 — 75 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 9/16 — 75B Nächste Sitzung 126 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 127* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 45 6. Sitzung Bonn, den 26. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Dr. Vohrer * 26. 11. Frau Dr. Wisniewski 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Wir müssen uns an diesen Lasten beteiligen, d. h., wir müssen zusammen mit den anderen Europäern die Amerikaner dafür in Europa entlasten, und zwar nicht nur verbal, weil die Amerikaner von verbalen Zustimmungen und Zusicherungen genug gehört haben. Sie wollen jetzt sehen, daß die Europäer ebenfalls an den Lasten dieser veränderten Welt mittragen.
    Nun komme ich zur Verteidigung. Herr Genscher hat vor kurzem erklärt — er hat das ja hier in ähnlicher Weise wiederholt —, daß es Politik der Entspannung überhaupt nur auf der Grundlage eines gesicherten Gleichgewichts der Kräfte geben könne. In einem Interview haben Sie dann gesagt:
    Auch diese Politik
    — nämlich die Politik der Rüstungskontrolle und Abrüstung —
    setzt den Willen und die Entschlossenheit voraus, das für die eigene Sicherheit Erforderliche zu tun.
    Aber gerade das ist das Feld, wo wir Ihre Worte und Ihre Taten eben nicht in Übereinstimmung sehen.
    Erstens gibt es dieses Gleichgewicht nicht. Das verschweigen Sie dauernd. In der NATO unterschreiben Sie permanent Resolutionen, wonach das Ungleichgewicht gefährlich zunehme. Ich habe vor mir eine solche Resolution vom Juli 1980. Darin heißt es:
    Die Minister stellen mit Sorge fest, daß trotz der Erklärung des Warschauer Pakts, keine militärische Überlegenheit anstreben zu wollen, keinerlei Anzeichen für ein Nachlassen der erheblichen Verbesserungen in der Qualität, im Bereitschaftsstand, in der Stärke der sowjetischen und anderen Warschauer-Pakt-Streitkräfte festzustellen ist, wodurch
    — jetzt hören Sie gut zu —
    das derzeitige militärische Ungleichgewicht insbesondere in Europa sich noch weiter zu verschärfen droht.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Aber hier reden Sie dauernd vom Gleichgewicht. Obwohl Sie wissen, daß es nicht gegeben ist, verschärfen Sie es durch Ihre Politik dauernd weiter; denn Sie geben der Bundeswehr nicht mehr, was die Bundeswehr, was unsere Verteidigung braucht, um auch nur unsere Kampfkraft aufrechtzuerhalten. Das ist die pure, die reine Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die 3 % realer Steigerung, über die — wie ich meine, mit Recht — geredet wird, sind doch keine Phantasiezahl; sie sind schon gar kein „dummes Zeug", wie Herr Wischnewski glaubt. Im übrigen: das „dumme Zeug" hätte der Herr Apel ausgehandelt. Es



    Dr. Wörner
    war doch der Herr Bundeskanzler, der in London die Zusage gegeben hat; er hat es doch wiederholt und auch international bekräftigt. Es muß Sie doch merkwürdig berühren, das nun als „dummes Zeug" charakterisiert zu haben. Da merken die Amerikaner doch, was in Wirklichkeit dahintersteckt. Die Amerikaner wissen doch auch, daß Sie im Wahlkampf wieder und wieder davon geredet haben, wie reich die Deutschen seien, und zwar doppelt so reich — wie Sie in München gesagt haben — wie die Sowjets und die Amerikaner. Das wird Ihnen jetzt vorgehalten, wenn Sie nach Amerika kommen und sagen, Sie seien in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Amerikaner sagen Ihnen, daß sie 8 Millionen Arbeitslose und eine höhere Inflation haben und dennoch das Ihre zur Sicherheit der freien Welt leisten. Dann können sie erwarten, daß auch Sie die entsprechenden Prioritäten in Ihrer Sicherheitspolitik setzen — nicht wegen der Aufrüstung, sondern wegen des Gleichgewichts, das Sie so oft beschwören, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Streichungen, die Sie jetzt beschließen, beschlossen haben und beschließen müssen, gehen doch ans Eingemachte, sie gehen doch an die Substanz. Das heißt: Selbst wenn es diesen Beschluß mit der realen Steigerung um 3 % nicht gäbe, bräuchten Sie diese 3 % um unserer Sicherheit willen. Sie streichen doch Waffensysteme, die unsere Truppe dringend braucht, weil die andere Seite sie bereits hat, und das in noch größerer Zahl. Sie gehen jetzt an die Heeresstruktur, Leopard II, Milan, Roland, von der Lage der Soldaten ganz zu schweigen. — Herr Bundeskanzler, das kann ich mir bei der Gelegenheit nicht verkneifen; das muß ich Ihnen offen sagen: Als ich hörte, mit welcher Überzeugung Sie in den Vereinigten Staaten die These vertreten haben, daß wir 1,2 Millionen Mann binnen drei Tagen mobilisiert hätten, da habe ich mich gefragt, wie lange es her ist, daß dieser Bundeskanzler die Hardthöhe zum letztenmal gesehen hat. Vielleicht lassen Sie sich einmal Ihren Informationsstand etwas aufbessern. Das, was Sie hier sagen, ist ein reines Phantasieprodukt, aber nicht die militärische Wirklichkeit, um das deutlich zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Den Vogel hat allerdings der Finanzminister dieser Bundesrepublik Deutschland, Herr Matthöfer, abgeschossen, der in einer Fernsehrunde gesagt hat: Wir können z. B. in zwölf Tagen über 4 Millionen Mann unter Waffen, die ihren Kampfauftrag kennen, in Stellung bringen und motivieren, ihre Heimat zu verteidigen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Hupka [CDU/CSU]: Herr Münchhausen!)

    Also wissen Sie, wenn mir das irgend jemand gesagt hätte, hätte ich milde gelächelt, aber daß der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland so etwas in einer Fernsehdiskussion erzählen kann, spricht nicht dafür, daß er für dieses Amt sonderlich geeignet wäre, um das deutlich zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In Amerika hat die Chuzpe, die Unverfrorenheit, mit der Herr Matthöfer indirekt die amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland herabgesetzt hat, wie eine Bombe eingeschlagen, als er davon sprach, daß unsere Soldaten wenigstens reden, schreiben und lesen könnten.
    Ich kann Ihnen sagen: Im amerikanischen Kongreß — —

    (Zuruf von der SPD: Können Sie nicht lesen und schreiben, Herr Wörner?)

    — Wenn Sie jetzt dazwischenrufen, dann kann ich Ihnen nur eines sagen — es gibt einige Kollegen, die ich jetzt nicht namentlich nennen will, die das bestätigen könnten —: Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das im Kongreß, im Senat der Vereinigten Staaten wirkt. Ein Senatsmitglied hat mir frank und frei gesagt — das ist nicht der Unwichtigste im amerikanischen Senat —: Wenn sie so schlecht sind, dann könnt ihr j a wohl nichts dageben haben, daß wir sie zurückziehen. — Ich warne dringend davor, die amerikanischen Streitkräfte in ihrer Kampfkraft so herabzusetzen, um sich selbst vor den zugesagten Leistungen zu drücken, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun bin ich bei der letzten und nach meinem Dafürhalten entscheidenden Frage, wenn wir von der Verteidigung und vom Gleichgewicht der Kräfte reden, nämlich bei der Frage, wie es um den Verteidigungswillen und um die Einstellung der jungen Generation zu diesem Staat bestellt ist. Die Vorgänge um das öffentliche Gelöbnis in verschiedenen Städten des Bundesgebiets, die steigenden Zahlen der Wehrdienstverweigerer, insbesondere der Abiturienten unter ihnen, das Um-sich-Greifen naiv-pazifistischer Einstellung — auch und gerade in kirchlichen Kreisen — kann uns nicht gleichgültig lassen. Und weil hier nach der Ursache gefragt wurde: Das ist einmal die Quittung für das Versagen von Elternhaus und Schule und zum anderen die Quittung für die jahrelange geistige und politische Führungslosigkeit einer Regierung, die sich seit langem kaum mehr traut, den Zusammenhang zwischen Friedenssicherung und einer glaubwürdigen Verteidigungsbereitschaft herzustellen und darzutun.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Vieles von dem, Herr Bundeskanzler,

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    was Sie jetzt an goldenen Worten sagen, vieles von dem, was der Herr Brandt heute morgen so gesagt hat, daß es jeder von uns unterschreiben kann,

    (Zurufe von der SPD)

    hätte, wenn es rechtzeitig an die richtige Adresse draußen in unserem Volk beispielsweise vor der jungen Generation immer und immer wieder vertreten worden wäre, eben dazu geführt, daß das unmöglich gewesen wäre, was wir draußen erleben. Jetzt kommen Sie her und reden viel zu spät und, ich sage Ihnen, am falschen Platz das Richtige. Gehen Sie raus, in Ihre eigene Partei hinein, gehen Sie an die junge Generation heran, und sagen Sie ihr das mit uns zu-



    Dr. Wörner
    sammen. Wir drücken uns von dieser Aufgabe nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Die Frage muß gestellt werden: Wie weit hat es ein Staat gebracht, in dem die Bundeswehr in größeren Städten nur noch unter Polizeischutz das Gelöbnis ablegen kann,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    in dem sich junge Menschen auspfeifen lassen müssen, weil sie noch bereit sind, diesen Staat, sein Recht und seine Freiheit zu verteidigen? Die da pfeifen sind eine Minderheit.

    (Zurufe von der SPD)

    Wenn dieser Staat — und das sage ich im Bewußtsein dessen, was ich dabei sage — noch einen Funken Selbstachtung hat, dann kann er und darf er sich nicht dem Diktat dieser pfeifenden Minderheit beugen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die weit überwiegende Mehrheit der Deutschen —das hat der Herr Brandt j a völlig richtig dargestellt —, gerade auch der jungen Deutschen, ist mit diesem öffentlichen Gelöbnis einverstanden, findet im übrigen auch am Großen Zapfenstreich nichts Anstößiges.

    (Zurufe von der SPD)

    Seit 1957 praktizieren wir ihn. Gerade sozialdemokratische Verteidigungsminister haben ihn fortlaufend praktiziert. Niemand hat daran Anstoß genommen. Jetzt plötzlich, weil es in Bremen Krawall gegeben hat und weil es einer kleinen Minderheit einfällt, dagegen zu protestieren, dagegen zu pfeifen, Störungen zu verursachen, jetzt plötzlich wird es zu einem Problem, und jeder, der ein bißchen auf Schick und Mode hält, ist plötzlich der Meinung, man müsse das überprüfen. Wer entscheidet eigentlich über die Tradition, Sie, der Bundesverteidigungsminister oder die Minderheit da draußen? Ich glaube, wir hier im Parlament und Sie sind diejenigen, die die Entscheidung treffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Herr Apel, Sie haben völlig zu Recht wiederholt gesagt, es gehe vielen von denen gar nicht um das öffentliche Gelöbnis, es gehe ihnen um den Staat. Das ist richtig. Aber ich möchte noch eines hinzufügen. Was wir im Augenblick erleben, das ist, so behaupte ich, eine Kampagne, die ganz bewußt darauf abzielt, die jungen Wehrpflichtigen, die noch bereit sind zu dienen, zu verunsichern,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Einzuschüchtern!) ihnen ein schlechtes Gewissen zu suggerieren, (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Einzuschüchtern!)

    sie einzuschüchtern. Darum, sage ich Ihnen, treten wir von der CDU/CSU energisch weiterhin für das öffentliche Gelöbnis und auch für das entsprechende Zeremoniell ein.

    (Zurufe von der SPD) Keine Armee der Welt ist in ihrer Selbstdarstellung so bescheiden wie die Bundeswehr. Man kann ihr dieses karge Maß an Selbstdarstellung nicht auch noch verbauen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen, darüber sollten gerade Sie einmal nachdenken, denn ich habe das von einem Sozialdemokraten, von Gustav Radbruch, der j a die Gründe des Zusammenbruchs oder des Scheiterns der Weimarer Republik analysiert hat.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir als Demokratie dürfen die Symbole und damit die Ansprache der Gefühlswelt des Menschen nicht nur den Diktaturen und den Extremisten überlassen. Gerade Demokratien können und dürfen nicht darauf verzichten, den Staat und die Armee nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen der Menschen zu verankern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle alten Demokratien wissen das, handeln entsprechend und nehmen ihre Soldaten feierlich und öffentlich in Pflicht.
    Junge Staatsbürger aus unserem Volk, die für ihr Volk Dienst tun, sollen dies auch in feierlicher Form vor ihrem Volk bekunden dürfen. Wir lassen diese unsere Armee nicht ins Abseits drängen. Wir wollen Staatsbürger in Uniform und eine Armee inmitten unsere Demokratie und nicht im Getto.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die junge Generation von heute ist nicht schlechter als die vor ihr. Sie erwartet nur Maßstäbe, Werte, Führung im recht verstandenen Sinn.
    Mut macht der Jugend allerdings nur der, der selber Mut zeigt und nicht den wirklichen Problemen ausweicht. Sie, Herr Bundeskanzler, haben in Ihrer Regierungserklärung diesen Mut nicht gezeigt. Also werden Sie auch nicht Mut machen. Wir bedauern dies. Denn Sie hätten eine große Chance gehabt.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Ehmke.

(Dr. Zimmermann [CDU/CSU]: Der wiederholt jetzt nur!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will auf die Rede des Kollegen Wörner nicht im einzelnen eingehen. Wir haben diese Rede in den letzten zwei Legislaturperioden schon des öfteren gehört

    (Lachen bei der SPD) und sie beantwortet.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auf zwei Punkte eingehen, die auch der Herr Kollege Kohl angeschnitten hat, nämlich auf das Thema Gemeinsamkeit und das Thema Jugend.
    Es hat uns natürlich nicht gewundert, daß Herr Kollege Zimmermann für die CSU hier eine sehr an-



    Dr. Ehmke
    dere Theorie von Gemeinsamkeit als der Kollege Kohl vertreten hat. Wir haben ja schon vorher aus Ihrem Mund etwas gehört, was man in dem Satz zusammenfassen kann: Und Strauß hat doch gesiegt. Das wird Ihnen draußen keiner glauben.
    Jetzt hören wir aber auch aus den Reihen der CDU eine Rede, wie sie genauso auch vor dem 5. Oktober hätte gehalten worden sein können.
    Dies ist nicht unser Problem. Das Problem der Union ist doch: Sehen Sie mal Ihr Jungwählerergebnis an!

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Wie ist denn Ihr Jugendwählerergebnis? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Es sind doch nicht wir, die die Mehrheitsfähigkeit bei den Jungen verlieren, sondern wenn jemand nachzudenken hat, sind es doch Sie.

    (Zurufe von der CDU/CSU) Wir überlassen das Ihnen.


    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir wären nur froh, Herr Kollege Kohl, wenn wir über das Thema „Gemeinsamkeit in der Außenpolitik" trotz dieser beiden Reden weitersprechen könnten. Ich bin nicht der Meinung, daß wir einen neuen Grundansatz brauchen. Aber ich bin der Meinung: Wir werden vor sehr neuen Problemen stehen, bei denen es diesem Land sehr guttun würde, wenn wir uns einiger wären, als wir uns offensichtlich bis jetzt sind.
    Wenn ich jetzt zur Frage Jugend und Ideale" komme, möchte ich auf das eingehen, was Herr Kollege Wörner zum Gelöbnis und zur Bundeswehr gesagt hat. Das war ja beispielhaft für Ihre Behandlung der Jugend, muß ich sagen. Denn so kann man das doch nicht machen, das man sagt: Da sind ja 60 Prozent für das Gelöbnis oder für den Zapfenstreich, und nun sollen also bitte auch alle anderen stramm dafür sein! Was soll eine solche Jugenddiskussion? — Das erinnert mich an Kollegen in der Universität, die, als die Studentenunruhen anfingen, zu sagen pflegten: Die Universität ist schon was Schönes, wenn es nur keine Studenten gäbe.
    Wir müssen uns darüber klar sein, und das müssen doch auch Sie, Herr Wörner, ernst nehmen: Nicht nur in der Bundesrepublik — gucken Sie zu Ihren Parteifreunden in Holland und zu unseren Parteifreunden in Holland — haben wir heute gerade aus beiden Kirchen — sehen Sie sich bitte mal die Stellungnahmen der theologischen Fakultäten und der Studentengemeinden in dieser Frage an — so etwas wie eine pazifistische Grundbewegung. Die wird stärker, als die grüne Bewegung war; das sage ich Ihnen voraus. Dies wird eine der ganz schwierigen Auseinandersetzungen der 80er Jahre sein.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wer befördert die denn, Herr Ehmke? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Es ist interessant, daß Sie immer dann, wenn es
    Kritik gibt — selbst wenn sie von den Kirchen
    kommt —, meinen, es müsse irgend jemand dahinterstecken; vermutlich der Breschnew, nehme ich an.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Der Ehmke! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Man muß das, was dort kommt, ernst nehmen, weil es hinsichtlich beider Fragen ernstzunehmende Argumente gibt.
    Herr Kollege Wörner hat soeben gesagt, er stimme mit Willy Brandt darin überein, daß Waffen uns nicht sicherer, sondern ärmer machen. Darum gibt es bei den jungen Leuten einen solchen moralischen Ausgangspunkt, bis weit hinein in die Pfarrerschaft. Also, ich kenne diese Diskussion: Da kommt oft der moralische Kurzschluß: Wenn man die Abrüstung nicht beidseitig machen kann — das ist zu kompliziert —, dann ist es am besten, wir machen es allein. Das ist doch ein großes Problem für uns alle, da müssen wir uns doch der Diskussion stellen.
    Hans Apel und der Bundesregierung möchte ich hier ganz herzlich dafür danken, daß sie angekündigt haben, Fragen des Gelöbnisses und der Traditionspflege zur Diskussion zu stellen. Herr Wörner, das ist kein Zurückweichen, für das Sie meinen Freund Hans Apel kritisieren dürften, sondern das ist etwas, was wir der Demokratie und der Bundeswehr schuldig sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Hupka [CDU/CSU]: Sie waren beim Gelöbnis nicht dabei! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen auch gleich sagen, warum: Es gibt Leute — da ist kein Zweifel, die sehen wir bei diesen Gelegenheiten —, die sind gegen diesen Staat. Es gibt Leute, die sind nicht gegen diesen Staat, aber die sind aus pazifistischen oder aus anderen Gründen gegen die Bundeswehr; mit denen haben auch wir nichts gemein. Dann gibt's Leute, die sind generell gegen das Gelöbnis; davon gibt es eine ganze Menge. Und dann gibt es Leute wie mich: Ich bin zwar nicht gegen das Gelöbnis, aber gegen diese Form. Im übrigen, Herr Wörner, ist diese Diskussion um die Abschaffung des Gelöbnisses ja nicht plötzlich, seit Bremen entstanden. Schon im Weißbuch 1970 stand, daß das abgeschafft werden sollte. Ich habe mir in den letzten Wochen einmal die Protokolle der Tagungen der Militärseelsorger durchgelesen. Schon in den 60er Jahren war es von der theologischen Seite her ein ganz großes Problem, ob man dieses Gelöbnis so durchführen sollte und ob man — —

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Schade, daß der Herr Leber hinter Ihnen sitzt, sonst hätte ich den mal gefragt, was er davon hält!)

    — Herr Leber wird Ihnen sagen, daß er da — genauso wie ich — seine Meinung hat und er wird genauso wie ich sagen, daß dann, wenn es in einem Volk verschiedene Meinungen darüber gibt, diese ausdiskutiert werden müssen und nicht durch den



    Dr. Ehmke
    Appell für eine „stramme" Jugend überdeckt werden können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich sage zunächst einmal, was ich für gefährlich halte — darum begrüße ich so, was Hans Apel gemacht hat —: Sie haben kein Interesse daran, wir haben kein Interesse daran, die Freien Demokraten haben kein Interesse daran, die, die Gegner unseres Staates sind, und die, die Gegner unserer Bundeswehr sind, mit den kritischen Demokraten — so hieß übrigens unsere Veranstaltung — in einen Topf zu werfen, die „für eine demokratische Bundeswehr" sind.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Nur in den Kasernen, das war doch der Tenor!)

    Darum müssen wir über Formen diskutieren, die vordemokratisch sind und an denen meines Erachtens — daraus mache ich keinen Hehl — viel zu diskutieren ist. Übrigens, Herr Zimmermann, Sie haben Herrn Piecyk nicht richtig zitiert. Das, was die Jungsozialisten gesagt haben, liegt j a gedruckt vor. Die haben gesagt: In der DDR gibt es den Stechschritt und andere Relikte des preußischen Militarismus; das wollen wir bei uns nicht.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Das will ja doch keiner!)

    Also, zitieren Sie bitte korrekt.
    Diese Dikussion muß geführt werden. Was hätten wir denn davon, wenn auch nur in einer kleinen Minderheit — aber so klein ist die gar nicht — der Vorwurf, wir würden unseren Verteidigungsanstrengungen ein pseudoreligiöses Gepräge geben, etwas wäre, was die Diskussion über Rüstung, Abrüstung und Nachrüstungsbeschluß emotionell für uns in eine Situation bringt, daß man sie gar nicht mehr durchstehen kann? Sie haben gesagt: Da marschieren Jusos zusammen mit der DKP. Auch das ist nicht wahr.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Aber natürlich!)

    — Augenblick, ich komme genau darauf. Nur die Ruhe, lassen Sie mich einmal ausreden! — Warum dieser Angriff? Es ist gar keine Frage — wir haben uns auf der Sitzung des Parteivorstandes auch sehr kritisch dazu geäußert —: Die Jungsozialisten haben in Bremen schwere Fehler gemacht, sie haben ihre Demonstration von den Chaoten mißbrauchen lassen. In Hamburg ist das dann fast noch einmal geschehen. Es ist nämlich sehr schwer, sich gegen 500 oder 1 000 Leute, die organisiert sind, in einem nur lose organisierten Zug durchzusetzen. Aber wir haben daraus gelernt. In Bonn hat dies nicht stattgefunden, Herr Wörner. In Bonn haben sich die durchgesetzt, und zwar bei den Studentengemeinden, bei den Jungsozialisten, bei den Jungdemokraten — wenn ich für die Kollegen von der liberalen Seite mit sprechen darf —, die gesagt haben: An dem Abend ist keiner von uns an irgendeiner Demonstration beteiligt, die wieder mißbraucht werden kann. Ich frage jetzt nicht — darüber wird jetzt auch auf der Hardthöhe nachgedacht —, ob es klug war, das in Bonn in der Form zu machen. Das ist eine andere Frage.
    Wir haben denjenigen, die kritisch sind, gesagt: Geht nicht auf die Straße, bringt euch nicht wieder in die Situation, daß ihr von Chaoten mißbraucht werdet. Wir machen eine demokratische Diskussion; denn Diskussion ist die richtige Form, sich mit solchen schwierigen Fragen auseinanderzusetzen.
    Sie tun so, als ob das ein wilder Haufen gewesen wäre. Da hat Herr Baudissin, dem die Bundeswehr viel verdankt, mitdiskutiert, da haben aktive Offiziere der Bundeswehr mitdiskutiert, und aus dem Plenum — —

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Auch Herr Hansen und Herr Piecyk!)

    — Auch Herr Hansen. Sie haben doch wohl nichts dagegen. Der ist sogar Reserveoffizier der Bundeswehr, was Sie begrüßen sollten. Da haben Bundeswehrangehörige, Wehrpflichtige aus dem Plenum mitdiskutiert — in einer völlig sachlichen Diskussion. Da waren auch Chaoten. Aber nachdem die ihr Ei gelegt hatten und bei uns nicht ankamen, zogen sie dann aus dem Saal hinaus — unter dem Lachen der übrigen.
    Ich sage Ihnen: Wir werden noch viele, viele solcher Diskussionen führen müssen. Und wir werden noch viel bitterere und härtere in den vor uns liegenden Jahren über die Frage der Verteidigung und der Rüstungskontrolle führen müssen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU])

    Kein strammer Appell, daß die Jugend doch bitte sauber, ordentlich und für die Bundeswehr sein solle, Herr Wörner, wird uns die Schwierigkeit dieser Diskussion abnehmen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wenn man meint — wie Kollege Kohl es heute zur Jugend gesagt hat —, daß die Politik auch schuld hat an der Entfremdung von Jugend und Politik — nicht die Politik allein —, dann muß man auf die Jugend eingehen, auch wenn es sich um Minderheiten handelt, auch dann, wenn man anderer Meinung ist als sie.
    Wir haben darin Erfahrung. Hätten wir es damals so gemacht, wie Sie es jetzt vorschlagen, hätten wir die APO nie von der Straße zurück zu demokratischer Reformarbeit gebracht. Die Anstrengung muß man auf sich nehmen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Hupka [CDU/CSU])

    — Also, Herr Kollege Hupka, Sie werden doch zugeben — das ist kein Vorwurf an Sie —: Wir waren nach dieser Seite näher dran. Es ist doch klar, daß wir für die Integration nach dieser Seite gewissermaßen zuständig sind. Aber Sie wollen doch wohl die Leistung der deutschen Sozialdemokratie in der Auseinandersetzung mit der außerparlamentarischen Opposition nicht bestreiten. Oder Sie haben damals nicht gelebt — kann ich nur sagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns nicht die Gegner dieses Staates mit kritischen Demokraten in



    Dr. Ehmke
    einen Topf werfen, die unbequeme, aber notwendige Fragen stellen.
    Darum zum Schluß noch einmal, im Gegensatz zu der Kritik an Herrn Apel: Meinen herzlichen Dank an den Verteidigungsminister, an die Regierung, daß sie sich klar für die Bundeswehr ausgesprochen haben, auch betont haben, daß sie sich nicht verkriechen darf. Das ist auch meine Meinung. Das wäre ganz undemokratisch. Demokraten müssen die Offentlichkeit der Bundeswehr fordern. Aber über das, was dort jetzt zur Diskussion steht, müssen wir in Ruhe diskutieren, ohne das Kommando „Stramm gestanden!" und ohne die Diskriminierung von Leuten, die anderer Meinung sind als wir, deren Meinung aber auch ernstgenommen werden will.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)