Rede:
ID0900604800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/6 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Italien 45 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Berger (Berlin) und Ronneburger 45 B Erweiterung der Tagesordnung 45 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl CDU/CSU 45 B Brandt SPD 57 C Hoppe FDP 68 C Dr. Zimmermann CDU/CSU 75 C Genscher, Bundesminister AA 83 B Bahr SPD 91 D Dr. Wörner CDU/CSU 97 C Dr. Ehmke SPD 105D Möllemann FDP 108 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 114C Dr. Holtz SPD 120 B Pieroth CDU/CSU 122 D Dr. Vohrer FDP 124C Präsident Stücklen 91 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 9/10 — 75A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 9/11 — 75 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 9/16 — 75B Nächste Sitzung 126 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 127* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 45 6. Sitzung Bonn, den 26. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Dr. Vohrer * 26. 11. Frau Dr. Wisniewski 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben einen ganz interessanten Auftritt von Herrn Bahr erlebt, wie es meistens interessant ist, wenn Herr Bahr redet. Da er seine Worte zu wählen weiß, ist er ein ernstzunehmender Gesprächspartner. Aber während Herr Brandt heute morgen und Herr Genscher sichtbar bestrebt waren, Gemeinsamkeit zu finden und herzustellen, hat Herr Bahr soeben einen ganz anderen Versuch gemacht,

    (Dr. Corterier [SPD]: Nach Brandt hat Zimmermann gesprochen!)

    nämlich die Gemeinsamkeit schon im Ansatz zu zerstören, indem er Strohmänner aufbaut und nach bewährtem Muster auf sie eindrischt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das aber ist Ihr Problem, nicht das unsere. Herr Bahr, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen: Unsere Außenpolitik war nie eine Frage der Taktik, sondern immer eine Frage der Grundsätze. Wir haben es nicht nötig wie Sie, unserem Volk nach den Wahlen etwas anderes zu sagen als vor den Wahlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen ist es schon einigermaßen makaber, wenn ausgerechnet Herr Bahr mit uns über die Frage der Taktik philosophiert, Herr Bahr, der sich einmal in einer sehr delikaten Weise dazu geäußert hat, was man diesem Volk vor und was man ihm nach den Wahlen sagen könne. Ich kann in Ihrem Auftritt hier nur eines erkennen, Herr Bahr: einen taktischen Versuch. Aber noch einmal: Das mögen Sie unter sich ausmachen; das ist nicht unsere Sache.
    Wir gehen einem schwierigen, einem krisenträchtigen Jahrzehnt entgegen. Unsere Welt ringt ganz sichtbar um eine Neu- und Umverteilung wirtschaftlichen Wohlstandes, eine Neu- und Umverteilung von Rohstoffen, eine Neu- und Umverteilung auch politischer Macht. Dieses Ringen, dieses globale Ringen wird das kommende Jahrzehnt bestimmen. Einschneidende weltpolitische Veränderungen im Ost-West-Verhältnis und in der Dritten Welt vollziehen sich ganz sichtbar vor unseren Augen. Sie stellen unsere Politik in den 80er Jahren vor neue Herausforderungen.
    Sie aber haben nicht den Mut zu neuen Antworten. Ihre Devise, auch die Devise des Bundeskanzlers, lautet: Weitermachen wie bisher. Sie, Herr Bahr, haben das eben dankenswerterweise noch einmal ausgeführt. Aber darauf sagen wir Ihnen: Mit den Antworten von gestern lösen Sie die Probleme von morgen, die Probleme der 80er Jahre, eben nicht — um das klar und eindeutig zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will es Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, das Herr Genscher selbst ins Spiel gebracht hat. Wer gegen die harte Politik der Abgrenzung und des Vertragsbruchs des Ostens nur den guten Willen zur Zusammenarbeit und nur die Formel von der Fortsetzung der Entspannungspolitik setzt, der of-



    Dr. Wörner
    fenbart eben Konzeptionslosigkeit und nicht den Mut zur Zukunft, von dem die Rede war.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Lassen Sie mal hören, Herr Wörner!)

    Ich will jetzt Herrn Genscher die Antwort auf seine Frage geben: Sicher, es ist richtig, daß wir auf Abgrenzung von drüben nicht mit Abgrenzung hier antworten können. Aber das ist nicht die ganze Antwort auf dieses Problem.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Entscheidend ist es, ein Instrument zu finden, das uns in Zukunft in die Lage setzt, auf Vertragsbrüche der anderen Seite angemessen zu reagieren. Wir müssen Leistung und Gegenleistung anders verknüpfen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    sonst stehen wir fortlaufend vor dem gleichen Problem, daß wir das, was wir nach drüben gegeben haben, weggegeben haben, die andere Seite es kassiert hat und wir nicht mehr in der Lage sind, es zurückzufordern. Vertragsbruch darf sich auch im Ost-West-Verhältnis nicht lohnen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das, was ich an dieser Regierungserklärung am meisten bedauert habe, ist das Auseinanderklaffen von schönen Worten auf der einen Seite und Taten auf der anderen Seite.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Sie sprechen von Klarheit und Berechenbarkeit Ihrer Außenpolitik. Aber zur gleichen Zeit brechen Sie ein Versprechen, das Sie feierlich dem Bündnis im Westen gegeben haben.

    (Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Sie reden zu Recht davon, daß ohne Gleichgewicht in unserer Welt kein verläßlicher Friede wäre; aber durch Ihre Politik verschärfen Sie das Ungleichgewicht, indem Sie die Verteidigung schwächen. Und Sie finden goldene Worte zur Bundeswehr, die übrigens charakteristischerweise — wie könnte es anders sein — den stärksten Beifall bei der CDU/CSU-Fraktion gefunden haben. Nur, das eine muß ich Ihnen sagen — und das werden wir Ihnen auch nicht ersparen, insbesondere dem Kanzler nicht —: Solange Jusos und — im übrigen, Herr Genscher — auch Judos zusammen mit Kommunisten gegen die Bundeswehr agitieren und demonstrieren, ohne dafür von der SPD zur Rechenschaft gezogen zu werden, solange können Sie sich diese feierlichen Appelle an diesem Platz sparen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Hupka [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)

    Ich war in einer bestimmten Lage, die mir wieder aufgetaucht ist, als der Herr Bundeskanzler hier diese Worte gebraucht hat, von denen wir jedes unterschreiben können. Ich erinnerte mich an die Fernsehsendung als der Kollege Apel vom Bonner
    Marktplatz zurückkam, wo er unter einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert das feierliche Gelöbnis hatte abhalten lassen, während zur gleichen Zeit der stellvertretende Vorsitzende seiner Fraktion namens Ehmke eine Gegenveranstaltung in Bad Godesberg leitete. Da kann ich nur sagen: Das sind die zwei Gesichter der SPD. Solange Sie die nicht beseitigen, sind Sie nicht glaubwürdig, auch und gerade der Jugend gegenüber.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Dem Herrn Bundeskanzler, der j a leider im Moment nicht da ist, hätte ich gerne dies gesagt: Wie will er die junge Generation in der Bundesrepublik Deutschland von der Pflicht zur Verteidigung überzeugen, wenn er noch nicht einmal seine eigene Partei überzeugen kann? Das ist weder Führung noch ist es Mut, sondern das ist das genaue Gegenteil davon.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir von der CDU/CSU lassen uns in der Außen-und Sicherheitspolitik von vier grundsätzlichen Zielen leiten.
    Erstens. Deutsche Politik ist Politik für die Freiheit. Nur eine Welt, in der die Völker frei über ihr Schicksal bestimmen können, nur eine Welt, in der keine Macht nach Vorherrschaft über andere strebt, kann auf die Dauer friedlich und stabil sein.
    Zweitens. Deutsche Politik ist Politik für den Frieden. Es gibt keine wichtigere Aufgabe als die Suche nach Ausgleich, als die Suche nach Stabilisierung gerade in einer krisenträchtigen Welt, als die Suche auch nach Begrenzung und Abbau von Rüstung. Wir suchen Verständigung, und wir suchen Verständnis nach West und Ost gleichermaßen, gerade auch gegenüber der Sowjetunion, gerade auch gegenüber der DDR und den osteuropäischen Staaten. Wir wünschen Miteinander statt Gegeneinander, Gespräch statt Feindseligkeit, Entspannung statt Spannung. Es muß doch erlaubt sein, dies zu sagen: Von der Bundesrepublik Deutschland ist in all den Jahren ihres Bestehens bis zum heutigen Tag keine Gefahr für den Frieden ausgegangen. Wir bedrohen niemanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bundeswehr ist eine reine Verteidigungsarmee, eingegliedert in ein Verteidigungsbündnis. Ich sage hier — ich hoffe, mit Zustimmung des ganzen Hauses —: Die Welt wäre bedeutend friedlicher, wenn alle anderen Völker diesem unserem Beispiel gefolgt wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Deutsche Politik ist Politik für die Einheit unseres ganzen Volkes. Das ist für uns kein Lippenbekenntnis. Wir nehmen den Auftrag unseres Grundgesetzes ernst, weil wir aus der Geschichte erkennen müssen, daß man auf die Dauer nicht ohne Gefahr die Zusammengehörigkeit einer Nation künstlich und gewaltsam zerschneiden kann. Gerade die jungen Deutschen müssen wissen: Nation, Volk und Vaterland sind keine altmodischen Begriffe. Ein guter Europäer, ein Weltbürger im besten



    Dr. Wörner
    Sinne kann nur sein, wer ein guter Deutscher, ein guter Franzose, ein guter Italiener oder ein guter Engländer ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wissen aber: Deutschland — auch Deutschland als Ganzes — hat nur im Rahmen eines freien Europa eine Zukunft. Darum bleiben für uns, die CDU/CSU, die Einigung Europas und damit die Stärkung der europäischen Institutionen, der Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments und eine engere politische Zusammenarbeit vordringlich. In dieser Hinsicht wird der Bundesaußenminister keine Mühe mit uns haben. Nach all den Erfahrungen, die wir gesammelt haben, hat er diese Mühe eher mit den Sozialisten im Europäischen Parlament. Deswegen war vorher der Adressat vielleicht der falsche.
    Ich will auch ganz offen sagen, daß die deutschfranzösische Zusammenarbeit auch für uns das Herzstück der europäischen Einigung ist und bleibt. Wir müssen uns allerdings davor hüten, Europa in das Lager der mächtigen und größeren Staaten auf der einen Seite und das Lager der kleineren Staaten auf der anderen Seite zerfallen zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. Deutsche Politik ist Politik für die Menschenrechte, für ihre Durchsetzung, ihren Ausbau, ihre Sicherung überall in der Welt. Hier liegt unser ureigenster deutscher Beitrag für eine friedlichere, für eine gerechtere Welt. In der großen Geschichte unseres Volkes hat das Dritte Reich einen schmerzlichen, einen dunklen Makel eingebrannt — eben durch die brutale Mißachtung der Menschenrechte. Kein Volk hat es so schrecklich erfahren wie das unsere, wohin die Vergewaltigung der Menschenrechte führt. Darum ist hier das Feld, wo wir, wo gerade auch die jungen Deutschen, die in der geschichtlichen Haftung unseres Volkes stehen, im besten und im tiefsten Sinne wiedergutmachen können. Hier liegen große, übergroße Aufgaben für unser Volk, für jeden einzelnen Deutschen. Hier bei den Menschenrechten gibt es ein weites, sinnvolles Feld für Idealismus, für Einsatz, für Opferbereitschaft, gerade auch der jungen Deutschen, die uns oft genug fragen, ob wir denn noch lohnende Ziele und Aufgaben für sie bereithielten.
    Freilich — auch das muß gesagt werden — ist ein solcher Einsatz für die Menschenrechte nur dann glaubwürdig, wenn er Ost und West gleichermaßen gilt und weder nach links noch nach rechts Scheuklappen trägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer lautstark gegen die Verletzung der Menschenrechte in Südafrika und Südamerika vom Leder zieht, zu der Vergewaltigung der Menschenrechte in den Diktaturen des kommunistischen Machtbereichs aber verlegen schweigt, zeigt nur, daß es ihm um Ideologie und nicht um den Menschen geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir unterstützen aus vollem Herzen — übrigens hat das der Kollege Marx für die Fraktion bereits vor einigen Wochen getan — den Appell des Bundeskanzlers an die Adresse Südkoreas, Kim Dae Jung die Freiheit zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wir appellieren gerade im Zusammenhang mit den Menschenrechten auch an die Sowjetunion, Herrn Sacharow und andere Bürgerrechtler nicht länger zu verfolgen und ihrer Menschenrechte zu berauben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Kampf um die Menschenrechte heißt zunächst Kampf gegen Armut, gegen Hunger, gegen das Elend in der Welt. Darum darf Entwicklungshilfe nicht länger Stiefkind der deutschen Politik bleiben. Unsere Beziehungen zur Dritten Welt müssen als eigenständiger Bereich mehr ins Zentrum unserer Politik rücken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich sage als Begründung dazu: Wir können auf Dauer nicht ruhig auf einer Insel des Wohlstandes leben, wenn rings um uns ein Meer von Elend, Krankheit und Revolution brandet.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, die Mittel für Entwicklungspolitik doppelt so stark wie für den übrigen Haushalt zu erhöhen, und werden Sie dabei unterstützen.
    Aber auch hier muß noch etwas anders gesagt werden, was leider weder der Kollege Brandt noch der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in der nötigen Klarheit angesprochen haben. Die Welt wäre in der Bekämpfung von Hunger und Elend längst einen großen Schritt weiter, wenn die Sowjetunion endlich darauf verzichten würde, den Ost-West-Konflikt auf den Nord-Süd-Gegensatz zu übertragen und wenn sie sich statt dessen stärker an der Entwicklungshilfe beteiligen würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist ein Skandal, daß der gesamte Ostblock zusammen nur ein Viertel der Entwicklungshilfe leistet, die die Bundesrepublik Deutschland allein aufbringt. Dafür pumpt aber der Ostblock das dreißig-und mehrfache an Waffen in die Dritte Welt.
    Lassen Sie mich noch etwas zum Nahen Osten sagen, weil das von Herrn Brandt angesprochen wurde. Wir alle wissen, daß der Friedensprozeß dort ungeheuer schwierig ist. Aber wir von der CDU/CSU sind der Meinung, daß es der bessere, sinnvollere Weg für Europa wäre, den Prozeß, den wir Camp-David-Prozeß nennen, den Friedensschluß zwischen Ägypten und Israel, zu unterstützen und von da aus weiterzubauen, statt ihn, wie es die Gemeinschaft der Neun gemacht hat, in gewisser Weise zu behindern, um nicht zu sagen zu torpedieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dort liegt der richtige Ansatz für eine umfassendere Friedensregelung.
    Lassen Sie mich noch etwas anderes als ein unverbrüchliches Prinzip der CDU/CSU hinzusetzen. Die Existenz Israels in gesicherten Grenzen ist für uns nicht nur ein Gebot politischer Zweckmäßigkeit,



    Dr. Wörner
    sondern eine aus der Geschichte erwachsene moralische Verpflichtung, zu der wir stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir stehen vor einer neuen kritischen Phase der Ost-West-Beziehungen. Diese ist im Osten markiert durch eine Politik harter Abgrenzung der Sowjetunion und der DDR, durch Erschütterungen im sowjetischen Machtbereich, durch die anhaltende Besetzung Afghanistans, durch die ungebrochene und massive sowjetische Aufrüstung. Sie wird markiert im Westen durch eine neue amerikanische Führung, die ganz deutlich andere Vorstellungen von der Stellung der USA in der Welt, vom Verhältnis zur Sowjetunion und von Entspannungspolitik hat.
    Sie wird ferner markiert durch ein neues Selbstvertrauen der amerikanischen Nation in sich selbst und ihre Kräfte. Ich kann nur sagen, das muß jeder, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, auf das wärmste begrüßen, weil wir uns darauf verlassen können. Das ist ein Prozeß, der hier in Gang gekommen ist, den wir uns gewünscht haben, um es deutlich zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Täuschen wir uns nicht, die amerikanischen Wahlen haben mehr bewirkt als einen bloßen Regierungswechsel. Hier hat sich eine völlig andere, eine neue Grundstimmung im amerikanischen Volk Bahn gebrochen.
    Wir meinen, diese Veränderungen in Ost und West zwingen die Bundesregierung und natürlich nicht nur die Bundesregierung, zwingen jeden deutschen Politiker zur Überprüfung seiner Politik. Die Amerikaner und die Europäer können sich nicht länger ein unterschiedliches Konzept der Entspannung leisten. Wer, wie der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung, so tut, als ob hier alles wieder beim alten geblieben sei, der legt im Grunde genommen schon wieder den Keim zu einer neuen Spaltung oder zu einer neuen Meinungsverschiedenheit im Bündnis.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt sage ich etwas zu Herrn Bahr — ich kann ihn im Moment nicht entdecken, ich habe ihn offensichtlich zu früh gelobt —: Die Entwicklung in Ost und West gerade der letzten Monate, hat unsere Kritik, die Kritik der CDU/CSU, in entscheidenden Punkten sichtbar bestätigt. Darum kann und darum wird es kein ostpolitisches Godesberg geben, um das klar und eindeutig zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber im Unterschied zu Herrn Bahr geht es uns in der jetzigen Situation am Anfang einer Legislaturperiode, am Anfang eines wirklich schwierigen Jahrzehnts, nicht um billige Rechthaberei.

    (Wehner [SPD]: Um Krampf geht es Ihnen!)

    Es geht darum, auf der einen Seite von den illusionären Komponenten Ihrer Politik Abschied zu nehmen und auf der anderen Seite die konstruktiven Ansätze und Elemente, die diese Politik auch hat, fortzuentwickeln.
    Herr Kohl hat es gesagt, ich wiederhole es: Die Epoche der Auseinandersetzung um die Ostverträge ist abgeschlossen. Die Verträge sind eine Realität, sind auch für die CDU/CSU eine der Grundlagen ihrer Politik, und zwar in der Auslegung, die ihnen der Brief zur deutschen Einheit, das Bundesverfassungsgericht und die gemeinsame Erklärung des Deutschen Bundestages gegeben haben. Anstatt die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen, sollten wir jetzt in die Zukunft hinein für die Menschen in ganz Deutschland das Beste aus ihnen machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn ich von konstruktiven Ansätzen sprach, dann meinte ich in erster Linie die menschlichen Erleichterungen, die Erweiterung der menschlichen Begegnungen und Kontakte, die das Leid der Spaltung mindern. Allerdings liegt die grundlegende Schwäche dieser Vorteile darin, daß sie jederzeit widerruflich sind und ja auch von der DDR immer mal wieder zurückgenommen werden. Darum — ich wiederhole das — gilt es, in der Zukunft unsere Leistungen so zu dosieren und sie so mit den Gegenleistungen zu verknüpfen, daß bei vertragswidrigem Verhalten der anderen Seite spürbare Nachteile entstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zu den konstruktiven Elementen gehört auch der Wandel in den Lebensumständen und wohl auch in der Einstellung der Bevölkerung in den Ostblockstaaten durch mehr Information, Begegnung und Austausch. Das hat Richard von Weizsäcker gemeint, und zwar mit Recht, Herr Bahr. Ihnen nehme ich nicht ab, daß Sie nicht intelligent genug sind, den Unterschied im Wandel der Einstellung der Bevölkerung und der Reaktion der Systeme darauf zu sehen. Das sind j a eben die Grenzen dieser Politik, die es klarer zu sehen, klarer zu erkennen gilt. Es gibt hier eine eingebaute Bremse: Je erfolgreicher die Auflokkerung im Ostblock, desto energischer die Reaktion, d. h. die Abgrenzungspolitik der Machthaber. Das ist ja das, was wir in diesen Tagen erleben.
    Ein weiteres konstruktives Element. Sicher hat es eine gewisse Stabilisierung der Lage Berlins gegeben. Allerdings muß man auch hier sehen, die eigentliche Garantie, die Gewähr für die Sicherheit Berlins liegt in der Anwesenheit der alliierten Truppen, d. h. nichts anderes als im Zusammenhalt und in der Entschlossenheit des Bündnisses. Lassen Sie mich das hier an dieser Stelle und in dieser Debatte sagen. Nirgendwo wird deutlicher als in Berlin, welch ein fundamentaler Zusammenhang zwischen Bündnissolidarität und unserer Sicherheit besteht, und daß Westpolitik eine klare Priorität, einen klaren Vorrang im Bezugsrahmen deutscher Politik besitzt und behalten muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden darauf drängen, in Übereinstimmung mit dem Viermächteabkommen die Bindungen Berlins an den Bund weiter auszubauen. Dabei geht es nicht nur darum, daß Berlin den wirtschaftlichen Anschluß gefunden hat — so froh wir darüber sind —, es geht auch nicht nur darum, daß der Bundeskanzler gerne an die Berliner Theater, Museen



    Dr. Wörner
    und Konzerte denkt — das tun wir alle; ich will bekennen, ich mit Vorliebe —,

    (Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Wir haben geradezu Tradition darin!)

    sondern das Entscheidende an und für Berlin ist, daß die Stadt mit ihrer Existenz ein Symbol, ein Mittelpunkt deutscher Zukunftshoffungen ist und bleiben muß. Dazu müssen wir beitragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    An welchem Ort, in welcher Stadt könnte das Bewußtsein von der Einheit der deutschen Nation eindrucksvoller und wirksamer wachgehalten werden als in und mit Berlin.
    Wenn wir also von der Fortentwicklung der konstruktiven Ansätze sprechen, dann heißt das zäher Bodengewinn auf dem steinigen Pfad der kleinen Schritte, hin zu mehr Durchlässigkeit, Begegnungen und menschlichen Erleichterungen. Allerdings muß klar sein: Solange die DDR ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, solange sie beispielsweise nicht von der Erhöhung des Zwangsumtauschs abgeht, können keine neuen Vereinbarungen mit ihr abgeschlossen werden. Ich hoffe, daß Ihr Schweigen zu diesem Punkt nicht schon wieder ein Zurückweichen der Bundesregierung von ihrem eigenen ursprünglichen Kurs signalisiert. Dort würden Sie uns nicht mehr auf Ihrer Seite finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über Polen, unsere Sympathie dem polnischen Volk und jenen gegenüber, die die Rechte der Arbeitnehmer dort vertreten, ist das Richtige schon gesagt worden. Ich will dazu nichts mehr sagen außer dem einen — daran zu denken und daran zu appellieren muß unsere Pflicht sein und ist unsere Pflicht —: Wenn wir Hilfe an Polen geben, müssen auf der anderen Seite auch verbindliche Abmachungen zugunsten der dort lebenden Deutschen und der zügigen Bearbeitung ihrer Aussiedlungsanträge erfolgen. Auch dies kann nicht unterschlagen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Corterier?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Gerne!