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ID0900602000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/6 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 6. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Italien 45 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Berger (Berlin) und Ronneburger 45 B Erweiterung der Tagesordnung 45 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Kohl CDU/CSU 45 B Brandt SPD 57 C Hoppe FDP 68 C Dr. Zimmermann CDU/CSU 75 C Genscher, Bundesminister AA 83 B Bahr SPD 91 D Dr. Wörner CDU/CSU 97 C Dr. Ehmke SPD 105D Möllemann FDP 108 A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 114C Dr. Holtz SPD 120 B Pieroth CDU/CSU 122 D Dr. Vohrer FDP 124C Präsident Stücklen 91 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen — Drucksache 9/10 — 75A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Einsetzung von Ausschüssen — Drucksache 9/11 — 75 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses — Drucksache 9/16 — 75B Nächste Sitzung 126 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 127* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 6. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1980 45 6. Sitzung Bonn, den 26. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Dr. Vohrer * 26. 11. Frau Dr. Wisniewski 26. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Friedrich Zimmermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nein, danke; jetzt muß ich in meiner Rede fortfahren. Ich bitte um Nachsicht.
    Das war gerade ein Lehrstück für sozialistische Ökonomie, das wir hier geboten bekommen haben.

    (Wehner [SPD]: Mit zwei „e"!)

    — Nicht mit zwei „e", sondern mit „eh", Herr Kollege Wehner.
    Meine Damen und Herren, es fällt auf, daß die Regierungserklärung die verschiedenen sozialen Gruppen in diesem Land unterschiedlich behandelt und unterschiedlich zur Kasse bittet. Die freundlichen Worte an die Adresse der Gewerkschaften sollen offenbar vergessen machen, wie stark der Arbeitnehmer neu belastet wird und daß von den DGB-Wahlprüfsteinen, die von der SPD vor der Wahl doch positiv bewertet wurden, rein gar nichts mehr übriggeblieben ist, überhaupt nichts.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Um so verwunderlich ist allerdings dies: Als einzige der zahlreichen Institutionen, Verbände und Gruppen, die sich zu dieser Regierungserklärung geäußert haben — als allereinzigste —, ist der DGB — nicht die IG Metall; die war sehr kritisch — übriggeblieben. Man kann daran ermessen, wie nah die Verbindung sein muß.
    Was die Rentner angeht, so können sie entnehmen, daß ihnen die Zukunft höhere finanzielle Opfer auferlegt.
    Auf die deutsche Landwirtschaft ist nur negativ Bezug genommen worden, versteckt in mehreren Punkten, damit es nicht so auffällt. Die Bauern haben von dieser Regierung gar nichts zu erwarten, schon gar keine Anerkennung für das, was sie für die Pflege der Kulturlandschaft geleistet haben, von der Versorgung einmal ganz abgesehen. Die Tendenz, vom bäuerlichen Familienbetrieb zur Industriefarm zu kommen, ist unverkennbar. Der Landwirtschaftsminister dieser Regierung ist nur zu bedauern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und die Bauern!)

    — Noch mehr die Bauern in unserem Land. Aber die Bauern in unserem Land wird die CDU/CSU nicht alleinlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Im Bereich der Innenpolitik läßt die Regierungserklärung mehr Fragen offen, als sie beantwortet.
    Was heißt beispielsweise: „Wir wollen keine Extremisten im Staatsdienst. Wir wollen aber auch keine Opportunisten und Angepaßte."? Ist das vielleicht ein Gegensatz?
    Die Verwässerung der wirksamen Antiterrorgesetze und die Öffnung des Staatsdienstes für Extremisten sind nicht geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu verstärken. Es ist der Bevölkerung nur schwer begreiflich zu machen, daß bei einer Zunahme der Gewaltverbrechen, vor allem der Kindesentführungen, die Bundesregierung die Möglichkeit der Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe erweitern will.
    Der Bundeskanzler ist auch auf die Medienlandschaft eingegangen. Ich kann mich nur wundern, daß man hier starr an Strukturen festhalten will, die zu einer Zeit entstanden sind, als es moderne Kabeltechnik und Bildplatte noch nicht gab.
    Gerade im Medienbereich muß es wieder mehr Freizügigkeit geben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Es gibt im Gegensatz zur Meinung des Bundeskanzlers eben keine Zunahme der Fernsehberieselung. Untersuchungen des ZDF haben festgestellt, daß wir einen beginnenden Zuschauerschwund vor uns haben und daß es Ermüdungserscheinungen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Programmen gibt.

    (Zurufe von der SPD: Löwenthal! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich vermag deshalb nicht einzusehen, wieso ein breiteres Angebot an den Bürger, den j a gerade diese Regierung so gern als den mündigen bezeichnet, schlecht sein soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und was die Finanzierung der Verkabelung — auch darüber hat der Bundeskanzler gesprochen — angeht: Es genügt ein Blick zum österreichischen



    Dr. Zimmermann
    Nachbarn, wie es dort gemacht wird. Wer sich verkabeln läßt, der zahlt dafür. Eine einfache und sehr leicht durchzuführende Regelung!
    Im Bereich des Wohnungsbaus ist die Bundesregierung eigentlich jede Antwort schuldig geblieben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Trostlos!)

    Den Studentenwohnheimbau schiebt sie auf die Länder ab. Wenn schon öffentliche Mittel im notwendigen Umfang nicht mehr bereitgestellt werden können, bleibt es unsere Pflicht, im Wohnungsbau den privaten Anlieger wieder zu gewinnen. Wen denn sonst? Einen Dritten gibt es doch nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Die Jusos!)

    Die öffentliche Wohnungsbauförderung hat durch die SPD/FDP-Koalition ihre soziale Treffsicherheit verloren und ihre wirtschaftliche Leistungskraft eingebüßt. Die Bundesregierung wird jedoch am Problem der steigenden Wohnungsnot — nicht nur der Studenten — auf die Dauer nicht vorbeikommen.
    Der Bundeskanzler hat die Bildungspolitik angesprochen und dabei versucht, Niedersachsen gegen Bayern auszuspielen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Wenn er so schön sagt, der Wille der Eltern müsse respektiert werden, dann muß er das bitte an seine Parteifreunde in Nordrhein-Westfalen weitergeben, wo es eine klare Volksabstimmung in Sachen Koop gegen die Gesamtschule gegeben hat und wo die SPD trotzdem das Votum der Eltern ignoriert.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    An dieser Stelle darf ich eine persönliche Bemerkung machen.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann, .es liegt wieder eine Wortmeldung zu einer Zwischenfrage vor.

(Dr. Zimmermann [CDU/CSU]: Tut mir leid!)

Gilt es generell, daß Sie bis zum Ablauf Ihrer Rede keine Zwischenfragen zulassen?

(Unruhe bei der SPD und der FDP)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Zimmermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Es gilt jetzt generell. Die anderen Fraktionen und ihre Redner haben genügend Zeit, sich nachher mit meinen Ausführungen auseinanderzusetzen. Ich habe nicht so viel Zeit, wie die Redner des heutigen Vormittags hatten — mit Recht hatten; da muß es gewisse Abstufungen geben. Deswegen muß ich bitten, meinen diesbezüglichen Wunsch zu respektieren.
    Meine persönliche Bemerkung stellt einfach die Frage, ob das Hinundherexperimentieren mit der Gesamtschule in den letzten Jahren sich gelohnt hat. Ich bezweifle es. Ich glaube, daß wir mit einem sauber gegliederten Schulwesen und mit Übergangsmöglichkeiten von einer Schulart zur anderen insgesamt besser gefahren wären. Die Probleme für Kinder, Lehrer und Eltern wären geringer. Wir sollten uns — das gilt für uns alle, auch für meine eigenen Freunde — nicht scheuen, die Reform zu reformieren. Hier sollten die Bildungspolitiker aller Parteien eine Zukunftsaufgabe sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Daweke [CDU/CSU])

    Der Bundeskanzler hat seine Regierungserklärung mit einigen grundsätzlich gemeinten Formulierungen zur internationalen Lage, zur Stellung Deutschlands in der Welt eingeleitet. Vielem davon kann man zustimmen, auch den geäußerten vier Grundlinien der Außenpolitik. Es ist richtig, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Sicherheit nur im Atlantischen Bündnis finden kann. Es ist auch richtig, internationale Gespräche mit dem Ziel der Abrüstung zu führen. Wir stehen jedoch vor der Situation, daß die Sowjetunion das militärische Gleichgewicht in Europa zu ihren Gunsten verschoben hat und täglich weiter verschiebt. Wir stehen vor der Situation, daß die Sowjetunion ihren Einflußbereich in der Welt ausdehnt und damit den Frieden gefährdet. Wir stehen vor der Situation, daß die Sowjetunion den Nachbarstaat Afghanistan militärisch besetzt hat und einen Ausrottungsfeldzug gegen die Bevölkerung führt, wie sich in diesen Tagen wieder beweist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das sind die Realitäten; an denen kommt niemand vorbei. Der Westen muß eine Antwort finden. In den USA ist ein Umdenkungsprozeß im Gange. Dem Bundeskanzler ist das in seinem Gespräch mit dem künftigen amerikanischen Präsidenten sicher nicht entgangen. Im Gegensatz zu früheren Belehrungen an die Vereinigten Staaten über die Notwendigkeit einer Unterzeichnung von SALT II fallen seine Außerungen in dieser Regierungserklärung wesentlich zurückhaltender aus. Mit Interesse habe ich auch vernommen, daß der Bundeskanzler im Gespräch mit Präsident Reagan vom Begriff der Entspannung abgerückt sein soll und statt dessen lieber von Gleichgewicht redet. In der Regierungserklärung stehen beide Begriffe nebeneinander. Ich glaube, der Begriff der Entspannung ist in den letzten zehn Jahren derart mystifiziert worden, daß er die Realitäten heute nicht mehr ausreichend umschreibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein prominenter Neutraler, der Chef der Österreichischen Kriegsakademie, General Kuntner, spricht in einem lesenswerten Artikel von der Entspannung als „Fortsetzung der Spannung mit anderen Mitteln". Ich will mir das nicht zu eigen machen, aber der Begriff der Entspannung hat Illusionen über einen Grad der Ost-West-Beziehungen geweckt, der unerreichbar bleiben muß, solange sich die Politik der Sowjetunion nicht ändert. Das ist doch der allein entscheidende Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was wir tun können, was wir tun müssen, ist ein unablässiges Bemühen um eine Minderung der Spannungen und ein friedliches Nebeneinander.



    Dr. Zimmermann
    Franz Josef Strauß hat in seinem Buch „Gebote der Freiheit" von einem Dreiklang deutscher Politik gesprochen, von Sicherheit, Frieden und Freiheit. Diese drei Faktoren werden unsere Zukunft bestimmen. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wenn wir dabei nur auf Europa sehen würden. Es gibt in der Welt heute keine isolierten Zonen mehr; der Krieg zwischen den Ölförderländern Irak und Iran zeigt das deutlich. Europa steht ziemlich hilflos daneben, obwohl wir existentiell berührt werden, wenn die Ölversorgung unterbrochen wird. Die Präsenz der Vereinigten Staaten in dieser Region dient doch auch unseren Sicherheitsinteressen.
    Im Wahlkampf gab es eine überhitzte Diskussion um etwaige Soldaten am Golf. Das liegt weit ab von den realen Gegebenheiten.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Jetzt auf einmal!)

    Aber richtig ist, daß der Westen eine Antwort auf das sowjetische Eindringen in diese Region finden muß, daß wir nicht unbeteiligter Zuschauer sein können. Unser Schwerpunkt liegt in Europa, genauer: in Mitteleuropa. Aber vielleicht müssen wir dort zusätzliche Aufgaben übernehmen, wenn andere für uns in einer lebenswichtigen Region ihre und unsere Aufgaben gemeinsam übernehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In dieser Beziehung — Helmut Kohl hat es heute schon gesagt — war diese Drei-Prozent-Diskussion von einer miserablen Wirkung. Nachträgliche Manipulationen schaden dem Bündnis, schwächen die Verteidigungskraft und signalisieren der Sowjetunion, daß ihre Politik des Abwartens statt Abrüstens eine erfolgreiche Strategie sein kann.
    Im übrigen ist es falsch, daß unsere Verteidigungsaufwendungen in den letzten Jahren um knapp 3 % — so wörtlich — real gestiegen sind. Und es ist zuwenig, wenn sich die Bundesregierung um den gleichen Anstieg — so wörtlich — bemühen will. Hier werden wir die Bundesregierung aus ihren Zusagen nicht entlassen; denn die Weltlage hat sich leider nicht gebessert. Ist die Bedrohung geringer, die Sowjetunion defensiver geworden? Haben die Russen eine einzige SS-20 abgebaut?
    Es schafft daher wenig Vertrauen im Bündnis, wenn aus der SPD heraus gegen den Verteidigungshaushalt polemisiert wird und ein sehr prominenter SPD-Politiker in diesen Tagen gemeint hat, ein starres Festhalten am NATO-Beschluß sei „ganz dummes Zeug". Die Bundesregierung kannte doch wohl schon vor dem 5. Oktober die Finanzlage und bessert jetzt den Haushalt mit neuen Steuereinnahmen auf. Es drängt sich der Verdacht auf, daß es Kräfte in der SPD gibt, die den Verteidigungshaushalt aus ideologischen Gründen kürzen wollen. Es hat sich dem Vernehmen nach dort eine eigene parlamentarische Linke als neue Gruppe konstituiert. Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn internationale Verpflichtungen zum Spielball innerparteilicher Gruppenkämpfe würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit Befriedigung haben wir gehört, daß der Bundeskanzler die Soldaten der Bundeswehr gegen die Angriffe der letzten Zeit in Schutz genommen hat. Das Echo in seiner eigenen Fraktion ist leider sehr gering gewesen.

    (Zuruf von der SPD: Stimmt nicht! — Dr. Hupka [CDU/CSU]: Doch!)

    Es ist eine schlimme Tatsache, daß an den Demonstrationen gegen die Bundeswehr auch Sozialdemokraten teilgenommen haben. Es ist auch eine Tatsache, daß, während der Verteidigungsminister im Beisein des Kanzlers auf dem Bonner Marktplatz zu jungen Soldaten sprach, in Bad Godesberg die SPD unter Beteiligung von Mitgliedern dieses Hauses

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ehmke!)

    zu einer Diskussion um die Zweckmäßigkeit dieser Veranstaltung eingeladen hatte.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Wenn Sie nur dagewesen wären, dann hätten Sie was gelernt! — Zurufe von der CDU/CSU: Ehmke!)

    — Der kommt noch dran.
    Dabei bezeichnete der Juso Vorsitzende Piecyk das öffentliche Gelöbnis als ein „Spektakel". Es diene — so wörtlich — „wie bei der Nationalen Volksarmee der DDR nur der Selbstdarstellung reaktionärer Militärs".

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Das Mitglied dieses Hauses, der SPD-Abgeordnete Hansen verstieg sich zu der Behauptung, die Bundeswehr sei eine „CDU-Gründung", und dieser „Geburtsmakel" hafte ihr immer noch an.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Woher haben Sie denn diese Weisheit?)

    Da berührt es eigenartig, nachdem sich der Herr Kollege Brandt heute auf die Verdienste von drei SPD-Verteidigungsministern berufen hat, wenn man solche Worte aus der SPD-Fraktion dieses Hauses im Jahre 1980 hört.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Und das Ganze wurde moderiert von dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Zwischenrufer Ehmke.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    — Ja, das ist unerhört, daß man sich da solche Zwischenrufe zu machen traut, Kollege Ehmke.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Das ist nur ein Beleg, meine Damen und Herren, von vielen anderen Belegen, die hier angeführt werden könnten, um das gestörte Verhältnis von vielen SPD-Leuten zur Bundeswehr auszuleuchten.
    Wenn der Staat in der Frage der öffentlichen Gelöbnisse zurückzieht, wie es in dieser Regierungserklärung angedeutet wird, dann wird sich der Staat in der Zukunft noch weiter zurückziehen müssen.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Für Sie ist Sturheit gleich Staat!)




    Dr. Zimmermann
    Es geht doch überhaupt nicht um Gelöbnisse; es geht darum, diesen demokratischen Staat zu treffen. Gestern waren es die Atomkraftwerke, heute ist es die Bundeswehr, morgen werden es andere Institutionen des Staates sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir die Bundeswehr jetzt alleinlassen, muß das Auswirkungen auf die Moral der jungen Soldaten haben. Künftige Wehrpflichtige werden ebenso verunsichert werden wie Reservisten. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, daß sich immer mehr junge Leute fragen werden, ob sie unter diesen Umständen Wehrdienst leisten wollen. In dieser Lage kündigt die Bundesregierung erneut an, die Kriegsdienstverweigerung zu erleichtern — unter „Ausschöpfung des verfassungsmäßigen Rahmens", wie es schönfärberisch heißt. Diesen Weg wird die Union nicht mitgehen.
    Mit Recht hat die Bundesregierung der Deutschland- und Berlinpolitik ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Bundeskanzler ist dabei auch auf die bestehenden Abgrenzungsmaßnahmen der DDR-Führung eingegangen. Er sieht darin einen schweren Rückschlag für alle Deutschen. Darin pflichten wir ihm bei. Er will sich damit nicht abfinden. Auch hier stimmen wir zu. Was heißt es aber, wenn der Bundeskanzler dann Zusammenarbeit gegen Abgrenzung setzen will? Er kann doch wohl nicht meinen, jetzt die Politik der offenen Hand ohne Wenn und Aber fortführen zu können, egal, wie die DDR reagiert. Wir können nach den Abgrenzungsmaßnahmen der DDR doch nicht vom bloßen Bedauern zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen eine angemessene Antwort finden, wenn wir die Chance haben wollen, wieder zu einem geordneten Verhältnis mit der DDR zu kommen. Schließlich war es die Bundesregierung, die Jahr um Jahr die erheblichen finanziellen Leistungen der Bundesrepublik Deutschland mit mehr menschlichen Beziehungen begründet hat. Man kann sich auch nicht auf Vertragseinhaltung auf unserer Seite herausreden, wenn die andere Seite diese Verträge mehrfach erheblich verletzt hat.
    Sechs Wochen nach Inkrafttreten des erhöhten Zwangsumtausches ist der Besuch der West-Berliner im Ostteil um 62 % zurückgegangen. Das ist in der Tat ein schwerer Rückschlag. Die Wochenzeitung „Die Zeit" hat vor einem Monat auf notwendige Gegenmaßnahmen der Bundesregierung hingewiesen. Joachim Nawrocki: Es wäre eine angemessene Antwort, den Besuchern in Ost-Berlin und der DDR den erhöhten Zwangsumtausch voll zu erstatten und die Gelder dafür bei den Zahlungen an die DDR abzuziehen. Dafür kämen in Frage die Pauschale für die Straßenbenutzungsgebühr, die Swing-Regelung und eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für die DDR im innerdeutschen Handel. Möglichkeiten gibt es.
    Es gibt noch einen gewichtigeren Grund, warum die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen übergehen muß. Wenn es stimmt — und die Bundesregierung behauptet es —, daß die Abgrenzungsmaßnahmen nur auf Druck Moskaus erfolgten, so muß man der DDR die Chance geben, Moskau zu beweisen, daß sie, die DDR, in Schwierigkeiten kommt, wenn sie der Moskauer Weisung folgt. Gerade wer für bessere innerdeutsche Beziehungen ist, muß — so paradox das klingen mag — jetzt Gegenmaßnahmen beschließen. Wer für bessere innerdeutsche Beziehungen ist, muß jetzt Gegenmaßnahmen beschließen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist mir aufgefallen, daß der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung das Grundgesetzgebot der Wiedervereinigung Deutschlands nicht angesprochen hat. Allein das „Bewußtsein von der Einheit der deutschen Nation" ist zu wenig. Das Ziel bleibt die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit. So steht es im Grundgesetz, so steht es im Brief zur deutschen Einheit, der von der Bundesregierung anläßlich der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages der Sowjetunion übergeben wurde, und so steht es im Verfassungsgerichtsurteil zum Grundlagenvertrag mit der DDR. So muß es auch bleiben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Merkwürdig berührt hat mich der Ausspruch des Kanzlers, er und der SED-Chef Honecker — so wörtlich — „konnten für alle Deutschen sprechen, daß von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf".

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Wie ist das zu verstehen, Herr Bundeskanzler? Sie sprechen als Kanzler nicht nur für die Bürger, die Sie gewählt haben, Sie sind auch Kanzler der anderen, von jedem Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Das ist unser gemeinsames Verfassungsverständnis. Aber für wen spricht Herr Honecker, für das SED-Politbüro oder für die 17 Millionen Deutschen in der DDR? Schickt nicht die DDR-Führung ihre Militärberater zur Kriegsführung in alle Welt? War sie nicht bei der Besetzung der CSSR dabei? Wie geht es mit Polen weiter?

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Was heißt es, Sie wollten „die DDR nicht bevormunden", wo Sie es bei einem uns sehr weit entfernten Land wie der Republik Südafrika ausdrücklich tun?
    Nein, das ist keine überzeugende Deutschlandpolitik. Die Union hat Ihnen in dieser Frage und darüber hinaus die Bestandsaufnahme angeboten. Sie haben das abgelehnt. Auch in der Regierungserklärung gibt es nicht einmal den Versuch eines Ansatzes von Gemeinsamkeiten mit uns. Ich stelle das fest; wir müssen uns darauf einstellen.
    Meine Damen und Herren, diese Regierungserklärung war eine Enttäuschung und keine erfolgversprechende Arbeitsgrundlage für die Bundesregierung. Das weiß der Bundeskanzler selbst; sonst hätte er nicht gesagt, daß er nur „Grundzüge" vortragen könne. Die Bundesregierung hat das Kunststück fertiggebracht, sich trotz einer höheren Zahl von Abgeordnetensitzen von der Bevölkerung schon in den ersten vier Wochen zu isolieren. Die fehlende Wahrhaftigkeit vor der Wahl führt nach der Wahl zur Bürgerferne. Die Bundesregierung will weiter machen. Das ist ihr Recht, und dazu hat sie Mandat



    Dr. Zimmermann
    und Mehrheit Aber um weiter handeln zu können, braucht sie Gestaltungskraft und Zielvorstellungen. Beides ist sie schuldig geblieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei der Koalition dominieren Gleichmut, Unmut, Mißmut, Schweigen, wie es der „Kölner Stadtanzeiger" schrieb. Statt Aufbruchstimmung Abbruchstimmung. Der Parteifreund Eppler bezweifelt, daß Sie, Herr Bundeskanzler, die geistige Führung der Bundesrepublik Deutschland für Ihre Aufgabe halten und empfiehlt bereits den Nachfolger. Ihre Rede war ohne jede Perspektive für die 80er Jahre. Den Alptraum eines rapiden Verfalls seit dem 5. Oktober haben Sie nicht bannen können. So ergibt sich ein paradoxes Bild: eine Regierung, in den Wahlen gestärkt, nach den Wahlen geschwächt, so schreibt es die „Süddeutsche Zeitung". Dem ist nicht viel hinzuzufügen.
    Trotzdem, trotz dem allen sage ich: In den Fragen der nationalen Existenz sind wir von der CDU/CSU zur loyalen Zusammenarbeit bereit.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Corterier [SPD]: Nach der Rede ist das ein Witz!)

    Es wird an der Regierung liegen, zu beweisen, daß Ihnen an dieser Zusammenarbeit liegt, und zwar nicht als Lückenbüßer, sondern wirklich und unvoreingenommen. Wir erwarten Ihre Angebote, im Interesse und für die Zukunft des deutschen Volkes.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] [eine Druckschrift der CSU vorweisend]: Wollen Sie diese Schmähschrift aufrechterhalten, Herr Verleumder?)