Rede von
Dr.
Annemarie
Renger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüße ich die Konvention gegen Geiselnahme ohne Einschränkungen. Zugleich möchte ich der Bundesregierung und insbesondere Herrn Bundesaußenminister Genscher für die Initiative in den Vereinten Nationen danken. Wir sehen immer wieder, wie wichtig es ist, daß wir in dieser großen weltweiten Organisation vertreten sind.
Die Konvention steht in einer Reihe mit den Bemühungen der Bundesregierung um die Eindämmung der Todesstrafe, um eine Konvention gegen die Folter, um das Verbot besonders grausam wirkender Waffen und um die europäische Terrorismuskonvention. Auch die Zusatzprotokolle vom Dezember 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949, die den Schutz für die Opfer bewaffneter Konflikte ausbauen, gehören in diesen Zusammenhang.
Allen diesen Abkommen ist, wie auch der vorliegende Gesetzentwurf hervorhebt, gemeinsam, daß nicht nach Motiven und Gründen einer Tat gefragt wird, sondern daß allein darauf abgestellt wird, ob sie besonders unmenschlich sind. Niemand — kein Staat und keine Organisation, weder im regulären Krieg noch im Befreiungskrieg — darf unmenschliche Repressalien ergreifen. Eine Geiselnahme ist nie gerechtfertigt; sie ist immer zu verurteilen.
Wir müssen da Gemeinsamkeiten suchen, meine Damen und Herren, wo Übereinstimmung möglich ist. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf ein besonders gutes Ergebnis. Wir müssen in den Vereinten Nationen immer die Wege beschreiten, die auch wirklich Erfolg bringen, weil ja natürlich noch sehr viele Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. So haben die VN die Geiselnahme von der verfahrenen Terrorismusdebatte, so darf man wohl sagen, abgetrennt und konnten sich dann über die besondere Verwerflichkeit dieses Gewaltakts der Geiselnahme verständigen. Wer eine universelle Regelung in der UNO finden will, der muß eben Zugeständnisse machen.
Außenminister Genscher sprach vor der 31. Generalversammlung vom „notwendigen Kampf gegen die neuen nichtstaatlichen Formen der Gewalt", die mit eingeschlossen sein sollten, wie das in dieser Vorlage der Fall ist.
Gegenwärtig sieht es so aus, als hätte die Spielart der Geiselnahme — sicherlich auch wegen dieser Konvention, der die Dritte Welt und die Ostblockstaaten zugestimmt haben — bis auf wenige aktuelle, allerdings besonders eklatante Fälle etwas nachgelassen. Wir stehen jetzt im Iran, aber auch in Libyen vor der Tatsache des Staatsterrorismus, der Geiselnahme von Staats wegen. Meine Damen und Herren, ich warte immer noch jeden Tag darauf, daß uns über Radio oder Fernsehen gerade aus dem Iran
bessere Nachrichten über die Freilassung und die Zurückführung der Geiseln in ihr Heimatland erreichen.
Die Konvention gegen Geiselnahme ist nicht unbedingt dem Buchstaben nach, aber doch dem Geiste nach auch für alle Geiselnahmen von Bedeutung. Es ist eine Art Gratwanderung, auf der wir uns auf diesem Felde befinden, weil natürlich über die verschiedenen Organisationen und Maßnahmen unterschiedliche Auffassungen bestehen. Aber wer Geiseln nimmt — das möchte ich ausdrücklich betonen —, stellt sich außerhalb der humanen und zivilisierten Menschheit.
Geiselnahme ist weder unter politischen noch unter religiösen oder ideologischen Gesichtspunkten vertretbar. Die Rettung der Menschenleben — so sagt auch die Konvention — hat natürlich bei all den Problemen und Situationen unbedingten Vorrang.
Dazu ist es manchmal nötig, die Vorgänge atmosphärisch zu entdramatisieren, ohne das Unrecht natürlich zu sanktionieren, um überhaupt ins Gespräch zu kommen. Der Rechtsbrecher darf jedoch nicht den Eindruck haben, noch belohnt zu werden. Sein Rezept darf nicht Beispiel machen für andere, indem das Verbrechen einfach so hingenommen wird.
Die Konvention gegen Geiselnahme geht diesen schwierigen Weg. Die Regierungen sind gut beraten, sich daran zu halten. Alles hängt davon ab, meine Damen und Herren — in diesem Hause stimmen wir sicher darin überein —, daß es uns gelingt, die Ansätze einer Weltmeinung, daß Regeln im Interesse der internationalen Beziehungen eingehalten werden müssen, unabhängig von Ideologie, Politik und religiöser Motivation, zu verstärken. Wir tun dies mit der Ratifikation des uns vorliegenden Gesetzentwurfs. Ich hoffe, daß ihm alle Kollegen die Zustimmung geben werden. — Herzlichen Dank.