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ID0822202600

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    Plenarprotokoll 8/222 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 222. Sitzung Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 Inhalt: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 17943 A Dr. Kohl CDU/CSU 17947 B Genscher, Bundesminister AA 17955 C Bahr SPD 17961 A Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 17968 B Hoppe FDP 17974 B Nächste Sitzung 17976 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17977* A Anlage 2 Defizit an Mietwohnungen in den Jahren 1976 bis 1979 und sich daraus ergebende fehlende Steuereinnahmen SchrAnfr B 170 06.06.80 Drs 08/4147 Kolb CDU/CSU SchrAnfr B44 06.06.80 Drs 08/4147 Kolb CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau 17977* C Anlage 3 Unterstützung von Forschungsmaßnahmen zur Einsparung von Heizenergie durch Bepflanzung von Flachdächern mit Gras SchrAnfr B163 06.06.80 Drs 08/4147 Zywietz FDP SchrAnfr B164 06.06.80 Drs 08/4147 Zywietz FDP SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 17978* A Anlage 4 Verbesserung des Mieterschutzes vor Modernisierungsverdrängungen SchrAnfr B165 06.06.80 Drs 08/4147 Dr. Riedl (München) CDU/CSU II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 SchrAnfr B166 06.06.80 Drs 08/4147 Dr. Riedl (München) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 17978`C Anlage 5 Förderung eines unabhängigen Produktinformationssystems im Baugewerbe SchrAnfr B167 06.06.80 Drs 08/4147 Conradi SPD SchrAnfr B168 06.06.80 Drs 08/4147 Conradi SPD SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 17979* A Anlage 6 Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren durch Novellierung des § 147 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes SchrAnfr B169 06.06.80 Drs 08/4147 Dr. Laufs CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 17979* C Anlage 7 Beschleunigung der Bearbeitung unerledigter Bebauungspläne SchrAnfr B171 06.06.80 Drs 08/4147 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 17979* D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 17943 222. Sitzung Bonn, den 17. Juni 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 17. 6. Dr. van Aerssen * 19. 6. Dr. Ahrens ** 19. 6. Dr. Aigner * 19. 6. Alber * 19. 6. Amrehn 19. 6. Angermeyer 17. 6. Dr. Bangemann * 19. 6. Dr. Barzel 18. 6. Berger (Lahnstein) 17. 6. Dr. Biedenkopf 19. 6. Blumenfeld * 19. 6. Brandt * 19. 6. Büchner (Speyer) ** 19. 6. Dr. Dollinger 19. 6. Erpenbeck 19. 6. Fellermaier * 19. 6. Frau Dr. Focke * 19. 6. Friedrich (Würzburg) * 19. 6. Dr. Früh * 19. 6. Dr. Fuchs * 19. 6. Frau Geier 17. 6. Gerster (Mainz) 17. 6. Glos 17. 6. Dr. Gradl 17. 6. Haar 19. 6. Haberl 17. 6. von Hassel * 19. 6. Dr. Haussmann 17. 6. Frau Huber 17. 6. Graf Huyn 17. 6. Dr. Jenninger 17. 6. Frau Karwatzki 17. 6. Katzer * 19. 6. Dr. h. c. Kiesinger 19. 6. Dr. Klepsch * 19. 6. Dr. Köhler (Duisburg) * 19. 6. Dr. Kreile 19. 6. Kroll-Schlüter 17. 6. Lampersbach 17. 6. Lange * 19. 6. Dr. Lenz (Bergstraße) 17. 6. Lücker * 19. 6. Luster * 19. 6. Dr. Mikat 17. 6. Dr. Müller ** 19. 6. Dr. Müller-Hermann * 19. 6. Neuhaus 19. 6. Dr. Pfennig * 19. 6. Pieroth 18. 6. Regenspurger 17. 6. Russe 17. 6. Dr. Schäuble ** 19. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Schinzel * 19. 6. Frau Schleicher * 19. 6. Schmidt (Kempten) 17. 6. Schmidt (Wattenscheid) 17. 6. Schmidt (Wuppertal) 17. 6. Dr. Schwencke (Nienburg) * 19. 6. Seefeld * 19. 6. Sieglerschmidt * 19. 6. Dr. Sprung 19. 6. Stockleben 19. 6. Voigt (Frankfurt) 19. 6. Walkhoff 19. 6. Frau Dr. Walz * 19. 6. Dr. Warnke 17. 6. Wawrzik * 19. 6. Weber (Heidelberg) 17. 6. Frau Dr. Wex 17. 6. Frau Dr. Wisniewski 17. 6. Wissmann 17. 6. Dr. Wörner 19. 6. Baron von Wrangel 17. 6. Würtz 17. 6. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kolb (CDU/CSU) (Drucksache 8/4147 Fragen B 170 und 44): Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Defizit an nicht gebauten Mietwohnungen der Jahre 1976, 1977, 1978 und 1979? Wie hoch sind die fehlenden Steuereinnahmen aus diesem Wohnungsdefizit zu veranschlagen, und welche steuerlichen Tatbestände werden dafür in Ansatz gebracht? Zu Frage B 170: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei der Beurteilung des Niveaus der Neubauproduktion Mietwohnungsbau und Eigentumsmaßnahmen nicht isoliert betrachtet werden können. Entscheidend ist der Beitrag dieser beiden sich ergänzenden Bereiche zur Verbesserung der Wohnungsversorgung insgesamt. In den Jahren 1976 bis 1979 wurden rund 1 530 000 Wohnungen fertiggestellt. Die Bundesregierung hält auf mittlere Sicht weiterhin eine Wohnungsbauproduktion von jahresdurchschnittlich rund 400 000 für erstrebenswert. Zu Frage B 44: Aus der Beantwortung der Frage B 170 wird deutlich, daß sich ein Defizit an neu gebauten Mietwohnungen nicht beziffern läßt. Demzufolge können auch keine quantifizierten Angaben über die Auswirkungen auf das Steueraufkommen gemacht werden. Es ist darauf hinzuweisen, daß eine höhere Zahl an neu gebauten Mietwohnungen nicht unbedingt zu höheren Steuereinnahmen geführt hätte. Der Neubau von Mietwohnungen hat nämlich sehr unterschiedliche Aufkommenseffekte: 17978* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 — Der Abzug von Schuldzinsen, Abschreibungen und sonstigen Werbungskosten führt in den ersten Jahren nach Baubeginn regelmäßig dazu, daß Verluste aus Vermietung und Verpachtung auftreten. Insofern führt der Neubau von Wohnungen zu Mindereinnahmen. — Andererseits stellt der Neubau von Mietwohnungen einen Produktionsvorgang dar, in dessen Vollzug sowohl Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit wie auch aus Unternehmertätigkeit und Vermögen entstehen. Mehreinnahmen bei der Lohnsteuer, der Einkommensteuer und den Produktionssteuern entstehen aber nur, wenn zusätzliche Bauaufträge auf eine verfügbare Produktionskapazität stoßen und zur Einstellung zusätzlicher Beschäftigter in der Bauwirtschaft führen. In Anbetracht der ausgelasteten Kapazitäten in der Bauwirtschaft in den letzten Jahren ist zu vermuten, daß diese Effekte gering zu veranschlagen wären. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zywietz (FDP) (Drucksache 8/4147 Fragen B 163 und 164): Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten, durch Bepflanzung von Flachdächern mit Gras Heizenergie im Wohnungsbau einzusparen? Ist die Bundesregierung bereit, bereits auf diesem Sektor bestehende Erkenntnisse durch weitere Forschungsmaßnahmen zu unterstützen? Zu Frage B 163: Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik werden für die Beurteilung des baulichen Wärmeschutzes (z. B. für die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten) eines Bauteiles nur die Schichten herangezogen, die innerhalb bzw. unterhalb der Feuchtigkeits-Sperrschicht liegen, da eine Durchfeuchtung von Bauteilschichten in der Regel zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wärmeschutzes führt. In gleicher Weise werden Bepflanzungen und zugehöriges Erdreich behandelt. Abweichende Ausführungen, bei denen eine Durchfeuchtung der Wärmedämmschicht möglich ist, bedürfen einer besonderen Zulassung. Bepflanzungen und Erdreich in den in Betracht kommenden üblichen Schichtdicken können demnach den so definierten Wärmeschutz nicht verbessern. Es trifft jedoch zu, daß Bepflanzungen und Erdreich auf Flachdächern die Temperaturschwankungen und -beanspruchungen mildern und damit auch die Schadensanfälligkeit bei geeigneten Dachausbildungen und geeigneter Baustoffwahl verringern können. Zu Frage B 164: Die Bundesregierung bemüht sich, durch Vergabe von Forschungsaufträgen technisch einwandfreie Lösungen für eine Begrünung von Wohnbauten zu klären und anschließend baupraxisnahe Information über die Forschungsergebnisse zu verbreiten. So wurde bereits im Jahre 1979 ein Forschungsauftrag erteilt, der ganz allgemein, die „Begrünung von Wohnbauten" untersucht. Das Ergebnis wird im Jahre 1981 vorliegen. In der Ausschreibung des Bauforschungsprogramms 1981 ist das Thema „Begrünung von Wohnbauten als Wind- und Wärmeschutz" aufgenommen worden. Die Thematik geht über die Bepflanzung von Flachdächern hinaus. Entsprechende Forschungsanträge hierzu werden im Herbst dieses Jahres beraten werden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 8/4147 Fragen B 165 und 166): Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung über die Verdrängung von Mietern im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen vor, und hält die Bundesregierung den gegenwärtigen Schutz der Mieter vor Modernisierungsverdrängungen für ausreichend? Welche gesetzlichen Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Mieter vor Modernisierungsverdrängungen hält die Bundesregierung gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der verstärkten Anstrengungen zur Modernisierung und Energieeinsparung sowie Stadterhaltung für vertretbar? In jüngster Zeit häufen sich Informationen über die Verdrängung von Mietern im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen. Modernisierungen dieser Art werden überwiegend außerhalb der öffentlichen Förderprogramme häufig in attraktiven, günstig gelegenen Altbaugebieten vorgenommen. Um genauere Informationen über den Ablauf und die Folgen intensiver Modernisierungen zu erhalten, hat der BMBau einen entsprechenden Forschungsauftrag vergeben, dessen Ergebnisse im Herbst vorliegen werden. Schon jetzt ist dabei deutlich geworden, daß viele Mieter die ihnen zustehenden Rechte nicht voll ausschöpfen. Hier können Beratung und Aufklärung, insbesondere auch durch die Gemeinden, kurzfristig helfen. Schon bei der Verabschiedung des Modernisierungsgesetzes im Jahre 1976 hat es Bemühungen gegeben, eine einheitliche Regelung der Duldungspflichten des Mieters herbeizuführen, die den Mietern auch die Möglichkeit eröffnen sollte, der Modernisierung im Hinblick auf die Mietfolgen zu widersprechen. Damals hat sich das Land Bayern gegen eine solche Einengung der Duldungspflichten des Mieters gewandt. Vor dem Hintergrund der inzwischen gewonnenen Erfahrungen wird zu Beginn der nächsten Legislaturperiode über eine Einschränkung und Vereinheitlichung der Duldungspflichten neu zu entscheiden sein. Ich hoffe, daß dann im Bundesrat auch eine Zustimmung des Landes Bayern zu entsprechenden Regelungen zu erzielen sein wird. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 17979* Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 8/4147 Fragen B 167 und 168): Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeitige Produktinformation im Bauwesen, und ist sie bereit, im Interesse der Nutzer und zur Bewältigung der Informationsflut im Bauwesen die schon 1973 in der „Enquete zur Bauwirtschaft" geforderte Entwicklung und den Aufbau einer von Bauproduktherstellern finanziell unabhängigen, bundeseinheitlichen und nach qualitativen Gesichtspunkten wertenden Produktinformation zu fördern? Ist die Bundesregierung bereit, die Entwicklung eines solchen Bauproduktinformationssystems durch Forschungsaufträge zu fördern und nach Abschluß der Entwicklung eines solchen Bauproduktinformationssystems ein Gremium unabhängiger Fachleute mit der Umsetzung in die Praxis zu beauftragen und im Aufbaustadium zu unterstützen? Zu Frage B 167: Zweifellos stellen die wachsende Informationsflut einerseits und die immer komplizierter werdenden ' Aufgaben andererseits die Planer und Bauausführenden vor schwierige Probleme. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Bauproduktinformationssysteme decken den Informationsbedarf nicht ab. Offenbar kann eine vollständige Erfassung aller Bauprodukte, ggf. sogar noch mit einer Wertung verbunden, nicht kostendeckend durchgeführt werden, so wichtig sie im Interesse der Nutzer auch sein mag. Die Bundesregierung verschafft sich derzeit durch die Vergabe von Forschungsaufträgen ein Bild von der Situation mit dem Ziel, nach vollständigem Abschluß der Untersuchungen geeignete Maßnahmen im Zusammenwirken mit allen Beteiligten einzuleiten. Die Frage nach einer Förderung von Entwicklung und Aufbau einer Bauproduktinformation durch die Bundesregierung kann deshalb noch nicht beantwortet werden. Für ein von Bauproduktherstellern finanziell unabhängiges bundeseinheitliches und nach qualitativen Gesichtspunkten wertendes Informationssystem werden außerordentlich hohe Kosten entstehen. Selbst bei starker Inanspruchnahme dieses Systems kann nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht erwartet werden, daß diese hohen Kosten durch entsprechende Einnahmen gedeckt werden können. Zu Frage B 168: Bereits 1973 ist ein erster Forschungsauftrag erteilt worden. Sein Ergebnis wurde 1976 in Heft 04.014 der Schriftenreihe des Ministeriums unter dem Titel „Verbesserung der Bauproduktinformation" veröffentlicht. In dieser Forschungsarbeit wurden Anforderungen an ein Bauproduktinformationssystem ermittelt und mehrere prinzipielle Lösungsmöglichkeiten vorgestellt. Im Rahmen eines 1975 erteilten Forschungsauftrages wurden Informationsnehmer und Informationsgeber eingehend über ihre derzeitige Praxis und ihre Verbesserungswünsche befragt. Die Untersuchungen stehen vor dem Abschluß und werden einen Querschnitt durch die — sehr unterschiedlichen — Meinungen des Bauwesens geben. Selbstverständlich ist die Bundesregierung bereit, bei Bedarf weitere Forschungsarbeiten zur Abklärung dieses wichtigen Gebietes zu vergeben. Nach Abschluß der noch laufenden Forschungsarbeit soll ein Gremium berufen werden, von dem sich die Bundesregierung Vorschläge für weitere Maßnahmen erhofft. Alle Aktivitäten auf diesem Gebiet bedürfen einer engen Abstimmung mit dem Fachinformationssystem Bauwesen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Laufs (CDU/CSU) (Drucksache 8/4147 Frage B 169): Ist die Bundesregierung bereit, eine entsprechende Novellierung des § 147 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes anzustreben, um die gesetzliche Ermächtigung zu schaffen, daß die Landesregierungen im Verordnungswege den Zustimmungsvorbehalt für Außenbereichsvorhaben auch auf Große Kreisstädte als Baugenehmigungsbehörde übertragen können, um so eine Entlastung der Regierungspräsidien herbeizuführen und für einen wichtigen Teilbereich das Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen und orts- und bürgernäher auszugestalten? Die Frage der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde bei nicht privilegierten Vorhaben im Außenbereich ist bereits in den Beratungen der „Beschleunigungsnovelle" im 15. Bundestagsausschuß erörtert worden. Die Auffassungen gingen dahin, daß im Hinblick auf die besondere Interessenlage bei Außenbereichsvorhaben eine Beteiligung der höheren Verwaltungsbehörde gerechtfertigt sei. Sie ermöglicht eine ausreichende Rechtskontrolle und verhindert nicht zuletzt einen zu starken Druck auf die Gemeinden bei Außenbereichsvorhaben. Es wird im übrigen noch darauf hingewiesen, daß die höhere Verwaltungsbehörde bereits nach geltendem Recht für bestimmte Fälle allgemein festlegen kann, daß ihre Zustimmung nicht erforderlich ist. Darüber hinaus ist die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde an eine Zweimonatsfrist gebunden; sie gilt als erteilt, .wenn sie nicht fristgerecht verweigert wird. Beide Regelungen können dazu beitragen, das Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Sperling auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/ CSU) (Drucksache (8/4147 Frage B 171): Kann die Bundesregierung aus ihrer Kenntnis den Erfahrungssatz von Kommunen bestätigen, daß viele Bebauungspläne deshalb nicht zügiger verabschiedet werden können, weil die Planung, für die freie Planer eingeschaltet werden können, nur ein Fünftel der Arbeit ausmacht, während vier Fünftel Verfahrensabwicklung sind, die die Kommunen allein machen müssen, da es sich dabei um eine Hoheitsaufgabe handelt, und welche gesetzgeberischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Stau unerledigter Bebauungspläne zügig abbauen zu helfen? Die Bauleitplanung ist Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. Das Bundesbaugesetz berechtigt und verpflichtet die Gemeinden, Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen, sobald und so- 17980* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Juni 1980 weit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die Aufstellung von Bebauungsplänen ist kein „technischer" Vorgang, sondern ein Verfahren der Rechtsetzung. Durch den Bebauungsplan wird die städtebauliche Ordnung und Entwicklung und damit auch die eigentumsrechtliche Situation im Plangebiet festgelegt. Mit dem Inkrafttreten wirkt der Bebauungsplan gegenüber jedermann; er ist Ortsrecht. Eine Übertragung des förmlichen, hoheitlichen Aufstellungsverfahrens oder von Teilen dieses Verfahrens an freie Planer ist als Übertragung hoheitlicher Aufgaben nicht zulässig. Nicht ausgeschlossen ist die interne vorbereitende und unterstützende Mitwirkung Privater, wie auch die Ausarbeitung von Bauleitplänen Dritten übertragen werden kann. Es ist allerdings nicht ersichtlich, wie durch die Einschaltung Dritter die Planverfahren als solche stärker beschleunigt werden können als wenn die Gemeinde sie selbst betreibt. Der Bundesregierung ist bisher auch nur bekanntgeworden, daß die Dauer der Planverfahren in erster Linie von den u. U. schwierig zu bewältigenden Planungsproblemen und den vorgeschriebenen, unverzichtbaren Beteiligungen, nicht zuletzt der Bürger, abhängt, die aber in der vorgesehenen Weise von allen politischen Kräften gewollt sind. Wie die Beratungen in der beim BMBau gebildeten Studiengruppe „Genehmigungsverfahren im Bauwesen", in der auch die Problematik der Beschleunigung des Bauleitverfahrens eingehend erörtert worden ist, gezeigt haben, sind die Ursachen der oft langen Dauer der Aufstellungsverfahren sehr vielschichtig. Soweit sie durch gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes zu beseitigen waren, ist dies bereits durch das Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 6. Juli 1979 (BGBl. I S. 949) erfolgt. Die Bundesregierung hat damit ihren Beitrag zur Beschleunigung der Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen geleistet.
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    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich möchte nur diesen Gedanken zu Ende führen.
    Es gibt genügend Faktoren — auch in anderen Regionen der Welt —, die nicht so beherrscht und kontrolliert sind wie die Angelegenheiten in Europa, die aber auf Europa wirken könnten — und dies ist unsere Sorge.
    Bitte sehr!


Rede von Carl Damm
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Bahr, ich greife auf, daß Sie sagten, in Europa sei der Friede sicherer geworden: Wie erklären Sie sich eigentlich, daß die Sowjets in den Jahren der Entspannung die gegen Europa gerichtete Rüstung gigantisch erhöht haben?

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    Rede von Prof. Egon Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, ich muß Ihnen darauf antworten, daß die Sowjetunion in den Zeiten der Nichtentspannung, also vorher zur Supermacht geworden ist.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie hat dann auch noch weiter gerüstet — das ist wahr —; zur Supermacht ist sie aber geworden, als Adenauer Bundeskanzler war, ohne daß wir ihm deshalb einen Vorwurf gemacht haben.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, wie sich die DDR in einer kritischen weltpolitischen Situation verhalten hätte, wenn es unsere Politik der Entspannung und der Verträge nicht gäbe, das kann ich mir jedenfalls vorstellen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, mit Ihrer Einstellung zur DDR, müßten sich doch das erst recht vorstellen können. Sie müßten doch heute, im Jahre 1980, in der Lage sein, zu sagen: Bei allem, was wir kritisiert haben — so schlecht ist es nicht, daß wir die Verträge haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben im Grundlagenvertrag die Verpflichtung beider Staaten, die Bemühungen um Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, insbesondere auf dem Gebiet der Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen, zu unterstützen, natürlich unter wirksamer internationaler Kontrolle. Sich über diese und andere Fragen zu konsultieren ist Inhalt einer Absichtserklärung gewesen, die nur sehr zögerlich praktiziert wurde. Inzwischen können wir feststellen, daß die DDR an den Verhandlungen in Wien beteiligt ist und daß der Gedankenaustausch auch über andere Fragen der Weltpolitik begonnen hat. Die Gefährdungen von draußen haben auch auf diesem Gebiet dazu geführt, daß beide Staaten ihr Interesse erkannt haben, negative Auswirkungen nach Möglichkeit zu vermeiden oder abzumildern. Und auch dies, meine Damen und Herren von der Opposition, ist etwas, was doch Ihre Zustimmung finden müßte.
    Daß die Begegnung des Bundeskanzlers mit Herrn Honecker in Belgrad die Möglichkeit zu einem Zusammentreffen in überschaubarer Zeit eröffnet hat, so wie das bereits Ende vergangenen Jahres vorgesehen war, wird von der Fraktion der SPD begrüßt. Ein solches Zusammentreffen wird deutlich machen, daß beide Staaten im Rahmen ihrer Bindungen ihren Beitrag dazu leisten wollen, einen bewährten Kurs fortzusetzen, der ihren Bürgern Vorteile gebracht und keinem Nachbarn geschadet hat.
    Im übrigen entspricht dies der beiderseitigen Überzeugung, daß beide Staaten sicherlich eine begrenzte, aber eben doch eine. unabweisbare Verantwortung für die Erhaltung des Friedens in der Mitte



    Bahr
    Europas haben. Das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten soll nicht mehr zu einer Quelle neuer Gefahren für Europa werden. — So dienen wir den Menschen in unserer Nation.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung über die Brüsseler Beschlüsse berichtet. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt beide Konsequenzen, die die Bundesregierung daraus gezogen hat.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Wie kann es anders sein!)

    Wir erkennen an, daß es diesen Beschluß im Interesse des Zusammenhalts der Europäischen Gemeinschaft in einer schwierigen Lage geben mußte. Wir erkennen an, daß die Bundesregierung das Gespräch mit den Ländern sucht, um in einem grundsätzlichen Versuch zu einem fairen Ausgleich der finanziellen Belastungen zu kommen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es kann kein Zweifel sein, daß der Bund in den letzten Jahren außenpolitisch stärker belastet worden ist, auch im Interesse der Konjunktur, im Interesse der Arbeitsplätze Lasten auf sich genommen hat,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Und eine miese Finanzpolitik betrieben hat!)

    wofür man ihn jedenfalls nicht beschimpfen sollte.
    Es wäre zu begrüßen, wenn die Stimmen der Gesprächsbereitschaft aus den Ländern, natürlich auch aus Ländern der CDU/CSU, auch mit begreiflichen Wenns und Abers versehen, zu einer unvoreingenommenen Prüfung führten.
    Sie werden es einem Sozialdemokraten übrigens nicht übelnehmen, wenn er gerade in der heutigen Situation daran denkt, daß wir die Finanzhoheit des Bundes im Grundgesetz einem politischen Kraftakt Kurt Schumachers verdanken. Er hat die Finanzhoheit des Bundes den drei Militärgouverneuren abgetrotzt,

    (Beifall bei der SPD)

    indem er die Zustimmung der SPD zum Grundgesetz davon abhängig gemacht hat. Es wäre schwer vorstellbar, wie z. B. der Aufbau der Bundeswehr ohne Finanzhoheit des Bundes möglich gewesen wäre — um nur ein Beispiel zu nennen, weil Sie so gerne von der Bundeswehr sprechen.
    Die sozialdemokratische Fraktion erkennt auch an, daß die Bundesregierung keinen Zweifel daran gelassen hat, daß sie die Verbrauchsteuern erhöhen müßte, wenn es nicht zu einer entsprechenden Vereinbarung mit den Ländern kommt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/ CSU])

    Dies ist der Bundesregierung sicher nicht leichtgefallen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Es kommt trotzdem!)

    Es ist auch der SPD nicht leichtgefallen, das zu hören. Aber es wäre dann wohl unausweichlich, und es ist jedenfalls klar.
    Wir möchten die Bundesregierung in ihrer Absicht bestärken, nicht nochmals einen Beschluß nach dem Muster des Brüsseler Beschlusses mitzutragen. Das System des Agrarmarkts muß reformiert werden, und zwar nicht nur, weil dieses System nicht auf Dauer finanzierbar wäre, sondern mindestens ebenso, weil es geeignet ist, insbesondere bei Arbeitnehmern und Verbrauchern, übrigens sogar bei unseren Bauern, den europäischen Gedanken zu diskreditieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere Jugend kann schwer verstehen, daß auf der einen Seite mit viel Geld Lebensmittel auf die doppelte Preishöhe des Weltmarkts hochsubventioniert werden, um unter Umständen Vorratsberge später zu denaturieren oder verbilligt auf dem Weltmarkt abzusetzen — und das -Ganze in einer Situation, in der die Erzeuger, nämlich unsere Landwirte, nur ganz begrenzt etwas davon haben; denn ihre Einkommenssteigerungen gehen zum guten Teil auf die Steigerung ihrer Produktion zurück. Daß wir ein hohes Maß von Preisstabilität auf dem Lebensmittel- sektor haben, kann sich der einzelne Landwirt anrechnen, ohne daß der Verbraucher wirklich davon profitiert.
    Fleiß und Erfolge unserer Landwirtschaft laufen mit einem europäischen Agrarmarktsystem parallel, das nicht funktionieren kann und im Grunde empören muß, wenn man außerdem daran denkt, daß Menschen in anderen Teilen der Welt hungern. Hier ist eine Änderung notwendig, damit die Europäische Gemeinschaft nicht in eine Dauerkrise kommt.

    (Zuruf von der [CDU/CSU]: Welche?)

    Die SPD wird jedenfalls auch eigene Anstrengungen zu einer Reform ausarbeiten, wobei wir wissen, daß Ergebnisse von Überlegungen und Verhandlungen erst 1982 wirksam werden können.
    Herr Kollege Kohl, Sie haben im Zusammenhang mit den Beratungen der europäischen Regierungschefs davon gesprochen, diese hätten traditionell oder wieder einmal vor wirklichen Entscheidungen gekniffen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ritz [CDU/CSU])

    Ich finde, daß jedenfalls wir als Sozialdemokraten die christdemokratischen Regierungschefs, die Sie dadurch mit angegriffen haben, vor solchen unqualifizierten Angriffen in Schutz nehmen sollten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ich meine natürlich sogar Frau Thatcher, obwohl sie sich nicht zu den Christdemokraten zählt.

    (Damm [CDU/CSU]: Da wird sie sich aber freuen! — Zuruf des Abg. Kittelmann [CDU/CSU] — Franke [CDU/CSU]: Josef Bahr, der neue Ernährungsminister!)




    Bahr
    Bei der Zusammenkunft der europäischen Regierungschefs in Venedig wurde eine Resolution zu den Problemen des Nahen Ostens verabschiedet. Daß die europäische Länder sich im Nahen Osten stärker engagieren sollten, ist ein Wunsch, den wir in den zurückliegenden Jahren von allen Beteiligten wiederholt gehört haben. In dem Maße, in dem die europäischen Länder dann ihren Standpunkt formuliert haben, sind sie allerdings zunehmend der Kritik ausgesetzt.
    Man muß feststellen, daß' die Nahost-Erklärung der Europäischen Gemeinschaft, die in Venedig formuliert worden ist, keine besonders positive Aufnahme gefunden hat, weder bei den Israelis noch bei den Arabern also bei denen, an die sie zuallererst adressiert war.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Noch bei Herbert Wehner!)

    Festzustellen ist gleichzeitig, daß sie am positivsten in Washington kommentiert worden ist, nachdem dort zuvor Sorgen formuliert worden waren.
    Ich denke, die Erklärung der Europäischen Gemeinschaft ist ohne Zweifel, wie aus dem Wortlaut hervorgeht, als eine Hilfe zur Lösung des NahostProblems gedacht, die leider nicht kurzfristig erreichbar erscheint. Daß sie von den Vereinigten Staaten, die zur Regelung des Nahost-Konflikts die Hauptverantwortung übernommen haben, so gesehen wird, zeigt, daß die in der europäischen Erklärung formulierten Auffassungen denen Washingtons näher sind als jenen, die heute in Jerusalem und in arabischen Hauptstädten vertreten werden. Mit anderen Worten: Die unterschiedliche Reaktion arabischer, israelischer und amerikanischer Seite zeigt, wie schwierig die Aufgabe ist und wie weit die Positionen der unmittelbar Beteiligten noch voneinander entfernt sind.
    Für die sozialdemokratische Fraktion hat es zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel gegeben, daß eine Regelung ohne die garantierte sichere Existenz des Staates Israel nicht denkbar ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies mit dem Selbstbestimmungsrecht der arabischen Palästinenser zu verbinden erscheint als der einzige Weg, der zu einer Lösung führen kann.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratische Partei hat auf ihrem Parteitag in Berlin dazu einen Beschluß gefaßt — übrigens einmütig —, in dem es heißt:
    Die SPD sieht in den Friedensvereinbarungen zwischen Israel und Ägypten einen wichtigen Schritt und erwartet, daß es zu einer umfassenden Friedensregelung kommt, der alle Beteiligten zustimmen können. Dabei müssen alle Beteiligten ebenso das Recht Israels anerkennen, in gesicherten und anerkannten Grenzen zu leben, wie die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes, deren Verwirklichung zu den Voraussetzungen einer künftigen gedeihlichen Entwicklung in dieser Region gehört ... Wo immer die SPD eine Chance sieht, den Dialog aller
    beteiligten Partner zu fördern, wird sie sie wahrnehmen.
    Ich wiederhole: Der Grundgedanke des Gewaltverzichts, wie er auch von den Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft formuliert worden ist, wird sich, glaube ich, als unentbehrlich für eine dauerhafte Lösung erweisen.
    Nahost, Iran und Afghanistan, meine Damen und Herren, markieren Krisen, die nicht sicher berechenbar sind. Jede kann sich einzeln weiterentwikkeln, und jede kann die andere beeinflussen. Die Lage ist sicher nicht stabilisiert Man wünschte sagen zu können: noch nicht stabilisiert. In dieser Lage findet der Weltwirtschaftsgipfel statt, in dieser Lage wird der Bundeskanzler eine Woche später nach Moskau fahren.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Was heißt „stabilisiert" ?)

    Das heißt, der Bundeskanzler wird in voller Kenntnis der Überlegungen sein, die die ersten Männer der westlichen Industrienationen in dieser Lage und zu dieser Lage haben.
    In der Opposition, meine Damen und Herren, gibt es zu dieser Reise die widersprüchlichsten Kommentare. Das Ja und Nein war nicht nur von verschiedenen Personen derselben Partei zu hören, sondern auch von derselben Person; denn Franz Josef Strauß hat zu dieser Reise zu unterschiedlichen Zeiten sowohl ja als auch nein gesagt. Nach dem letzten Stand der Selbstkoordinierung geht es wohl eher auf ein Nein. Allerdings hat Herr Kohl heute gesagt, er sage ja zu dieser Reise, wenn.
    Aber die Begründungen müssen auf jeden Fall noch koordiniert werden. Das ist nicht unsere Sache. Es gibt bei Ihnen in der Opposition Befürchtungen, es könne bei dieser Reise nichts herauskommen. Es gibt Befürchtungen, die Hoffnungen seien zu hoch.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Gebundene Hände!)

    Auf der anderen Seite werden Forderungen erhoben, die unerfüllbar hoch sind. In einer Stellungnahme war die Sorge ausgedrückt, ob der Bundeskanzler wohl den Mut hätte, über Fragen der Menschenrechte und der Besetzung Afghanistans zu sprechen. Dabei müßten doch alle im Bundestag wissen, daß Helmut Schmidt sich noch nie den Mund hat verbieten lassen, oder?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Franke [CDU/CSU]: Nur rechnen bei den Renten kann er nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, eine solche Reise hat nur Sinn, wenn man weder bloß Höflichkeiten austauscht noch sich in Vorwürfen ergeht,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das müssen Sie dem amerikanischen Präsidenten sagen!)

    sondern offen spricht.
    Herr Dr. Kohl, wenn Ihnen soviel am Klima liegt, wie Sie dies heute gesagt haben, dann muß ich fragen, warum Sie denn nicht Ihren Teil dazu beigetra-



    Bahr
    gen haben, am Tag der deutschen Einheit und vor der Reise des Bundeskanzlers das Wort von der „Moskau-Fraktion" zurückzunehmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber von der Opposition wird noch etwas anderes formuliert, nämlich der Verdacht, die SPD wolle den Beschluß der NATO aufweichen und der Bundeskanzler wolle von dem NATO-Beschluß weg. Nun, zum letzteren brauche ich nichts zu sagen. Aber für den ersten Punkt — auch heute wieder vorgebracht, Herr Dr. Kohl — gilt: Hier wiederfährt der SPD dasselbe wie unserem Land: In der Polemik der CDU ist unser Land nicht wiederzuerkennen, auch nicht die SPD.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Partei hat auf dem Berliner Parteitag zum Thema der Mittelstreckenraketen einen Beschluß gefaßt — nicht einstimmig, sondern nach einer langen Diskussion, die von hohem Ernst und von großem Verantwortungsgefühl getragen wurde, mit einer klaren Mehrheit. Dieser Beschluß gilt. Für den Parteitag in Essen haben wir aus den Ortsvereinen und Bezirken unserer Organisation weit mehr als 600 Anträge gehabt. Nicht ein einziger Antrag war darauf gerichtet, den Beschluß des Berliner Parteitags in Frage zu stellen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es geht um seine Aussetzung!)

    Wir haben in Essen wichtige Initiativanträge gehabt. Nicht ein einziger Antrag oder auch nur ein Teil von ihm war darauf gerichtet, die Beschlüsse von Berlin zu verändern oder aufzuweichen, wie Sie es formuliert haben.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es geht doch um die Verwirklichung des Beschlusses!)

    Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen. Die SPD diskutiert sehr lebendig, zuweilen unbequem. Aber wenn sie entschieden hat, dann ist darauf Verlaß,

    (Beifall bei der SPD)

    genauso wie sich der Bundeskanzler auf die Fraktion verlassen kann und genauso wie sich unsere Verbündeten auf das Wort der Bundesregierung verlassen können. Die elf Jahre, in denen die SPD in der Verantwortung ist, weisen das aus. Daran wird sich nichts ändern.

    (Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Denken Sie nur an Ihren Brief an Daume! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Wer im übrigen über unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten so spricht, wie das heute morgen geschehen ist, erwirbt sich keine besonderen Verdienste um unser Land.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Der Vater des Vaterlandes!)

    Sie haben heute morgen gesagt, wer die Partner-
    schaft und das Bündnis mit den Vereinigten Staaten
    in Frage stelle, schaffe keine gute Voraussetzung für
    die Reise, Herr Dr. Kohl. Ja, von wem reden Sie denn eigentlich?

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Von Ihnen! Sie sind doch der Protagonist dieser Politik!)

    Es wird oft übersehen, daß es ein Ergebnis sozialliberaler Entspannungspolitik ist, wenn es den Ruf „Ami go home" nicht mehr gibt

    (Oh-Rufe bei der CDU/CSU) — Aber natürlich.


    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sie haben ihn doch propagiert! Sie sind doch der Protagonist des Mißtrauens gegen Amerika!)

    — Sehen Sie einmal, so weltfremd sind Sie geworden.
    Daß auch die Sowjetunion in Verträgen und Vereinbarungen akzeptiert hat, daß man Sicherheitsfragen in und für Europa nicht ohne die Vereinigten Staaten lösen kann, ist doch ebenfalls ein Ergebnis der sozialliberalen Politik. Ich habe vorhin in anderem Zusammenhang davon gesprochen, daß es im Interesse der innerdeutschen Politik liegt, wenn beide deutschen Staaten in der Loyalität, mit der sie in ihrem Bündnis stehen, unbezweifelbar sind. Ich habe von der notwendigen Stabilität gesprochen, ohne die es weder in der Entspannung zwischen Ost und West noch innerdeutsch weitere Fortschritte gibt.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Was hat eigentlich Herr Lambsdorff über Sie gesagt?)

    Niemand darf uns doch für so dumm halten, gegen das eigene Interesse zu verstoßen und die Grundlagen unserer weiteren Erfolge selbst zu zerstören.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist doch reine Selbstbeschwörung!)

    Stabilität, Sicherheit und Frieden sind nicht ohne das Bündnis zu garantieren, d. h., es gibt keine Sicherheit für Deutschland ohne die Vereinigten Staaten. Das haben wir immer so gesagt.

    (Beifall bei der SPD — Damm [CDU/CSU]: Das haben wir euch doch erst beigebracht! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das haben Sie nicht gesagt. Das ist die Unwahrheit!)

    Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist töricht, ja sogar verantwortungslos, wenn im Westen so diskutiert wird, als ob diese fundamentale Konstante deutscher Politik zu bezweifeln wäre.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Franke [CDU/CSU]: Herr Bahr, wenn ich Sie so reden höre, dann weiß ich, weshalb Herr Lambsdorff nicht da ist! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)