Rede von
Dr.
Jürgen
Warnke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Die CDU/CSU-Fraktion zieht Bilanz für die Entwicklung des ERP-Sondervermögens in der 8. Legislaturperiode. Der ERP-Haushalt sieht heute anders als vor fünf Jahren aus. Eine entscheidende Weichenstellung ist in dieser Legislaturperiode gelungen. ERP ist zum Eckpfeiler der Mittelstandspolitik geworden. Damit hat sich das Konzept der Union durchgesetzt.
— Das Gegenkonzept kam von der SPD. Und der Herr Roth, der jetzt so herzlich lacht, der macht hier gute Mine zu einem für ihn gar nicht so guten Spiel.
Herr Roth und die SPD wollten ERP als Schwerpunkt der Entwicklungshilfe ausbauen. Sie haben es nicht so sehr mit den kleinen und mittleren Unternehmen. Das wäre nicht gutgegangen mit der Entwicklungshilfe. ERP ist für die Ausgabe kurzfristiger Kredite zu angemessener Verzinsung leistungsfähig. Was die Entwicklungshilfe braucht, sind langfristige Kredite, die niedrigverzinslich sind.
Wir hätten bei der Befolgung des SPD-Konzeptes wenig mehr für die Entwicklungshilfe gehabt, aber kein Geld für die Mittelstandsförderung.
Die Union hat das verhindert. Da sie nicht die Mehrheit hatte, mußte sie mit den Freien Demokraten zusammenarbeiten. Die Freien Demokraten haben hier mit uns zusammengearbeitet und eine Teilwiedergutmachung des Flurschadens gewährleistet, der durch ihre Mitverantwortung hinsichtlich der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den 70er Jahren angerichtet worden ist.
— Sehr richtig. Kollege Kunz ist kein Jurist. Die Juristen würden von „tätiger Reue sprechen, und die wirkt bekanntlich strafmindernd.
So konnte der Mittelstandsanteil bei den ERP-Krediten von lediglich 18 % — absolute Summe: 480 Millionen DM — vor vier Jahren auf heute über 50 % — 1,7 Milliarden DM — des Gesamthaushalts gesteigert werden.
Im einzelnen ist freilich manches noch nicht in Ordnung. So pendeln die Zinsen hektisch rauf und runter und hecheln dem Auf und Ab des Kapitalmarktzinses hinterher. Das ist nicht gut, das ist nicht notwendig im Hinblick auf die Förderung eines zentralen Bereiches. Diese Zinsen sollten verstetigt, sie sollten konstant gehalten werden.
Im übrigen haben wir für den Haushalt von immerhin 3 Milliarden DM und ein Sondervermögen 13 Milliarden DM keine mittelfristige Finanzplanung.Die Bundesregierung stützt sich zur Fortsetzung dieses Kurses auf einen Indemnitätsbeschluß, den ihr das Parlament vor acht Jahren gegeben hat. Es bleibt unverständlich, daß wir uns für eine so gewichtige Finanzmasse auch nur der kurzfristigen Orientierungshilfe begeben.
Dennoch wird die Unionsfraktion dem Gesamtgefüge von Mittelstandsförderung, Gemeindefinanzierung, Berlin-Hilfe und einem bemessenen Anteil von Entwicklungshilfe im ERP-Wirtschaftsplan 1980 ihre Zustimmung geben.
Damit ist die Regierung aber nicht von der Mitverantwortung für den Milliarden-Verlust des ERP-Vermögens in Sachen DIAG, das wohl größte Finanzdebakel der 70er Jahre, entlastet. Dieser Skandal wäre vermeidbar gewesen. Die DIAG hatte 1965 einen guten Start. Sie befand sich ein halbes Jahrzehnt lang auf gutem Kurs. Die Schwierigkeiten traten in den 70er Jahren auf. Die Verantwortung hat ein unverdächtiger Zeuge geklärt. Der Bundesrechnungshof schreibt in seinem Prüfungsbericht aus dem Jahre 1975: „Fehlentwicklung bei einem Bundesunternehmen infolge mangelnder Aufsicht der Bundesregierung."
Die DIAG geriet in die roten Zahlen. Zur Vertuschung des ersten Sündenfalles, der mangelnden Aufsicht, wurde unverzüglich ein zweiter begangen. Hinter dem Rücken des Parlaments und unter Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltsordnung wurden dreistellige Millionen-Beträge als verlorener Zuschuß aus diesem Kreditvermögen an die DIAG gegeben. Und dann ging es weiter bergab. Es entwickelte sich ein Ritual: Jährliche Nachschlagsrunden mit Beträgen in dreistelliger Millionenhöhe wurden für die Bundesregierung zur Gewohnheit. Die Beantragung erfolgte stets nach gleichem Schema: Bargeld sofort, widrigenfalls der Gang zum Konkursrichter, mit unabsehbaren Konsequenzen für die Arbeitsplätze in Berlin. Zusätzlich wurde die Versicherung gegeben, diesmal werde es endgültig das allerletzte Mal gewesen sein. Dies ist annähernd ein halbes dutzendmal im Ausschuß vorgeturnt worden.
Heute stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Wir haben bei der letzten Rate die Sperre der Mittel durchgesetzt. Ich möchte meinen Kollegen in der
Dr. Warnke
Arbeitsgruppe bei dieser Gelegenheit Dank dafür sagen, daß sie dazu beigetragen haben, daß hier gegen die Bundesregierung die Bremse gezogen werden konnte.
Die Bundesregierung mußte in diesem Jahr gestehen, zumindest für eine maßgebliche Untereinheit der Gruppe DIAG sei noch kein Zeitpunkt der Defizitbeendigung anzukündigen. Die Defizite haben sich zwar verringert; sie werden sich aber weder heute noch in absehbarer Zukunft ausmerzen lassen. Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes besteht die Gefahr der Dauersubvention der DIAG. Einer solchen Verlängerung jahrelanger Mißstände konnte die Union nicht zustimmen.
Aber auch das bisherige, von uns für unzulänglich gehaltene Sanierungsergebnis konnte nur erzielt werden, weil ein Mann zwei Jahre lang bereit war, einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft für das Ehrenamt des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Verfügung zu stellen. Die Unionsfraktion sagt auch an dieser Stelle Dr. Arndt Vogels ihre Anerkennung für die Herkulesarbeit, mit dem er das Ergebnis von einem Jahrzehnt Mißwirtschaft zu korrigieren versucht hat, Betriebsabläufe transparent gemacht und risikoreiche Auslandsengagements gelöst hat.
Daß der Zustand des Unternehmens eine Defizitbeseitigung überhaupt nicht mehr ermöglichte, ist nicht die Schuld von Dr. Vogels. Dafür trägt die Koalition die Verantwortung.
Ganze tausend Arbeitsplätze sind jetzt mit dem Aufwand von 1 Milliarde DM gesichert worden. Das bedeutet 1 Million DM pro Arbeitsplatz, nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht wird es aber noch mehr, wenn sich nämlich zeigt, daß auch diese tausend Arbeitsplätze nicht von Bestand sein werden.
Es ist ein schwerer Schaden eingetreten, der vermeidbar gewesen wäre. Das ERP-Sondervermögen ist um 1 Milliarde DM erleichtert worden. Diese Milliarde ist zum Teil noch zur Aufrechterhaltung von Produktion zu ruinösen Wettbewerbsbedingungen und damit zur direkten Schädigung mittelständischer Wettbewerber des dergestalt massiv subventionierten Unternehmens eingesetzt worden.
Es ist kein Zufall, daß die Kreditaufnahme des ERP- Sondervermögens im Jahre 1980 sich mit mehr als 1 Milliarde DM in der Größenordnung dieses Verlustes der DIAG hält. Trotz der Kreditaufnahme reichen die Mittel für die kleinen und mittleren Unternehmen aber bei weitem nicht aus. Das Beispiel des Regionalprogramms beweist das. Nach Abzug der Vorbelastung wird der verfügbare Baransatz 1980 mit 580 Millionen DM bereits erheblich niedriger sein als im vergangenen Jahr mit 675 Millionen DM. Ein weiteres erhebliches Zurückgehen des für 1981 wirksamen Baransatzes ist zu befürchten, wenn die Mittel in ihrer absoluten Höhe nicht aufgestockt
werden. Schon heute reichen die Mittel nur aus, um die Anträge bis September zu bedienen, und mußten bis zum Satz von 23 % der Investitionssumme repartiert werden, damit das Programm nicht schon nach wenigen Monaten hätte geschlossen werden müssen. Durch eine zusätzliche Milliarde Eigenkapital des ERP-Sondervermögens hätte dringend notwendiger mittelstandpolitischer Beistand geleistet werden können. Dafür, daß dies verspielt wurde, hat die Regierung geradezustehen. Es darf sich nicht wiederholen. Wenn der Bundesrechnungshof endgültig Klarheit in diese Affäre gebracht hat, wird die Union die Konsequenzen für Organisation und Vollzug des ERP-Sondervermögens in den 80er Jahren ziehen, um solche Skandale in Zukunft abzustellen.