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ID0821401200

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    Plenarprotokoll 8/214 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der schweizerischen Bundesversammlung 17151 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3905 — Kleinert FDP 17151 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) — Drucksache 8/3906 — Kleinert FDP 17152 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Konrad, Frau Dr. Hartenstein, Schäfer (Offenburg), Wittmann (Straubing), Brandt (Grolsheim), Egert, Ibrügger, Dr. Jens, Liedtke, Müller (Schweinfurt), Dr. Penner, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Wernitz, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Wendig, Wolfgramm (Göttingen), Kleinert, Paintner, Dr. Zumpfort, Wurbs, Angermeyer, Frau Matthäus-Maier und der Fraktionen der SPD und FDP Umweltpolitik — Drucksachen 8/3279, 8/3713 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 8/3887 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. von Geldern, Dreyer, Sick, Dr. Narjes, Nordlohne, Dr. Köhler (Wolfsburg), Schröder (Lüneburg), Dr. Jobst, Pfeffermann, Feinendegen, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Reimers, Damm, Metz, Blumenfeld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Meere und Küsten — Drucksachen 8/2692, 8/3725 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Umweltvorsorge — Drucksache 8/3936 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 214. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Konrad SPD 18153 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 17157D Wolfgramm (Göttingen) FDP 17161 D Baum, Bundesminister BMI 17165 D Dick, Staatsminister des Freistaates Bayern 17173B Schäfer (Offenburg) SPD 17181 D Schwarz CDU/CSU 17184D Dr. Zumpfort FDP 17186B Volmer CDU/CSU 17188D Frau Dr. Hartenstein SPD 17190B Dr.-Ing. Laermann FDP 17194A Biechele CDU/CSU 17197A Dr. Gruhl fraktionslos 17199B Dr. von Geldern CDU/CSU 17201 C Paterna SPD 17203 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3864 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3865 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3866 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3867 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 8/3886 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes — Drucksache 8/3870 — 1706A Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3897 — 17206B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überpla unäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 — Prämien nach dem Wohnungsbauprämiengesetz — Drucksachen 8/3516, 8/3839 — . . . 17206C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18 — Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Abt. Ausrichtung — zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens —— Drucksachen 8/3513, 8/3840 — . . 17206C Nächste Sitzung 17206 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17207* A 214. Sitzung Bonn, den 24. April 1980 Beginn: 16.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 4. Dr. Ahrens** 25. 4. Dr. van Aerssen* 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Alber* 25. 4. Dr. Bangemann* 25. 4. Dr. Bardens** 25. 4. Blumenfeld* 25. 4. Böhm (Melsungen) ** 25. 4. Frau von Bothmer** 25. 4. Büchler 25. 4. Büchner (Speyer) ** 25. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dollinger 25. 4. Egert 24. 4. Dr. Enders** 25. 4. Dr. Evers** 25. 4. Fellermaier* 25. 4. Flämig* 25. 4. Friedrich (Würzburg) * 25. 4. Dr. Früh * 24. 4. Dr. Fuchs* 25. 4. Dr. George 25. 4. Gertzen 25. 4. Dr. Geßner** 25. 4. Handlos** 25. 4. Hansen 25. 4. Höffkes 25. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz ** 25. 4. Katzer 25. 4. Kittelmann** 24. 4. Dr. Klepsch 25. 4. Lagershausen** 25. 4. Lampersbach 24. 4. Lange* 24. 4. Lemmrich** 25. 4. Lenzer** 25. 4. Dr. Luda 25. 4. Luster * 24. 4. Marquardt** 24. 4. Dr. Marx 25. 4. Matthöfer 25. 4. Mattick** 25. 4. Dr. Mende** 25. 4. Dr. Müller** 25. 4. Pawelczyk** 25. 4. Reddemann** 25. 4. Russe 24. 4. Dr. Schäuble** 25. 4. Scheffler** 25. 4. Frau Schleicher* 25. 4. Schmidt (Wattenscheid) 25. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) * 25. 4. Seefeld* 25. 4. Sieglerschmidt* 25. 4. Sybertz 25. 4. Tönjes 25. 4. Frau Tübler 25. 4. Dr. Vohrer** 25. 4. Frau Dr. Walz 25. 4. Wawrzik* 25. 4. Wischnewski 25. 4. Zebisch 25. 4.
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    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zum Anlaß genommen, eine Zwischenbilanz ihrer Umweltpolitik vorzulegen, die



    Bundesminister Baum
    nicht nur die Politik der Regierung war. Vielmehr ist es — das ist bereits gesagt worden, und ich sage es noch einmal an dieser Stelle — in vielen Teilen, in vielen Punkten eine Politik des gesamten Deutschen Bundestages.
    Die Umweltbilanz der Bundesregierung zeigt ebenso wie das Umweltgutachten 1978 des Rates von Sachverständigen, daß der vor zehn Jahren noch fast hoffnungslose Prozeß der Belastungen und Zerstörungen unserer Umwelt aufgehalten und in vielen Bereichen Verbesserungen erreicht worden sind. Diese Erfolge wären nicht ohne die engagierte Mitarbeit von Ländern und Gemeinden möglich gewesen. Herr Kollege Dick, ich sage das hier ausdrücklich. Ich möchte an dieser Stelle auch den Wissenschaftlern danken. Denn Umweltschutz ist nicht vollziehbar, ist überhaupt nicht zu konzipieren ohne wissenschaftliche Beratung. Diese mußte in unserem Lande und international überhaupt erst entwikkelt werden und wachsen. Ich danke also den Wissenschaftlern. Ich danke vor allem auch den Wissenschaftlern des Sachverständigenrates für Umweltfragen, der VDI-Kommission, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zahlreichen anderen Gremien, die kaum gesehen werden, wenn von Umweltschutz die Rede ist, die aber eine große Rolle spielen, gerade auch oft in kritischer Distanz zur amtlichen Umweltpolitik stehen, eine kritische Distanz, die wir im Urteil anderer brauchen.
    Umweltpolitik ist eine Daueraufgabe — das wurde hier schon gesagt —, die sich über Jahrzehnte hin kontinuierlich entwickeln muß, auch für die Wirtschaft vorhersehbar entwickeln muß, eine Jahrhundertaufgabe, wenn Sie so wollen, die nur im Grundkonsens mit allen Beteiligten erfolgreich gelöst werden kann.
    Kooperation ist auch gerade mit der Wirtschaft praktiziert worden, mit der Wirtschaft, meine Damen und Herren, deren Sachverstand bei der Konzeption neuer Umweltvorschriften, neuer Umweltideen vielfach unentbehrlich ist. Von Anfang an hat daher die Bundesregierung als Leitschnur das Kooperationsprinzip genommen. Sie hat den Dialog mit den Umweltverbänden, mit den Bürgerinitiativen, mit den Bürgern gesucht und auch komplizierte naturwissenschaftliche Zusammenhänge in einfacher und verständlicher Sprache zu erläutern versucht. Sie hat damit wesentlich, meine ich, zur Sensibilisierung unserer gesamten Bevölkerung für Umweltfragen, für Ressourcenschonung und Eigenverantwortung beigetragen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Herr Kollege Riesenhuber, es engagieren sich sehr viele Bürger, Hunderttausende von Bürgern auch im Kontakt mit staatlichen Stellen für Umweltziele. Es ist nicht die große Resignation ausgebrochen, von der Sie am Schluß Ihrer Rede gesprochen haben. Wir sehen, daß auch diese Politik, die wir konzipiert haben, dazu beigetragen hat, viele Bürger zu veranlassen, aktiv und selbstverantwortlich Umweltschutz, auch im Kontakt mit staatlichen Stellen, zu betreiben. Ich weise auf die wichtige Funktion des Umweltbundesamtes hin, das ja auch Serviceeinrichtung für viele Vereinigungen der Bürger ist, die
    sich dort Rat und Sachverstand holen, am Sachverstand der Techniker und anderer Wissenschaftler partizipieren.
    Niemand bestreitet heute mehr: Unsere Industriegesellschaft muß umweltfreundlicher gestaltet, gedankenlose Verschwendung von wertvollen Rohstoffen muß aufhören, Artenvielfalt und unbeschädigte Landschaft müssen erhalten bleiben. Umweltpolitik, also genaugenommen der „Maßstab Natur", wird immer mehr zum Testfall sowohl für die Fähigkeit, unsere hochtechnisierte Industriekultur zu stabilisieren, als auch zur Bewährungsprobe für unsere demokratische Verfassungsordnung und für unsere freie Wirtschaftsordnung.
    Besonders für junge Menschen ist das Thema Umwelt Gradmesser für die Bereitschaft der politischen Parteien, Schwachstellen in unserer Industriekultur zu erkennen, ehrliche Lösungen zu finden. Das heißt, das Thema Umwelt ist ein Test für die Glaubwürdigkeit der Politik schlechthin.
    Warnungen vieler Wissenschaftler etwa vor allmählicher Zerstörung der lebensschützenden Ozonschicht oder vor krebsverursachenden Chemikalien, vor Überbelastung der Ökosysteme müssen auch in der Tagespolitik ernst genommen werden, und sie werden zunehmend ernster genommen.
    Der erste wichtige umweltpolitische Akzent in der sozialliberalen Koalition — Sie werden uns gestatten, meine Damen und Herren von der Opposition, auf das zurückzublicken, was wir gestaltet haben —, dieser erste Test für unsere Glaubwürdigkeit war das Umweltprogramm, das mein Amtsvorgänger Hans-Dietrich Genscher im Jahre 1971 vorgelegt hat. Es war das erste Umweltprogramm, das überhaupt eine Regierung Westeuropas vorgelegt hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist mit der Unterstützung aller Parteien in diesem
    Hause heute weitgehend realisiert worden. Und seit
    damals sind ja nicht einmal neun Jahre vergangen.
    Neben der Reparatur der dringlichsten Umweltschäden ist mit diesem Programm in rechtlicher, in wissenschaftlicher und organisatorischer Hinsicht in Bund und Ländern ein solides Fundament für die Umweltpolitik der nächsten Jahrzehnte geschaffen worden. Mit einem breiten Netz wissenschaftlicher Beratung und mit Fachgremien, mit dem Umweltbundesamt in Berlin und Landesämtern für Umweltschutz mit zahlreichen Bundes- und Länderprogrammen sind die Voraussetzungen für ein allmähliches Neuorientieren aller Fachpolitiken geschaffen worden. Allerdings fehlt oft noch der Mut zur konsequenten ökologischen Orientierung einzelner Planungen und Maßnahmen. So, meine ich, muß der Bürger wissen, welches der wirkliche Trinkwasserpreis ist, und die sozialen Kosten des Autos sollten regelmäßig offengelegt werden.
    Auf der anderen Seite muß sich der Umweltschutz immer noch gegen falsche Unterstellungen zur Wehr setzen. So wird gesagt, er führe zur Gängelung der Wirtschaft und zur Bürokratisierung. Ich werde mich gleich mit Ihren Vorwürfen auseinan-



    Bundesminister Baum
    dersetzen, Herr Kollege Riesenhuber. Der Umweltschutz, so wird gesagt, sei verantwortlich für Investitionsstaus in der Wirtschaft, er behindere wichtige technologische Entwicklungen. Wir haben die Phasen dieser Diskussion erlebt, mal stärker, mal weniger stark. Wir haben versucht, uns davon nicht beirren zu lassen, sondern kontinuierlich fortzuschreiten.
    Wir haben uns im übrigen auch durch andere Bewegungen der politischen Landschaft nicht beirren lassen. Diese Bundesregierung hat das Programm, das sie 1976 diesem Bundestag vorgelegt hat, zügig und ohne Abstriche erfüllt und dem Parlament die entsprechenden Vorlagen zur Beschlußfassung übergeben. Sie hat auch die administrativen Maßnahmen getroffen, von denen sie am Anfang dieser Legislaturperiode gesprochen hat. Sie hat sich nicht beirren lassen, sie hat keine Ausschläge nach der einen oder anderen Seite zu verantworten. Sie ist auch niemandem nachgelaufen.
    Der Umweltschutz ist sehr häufig zum Prügelknaben für Tendenzen in unserer immer komplizierter werdenden Industriegesellschaft geworden, Tendenzen, die alle Lebensbereiche erfassen, von der Nichtdurchschaubarkeit großer Bürokratien oder der technischen Entwicklung bis zu den immer noch steigenden Erwartungen an den Staat, an seine sozialen und anderen Dienstleistungen. Die von der Opposition erneut in ihrem Entschließungsantrag beklagte Gesetzesflut ist auch eine Folge zunehmender Technisierung und Komplizierung unserer Gesellschaft. Entweder drastische Vereinfachung mit der zwangsläufigen Folge pauschaler und ungerechter Behandlung von Einzelfällen oder flexiblere und damit umfangreichere Vorschriften, die mehr Gerechtigkeit im Einzelfall ermöglichen: das ist das Dilemma, in dem wir uns befinden, nicht nur in dem Bereich, den wir heute diskutieren, sondern etwa auch in der Steuerpolitik.
    Wir sind allerdings sehr empfindlich, wenn unter dem Deckmantel der Bürokratiekritik Angriffe auf das Umweltvorsorgeprinzip selbst unternommen werden. Das ist eben bei dem Gesetz der Fall, das hier schon genannt worden ist, beim Abwasserabgabengesetz, wo es nur vordergründig um Bürokratiekritik geht, in Wahrheit aber um eine Abschwächung des Gesetzes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich bin gern bereit, darüber zu reden, wie man Einzelheiten des Gesetzesvollzuges vereinfachen kann. Bitte, machen Sie Vorschläge! Immerhin hat ein Bundesland, das Land Nordrhein-Westfalen, mit den Stimmen der CDU-Opposition ein Wassergesetz verabschiedet, das den Vorstellungen Rechnung trägt, die wir hier alle im Abwasserabgabengesetz niedergelegt haben. Also so schlimm wird es schon nicht sein. Nordrhein-Westfalen hat praktikable Lösungen gefunden. Aber ich bin bereit, über Vorschläge zu sprechen. Nur bin ich nicht bereit, einer Abschwächung des Gesetzes das Wort zu reden, von dem wir alle das Gefühl hatten, auch die Mehrheiten im Bundesrat, auch die Opposition, daß es eigentlich nicht weit genug ging. Dieses Gefühl hatten wir doch. Wir haben Fristen eingeräumt, und wir haben
    die Abgabe so festgesetzt, daß im Grunde dieses Instrument noch sehr milde ausgefallen ist. Aber an die Abschwächung dieses Instruments sollte niemand herangehen. Wir werden uns entschieden dagegen zur Wehr setzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Stellenwert des Umweltschutzes schlägt sich in den Aufwendungen für Investitionen und Betriebskosten in den letzten zehn Jahren nieder: weit über 120 Milliarden DM durch Staat und Wirtschaft, 1,4 % des Bruttosozialprodukts. Das ist mehr, als für den sozialen Wohnungsbau je aufgewandt wurde.
    Mit meinem Kollegen Graf Lambsdorff bin ich mir hinsichtlich der grundlegenden strukturpolitischen Bedeutung des Umweltschutzes einig. Die vom Staat aufgestellten Ziele und Orientierungen zwingen zu einer rascheren Anpassung an ökologische Eckwerte und Rahmenbedingungen und bewirken eine Änderung in der Zusammensetzung des Sozialprodukts. In einer Marktwirtschaft wie der unseren kann und darf es keine Umweltnutzung zum Nulltarif geben. Die Wirtschaft steht in einem ökologischen Pflichtenkreis. Dies wird zunehmend auch von der Industrie anerkannt. Wer die Ressource Umwelt, also Landschaft, Wasser, Luft, in Anspruch nimmt, muß dafür ebenso wie für jeden anderen Rohstoff bezahlen. Dies allein, meine ich, zwingt die Wirtschaft zum Umsteigen auf umweltfreundliche Projekte.
    Nicht nur Manager der Wirtschaft, sondern in vielleicht viel größerem Maße unsere Bürger haben begriffen, daß Umweltschutz Märkte von morgen schafft, zur Modernisierung unserer Wirtschafts- und Infrastruktur beiträgt und dadurch erst die Überlebensfähigkeit unserer hochentwickelten Industriekultur ermöglicht. Ohne Umweltschutzmaßnahmen könnten im Ruhrgebiet schon keine Standorte für die Industrie mehr gefunden werden. Ohne Umweltschutzmaßnahmen wäre es nicht möglich, weitere Abwässer in den Rhein zu leiten. Wir müssen sanieren, um überhaupt noch wirtschaftliches Wachstum mit Umweltfolgen verkraften zu können. Darüber hinaus hat besonders ein großer Teil unserer jungen Generation begriffen, daß Kulturstaat nur ein Gemeinwesen mit Respekt vor Naturordnungen ist.
    Schon jetzt findet eine Veränderung unserer Lebens- und Verbrauchergewohnheiten statt, sicher nicht nur aus ökologischer Einsicht, sondern auch unter dem Zwang der Bedingungen des Nachölzeitalters. Bei allen staatlichen Anstrengungen bleibt Umweltpolitik Stückwerk, wenn sie nicht mit der echten Bereitschaft einhergeht, Lebensgewohnheiten — etwa in der Form der privaten Autonutzung — in breiten Bevölkerungskreisen zu ändern. Umweltpolitik verlangt also Umdenken und Umschwenken, verlangt neue Empfindlichkeit gegenüber gedankenlosen menschlichen Eingriffen in jahrmillionenalte Naturkreisläufe und -ordnungen.
    Auch berechtigte Kritik an Versäumnissen in der Umweltpolitik darf nicht zu dem Kurzschluß führen, die Lösung der Probleme sei ein starker Verteilungsstaat und Abkehr von der Marktwirtschaft. Es



    Bundesminister Baum
    gibt manchmal Töne, auch in Programmen, die man so liest — nicht von Parteien in diesem Hause —, die den Eindruck vermitteln, als solle nun den Menschen das Glück verschrieben werden, und nur mit starker staatlicher Hand seien die Probleme noch zu lösen. Ich setze auf die Selbstverantwortung aller Beteiligten, ich setze auf die Selbstverantwortung der Verbraucher, ich setze auf die Selbstverantwortung der Wirtschaft. Allerdings bin ich der Meinung, daß der Staat den Mut haben muß, den Rahmen zu setzen, daß er den Mut haben muß, manchmal auch schmerzhafte Instrumente einzusetzen,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    um in unser aller Interesse unsere Umwelt unter Schutz zu stellen, eine Umwelt, die jahrzehntelang ungeschützt war. Es gibt kaum eine Generation vor unserer Generation, die in so intensiver Weise die Umwelt berührt, in die Umwelt eingegriffen und die Ressourcen verbraucht hat.
    Ich meine, bei dieser Diskussion darf der Wettstreit um umweltpolitische Ziele nicht zur Glaubensfrage werden und nicht zur Verteufelung aller Technik führen und nicht zum Prüfstein für Gut und Böse werden. Auch eine rationale Diskussion in Respekt vor der Überzeugung des Partners, etwa über Umweltfolgen der Kernenergie, muß in diesem Lande möglich bleiben. Auch der Umweltschützer muß anerkennen, daß es divergierende wirtschafts- und sozialpolitische Ziele gibt und Interessenausgleich und Kompromiß zur Konsensfindung in einer Demokratie gehören. Ein nationales umweltpolitisches Paradies — das kommt hinzu — ist nicht möglich. Ich darf nur auf grenznahe Industrieanlagen, weiträumige Luftverschmutzung oder etwa die EmsDollart-Verhandlungen mit unserem Nachbarn Holland hinweisen. Unsere Wirtschaft bleibt in einer noch zunehmenden internationalen Wettbewerbsverflechtung.
    Die Bilanz, von der ich eingangs sprach, die die Bundesregierung mit ihrer Antwort vorlegt, ist nüchtern ausgefallen. Das Hauptbuch des Umweltschutzes, meine ich, muß für die Bürger ehrlich und offen sein. Der Umweltbericht 1976, der Immissionsschutzbericht, der Fluglärmbericht, der noch diskutiert wird — Herr Kollege Konrad hat darauf hingewiesen —, das Abfallwirtschaftsprogramm, alles dies sind Beispiele für ungeschminkte Berichterstattungen. Umweltpolitik verlangt weiterhin langfristige Strategie und überlegte Konzeption, und dies ist nur möglich, wenn man den ungeschminkten Tatsachen ins Auge sieht.
    Das Umweltprogramm 1971, der Umweltbericht 1976 belegen, daß sich die Bundesregierung ihrer Verpflichtung zur konzeptionellen ökologischen Wegweisung gestellt hat. Für die 80er Jahre wird ein „Aktionsprogramm Ökologie" erarbeitet. Zusammen mit den Bundesländern werden Demonstrations- und Pilotvorhaben zur Darstellung und Einübung ökologischer Zusammenhänge durchgeführt.
    Die Bilanz der Umweltpolitik ist — gemessen an der Ausgangslage Anfang der 70er Jahre und gemessen an den vielfältigen Widerständen — insgesamt positiv. Dieser Einschätzung meiner Vorredner stimme ich zu. In einigen Bereichen hat es deutliche Verbesserungen gegeben, in anderen Bereichen sind Verschlechterungen verhindert worden, und dies — das muß man ja berücksichtigen — vor dem Hintergrund einer Steigerung der Produktionstätigkeit, einer Steigerung des Konsums, insbesondere aber auch vor dem Hintergrund einer erheblichen Zunahme der Zahl der Kraftfahrzeuge in unserem Lande. Die Zahl der Kraftfahrzeuge hat sich im letzten Jahrzehnt bekanntlich verdoppelt.
    Viele Daten aus dem Bereich der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes, der Abfallwirtschaft und der Lärmbekämpfung belegen diese positive Einschätzung. Ich möchte einige kurz aufführen und dann anschließend sagen, was nicht geschafft worden ist.
    Im Bereich der Luftreinhaltung ist der Trend positiv. Die Bleibelastung der Luft in den Zentren der Großstädte ist gegenüber 1970 um mehr als 65 % zurückgegangen. In den letzten Jahren sind die gesamten Staub- und Rußimmissionen auf weniger als die Hälfte gesunken. Die Schwefeldioxydimmissionen konnten im gleichen Zeitraum, also von 1970 an, konstant gehalten werden, obwohl in der gleichen Zeit der Primärenergieverbrauch um ca. 50 % gestiegen ist. Diese Daten belegen eben: Das umfassende rechtliche Instrumentarium hat gegriffen. Es wird durch internationale Regelungen flankiert, z. B. durch die Schwefeldioxyd-Richtlinie der EG und die ECE-Konvention gegen weiträumige, grenzüberschreitende Luftverschmutzung. Dieses solide umweltrechtliche Fundament bedarf der Fortentwicklung und der Anpassung. Das kann mitunter sehr schwierig sein, wie die Bemühungen um eine Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hier im Bundestag zur Zeit zeigen. Vordringlich ist vor allem, daß die neuen umweltwissenschaftlichen Erkenntnisse in bezug auf die Luftverunreinigung so schnell wie möglich Eingang in die TA Luft finden. Dafür werden wir uns einsetzen.
    Die Sanierung der Altanlagen, vor allem in den hochbelasteten Gebieten, ist ein vordringliches Problem der Zukunft. Hier greift das rechtliche Instrumentarium nur sehr begrenzt. Hier muß die Umstellung auf die moderne Technik durch finanzielle Förderungsmaßnahmen erleichtert werden. Für den Zeitraum von 1979 bis 1984 stehen dafür zusätzlich 560 Millionen DM für Demonstrationsanlagen zur Verfügung. Es ist nur gerecht, wenn der Schwerpunkt dieses Sanierungsprogramms im Ruhrgebiet liegt, dessen Bevölkerung — das muß auch einmal gesagt werden, meine Damen und Herren — seit mehr als 100 Jahren eine Sonderlast für die gesamte Bundesrepublik trägt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hier wird Umweltverschmutzung seit vielen Jahrzehnten beinahe klaglos ertragen; im Saarland übrigens auch. Wir haben eine Verpflichtung, hier besonders zu helfen, und wir tun das mit Haushaltsmitteln auch in diesem Jahr. Ich werde mich dafür einsetzen, daß diese Haushaltsmittel im Haushaltsplan erhalten bleiben.



    Bundesminister Baum
    Auch die Gewässerschutzpolitik hat eine positive Entwicklung genommen, wie die folgenden Fakten ausweisen: Die früher stark belasteten Strecken des Rheins weisen eine deutliche Verbesserung vor allem im Sauerstoffgehalt und in der gesamten organischen Belastung auf. Die Belastung des Bodensees ist merklich vermindert worden. Wir können heute eine Verbesserung der Gewässergüte vor allem im Uferbereich feststellen.

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Wie ist das mit Elbe und Weser?)

    — Darauf komme ich gleich, insbesondere im Zusammenhang mit der Werra. —

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das wäre gut!)

    Heute werden bereits 65 % der Abwässer in öffentlichen Kläranlagen vollbiologisch gereinigt; im Jahre 1969 waren es nur 35 %. Leider haben auch unsere Städte erst andere Investitionsvorhaben verwirklicht, bevor sie sich für den Bau einer Kläranlage entschieden haben. Ich wünsche mir, daß auch die restlichen kommunalen Körperschaften sehr schnell dazu übergehen, eine vollbiologische Kläranlage zu bauen.
    Nachdem bereits in der vorigen Legislaturperiode der wasserrechtliche Rahmen geschaffen wurde, wird er in dieser Legislaturperiode ausgefüllt. Soweit die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in unserer Verfassung dies zuläßt, haben wir den Gewässerschutz auch mit finanziellen Hilfen vorangetrieben. Das hervorstechendste Beispiel dafür ist das Rhein-Bodensee-Programm. Wir haben zur Sanierung dieser Gewässer im Zeitraum von 1972 bis 1976 150 Millionen DM und im Zeitraum von 1977 bis 1980 im Rahmen des Programms für Zukunftsinvestitionen weitere 800 Millionen DM von Bundesseite zur Verfügung gestellt. Allein auf Grund dieses zweiten Programms werden Investitionen in Höhe von etwa 3 Milliarden DM bewirkt.
    Nun möchte ich, Herr Kollege Riesenhuber, etwas zu Ihrem Argument mit der Verschuldung sagen. Hier hat die Bundesregierung in ein Programm für Zukunftsinvestitionen investiert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Sie hat die Verschuldung im Interesse der umweltgerechten Gestaltung unserer Lebensgrundlagen in Kauf genommen. Die 800 Millionen für das RheinBodensee-Programm sind eine Investition in unsere Zukunft und in die Zukunft unserer Kinder.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Es ist keiner dagegen! Wir waren alle dafür!)

    — Herr Schwarz, wenn Sie alle dafür waren, wundere ich mich, daß Sie hier so polemisch die Verschuldung des Bundes angreifen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Weiterer Zuruf des Abg. Schwarz [CDU/CSU])

    Lärmschutz ist heute ein zentrales Thema der Umweltpolitik. 25 Millionen Mitbürger in unserem Land leiden, wie der Sachverständigenrat vor zwei Jahren festgestellt hat, unter Lärm. Lärmschutz ist ein gesundheitspolitisches Postulat. Lärmschutz ist aber auch — das möchte ich hier betonen — ein soziales Postulat. Es sind die ärmeren Mitbürger, die am Arbeitsplatz und in der Wohnung unter Lärm zu leiden haben. Die anderen können sich ja Wohnungen leisten, die nicht an den Verkehrsstraßen liegen. Für Millionen Menschen bedeutet Lärm eine Einbuße an Wohlbefinden und Lebensfreude.
    Ich sehe mich mit meinen Kompetenzen in der Verantwortung für eine geschlossene und langfristig angelegte Lärmschutzpolitik. Von den schärfsten Geräuschgrenzwerten für Baumaschinen bis zur Fluglärmgesetzgebung ist unsere Strategie auch im internationalen Vergleich beispielhaft. Mit dem im Oktober 1978 vom Bundesinnenministerium vorgelegten Aktionsprogramm Lärmbekämpfung haben wir die Basis dafür gelegt, daß wir diesen Standard auch künftig halten können. Unsere Vorreiterrolle dürfte sich bei der in Kürze stattfindenden OECD-Lärmkonferenz im Mai 1980 in Paris erneut zeigen.
    Ein Wort noch zu den Chemikalien. Sie haben lange im Hintergrund gestanden. Wir haben jetzt auf diesem Gebiet einige Fortschritte erzielt. Der wichtigste Punkt ist die Störfallverordnung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, die eine erhebliche Verbesserung der Vorsorgestrategie gegen Störfälle in der chemischen Industrie bewirken soll. Der Bundesrat hat — ich stelle das mit Befriedigung fest — in der vorigen Woche im Grundsatz dieser Störfallverordnung im wesentlichen zugestimmt, die eine bessere Sicherheit gegen Vorfälle bringen wird, die wir mit dem Wort Seveso ja alle noch in Erinnerung haben.

    (Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

    Es ist also zu hoffen, daß wir diese Störfallverordnung bald in Kraft setzen können.
    Auch das Problem der Fluorkohlenwasserstoffe, die bei uns vor allem als Treibgas in Spraydosen verwendet werden, haben wir vorsorglich bereits früher als andere in Angriff genommen. Es gibt da einen Stufenplan, den wir mit der Wirtschaft vereinbart haben. Aber ich möchte hinzufügen: Das Problem Fluorkohlenwasserstoff bleibt auf der Tagesordnung. Wir werden intensiv darauf hinwirken, daß weltweit die Verwendung solcher Stoffe in Spraydosen insgesamt gegen null tendiert. Ich frage mich, wie wir es verantworten können, solche Produkte, die ersetzbar sind, zu verwerten, wenn wir nicht ausschließen können, daß die Ozonschicht der Erde unwiederherstellbar zerstört wird. Die. Gefahr würde schon genügen, um zu einem Verbot dieser Stoffe zu kommen.
    Die Bundesregierung liegt in der Abfallbeseitigung wie in der Abfallverwertung in technischer und organisatorischer Hinsicht international mit an der Spitze. Das Abfallwirtschaftsprogramm ist ein hervorragendes Beispiel erfolgreicher Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft, einer Kooperation, die jedenfalls bisher staatliche Lenkungsmaßnahmen obsolet gemacht hat. Hier waren wir also in der Lage, mit der Wirtschaft Kooperation zu praktizie-



    Bundesminister Baum
    ren. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, daß wir dann, wenn das marktwirtschaftliche Instrument der freiwilligen Selbstbeschränkung nicht funktioniert, auch von den rechtlichen Möglichkeiten staatlicher Maßnahmen Gebrauch machen. Für mich ist das rechtlich mögliche Verbot der Einwegflasche — das möchte ich sagen — kein Tabu.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Aus ca. 25 % des Hausmülls wird heute bei der Beseitigung Energie gewonnen. Die Altglasverwertung ist wesentlich verbessert worden. Ich meine, daß diese Recycling-Anstrengungen kein Ersatz für die Anstrengungen sein dürfen, die Verminderung des Abfallaufkommens zu verstärken. Noch ist der jährliche Abfallberg nicht kleiner geworden. Der Trend zur Wegwerfgesellschaft ist zwar gestoppt, aber noch nicht umgekehrt worden.
    Ein Wort noch zur internationalen Zusammenarbeit. Die Bundesrepublik beteiligt sich intensiv an der internationalen Zusammenarbeit: in der Europäischen Gemeinschaft, in der ECE, in vielen anderen Gremien. Sie ist auf diese internationale Zusammenarbeit angewiesen. Viele Maßnahmen lassen sich ohne Abstimmung mit der EG gar nicht mehr verwirklichen; abgesehen davon, daß es ganz unsinnig wäre, wenn nur ein einziger Staat etwa Fluorkohlenwasserstoff verbieten und die anderen weiter verschmutzen würden. Wir sind heute in eine Wirtschaftsgemeinschaft eingebunden. Das bedeutet, daß auch Umweltpolitik in sehr starkem Maße zu einem europäischen Thema geworden ist. Die Ministerkonferenzen der Europäischen Gemeinschaft weisen das aus. Ich sehe, daß sich auch das Europäische Parlament zunehmend mit diesem Thema befaßt.
    Lassen Sie mich noch einige offene Punkte ansprechen; denn so respektabel diese Bilanz ist — einige Punkte der Vervollständigung des rechtlichen Instrumentariums sind noch offen oder strittig. Noch in dieser Legislaturperiode müssen einige Lücken geschlossen werden. Heute steht in dieser Debatte die zweite Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz zur Diskussion. Ich möchte Sie ausdrücklich bitten, die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs noch möglich zu machen, der wesentlich zur Entbürokratisierung beitragen wird. Ich möchte betonen, daß die Regelung des Gesetzentwurfs weitgehend die Unterstützung der Länder gefunden hat, denen ich, Herr Kollege Dick, für ihre Kooperation ausdrücklich danke.
    Mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt die Bundesregierung ihre Abfallwirtschaftspolitik konsequent weiter. Bei der heutigen Entwicklung von Energie- und Rohstoffpreisen ist es anachronistisch, wenn Abfälle, deren Verwertung technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll . ist, noch immer ungenutzt beseitigt werden. Die Bundesregierung hält es für notwendig, die Prüfung von Verwertungsmöglichkeiten und die Nutzung technisch realisierbarer und wirtschaftlicher Alternativen zur Verwertung von Abfällen nicht mehr nur programmatisch zu fordern, sondern auch rechtlich zur Pflicht zu machen. Das wird mit der gesetzlichen Verwertungspflicht, die im Entwurf vorgesehen ist, angestrebt. Ich bitte also um eine positive Bewertung und um eine baldige Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes.
    Ich möchte nicht alles wiederholen, was ich schon zum Abwasserabgabengesetz gesagt habe. Herr Kollege Dick, Sie vertreten ja hier die Bayerische Staatsregierung. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß die Versäumnisse einiger Industriegebiete und auch einiger Gemeinden, die sich nicht
    — wie andere — darauf eingestellt haben, daß 1981 eine besondere Abgabepflicht in Kraft tritt, nicht dazu führen dürfen, daß diejenigen, die sich im Interesse des Umweltschutzes darauf eingestellt haben, jetzt bestraft werden und diejenigen, die sich darauf verlassen haben, daß nichts geschieht, daraus einen Vorteil ziehen. Das können wir im Interesse von weiten Bereichen unserer Industrie und unserer Gemeinden nicht zulassen.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Wobei die Zahl derjenigen, die etwas getan haben, erfreulicherweise groß ist!)

    — Die Zahl derjenigen, die sich — auch mit ihren Investitionsdispositionen — auf das Gesetz eingestellt haben, ist groß. Wir haben eine Untersuchung vorliegen, Herr Kollege Schäfer, die das ausweist.
    Die Behauptung, das Gesetz sei nicht oder mit nicht vertretbarem Aufwand vollziehbar, kann nur ein Vorwand sein. Das geltende Abwasserabgabengesetz hat sich bereits als geeignetes und wirksames Gewässerschutzinstrument erwiesen. Schon heute schafft dieses Gesetz, wie nachgewiesen wurde, erhebliche Anreize, die Gewässerschutzinvestitionen zu verstärken.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Seite haben Sie schon einmal vorgelesen!)

    — Ich habe das zwar eben schon gesagt, aber ich glaube, es ist so wichtig, daß man es ruhig zweimal sagen kann;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn hier geht es darum, daß sich Investoren in unserem Lande mit Millionenaufwendungen auf ein Gesetz eingestellt haben, während andere, die das nicht getan haben, nun Landesregierungen unter Druck setzen, damit das Gesetz abgeschwächt wird. Ich glaube, diesen Vertrauensschutz müssen wir denjenigen gewähren, die sich auf ein Gesetz eingerichtet haben, das im Interesse des Umweltschutzes notwendig ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Gegner des Umweltschutzes werden nicht müde, neue Argumente zusammenzusuchen, um ihren Absichten einen ehrenwerten Anstrich zu geben. Sind unsere Vorhaben in dem einen Fall zu bürokratisch, so sind sie in dem anderen angeblich zu teuer. Damit, meine Damen und Herren, meine ich das Verkehrslärmschutzgesetz. Die Herabsetzung des Lärms, insbesondere des Verkehrslärms ist ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik. In diesem Hause ist dafür gesorgt worden, daß die Lärmgrenzwerte, die zum Schutz der Bevölkerung in dem Gesetz festgelegt sind, erheblich herabgesetzt wurden. Mit den schärferen Grenzwerten wurde erreicht, daß der Schutz der Bevölkerung um



    Bundesminister Baum
    50 % verbessert werden soll. Jetzt wollen einige Länder der CDU/CSU diese Verbesserung wieder zurückdrehen und das Verkehrslärmschutzgesetz wieder auf einen Minimalschutz beschränken.
    Nach der von diesem Hause fast einstimmig beschlossenen Gesetzesfassung betragen die für den Lärmschutz zusätzlich erforderlichen Mittel kaum 5 % der Kosten für den Straßenbau. Ich meine, daß durch entsprechend weniger Straßen und zeitliche Streckung des Straßenbaus diese Kosten ohne Schwierigkeiten hereingeholt werden können und müssen;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    denn Straßenbauinvestitionen sind Investitionen über Jahrzehnte hin. Das heißt, wir würden in Kauf nehmen, daß Bürger über Jahrzehnte hin in Lärmzonen wohnen, ohne daß Abhilfe geschaffen werden könnte.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Offen geblieben sind ferner einige Positionen, auf deren erfolgreichen Abschluß wir leider wenig Einfluß haben. Das sind in erster Linie die Bemühungen um eine weitere Absenkung der Abgasemissionswerte bei Kraftfahrzeugen. Hier hat die Bundesregierung bereits vor zwei Jahren Vorschläge gemacht. Ihre Vorstellungen sind allerdings bislang sowohl in der ECE als auch in der Europäischen Gemeinschaft auf Widerstand gestoßen.
    Wir bedauern, daß das Chlorid-Abkommen, das den Rhein von seiner Salzfracht wenigstens teilweise und Stufe um Stufe entlasten sollte, nicht zustande gekommen ist. Die französische Regierung sieht sich außerstande, dieses Projekt weiter zu verfolgen. Wir bedauern das und suchen jetzt nach Ersatzlösungen.
    Ich sehe mit Freude — Herr Kollege, Sie haben das eben angesprochen —, daß die Sondierungsgespräche mit der DDR ergeben haben, daß wir nun endlich auch über die Werraversalzung sprechen können, daß wir im Herbst mit der DRR Expertengespräche über dieses wichtige Problem aufnehmen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das ist höchste Zeit!)

    — Wenn Sie sagen: „Das ist höchste Zeit!", dann kann ich Ihnen nur zustimmen. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, daß es auf die Behutsamkeit der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung zurückzuführen ist, daß wir überhaupt zu solchen Verhandlungen kommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Sätze zum Umweltchemikaliengesetz sagen, das die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen soll, daß Stoffe im Hinblick auf ihre mögliche Gefahr für Mensch und Umwelt einer vorsorglichen Prüfung unterzogen werden. Es handelt sich um ein außerordentlich kompliziertes Gesetz. Hier ist schon gesagt worden, daß wir einen Einstieg in die Materie vornehmen werden, weil wir an einigen Punkten nicht genau wissen, wie sich die Instrumente bewähren werden. Der Gesundheitsausschuß dieses Hauses hat eine Anhörung durchgeführt. Bei aller sonstigen Unterschiedlichkeit der vertretenen Standpunkte hat sich ergeben, daß eigentlich kein Hinderungsgrund besteht, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Ich würde dies jedenfalls außerordentlich begrüßen.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Aber der Umweltschutz findet kaum noch statt in diesem Gesetz!)

    — Der Umweltschutz findet jedenfalls in der Weise statt, Herr Kollege, daß wir den europäischen Entwicklungen Rechnung tragen, der Meinungsbildung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, an der wir wesentlich beteiligt waren.
    Umweltschutz kann auch weiterhin nur in geduldiger Kleinarbeit realisiert werden. Konsequenter Vollzug ist ein wesentliches Element der Umweltpolitik. Das zeigt sich beispielsweise bei der Festlegung von Lärmschutzbereichen oder von Mindestanforderungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz. Es ist eben nicht damit getan, daß nur Gesetze verabschiedet werden. Der Vollzug im einzelnen bringt hier für alle erhebliche Schwierigkeiten. Dem sollten wir Respekt zollen. Dies wird am Beispiel des Chemikaliengesetzes besonders deutlich.
    Ein besonders wichtiges Element in der Zukunftsperspektive des Umweltschutzes ist die internationale Zusammenarbeit. Umweltverschmutzung macht nicht an den Grenzen halt. Grenzen dürfen daher auch nicht die Bemühungen um den Umweltschutz einschränken. Für die Zukunft muß die Beteiligung der Bürger in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf der Basis der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit auch über die Grenzen hinweg sichergestellt werden. Grenzüberschreitende Standortplanung und Abwehr wechselseitiger Umweltbelastungen brauchen darüber hinaus neue rechtliche Instrumente, die greifen und gemeinsame Umweltplanungen möglich machen.
    Ich möchte nicht verschweigen, meine Damen und Herren, auch vor diesem Hohen Hause, daß manche industrielle Großprojekte, die an den Grenzen der Bundesrepublik angesiedelt werden, von unseren Nachbarländern nicht mit der notwendigen Rücksicht auf unsere Bevölkerung in Angriff genommen worden sind. Wir haben bilaterale Verhandlungen eingeleitet. Wir haben Erfolge erzielt. Aber ich kann es verstehen, wenn die Bürger in den Grenzregionen eine Mitsprache wünschen. Ich kann es verstehen, wenn die deutschen Bürgermeister in Grenzregionen eine Mitsprache, ein Informationsrecht haben wollen so wie ihre Kollegen auf der anderen Seite. Das heißt, wir müssen hier in Europa, auch in der Europäischen Gemeinschaft — das gilt nicht nur für unsere Grenzen, das gilt auch für andere Grenzen —, Instrumentarien entwickeln, die es möglich machen, bei Industrieansiedlung auf den anderen Rücksicht zu nehmen und sich etwa bei der



    Bundesminister Baum
    Katastrophenschutzplanung auch besser abzustimmen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU)

    — Zu diesem Gestank, von dem Sie sprechen, habe ich auch am Rande einer internationalen Konferenz Gespräche mit dem tschechoslowakischen Kollegen geführt und ihm nachdrücklich gesagt, daß auch dies eine unerträgliche Belastung für die Bevölkerung ist, die dort in den Grenzgebieten Bayerns lebt und diesen Umweltbelästigungen ausgesetzt ist. Meine Forderung richtet sich also gleichermaßen nach Ost und West, um es einmal so plakativ zu sagen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Das deutsch-niederländische Abkommen zum Ems-Dollart-Projekt wird Pilotfunktion für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Umweltschutz haben. Dieses Abkommen versucht nämlich, konstruktiv die grenzüberschreitenden Umweltprobleme zu bewältigen.
    Die Erfolge der Umweltpolitik werden auch in Zukunft vor allem auf dem Dialog mit dem Bürger beruhen. Das Bundesverfassungsgericht hat mich hier in der praktizierten offenen Form der Umweltplanung in seinem Mühlheim-Kärlich-Beschluß vom Ende letzten Jahres in meiner Auffassung bestätigt. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts haben wegweisende Bedeutung für die Rolle der Grundrechte in umweltrelevanten Genehmigungsverfahren. Der Beschluß ist die verfassungsrechtliche Antwort auf die Entwicklung der Entscheidungsstrukturen in den hoch komplexen, auch für die Entscheidungsträger wie für die Kontrollinstanzen nur schwer übersehbaren und steuerbaren Genehmigungsverfahren in umweltrelevanten Großprojekten.
    Der Beschluß — es handelt sich um eine der bedeutendsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts der letzten Zeit — zeigt auf, in welch hohem Maße das Verfahrensrecht für die betroffenen Bürger zum materiellen Grundrechtsschutz geworden ist.
    Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund erhalten auch die Bestrebungen zur Einführung der Verbandsklage einen ganz anderen, umweltpolitischen wie verfassungspolitischen Stellenwert, über den wir uns eingehend unterhalten sollten.
    Das Umweltthema hat eine Dimension, die über die praktische Politik hinausreicht. Es ist Katalysator für das Erkennen von Schwachstellen unserer Industriekultur. Umweltpolitik ist daher für mich mehr als ein Politikbereich unter vielen.
    Was unsere Umweltpolitik im kommenden Jahrzehnt bestimmen muß und bestimmen wird, ist eine immer stärkere Berücksichtigung ökologischer Kriterien in allen Lebens- und Politikbereichen. Dies entspricht eben dem Querschnittcharakter dieser Politik.
    Es muß jetzt eine noch wirksamere ökologische Durchdringung der Fachpolitiken und -planungen erfolgen. Dies ist nichts prinzipiell Neues, es muß nur stärker als bisher das Handeln der Politiker wie der Exekutive bestimmen.
    Zur Umweltvorsorge gehört weiter, daß in Zukunft verstärkt die Umweltmedien in ihrer Gesamtheit und gegenwärtigen Abhängigkeit gesehen werden müssen. Wir haben viele Gesetze, die punktuell — auf einzelne Bereiche hin — die Materie regeln. Wir haben noch relativ wenig Erfahrung über die gegenseitigen Abhängigkeiten der Medien, und wir haben noch relativ wenig Erfahrung über die Belastung in einzelnen Regionen und über die Veränderung der dortigen Belastungen. Entlastungen in einem Medium dürfen z. B. nicht zu unerwünschten Belastungen in anderen Bereichen führen; das muß noch besser als bisher untersucht werden. Dazu gehört ganz besonders die vorsorgliche Einbeziehung solcher Erkenntnisse und Entwicklungen, die künftige Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erwarten lassen.
    Die Aufstellung und Durchsetzung ökologischer Kriterien als Handlungsrahmen für umweltrelevante Politik beinhaltet eine Vielzahl von außerordentlich schwierigen Problemen, die man nur langfristig in den Griff bekommen kann. Dabei sind wir mehr als je zuvor auf die Mitarbeit von Wissenschaftlern und Technikern aller Disziplinen angewiesen. Dazu bedarf es einer Weiterentwicklung des ökologischen Bewußtseins in den Parlamenten und in der Exekutive, vor allem bei den Planungen umweltrelevanter Großvorhaben.
    Die Umweltverträglichkeitsprüfung muß konsequent durchgeführt werden. Sie muß zu einem wirksamen Instrument im Sinne einer Sicherung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts ausgebaut werden.
    Mit der Installierung der Projektgruppe Ökologie im Dezember vorigen Jahres sind wir hier bereits auf dem richtigen Wege. Diese Gruppe von Experten unter Vorsitz von Professor Dr. Bick, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates für Umweltfragen, wird in den nächsten Jahren mit der Erarbeitung eines ökologischen Situationsberichts die Grundlage für die Verstärkung ökologischer Maßstäbe legen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte allen danken, die sich in den Fraktionen, in den Verwaltungen und im gesellschaftlichen Bereich an Umweltproblemen interessiert gezeigt und an ihnen mitgewirkt haben. Ich möchte auch dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages danken, der in dieser Woche einen sehr befriedigenden Vorschlag zur Verlängerung und Verbesserung der steuerlichen Begünstigungen für Umweltinvestitionen, nämlich zu § 7 d Einkommensteuergesetz, gemacht hat. Ich möchte auch den Kollegen in diesem Hause danken, die durch ihre Mitarbeit an dem Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität einen wesentlichen Beitrag auf diesem Gebiet geleistet haben.
    Umweltpolitik verlangt von uns allen, dafür zu sorgen, daß für unsere Kinder und die nachfolgenden Generationen die Erde bewohnbar bleibt. Wir alle tragen dafür gemeinsam die Verantwortung. Bei



    Bundesminister Baum
    allen Meinungsverschiedenheiten über Einzelvorhaben und einzelne Maßnahmen darf dieser Grundkonsens, meine Damen und Herren, über die gemeinsame Verantwortung nicht verlorengehen. Wir brauchen auch künftig den offenen und ehrlichen Dialog unter den Beteiligten. Wir brauchen breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die Umweltpolitik wird auf Vertrauen auch in der Zukunft nur rechnen können, wenn ökologische Grunddaten und Umweltbelastungen ehrlich offengelegt werden und Entscheidungsprozesse der Umweltpolitik nachvollziehbar sind.
    Ich bedanke mich dafür, daß diese Debatte Gelegenheit dazu geboten hat. Ich bin sicher, daß sie zur Erfüllung dieser Ziele beitragen wird. Indem wir unsere Umweltziele konsequent diskutieren und auch kontrovers behandeln, uns aber im Grunde darüber einig sind, daß diese Erde bewohnbar bleiben muß — in einigen Teilen ist sie es ja schon nicht mehr —, leisten wir zugleich einen wichtigen Beitrag zur sozialen und damit auch zur politischen Stabilität unseres Landes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Staatsminister Dick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil eben vom Dank die Rede war, möcht ich vor allen Dingen denen danken, die hier noch anwesend sind. Man könnte fast sagen: Viele reden vom Umweltschutz, aber wenige sind auserwählt. Ich sage das deshalb, weil wir diese Dinge nicht in eine falsche Optik bringen sollten. Man sollte hieraus nicht den Schluß ableiten, die Problematik werde nicht gewichtig genug gesehen, genau wie nicht der Schluß gezogen werden darf: Wenn Länder im Bundesrat — im komme noch darauf zurück — eine andere Meinung haben, als hier im Hohen Haus beschlossen wurde, dann geht die Welt unter. Ich glaube, wir sollten diese Dinge viel gelassener sehen.
    Ich versuche hier nun, auf die große umweltpolitische Anfrage der Koalitionsparteien aus der Sicht der Länder einzugehen.
    Es ist zweifellos ein Thema zum Gegenstand gewählt worden, das Bund und Länder gemeinsam berührt. Der teils rhetorische Charakter der Fragen und — das ist natürlich durchaus zulässig — der Zeitpunkt, zu dem sie gestellt wurden, die zeitliche Nähe zu diversen Wahlterminen, verdichten allerdings den Eindruck, daß sich Anfrage und Antwort natürlich an die Wählerschaft insgesamt, aber insbesondere an bestimmte 3 bis 5 % richten. Somit dürfte die Anfrage nicht nur dem Schutz und der Pflege der Umwelt, sondern auch dem Schutz und der Pflege der in diesem Hohen Hause bestehenden Sitzverteilung dienen. Das ist legal, erleichtert aber nicht unbedingt die Aussprache, weil dadurch der parteipolitische Zwang besteht, schärfer in die Kritik zu gehen.
    Herr Bundesminister Baum, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie ausdrücklich gesagt haben, Sie wünschten einen ehrlichen Dialog der Beteiligten.
    Grundkonsens könne hier trotzdem bestehen. Unter dieser Maxime möchte ich versuchen, einige kritische Anmerkungen zu dieser Anfrage und ihrer Beantwortung zu machen.
    Es ist bedauerlich, aber verständlich — wenn ich auf die Gruppierungen zurückblende, die ich vorhin gemeint habe —, daß diese Anfrage ausgerechnet jenes Thema ausklammert, das insbesondere diese 3 bis 5 % der Wähler, im Grunde jedoch alle im Lande klar behandelt haben möchten. Dieses heiß diskutierte Thema ist: „Umweltschutz und Kernenergie.
    Die Bundesländer, die diese schwierigen Probleme in Bundesauftragsverwaltung zu lösen haben, wären wirklich dankbar gewesen, klare Aussagen dieser Bundesregierung zu hören — zumindest wäre das sehr interessant gewesen.
    Ich möchte aber weniger auf das eingehen, was in dieser Antwort fehlt, als vielmehr auf das, was in ihr enthalten ist: Zunächst ist zu begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort wiederholt betont, daß • die Umweltpolitik in der Bundesrepublik Deutschland von allen im Bundestag vertretenen Parteien gemeinsam getragen und verantwortet werde und daß die Erfolge dieser Umweltpolitik entscheidend auf der guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beruhten. Das ist auch unsere Überzeugung.
    Um so unverständlicher ist, daß in der Antwort der Bundesregierung neben diesen auch ganz andere Töne angeschlagen werden. Mehr oder weniger wird der Eindruck erweckt, als habe in der Bundesrepublik Umweltschutz erst mit dem Umweltprogramm 1971 der Bundesregierung begonnen, als habe 1971 die Stunde null der Umweltpolitik geschlagen, als seien erst damals — ich zitiere — „Grundsteine gesetzt, Signale gegeben worden" — und was sonst noch an Bildern herhalten muß.
    Ausflüsse einer solchen Beurteilung finden ihren Niederschlag auch in einem Artikel in „Bild der Wissenschaft" vom April 1980, aus dem ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren darf:
    Die staatliche Umweltpolitik begann in der Bundesrepublik Deutschland mit der sozialliberalen Koalition 1971.

    (Dr. Laufs [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Das widerspricht, wie ich meine, den Tatsachen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Entspricht!)

    — Lassen Sie mir Zeit, ich kann nicht drei Sätze auf einmal sagen. Ich versuche, das nun zu belegen.
    Ich meinerseits möchte aber nicht so selbstgerecht sein und von Signalen und Grundsteinen, die die Länder in der Umweltpolitik gesetzt hätten, sprechen, die den Bund gewissermaßen zum Kostgänger der Länder degradieren. Aber ein wenig möchte ich die Gewichte doch zurechtrücken und feststellen, daß es häufig die Länder waren, die über Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaften — dankenswerterweise haben Sie, Herr Kollege Konrad, das vorhin in Ihren Ausführungen erwähnt —, durch eigene Initiative, die Einbringung von Erfahrungen



    Staatsminister Dick (Bayern)

    mit bereits im Vollzug befindlichen Gesetzen sowie durch Vor- und Zuarbeit dem Bund gute Dienste geleistet haben.
    Ich glaube, Herr Kollege Wolfgramm, hier ist auch das anspruchsvolle Umweltprogramm 1971 anzusprechen, das Sie hier erwähnt haben. Ich kenne die Entwicklung sehr gut, weil ich in meiner Dienstzeit bereits drei Bundesminister kennengelernt habe bis hin zu Ihnen, Herr Baum. Ich kenne Stockholm. Stockholm wäre für diese Republik nicht möglich gewesen, wenn nicht die Länder in den Fallbeiträgen und auch in ihren Beiträgen zu diesem Umweltprogramm 1971 ihre Erfahrungen verfügbar gehalten hätten, die dann auch — Gott sei Dank, muß ich sagen — umfassend in ein Programm eingebunden worden sind. Gehen wir doch nicht immer davon aus, als wäre das alles die Weisheit einer einzigen Etage in dieser Republik!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sollten hier die Vielfalt unserer Strukturen sehen. Aus dieser Vielfalt erwächst die Stärke dieser Republik, und das ist im Grundsatz auch der Sinn unseres föderativen Staatsaufbaus.
    Ich darf daran erinnern, wie bahnbrechend für die Neuordnung des Naturschutzrechts die Landes-Naturschutzgesetze von Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern von 1973 bzw. von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen von 1975 waren. Ich bin doch nicht so kleinlich, hier nur CDU- oder CSU-Länder aufzuzählen. Hier ist umfassend einmal die Länderseite mit einzubinden.
    Das Bundesnaturschutzgesetz hat seinen Inhalt diesen Gesetzen erst 1976 mehr oder weniger angeglichen bzw. sogar übernommen. Das ist keine Schande. Wir sind dankbar dafür. Aber das ist die reine Wahrheit, wenn Sie so wollen. Dementsprechend ist auch eine Anpassung dieser Landesgesetze an das Bundesgesetz, wie sie die Antwort fordert, nur in einigen Teilbereichen veranlaßt und darum auch weit weniger dringlich, als dies dargestellt wurde.
    Der Beitrag des Bundes zum Bundesnaturschutzgesetz war demgegenüber nicht besonders rühmlich. Durch ihre beharrliche Forderung, über eine Verfassungsänderung die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis eingeräumt zu bekommen, hat die Bundesregierung über Jahre hinweg eine einvernehmliche und befriedigende Lösung verhindert. Sie ist dann Gott sei Dank gekommen, aber viel zu spät. Hier ist der Rahmen besser als die konkurrierende Lösung, einfach weil das Nordseegebiet und das Ostseegebiet nicht vergleichbar sind mit dem Alpengebiet. Das kann man nicht über einen Kamm scheren, sondern hier müssen regionale Lösungen gefunden werden, ohne einer kleinlichen Zuteilung und Verteilung der Zuständigkeiten das Wort zu reden. Das war mit Sicherheit die bessere Lösung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen geht das Bundesnaturschutzgesetz inhaltlich auf eine Bundesratsinitiative seitens der
    Länder Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zurück und nicht auf einen Entwurf der Bundesregierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Auch im Bereich der Planung und Umweltvorsorge haben die Länder eine Vorreiterrolle gespielt, indem sie beispielsweise das Raumordnungsverfahren zu einem wirksamen Instrument der Prüfung der viel zitierten Umweltverträglichkeit entwickelt haben, lange bevor die Bundesregierung für ihren Bereich Kriterien zur Umweltverträglichkeitsprülung eingeführt hat. Für Bayern schließlich möchte ich auf den Alpenplan als Beispiel ökologischer Umweltvorsorge hinweisen, mit dem bereits im Jahre 1972 die Erschließung des bayerischen Alpenraums nach Kriterien des Naturschutzes verbindlich geordnet und auch begrenzt wurde.
    Hier wäre überhaupt noch ein Wort über die Koppelung von Planung und Umweltschutz zu sagen, wie das übrigens jetzt Hessen ähnlich wie Bayern bereits ab 1970 vollzieht. Denn Planung und Umweltschutz gehören in Wirklichkeit zusammen, wenn wir an die Umweltprophylaxe denken. Ich möchte nun dem Bund oder Ihnen hier keine Vorschläge unterbreiten, aber die Frage ist doch sicherlich erlaubt, ob es richtig war, seinerzeit die Zuständigkeit, Planung und Umweltschutz koppeln zu können, die Raumordnung aus dem Bundesinnenministerium herauszunehmen; sie hätte vernünftigerweise beim Bundesinnenminister verbleiben sollen. Wir sind der Meinung, daß im Sinne einer vorbeugenden Umweltvorsorge diese Lösung durchaus die bessere gewesen wäre.
    Im Bereich des technischen Umweltschutzes liegen die Dinge nicht anders. Die Aktivitäten der Länder, beispielsweise im Gewässerschutz, haben schon lange Tradition. Man sollte nicht so tun, als würde nun das Abwasserabgabengesetz erste Lösungen bringen, durch die Gewässerschutz erst möglich wird. Beachten Sie die Millionenbeträge in den Ländern, besonders in den Flächenstaaten! Allein in diesem Haushaltsjahr wendet Bayern 400 Millionen DM auf, um die Gewässer in Ordnung zu halten. So ist es ja auch nicht, daß bisher nichts geschehen wäre. Aber ich komme darauf noch zurück, im speziellen Teil.
    Auch auf anderen Gebieten wurden die eigentlichen Leistungen von den Ländern erbracht, die zum großen Teil lange vor dem Erlaß der bundesgesetzlichen Regelung ihre Sanierungs- und Vorsorgemaßnahmen eingeleitet haben. Beispielsweise sei hier nur die Sondermüllbeseitigung erwähnt. Bereits 1968, also vier Jahre vor Erlaß des Bundesabfallbeseitigungsgesetzes, wurde etwa in Bayern eine überregionale wirksame Sondermüllbeseitigungsanlage in Betrieb genommen. Bereits 1970 wurde eine flächendeckende landesweite Organisation zur Erfüllung dieser Aufgabe geschaffen. Im Bereich der Abfallgesetzgebung haben eindeutig die Länder den entscheidenden Beitrag geliefert.
    Vergleichbare Schrittmacherdienste haben die Länder auf dem Gebiet des Immissionsschutzes, aber auch im Bereich des Strahlenschutzes geleistet. So haben etwa die in Bayern und in Nordrhein-



    Staatsminister Dick (Bayern)

    Westfalen schon seit langem installierten lufthygienischen Überwachungssysteme für Bestimmungen im Bundesimmissionsschutzgesetz Pate gestanden, wonach nunmehr entsprechende Überwachungssysteme in Belastungsgebieten einzuführen sind. Ähnliches gilt für das in Bayern bestehende Kernreaktor-Fernüberwachungssystem, dessen bundesweite Einführung der Innenausschuß des Bundestages nunmehr von der Bundesregierung gefordert hat. Ich glaube, Herr Dr. Hartkopf, es spricht für Sie, daß Sie auch hier den Weg nach München gefunden haben — anläßlich einer Tagung, die in München lief —, um sich konkret im Hause dieses Kernreaktor-Fernüberwachungssystem anzuschauen. Dieses sachliche Gespräch sollte nicht nur einmal möglich sein, sondern auch künftig. So können Bund und Länder gegenseitig voneinander profitieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Erfolge einer langen Umweltschutzpraxis haben die Länder in die Zusammenarbeit mit dem Bund eingebracht. Sie werden sie auch weiter einbringen, insbesondere, wie bereits erwähnt, in die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaften. Das weiß auch die Bundesregierung. Ich halte es deshalb für wenig geschmackvoll, der bisherigen Zusammenarbeit eher abträglich — nicht vorhin durch Ihren Beitrag, Herr Bundesminister, sondern in der Antwort und in den Zwischentönen —, wenn sich die Bundesregierung, so wie hier geschehen, die Federn des gemeinsamen Erfolges auf ihren grünen Hut stekken will.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die umfassende, intensive und — abgesehen von der eben angebrachten Kritik — insgesamt befriedigende Zusammenarbeit von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Umweltschutzes schließt natürlich nicht aus, daß in diversen Punkten Meinungsverschiedenheiten bestehen. Auch an der Antwort der Bundesregierung wäre deshalb eine Fülle von Anmerkungen anzubringen. Die zur Verfügung stehende Zeit läßt dies im gebotenen Umfange leider nicht zu. Ich will deshalb nur einen Punkt herausgreifen, der mir besonders bedeutsam erscheint, und zwar das sogenannte „Aktionsprogramm Ökologie" der Bundesregierung.
    Es ist völlig unstrittig, daß nach den bisherigen Schritten und Erfolgen im Bereich des Umweltschutzes künftig verstärkt eine gesamt-ökologisch orientierte vorbeugende und vorsorgende Umweltpolitik betrieben werden muß. Ebenso unstrittig ist aber auch, daß Bund wie Länder weit davon entfernt sind — ich sage bewußt: Bund und Länder —, ökologische Zusammenhänge und Vernetzungen größeren Umfangs erfassen, darstellen, quantifizieren oder gar systemgerecht steuern zu können. So erklärt Staatssekretär Dr. Hartkopf in der letzten Nummer von „Bild der Wissenschaft" selber zu Recht — ich zitiere —: „Es fehlen vielfach noch verläßliche Daten für eine Entscheidung.' Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Diese Probleme kann man aber nun nicht dadurch lösen, daß man den bisherigen ersten Lösungsansätzen einen schönen wahlkämpferischen Namen aufklebt: „Aktionsprogramm Okologie". Dadurch werden zum einen die Probleme verwischt. Zum anderen gerät man in die Versuchung, manches als ökologisch darzustellen, was einfach nicht ökologisch ist. Dieser Versuchung ist, wie ich meine, die Bundesregierung erlegen. Sie hat nämlich der Okologie so manches untergejubelt, was keinerlei Bezug zu ihr hat. Ich meine das durchaus im Sinne einer positiven Kritik.
    So ist die Feststellung der Bundesregierung schlicht falsch, sie habe beispielsweise mit dem Fluglärmgesetz von 1971 eine wichtige Voraussetzung für die systematische Umweltvorsorge geschaffen und dabei ökologische Anforderungen berücksichtigt. Das Fluglärmgesetz ist im wesentlichen ein Entschädigungsgesetz.

    (Konrad [SPD]: Das stimmt nicht!)

    — Ich habe gesagt „im wesentlichen". (Lachen bei der SPD)

    Das Fluglärmgesetz orientiert sich primär an wirtschaftlichen Gegebenheiten. Da muß man das Gesetz genau durchforsten. Wir müssen das zur Zeit sehr genau tun wegen des Großflughafens München II. Es ist leider in der Tat so. Humanökologische Erfordernisse des Lärmschutzes läßt das Gesetz weitgehend außer acht. Ich sage das gar nicht im Sinne einer boshaften Kritik. Wir sollten alle mitsammen nicht auf die Ökologie in einer krampfhaften Art und Weise rein rhetorisch Bezug nehmen und glauben, wir könnten dann Probleme lösen. Wir müssen knallhart und haarscharf diskutieren und versuchen, Lösungen zu finden. Die finden wir nicht dann, wenn wir einfach Wortbegriffe wählen, die der Lösung der Probleme keine Wege eröffnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Ich bin auf Ihre konkreten Vorschläge gespannt!)

    — Bayern hat gute Vorschläge gebracht. (Weiterer Zuruf von der, SPD)

    — Jetzt passen Sie auf. Nehmen Sie einmal das Umweltprogramm 1978. Jetzt muß ich schon einmal deutlich werden. Ich wollte das gar nicht so deutlich sagen, weil das klimatisch heute so schön gelaufen ist. Jeder hat ja fast vor dem anderen Angst, zu sehr in die Debatte einzusteigen. Wissen Sie, warum? Ich persönlich sehe nicht ein — das mag auch Ihre Sorge sein —, daß wir uns in diesen Ebenen politischer Verantwortung — Land und Bund — zu sehr zerstreiten und denen draußen Anlaß geben, sich als Dritte zu freuen, die jetzt als Grüne auftauchen, noch grün hinter den Ohren waren, als Parlamente in Bund und Ländern den Fragen des Umweltschutzes längst nicht nur Aufmerksamkeit geschenkt, sondern Lösungen im harten Ringen um die Probleme erreicht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb sollten wir uns wegen der paar Grünen auch nicht die Gäule scheu machen lassen.
    Aber schauen Sie in das Umweltprogramm 1978. Ich habe schon bei der Umweltschutzministerkonferenz 1978 kritisiert — ich habe das Protokoll da-



    Staatsminister Dick (Bayern)

    bei —, daß auch seinerzeit schon der Bund versucht hat, das schöne Programm nur für sich zu verkaufen, die Länder kaum oder gar nicht zu erwähnen. An diesem Punkt setzen wir uns zur Wehr, nicht nur von der CDU, sondern auch von anderen Ländern. Ich könnte Ihnen Belege geben. Wenn man schon von Gemeinsamkeit spricht, kann man nicht nur einseitig Vollzugsdefizite verteilen, dann darf man auch die gemeinsamen Erfolge nicht nur für sich in Anspruch nehmen und sagen, man habe sie dem anderen abringen müssen, sondern muß zugeben, daß das eine Leistung aller ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Konrad [SPD])

    Wir sollten bei genauer Durchsicht dieser Programme dankbar feststellen, daß die Zusammenarbeit bei der Lösung von Problemen möglich war, die nicht in den Alltagsstreit hineingezerrt werden dürfen.

    (Konrad [SPD]: Was tun Sie denn anderes?)

    Oberhaupt eignen sich Grundfragen dieser Republik, wie äußere Sicherheit, innere Sicherheit und auch Umweltprobleme, nicht unbedingt für einen dauernden polemischen Streit. Das war heute nicht der Fall. Deshalb möchte ich diese Einlage nun wieder etwas außer Gefecht nehmen.
    Ich möchte nun die Antwort auf die Frage nach dem ökologischen Konzept fortsetzen. Auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist ein Beispiel dafür, daß man sich täuschen kann. Genau besehen ist dieser Gesetzentwurf geradezu ein Schulbeispiel für ökologisch verfehlte Maßnahmen. Nach dieser Novelle sollen nämlich die Belastungsgebiete im Interesse einer verstärkten Kohleverstromung weiter belastet, außerhalb dieser Gebiete dagegen Luftreinhaltereservate geschaffen werden. Bei dieser Regelung werden, um bei der Ausdrucksweise des ökologischen Konzepts der Bundesregierung zu bleiben, die Gesetze des „ökologischen Teilsystems Atmosphäre" überhaupt nicht berücksichtigt, die wegen des Ferntransports der Schadstoffe eine derartige Reservatstrategie nicht erlauben.

    (Zurufe von der SPD)

    — Wir stehen gar nicht so allein, von Bayern her gesehen. Soviel ich weiß — man hört ja auch manches —, hat auch Ihr Kanzler im Kabinett nicht unbedingt größte Freude an dieser Novelle gezeigt. Es ist auch wieder etwas die Zeit darüber hingegangen, so daß das heute vielleicht nicht unbedingt so bewertet wird wie seinerzeit.
    Ich habe deshalb erhebliche Zweifel, ob dieses Programm mit seinen vollmundig grün klingenden Namen tatsächlich den ökologischen Umweltschutz überhaupt vorwärtsbringt. Ich befürchte vielmehr, daß hier Hoffnungen und Erwartungen geweckt werden, die — schon heute ist das absehbar — auf Jahre nicht erfüllt werden können. Dadurch wird im Grunde der ökologische Umweltschutz eher in Mißkredit gebracht, als dem gemeinsamen Ziel zu nützen, in den Umweltschutz und darüber hinaus in die gesamtwirtschaftliche Entwicklungstrategie verstärkt ökologische Kriterien einzuführen. Wer einen zu weiten Erfahrungshorizont weckt, wird Mühe haben, dann das, was der andere erwartet, auch erfüllen zu können.
    Wenn ich nun die große umweltpolitische Anfrage insgesamt bewerte, so ist festzustellen: Es steht natürlich außer Frage, daß die Antwort der Bundesregierung Ziele und Aussagen enthält, die alle, die mit dem Umweltschutz befaßt sind, sich seit Jahrzehnten zur Maxime gemacht haben. Insgesamt aber muß eine erhebliche Diskrepanz zwischen den wohlklingenden Zielen und der rauhen Wirklichkeit festgestellt werden. Heute pfeift uns Umweltschützern der Wind wieder besser um die Ohren. Wenn das Geld weniger wird, sich die Rahmenbedingungen verschlechtern, dann sind manche bereit, etwas leiser zu treten — nicht der Bundesminister, der vorhin das Konzept vertreten hat, nicht die Umweltminister der Länder. Aber einfach aus der Gegebenheit der Möglichkeiten heraus wird manches schwieriger sein als in der Zeit der vollen Kassen.
    Wie stellen sich nun einerseits Ansprüche und andererseits tatsächliches Verhalten der Bundesregierung dar? Die Antwort der Bundesregierung enthält dafür genügend Beispiele. So rühmt sich die Bundesregierung, Kenntnisse und Engagement der Bürger in Umweltfragen durch zielgruppenspezifische Aufklärungs- und Informationsmittel zu fördern. Dieses Bemühen wäre selbstverständlich voll zu unterstützen. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit zur Bewußtseinsbildung im Bereich des Umweltschutzes gehört wesentlich zum Ressortbereich derjenigen, die für den Umweltschutz verantwortlich sind. Wie aber sieht nun diese Informationsarbeit teils in Wirklichkeit aus? Die Bundesregierung beteuert beispielsweise in offiziellen Verlautbarungen die ökologische Vertretbarkeit der Kernenergie. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten: „Auch die Bundesrepublik kann auf absehbare Zukunft, d. h. jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte, nicht ohne Kernenergie auskommen. So Bundeskanzler Schmidt am 4. Juli 1979 im Deutschen Bundestag. Oder — ich zitiere wiederum —: „Wir werden trotz Einsparung und vorrangiger Nutzung der heimischen Steinkohle auf einen begrenzten Ausbau der Kernenergie auch in Zukunft nicht verzichten können. So Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff vor der IG Chemie am 2. Mai 1979. Ich sage Ihnen ganz offen, ich bin als Landesminister für solche deutlichen Aussagen durchaus dankbar. Wir stehen ja im Vollzug. Der Vollzug ist oftmals härter, als Gesetze zu beschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich war früher vor zehn Jahren selbst Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtages, und ich würde oft wünschen, daß viele von uns die Verbindung mit der Kommunalpolitik halten. Ich habe nämlich eine Reihe von Gesetzesvorlagen des Deutschen Bundestages in Erinnerung. Der Titel des Gesetzes beschreibt den Inhalt, und bei den Kosten steht häufig: „Keine". Bei den Ländern wird es schon schwieriger. Was die Kosten für den Vollzug draußen betrifft, so stehen meist die Länder und immer die Kommunen in der Pflicht. Gerade aus



    Staatsminister Dick (Bayern)

    dieser Sorge heraus bitte ich um Verständnis, daß heute manches kritisch angemerkt wird. Wir sind also dankbar, wenn deutliche Aussagen gemacht werden.
    Mit den Schriften aber, mit denen wir konfrontiert werden, kam beispielsweise auch das „Ei des Kolumbus". Ich möchte Ihnen diese Broschüre einmal beispielhaft erläutern. Sobald Sie das Deckblatt aufschlagen, wird bereits auf Seite 2 aus dem Ei des Kolumbus, der Kernenergie, das faule Ei des Kolumbus. Diese Akzentverschiebung zeigt deutlich die Weichenstellung, die sich ja dann auch bestätigt. Die Aussagen dieses clever aufgemachten Buches enthalten einen Satz wie den folgenden — ich bitte, jetzt genau hinzuhören, und ich bitte, zitieren zu dürfen —: „Das schmutzige Geschäft ist dabei die Wiederaufbereitung der Brennstäbe"; wo mit Plutonium gefüllte Fässer, die mit Totenköpfen verziert werden, frei an einem Flußrand liegen; aus defekten Fässern rinnt das Gift in den Fluß, in dem Menschen baden. Das ist eine unverantwortliche Verzerrung der tatsächlichen Gegebenheiten. Wo in dieser Bundesrepublik finden Sie solche Zustände, muß ich fragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jeder Bundesminister und jeder Landesminister müßte zurücktreten, wenn es so wäre. Es ist natürlich nicht so.

    (Zuruf von der CDU/CSU: In Hessen ist einer zurückgetreten!)

    Die in unserem Zusammenhang interessanteste Aussage des Buches findet sich beachtenswerterweise auf der letzten Seite, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Dort steht — ich zitiere wiederum mit Genehmigung des Herrn Präsidenten —: „Diese kostenlose Sonderauflage des Energiebilderbuches wurde hergestellt mit finanzieller Unterstützung des Bundesministers des Innern und des Umweltbundesamtes Berlin Jede Mark sollte dafür zu schade sein! Das ist die Meinung, die ich deutlich aussprechen wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich glaube, das ist auch Informationspolitik der Bundesregierung.
    Ich habe das bewußt deutlich gesagt, weil wir nicht weiterkommen, wenn wir es nicht offen ansprechen. Wir können in dieser schwierigen Frage der Kernenergie — das ist ja auch ein ökologisches Problem — nicht weiterkommen, wenn wir diesen Atomeiertanz weiter aufführen. Wir müssen hier klar Farbe bekennen. Es darf gar nicht so weit kommen, daß ein Ministerpräsident wie Albrecht sagen muß: „Technisch ist das möglich, politisch nicht durchführbar Es führt allmählich zu einer Bankrotterklärung politischen Handelns, wenn in diesen Lebensfragen unserer Republik nicht wieder ein Gleichklang hergestellt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)